Beschluss vom 15.12.2009 -
BVerwG 1 WB 72.08ECLI:DE:BVerwG:2009:151209B1WB72.08.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 15.12.2009 - 1 WB 72.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:151209B1WB72.08.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 72.08

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Weschollek und
den ehrenamtlichen Richter Hauptfeldwebel Kanert
am 15. Dezember 2009 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller begehrt die Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes. Außerdem wendet er sich gegen das Ergebnis der Potenzialfeststellung, die als Psychologische Eignungsprüfung im Zuge des Auswahlverfahrens stattgefunden hat, und begehrt deren erneute Durchführung.

2 Der 1980 geborene Antragsteller ist Berufssoldat, dessen Dienstzeit voraussichtlich mit Ablauf des ... 2034 enden wird. Zum Hauptfeldwebel wurde er am ... März 2009 ernannt. Seit dem ... April 2007 wird er bei der ...bataillon ... in G. in der Funktion eines Einsatzfeldwebels verwendet. Den Feldwebellehrgang Teil 2 Pioniermaschineneinsatzfeldwebel und seine Laufbahnprüfung zum Feldwebel hatte er am ... November 2002 mit dem Ergebnis „gut bestanden“ (Note mit Dezimalstellen: 2,012) abgeschlossen. In der planmäßigen Beurteilung zum 30. September 2007 erhielt er ausweislich der Nummern 3.2 und 8.5 den Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung 6,1 und die Entwicklungsprognose „Förderung bei Bedarf bis in die höchsten Verwendungen der Laufbahn“. In der Laufbahnbeurteilung vom 13. August 2007 erreichte er die Empfehlung „für den Laufbahnwechsel in außergewöhnlichem Maß geeignet“.

3 Mit Schreiben vom 1. August 2007 beantragte der Antragsteller seine Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes für das Auswahljahr 2008. Die Psychologische Eignungsprüfung absolvierte er nach der Mitteilung der Stammdienststelle der Bundeswehr vom 8. November 2007 mit 33 Indexpunkten (Empfehlungsgrad „mit Einschränkungen empfohlen“).

4 Das Personalamt der Bundeswehr lehnte den Antrag mit Bescheid vom 17. April 2008 ab und führte zur Begründung aus, die Auswahlkonferenz habe nach Auswertung der Bewerbungsunterlagen aller Bewerber des Geburtsjahrgangs des Antragstellers in seiner Ausbildungs- und Verwendungsreihe - unter Beachtung des Bedarfs - Bewerber zur Zulassung vorgeschlagen, deren Eignungs- und Leistungsbild jeweils günstiger als das seine gewesen seien.

5 Dem Ablehnungsbescheid lagen folgende Bewertungen zu Grunde:
1. Letzte planmäßige Beurteilung = 205,7 Punkte
(6,1 (Aufgabenerfüllung) x 17) + 102 (Entwicklungsprognose)
2. Empfehlungsgrad aus der Laufbahnbeurteilung = 150 Punkte
3. Feldwebellehrgang = 85,303 Punkte
154,2857143 - (34,2857143 x 2,012 (= Lehrgangsnote))
4. Potenzialfeststellung = 100 Punkte
210 - ((180 : 54) x 33 (Indexpunkte)
1 bis 4 addiert: Gesamtpunktsumme (GPS) = 541,003
Summenrangplatz (SRP) = 615

6 Gegen den Bescheid legte der Antragsteller mit Schreiben vom 16. Mai 2008 Beschwerde ein. Er führte zur Begründung aus, dass der Eignungstest in der Potenzialfeststellung fehlerhaft durchgeführt worden sei. Der Psychologe habe den in 30 Minuten zu erstellenden Aufsatz zum Thema „Frieden schaffen ohne Waffen“ bei ihm nur deshalb schlecht bewertet, weil er ihn in Briefform verfasst habe. Diese Form der Aufsatzbearbeitung sei aber allgemein anerkannt. Außerdem habe ihn der Psychologe einem nicht dokumentierten Allgemeinwissenstest unterzogen, den kein anderer Teilnehmer des Eignungstests habe ablegen müssen. Wahrscheinlich habe der Psychologe sein Testergebnis noch einmal nach unten korrigiert; das habe zu der Wertung „mit Einschränkungen empfohlen“ geführt. Dadurch habe man ihm die Chance genommen, an einem fairen Auswahlverfahren für die angestrebte Laufbahnzulassung teilzunehmen.

