Urteil vom 16.03.2004 -
BVerwG 1 D 15.03ECLI:DE:BVerwG:2004:160304U1D15.03.0

Leitsatz:

Das einmalige außerdienstliche "Busengrapschen" eines "in-sich-beurlaubten" Beamten, auf das der Arbeitgeber nach dem Beschäftigtenschutzgesetz wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz mit einer Versetzung reagiert hat, stellt im Regelfall noch kein außerdienstliches Dienstvergehen dar, das zusätzlich disziplinarisch geahndet werden müsste.

Urteil

BVerwG 1 D 15.03

In dem Disziplinarverfahren hat das Bundesverwaltungsgericht, Disziplinarsenat,
in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 16. März 2004,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht
A l b e r s ,
Richter am Bundesverwaltungsgericht
M a y e r ,
Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. M ü l l e r ,
Postoberrat R o l l e r
und Polizeikommissar im BGS N o w a k
als ehrenamtliche Richter
sowie
Postdirektor ... , Deutsche Post AG,
als Vertreter der Einleitungsbehörde,
Rechtsanwalt ...,
als Verteidiger,
Ministerialrat ... ,
für den Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht,
Justizangestellte ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung des Leitenden Postdirektors ... wird das Urteil des Bundesdisziplinargerichts, Kammer XVI - ... -, vom 26. Februar 2003 aufgehoben.
  2. Der Beamte wird freigesprochen.
  3. Die Kosten des Verfahrens und die dem Beamten hierin erwachsenen notwendigen Auslagen hat der Bund zu tragen.

I


1. Der Bundesdisziplinaranwalt hat den ... Beamten, der seit 1. Januar 1996 unter Wegfall der Besoldung vom Dienst beurlaubt und im außertariflichen Angestelltenverhältnis für die Deutsche Post AG tätig ist, angeschuldigt, dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben,
dass er sich in seiner Eigenschaft als Leiter der Niederlassung ... R. am 7. Dezember 1998 bei einem dienstlichen Gespräch in seinen Büroräumen gegenüber der ihm unterstellten Postobersekretärin ... W., Mitarbeiterin in seinem Vorzimmer, einer Beleidigung schuldig gemacht und damit den Betriebsfrieden empfindlich gestört sowie darüber hinaus als Vorgesetzter versagt hat.
In einem vorangegangenen Strafverfahren war der Beamte angeklagt worden, durch zwei selbständige Handlungen gegenüber den Mitarbeiterinnen P. und W. jeweils eine sexuelle Nötigung begangen zu haben. Mit Urteil vom 7. September 2000 sprach das Amtsgericht - Bezirks-Schöffengericht - ... den Beamten von beiden Vorwürfen frei. Der Beamte habe sich zwar gegenüber der Zeugin W. einer Beleidigung schuldig gemacht. Insoweit liege aber kein Strafantrag vor. Nur dieser Beleidigungsfall ist Gegenstand des vorliegenden Disziplinarverfahrens. Das Strafurteil wurde nach Rücknahme der von den Nebenklägerinnen P. und W. sowie von der Staatsanwaltschaft eingelegten Berufungen am 26. Januar 2001 rechtskräftig.
2. Das Bundesdisziplinargericht hat durch Urteil vom 26. Februar 2003 entschieden, dass die Dienstbezüge des Beamten auf die Dauer von 36 Monaten um 1/10 gekürzt werden. Es sah sich an der Durchführung des Disziplinarverfahrens nicht durch § 17 Abs. 5 BDO gehindert, da der Freispruch lediglich wegen eines Prozesshindernisses erfolgt sei, und hat den Disziplinarvorwurf als erwiesen angesehen. Der angeschuldigte Sachverhalt ergebe sich zwar nicht gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 BDO aufgrund bindender tatsächlicher Feststellungen des Strafurteils; er stehe jedoch fest aufgrund der in der Hauptverhandlung verlesenen glaubhaften Aussagen der Zeuginnen W., P., H., Ha. und He. Der Beamte habe durch sein Fehlverhalten, das zugleich eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 BeschSchG darstelle, vorsätzlich gegen seine Dienstpflichten gemäß § 54 Satz 3 BBG verstoßen. Das Dienstvergehen, das wegen der Beurlaubung des Beamten außerdienstlich im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG begangen worden sei, habe erhebliches Gewicht und mache als nachdrückliche Erziehungsmaßnahme den Ausspruch einer längerfristigen Gehaltskürzung erforderlich.
3. Hiergegen hat der Beamte durch seinen Verteidiger rechtzeitig Berufung eingelegt und schriftsätzlich beantragt, das Verfahren auszusetzen und die Anschuldigungsschrift an den Bundesdisziplinaranwalt zurückzugeben, hilfsweise die Sache an eine andere Kammer des Bundesdisziplinargerichts zurückzuverweisen, weiter hilfsweise ihn, den Beamten, freizusprechen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen das Vorliegen schwerer Verfahrensmängel geltend gemacht. Seine Anhörung sei in der Untersuchung auf das Strafurteil beschränkt gewesen, obwohl dessen tatsächlichen Feststellungen keine Bindungswirkung zukomme. Zu Unrecht sei von einer notwendigen Sachverhaltsaufklärung im Hinblick auf die von der Zeugin W. behauptete Beleidigung abgesehen worden. In der Anschuldigungsschrift würden Vorwürfe erhoben, von denen er rechtskräftig freigesprochen worden sei. Das Bundesdisziplinargericht habe Zeugenaussagen verwertet, die nicht einmal in der Anschuldigungsschrift erwähnt seien und zu denen er sich im Disziplinarverfahren zu keinem Zeitpunkt habe äußern können. Da seine Beweisanträge ebenfalls zu Unrecht abgelehnt worden seien, wiederhole er seine nicht erledigten Beweisanträge aus dem zweitinstanzlichen Strafverfahren und beantrage ferner, seine ehemaligen Mitarbeiterinnen L., S. H. und Ha. sowie den ehemaligen Mitarbeiter B. zu näher benannten Beweisthemen als Zeugen zu vernehmen.
Nachdem der Senat die Beweisanträge in der Hauptverhandlung gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO i.V.m. § 25 BDO durch Beschluss wegen Bedeutungslosigkeit zurückgewiesen hatte, hat der Beamte durch seinen Verteidiger keine weiteren Beweisanträge gestellt. Er beantragt, freigesprochen zu werden, da er ein außerdienstliches Dienstvergehen nicht begangen habe.