7 Die Beschwerde wies der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit Bescheid vom 22. August 2008 zurück. Er legte dar, der Antragsteller habe ausweislich der anzuwendenden Berechnungsformeln nach der einschlägigen Auswahlrichtlinie nur eine Gesamtpunktsumme von 541,003 und damit den Summenrangplatz 615 „Gesamt Heer“ erreicht. Von den drei in seiner Ausbildungs- und Verwendungsreihe ... „Pioniere“ im Geburtsjahrgang 1980 zur Zulassung vorgeschlagenen Bewerbern habe aber der letztzugelassene mit einer Gesamtpunktsumme von 649,689 den Summenrangplatz 36 „Gesamt Heer“ belegt. Soweit der Antragsteller befürchte, durch das Ergebnis seiner Potenzialfeststellung benachteiligt worden zu sein, sei festzustellen, dass er selbst bei fiktiver Berücksichtigung des höchsten Empfehlungsgrades „mit besonderem Nachdruck empfohlen“ (9 Indexpunkte) und des damit verbundenen Maximalpunktwerts von 180 in dieser Kategorie dennoch nur auf eine Gesamtpunktsumme von 621,003 gekommen wäre; damit hätte er sich lediglich auf den für eine Zulassung noch immer nicht ausreichenden Summenrangplatz 174 „Gesamt Heer“ verbessern können.

8 Gegen diese dem Antragsteller am 27. August 2008 zugestellte Entscheidung richtet sich sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 9. September 2008, den der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit seiner Stellungnahme vom 16. September 2008 dem Senat vorgelegt hat.

9 Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Er sei von seinen Disziplinarvorgesetzten als „in außergewöhnlichem Maße für einen Laufbahnwechsel geeignet“ dargestellt worden. Der für ihn ermittelte Summenrangplatz beruhe auf falscher Berechnung. Anstatt den zutreffenden Notenwert 1,798 aus der Laufbahnprüfung in das Gesamtergebnis einfließen zu lassen, sei fälschlicherweise der Wert von 2,012 der Berechnung zu Grunde gelegt worden. Ferner sei der Test in der Potenzialfeststellung rechtswidrig gewesen. Die Bewertung seines Aufsatzes mit der Note „ungenügend“ beruhe ausschließlich auf der von ihm gewählten Aufsatzform, die vom Prüfer zu Unrecht nicht akzeptiert worden sei; die Briefform sei eine nach den Lehrplänen aller Kultusministerien anerkannte Aufsatzart. Das schlechte Ergebnis der Potenzialfeststellung habe sich negativ auf das Gesamtergebnis ausgewirkt. Durch den im Laufe der Potenzialfeststellung nur bei ihm durchgeführten „Allgemeinwissenstest“ sei er ebenfalls in seinen Rechten verletzt worden. Der Test sei einer Nachprüfung nicht zugänglich, weil er in keiner Akte dokumentiert worden sei. Die Potenzialfeststellung dürfe nur einmal in der gesamten Laufbahn abgelegt werden; diese Prüfung werde auch bei Bewerbungen in den folgenden Jahren ein Auswahlkriterium darstellen und daher weiterreichende Wirkungen für die Zukunft entfalten. Das Ergebnis der Potenzialfeststellung könne er deshalb isoliert angreifen. Das Schreiben der Stammdienststelle der Bundeswehr vom 8. November 2007, mit dem ihm das Ergebnis der Potenzialfeststellung eröffnet worden sei, habe keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten, sodass seine Beschwerde insoweit nicht verfristet sei.

10 Der Antragsteller beantragt,
1. den Bescheid des Personalamts der Bundeswehr vom 17. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2008 aufzuheben und über eine Neubewertung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden sowie die Lehrgangsnote/Laufbahnprüfung unter Berücksichtigung der ermittelten Lehrgangsnote von 1,798 zu korrigieren,
2. festzustellen, dass das durch die Antragsgegnerin ermittelte Prüfergebnis der Potenzialfeststellung sowie die Durchführung der Potenzialfeststellung rechtswidrig sind,
3. ihn, den Antragsteller erneut zur Durchführung der Potenzialfeststellung zuzulassen, hilfsweise das Prüfergebnis unter Auffassung der Rechtsaufsicht (richtig wohl: unter Beachtung der Rechtsauffassung) des Gerichts zu korrigieren und zu benoten.

11 Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

12 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung sei unbegründet. Soweit der für die Lehrgangsnote/Laufbahnprüfung zu Grunde gelegte Wert von 2,012 beanstandet werde, sei dieser von der „...schule ...“ als richtig bestätigt worden. Auch bei Berücksichtigung der vom Antragsteller als maßgeblich bezeichneten Durchschnittsnote von 1,798 werde sich seine Gesamtpunktsumme auf lediglich 548,340 erhöhen. Eine Laufbahnzulassung des Antragstellers wäre mit dieser Punktzahl ebenfalls nicht erfolgt. Die Beanstandungen hinsichtlich des Tests zur Potenzialfeststellung seien unter dem 1. Juli 2008 zur weiteren Bearbeitung als Dienstaufsichtsbeschwerde an das Personalamt der Bundeswehr abgegeben worden. Das dienstaufsichtliche Überprüfungsergebnis liege dem Antragsteller ausweislich des Bescheids des Amtschefs des Personalamts vom 29. August 2008 vor. Der Antragsteller habe sich gegen das ihm von der Stammdienststelle der Bundeswehr mit Schreiben vom 8. November 2007 mitgeteilte Ergebnis der Potenzialfeststellung im Übrigen nicht fristwahrend beschwert. Als truppendienstliche Erstmaßnahme habe diese Mitteilung keiner Rechtsbehelfsbelehrung bedurft. Soweit der Antragsteller beantrage, ihn erneut zur Durchführung der Potenzialfeststellung zuzulassen und - hilfsweise - das Prüfergebnis zu korrigieren, sei dieses Rechtsschutzbegehren unzulässig, weil das erforderliche Vorverfahren nicht durchgeführt worden sei. Nach den seit dem 8. Juli 2008 geltenden „Bestimmungen zur Methodik der Potenzialfeststellung für Unteroffiziere“ entscheide das Referat BMVg - PSZ III 6 - über die ausnahmsweise mögliche Wiederholung der Potenzialfeststellung. Der diesbezügliche Antrag sei bereits an das zuständige Referat mit der Bitte weitergeleitet worden, hierüber nach Abschluss des vorliegenden Wehrbeschwerdeverfahrens zu entscheiden.

13 Der Senat hat vom Bundesminister der Verteidigung eine Amtliche Auskunft zu der Frage eingeholt, welche Notenangabe im Lehrgangszeugnis über die Feldwebelprüfung das Personalamt der Bundeswehr in ständiger Verwaltungspraxis als Bewertungskriterium bei der Berechnung des Summenrangplatzes berücksichtigt. Insoweit wird auf den Inhalt der Amtlichen Auskunft des Bundesministeriums der Verteidigung - Referatsleiter PSZ I 1 - vom 15. September 2009 verwiesen.

14 Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: 882/08 - und die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis C, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

15 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

16 1. Der Antrag zu 1., der sinngemäß darauf gerichtet ist, den Ablehnungsbescheid des Personalamts der Bundeswehr vom 17. April 2008 in der Gestalt des Beschwerdebescheids vom 22. August 2008 aufzuheben und den Bundesminister der Verteidigung zu verpflichten, den Antrag des Antragstellers auf Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes für das Auswahljahr 2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, ist zulässig.

17 Die Entscheidung über die Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes gemäß § 40 Abs. 1 SLV i.V.m. den konkretisierenden Regelungen der ZDv 20/7 (Kapitel 8) betrifft keine statusrechtliche Angelegenheit, für deren gerichtliche Überprüfung gemäß § 82 SG der Rechtsweg zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten gegeben ist. Sie stellt vielmehr eine truppendienstliche Verwendungsentscheidung dar, für die gemäß § 21 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1, Abs. 3 WBO der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten - hier zum Bundesverwaltungsgericht - eröffnet ist (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 28. Oktober 2008 - BVerwG 1 WB 32.08 - m.w.N.)

18 Der Zulässigkeit des Antrags steht auch nicht entgegen, dass der für den Antragsteller nach Nr. 932 ZDv 20/7 maßgebliche Zulassungstermin 1. Oktober 2008 bereits verstrichen ist. Eine rückwirkende Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes ist rechtlich zulässig und könnte auf Grund einer Ausnahmegenehmigung erfolgen, wenn der Antrag in der Sache erfolgreich wäre (stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom 11. März 2008 - BVerwG 1 WB 8.08 - Buchholz 450.1 § 5 WBO Nr. 1 und vom 28. Oktober 2008 - BVerwG 1 WB 32.08 - m.w.N.).

19 Der Antrag ist jedoch unbegründet.

20 Die angefochtenen Bescheide des Personalamts und des Bundesministers der Verteidigung sind nicht rechtswidrig und verletzen den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Dieser hat keinen Anspruch auf Neubescheidung seines Zulassungsantrags.

21 Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Zulassung von Unteroffizieren zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes gemäß § 40 Abs. 1 SLV auf Grund der Ermächtigung in § 44 SLV in Kapitel 8 der ZDv 20/7 näher geregelt. Nach § 40 Abs. 1 SLV i.V.m. Nr. 801 ZDv 20/7 steht die Zulassung zu dieser Laufbahn im Ermessen des Bundesministeriums der Verteidigung und setzt Bedarf und Eignung der Bewerber voraus. Die Auswahl für die Zulassung erfolgt gemäß Nr. 805 ZDv 20/7 nach den „Richtlinien BMVg - PSZ I 1 - und den ergänzenden Regelungen zur Durchführung der Fü TSK/San“; hier nach der für das Auswahlverfahren 2008 noch anzuwendenden „Richtlinie für die Auswahl von Feldwebeln für die Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes“; BMVg - PSZ I 1 - Az.: 16-05-12/16 vom 11. Juli 2007 (im Folgenden: Auswahlrichtlinie). Zur Konkretisierung des nach § 3 Abs. 1 SG und nach Nr. 1 der Auswahlrichtlinie maßgeblichen Ziels, die nach Eignung, Befähigung und Leistung am besten geeigneten Bewerberinnen und Bewerber auszuwählen und zur Zulassung vorzuschlagen, werden, soweit die Anzahl der geeigneten Bewerber den Bedarf übersteigt, Reihenfolgen gebildet. Nach Nr. 4 der Auswahlrichtlinie i.V.m. Anlage 1 werden dazu die Soldatinnen und Soldaten in den einzelnen Ausbildungs- und Verwendungsreihen/Werdegängen getrennt nach Geburtsjahrgängen in einer Vorsortierungsliste gereiht. Anhand von Eignungs- und Leistungskriterien werden Punkte vergeben, nach denen die Summenrangplätze der Bewerber ermittelt werden. Entscheidende Auswahlkriterien sind dabei der Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung und die Entwicklungsprognose in der letzten planmäßigen Beurteilung, der Empfehlungsgrad aus der Laufbahnbeurteilung, die Ergebnisse der Laufbahnprüfung zum Feldwebel und der Potenzialfeststellung.

22 Dieses Verfahren ist als solches rechtlich nicht zu beanstanden. Denn ein Soldat hat keinen Anspruch auf eine bestimmte örtliche oder fachliche Verwendung. Das gilt auch für die Entscheidung über die Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes bzw. über einen Laufbahnwechsel im Wege der Übernahme (stRspr, z.B. Beschlüsse vom 28. Oktober 2008 - BVerwG 1 WB 32.08 - und vom 24. März 2009 - BVerwG 1 WB 54.08 - DokBer 2009, 278). Im Hinblick darauf ist das Bundesministerium der Verteidigung befugt, die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung über die Zulassung eines Bewerbers zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes von dem Ergebnis eines besonderen Auswahlverfahrens abhängig zu machen. Dadurch kann am ehesten gewährleistet werden, dass bei der großen Zahl der Bewerber die Auswahl nach dem Prinzip der Bestenauslese und unter Wahrung des Grundsatzes der Chancengleichheit vorgenommen wird (Beschluss vom 26. Januar 1981 - BVerwG 1 WB 47.79 - BVerwGE 73, 126 <130>).

23 Die Entscheidung über die Ablehnung der Zulassung oder der Übernahme kann vom Wehrdienstgericht nur auf Ermessensfehler überprüft werden (vgl. Beschluss vom 28. Oktober 2008 - BVerwG 1 WB 32.08 -). Ermessensfehler im Sinne eines Missbrauchs dienstlicher Befugnisse, einer Ermessensüberschreitung, eines Ermessensfehlgebrauchs oder einer nicht dem Gesetz entsprechenden Ausübung des Ermessens (vgl. § 17 Abs. 3 Satz 2 und § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 114 VwGO) weisen die angefochtenen Bescheide nicht auf.

24 Nach Nr. 5.1 der Auswahlrichtlinie findet die Vorauswahl der Bewerber grundsätzlich in Konferenzform bei der Stammdienststelle der Bundeswehr statt. Nach Nr. 5.2 wird die Auswahl der Bewerber in den personalführenden Dezernaten bzw. Zentraldezernaten unter anderem durch das Aufbereiten quantifizierbarer Daten nach Anlage 1 vorbereitet. Dementsprechend sind nach Nr. 4 der Auswahlrichtlinie i.V.m. Anlage 1 für die Ermittlung des Summenrangplatzes des Antragstellers zutreffend aus seiner letzten planmäßigen Beurteilung vom 8. März 2007 der Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten (6,1) und die Entwicklungsprognose aus der am 24. Januar 2008 neugefassten Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten („Förderung bei Bedarf bis in die höchsten Verwendungen der Laufbahn“) herangezogen worden. Daraus ergab sich ein Teilergebnis von 205,7 Punkten.

25 Der Empfehlungsgrad aus der Laufbahnbeurteilung („in außergewöhnlichem Maß geeignet“) war mit dem Spitzenwert von 150 Punkten zu berücksichtigen.

26 Außerdem ist nach Nr. 4 der Auswahlrichtlinie i.V.m. Anlage 1 das Ergebnis der Laufbahnprüfung zum Feldwebel für den Summenrangplatz maßgeblich. Verwaltungsvorschriften - wie hier die Auswahlrichtlinie - sind keine Rechtsnormen. Da sie ihre rechtliche (Außen-)Wirkung nur über die an ihnen orientierte, tatsächlich geübte Verwaltungspraxis und den Anspruch des Soldaten auf Gleichbehandlung entsprechend dieser Praxis (Art. 3 Abs. 1 GG) entfalten, ist für die Auslegung von Bestimmungen in Verwaltungsvorschriften - anders als für die Auslegung von Rechtsnormen - dasjenige Verständnis maßgeblich, das ihrer tatsächlichen Anwendung zu Grunde liegt (stRspr, vgl. insbesondere Beschluss vom 28. Mai 2008 - BVerwG 1 WB 19.07 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 44). Wie sich die tatsächlich geübte Verwaltungspraxis bei der Anwendung einer Verwaltungsvorschrift darstellt, ist in der Regel durch eine Amtliche Auskunft des Bundesministeriums der Verteidigung zu klären.

27 Danach war aus dem bestandskräftigen Lehrgangszeugnis über die Laufbahnprüfung des Antragstellers zum Feldwebel vom 28. November 2002 nicht die auf der Rückseite des Zeugnisformulars mitgeteilte Durchschnittsnote (1,798), sondern der Wert im Formularfeld 530 als Note mit drei Dezimalstellen (2,012) zu berücksichtigen. Denn das Bundesministerium hat in seiner Amtlichen Auskunft vom 15. September 2009 erklärt, dass in ständiger Verwaltungspraxis die im Feld 530 des Lehrgangszeugnisses eingetragene Note mit drei Dezimalstellen als Ergebnis der Laufbahnprüfung zum Feldwebel bei der Berechnung des Summenrangsplatzes berücksichtigt wird, wenn der Bewerber - wie der Antragsteller - einen Lehrgang besucht hat, der sowohl den allgemeinmilitärischen als auch den militärfachlichen Teil der Ausbildung zum Feldwebel beinhaltet. Dem Inhalt dieser Auskunft ist der Antragsteller nicht entgegengetreten. Daraus folgen unter Beachtung der vom Bundesminister der Verteidigung in seinem Schreiben vom 15. September 2009 zusätzlich erläuterten Umrechnungsformel als Ergebnis 85,303 Punkte.

28 Außerdem bestimmt Nr. 4 der Auswahlrichtlinie als weiteres Auswahlkriterium das Ergebnis der Potenzialfeststellung. Die Potenzialfeststellung ist nach der Definition in Anlage 1 ein eintägiges psychologisches Verfahren zur Abschätzung des Potenzials der Bewerberinnen und Bewerber hinsichtlich des Berufsbildes „Offizier des militärfachlichen Dienstes“; sie stellt damit eine in das Auswahlverfahren integrierte Prüfung der Bewerber dar. Dementsprechend hat die Stammdienststelle in ihrer Mitteilung vom 8. November 2007 unter Bezugnahme auf § 40 SLV darauf hingewiesen, dass die Psychologische Eignungsprüfung für und aus Anlass von Bewerbungen für die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes stattfindet und eine von mehreren Bewertungsgrundlagen für die Auswahl darstellt; ein Bescheid auf die jeweilige Bewerbung ergehe erst nach Abschluss des Auswahlverfahrens.

29 Der Senat kann die inhaltlichen Rügen des Antragstellers gegen das von der Stammdienststelle mitgeteilte Ergebnis seiner Potenzialfeststellung im vorliegenden Zusammenhang dahinstehen lassen. Denn auch bei Berücksichtigung des höchstmöglichen Wertes dieser Psychologischen Eignungsprüfung mit 9 Indexpunkten („mit besonderem Nachdruck empfohlen“) und der daraus folgenden Höchstpunktzahl 180 würde der Antragsteller nur eine Gesamtpunktsumme von 621,003 erreichen. Daraus würde sich - wie der Bundesminister der Verteidigung im Beschwerdebescheid und in der Vorlage an den Senat im Einzelnen dargelegt hat - für den Antragsteller der Summenrangplatz 174 „Gesamt Heer“ ergeben. Dieser zugunsten des Antragstellers hinsichtlich seiner Potenzialfeststellung optimierte Wert würde nach den unwidersprochen gebliebenen Erläuterungen des Bundesministers der Verteidigung ebenfalls nicht für die Zulassung zu der angestrebten Laufbahn ausreichen, weil der zuletzt ausgewählte Bewerber über eine Gesamtpunktsumme von 649,689 und den Summenrangplatz 36 „Gesamt Heer“ verfügte.

30 Angesichts dieses Ergebnisses der Reihung des Antragstellers ist die Ablehnung seiner Zulassung zu der angestrebten Laufbahn im angefochtenen Bescheid des Personalamts nicht ermessensfehlerhaft. Sonstige Ermessens- oder Rechtsfehler sind weder gerügt noch für den Senat ersichtlich.

31 2. Die Anträge zu 2. und zu 3. sind unzulässig.

32 Das isoliert gegen die Potenzialfeststellung gerichtete Feststellungsbegehren und das isolierte Rechtsschutzbegehren des Antragstellers, ihn erneut zur Potenzialfeststellung zuzulassen bzw. das Ergebnis der Potenzialfeststellung zu korrigieren, betreffen einen neuen Streitgegenstand. Wird die Potenzialfeststellung - wie im Antrag zu 1. - als integraler Bestandteil des Auswahlverfahrens für die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes mit dem Antrag gegen die Ablehnungsentscheidung des Personalamts angefochten, ist sie ein unselbständiger Teil des Streitgegenstandes der gewünschten Zulassung zu dieser Laufbahn. Wird sie hingegen - wie der Antragsteller mit Hinweis auf ihre Wirkung für künftige andere Auswahlverfahren geltend macht - isoliert angegriffen, bildet sie einen eigenständigen Streitgegenstand, der von der Auswahlentscheidung über die Zulassung zu der hier streitbefangenen Laufbahn losgelöst ist. Dem Senat ist es verwehrt, im vorliegenden Verfahren über diesen Streitgegenstand zu entscheiden. Denn Gegenstand eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung ist nur die ursprünglich mit der Beschwerde angefochtene Maßnahme oder Unterlassung in der Gestalt, die sie durch den Beschwerdebescheid gefunden hat (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 31. Januar 2007 - BVerwG 1 WB 53.06 - m.w.N.).

33 Gegenstand des Beschwerdeverfahrens des Antragstellers war allein seine Nichtzulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes zum Zulassungstermin 1. Oktober 2008, hingegen weder - außerhalb des Zulassungsverfahrens - eine isolierte Anfechtung der Potenzialfeststellung noch der Antrag auf nochmalige Zulassung zu einer Potenzialfeststellung. Im Beschwerdeschreiben vom 16. Mai 2008 hat der Antragsteller lediglich die Ablehnungsentscheidung des Personalamts angefochten und ausdrücklich die „Übernahme zum Offizier“ als angestrebtes Ziel formuliert bzw. gebeten, ihn „noch einmal im Auswahlverfahren zum OffzMilFD 2008 einzureihen“. Zudem erklärte er (auf die Rückfrage des Bundesministers der Verteidigung vom 9. Juni 2008) in seinem Schreiben vom 20. Juni 2008, dass er weiterhin eine förmliche Entscheidung über den Bescheid des Personalamts vom 17. April 2008 wünsche, die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Potenzialfeststellung aber zum Gegenstand einer Dienstaufsichtsbeschwerde machen wolle. Diese Dienstaufsichtsbeschwerde ist gesondert durch Bescheid des Amtschefs des Personalamts vom 29. August 2008 beschieden worden. Auch dem Wortlaut der Begründung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung vom 9. September 2008 lässt sich entnehmen, dass der Antragsteller die Rechtmäßigkeit des Ergebnisses der Potenzialfeststellung nur im Rahmen der Anfechtung der Nichtzulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes inzident überprüft wissen wollte. Erstmalig mit Schreiben vom 18. November 2008 beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers die isolierte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Potenzialfeststellung, die erneute Zulassung zu dieser Prüfung bzw. deren Korrektur. Die rechtliche Würdigung dieses vom Beschwerdeverfahren abweichenden neuen Vortrags im gerichtlichen Verfahren kommt aber nicht in Betracht, weil die Wehrbeschwerdeordnung ein der Klageänderung oder Klageerweiterung vergleichbares Rechtsinstitut nicht kennt (Beschlüsse vom 24. März 2009 - BVerwG 1 WB 54.08 - DokBer 2009, 278, vom 24. Februar 2005 - BVerwG 1 WB 65.04 - und vom 31. Januar 2007 - BVerwG 1 WB 53.06 -). § 91 VwGO findet über § 23a Abs. 2 WBO keine Anwendung im Wehrbeschwerdeverfahren, weil zur Eigenart des Wehrbeschwerdeverfahrens die notwendige Identität des Beschwerdegegenstandes mit dem Gegenstand des Antrags auf gerichtliche Entscheidung gehört (vgl. Dau, WBO, 5. Aufl. 2009, § 17 Rn. 14).

34 3. Unabhängig davon ist Folgendes zu berücksichtigen:
Der Senat lässt offen, ob das Ergebnis der Potenzialfeststellung als isoliert anfechtbare Einzelwertung (vgl. zur Anfechtung von Einzelnoten im Prüfungsrecht: Beschluss vom 9. November 2005 - BVerwG 1 WB 50.03 - BVerwGE 124, 317 = Buchholz 236.110 § 27 SLV 2002 Nr. 1 = NZWehrr 2006, 124 m.w.N.) mit Außenwirkung für andere Auswahlverfahren zu werten wäre. Jedenfalls hätte diese isoliert beanstandete Einzelwertung innerhalb einer eigenen Beschwerdefrist - unabhängig von der Abschlussentscheidung über die Laufbahnzulassung - angefochten werden müssen. Das hat der Antragsteller versäumt.

35 Für die Anfechtung der Potenzialfeststellung hatte der Antragsteller noch die Zwei-Wochen-Frist des § 6 Abs. 1 WBO in der bis zum 31. Januar 2009 gültigen Fassung des Gesetzes vom 11. September 1972 (BGBl I S. 1737, 1906, zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. August 2005 <BGBl I S. 2354>), einzuhalten. Maßgeblich für den Beginn der Beschwerdefrist ist, wann der Beschwerdeführer von dem Beschwerdeanlass Kenntnis erhalten hat. Kenntnis vom Beschwerdeanlass hat ein Soldat, wenn ihm die Umstände bekannt sind, aus denen sich die von ihm empfundene Beeinträchtigung ergibt (stRspr, Beschlüsse vom 30. November 2006 - BVerwG 1 WB 18.06 - Buchholz 450.1 § 6 WBO Nr. 4 = NZWehrr 2007, 127 und vom 13. August 2008 - BVerwG 1 WB 45.07 - Buchholz 450.1 § 6 WBO Nr. 5). Anders als § 17 Abs. 4 Satz 1 WBO, der den Beginn der gerichtlichen Antragsfrist an die „Bekanntgabe des ablehnenden Bescheides“ (in der alten Fassung der Norm) bzw. an die „Zustellung des zurückweisenden Beschwerdebescheides“ (in der Fassung der Bekanntmachung der WBO vom 22. Januar 2009 <BGBl I S. 81>) anknüpft, setzt § 6 Abs. 1 WBO für den Beginn der Beschwerdefrist (nur) die tatsächliche, positive Kenntnis vom Beschwerdeanlass voraus (vgl. Beschlüsse vom 13. August 2008 a.a.O. und vom 16. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 39.07 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 49).

36 Der Antragsteller erhielt - nach eigener Darstellung in der Beschwerde und in seinem Schriftsatz vom 20. Juni 2008 - im Dezember 2007 nach Erhalt des Bescheids der Stammdienstselle vom 8. November 2007 Kenntnis davon, dass sein Empfehlungsgrad auf Grund der durchgeführten Potenzialfeststellung lediglich „mit Einschränkungen empfohlen“ (33 Indexpunkte) lautete. Er legte dagegen innerhalb der zweiwöchigen Frist aber kein Rechtsmittel ein, sondern erhob erstmalig mit Schreiben vom 16. Mai 2008 Beschwerde.

37 Vom Antragsteller ist nicht geltend gemacht worden und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass er an der Einhaltung der Beschwerdefrist im Sinne des § 7 Abs. 1 WBO durch militärischen Dienst, Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle gehindert war. Es liegt auch kein Fall des § 7 Abs. 2 WBO vor. Der Bescheid der Stammdienststelle über das Ergebnis der Potenzialfeststellung, der dem Antragsteller einzeln bekannt gegeben worden ist, bedurfte als truppendienstliche Erstmaßnahme keiner Rechtsbehelfsbelehrung (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 4. November 2004 - BVerwG 1 WB 36.04 - und vom 11. März 2008 - BVerwG 1 WB 8.08 - Buchholz 450.1 § 5 WBO Nr. 1 jeweils m.w.N.). Den Antragsteller auf die Frist des § 6 Abs. 1 WBO hinzuweisen, bestand rechtlich keine Veranlassung, weil diese Frist bei allen Soldaten als bekannt vorausgesetzt werden kann (Beschluss vom 20. Juli 2004 - BVerwG 1 WDS-VR 3.04 - <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 311 § 23 WBO Nr. 1 und in NZWehrr 2004, 258>). Daran ändert auch nichts, dass Vorgesetzte dem Antragsteller auf dessen Rückfrage angeblich abgeraten haben, gegen diesen Bescheid rechtzeitig eine Beschwerde einzulegen. Im Gegenteil zeigt dies, dass der Antragsteller durchaus mit der Möglichkeit einer Verfristung gerechnet hat und sie somit in Kauf nahm.