II


Die Berufung hat Erfolg. Das Bundesdisziplinargericht hat gegen den Beamten zu Unrecht eine Gehaltskürzung verhängt. Es hätte ihn mangels Vorliegens eines außerdienstlichen Dienstvergehens freisprechen müssen, und zwar gemäß § 76 Abs. 2 BDO. Die Vorschriften der Bundesdisziplinarordnung sind hier maßgeblich. Denn das Disziplinarverfahren ist auch nach In-Kraft-Treten des Bundesdisziplinargesetzes am 1. Januar 2002 nach bisherigem Recht, d.h. nach den Verfahrensregeln und -grundsätzen der Bundesdisziplinarordnung fortzuführen (vgl. zum Übergangsrecht z.B. Urteil vom 20. Februar 2002 - BVerwG 1 D 19.01 - NVwZ 2002, 1515).
Das Rechtsmittel ist unbeschränkt eingelegt. Der Beamte bestreitet, ein Dienstvergehen begangen zu haben und beantragt deshalb Freispruch. Der Senat hat daher den Sachverhalt selbst festzustellen und disziplinarisch zu würdigen.
1. Der Senat hat folgenden Geschehensablauf ermittelt:
a) Der Beamte war zum Tatzeitpunkt Niederlassungsleiter ... in R.. Sein Vorzimmer wurde von Frau Ha. betreut. Urlaubsvertreterinnen waren in dieser Zeit mehrere Damen, zuletzt Posthauptsekretärin P. und Postobersekretärin W.. Am 7. Dezember 1998 (Montag), als Frau W. Vorzimmerdienst hatte und am Schreibtisch saß, trat der Beamte auf sie zu und redete auf sie ein. Es ging um Meinungsverschiedenheiten aus Anlass der Bearbeitung eines dienstlichen Vorgangs durch Frau W. in der Vorwoche. Während des Gesprächs klemmte der stehende Beamte mit seinen Beinen die Beine der - ihm zugekehrt - vor ihm sitzenden Mitarbeiterin ein. Noch vor Ende des Gesprächs gab der Beamte die Beine von Frau W. frei, trat neben sie, beugte sich plötzlich über sie und griff ihr an die linke Brust. Die Mitarbeiterin war wie gelähmt. Der Beamte verließ dann das Vorzimmer, wobei er fragte, ob jetzt alles geklärt sei; sollte sie, Frau W., beim nächsten Mal nicht, wie besprochen, reagieren, "werde er sie über das Knie legen".
Frau W. suchte anschließend unverzüglich die Frauenbeauftragte, Frau N., auf und berichtete ihr von dem Vorfall. Diese ging dann allein zu dem Beamten, um mit ihm die Angelegenheit zu besprechen. Später suchten Frau W. und Frau N. den Beamten gemeinsam auf. Seine dabei zum Ausdruck gebrachte Entschuldigung nahm Frau W. nicht an. Sie beendete mit sofortiger Wirkung ihre Vorzimmertätigkeit bei dem Beamten.
Aus Anlass des vorliegenden Sachverhalts wurde der Beamte unter Aufrechterhaltung seiner Beurlaubung mit Wirkung vom 6. Januar 1999 zu einer anderen Dienststelle der Deutschen Post AG - ... - in B. versetzt.
b) Die vorstehenden Sachverhaltsfeststellungen beruhen auf den zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Beweismitteln, hinsichtlich des Vorfalls vom 7. Dezember 1998 auf den protokollierten Aussagen der Postobersekretärin W. vom 19. Mai 1999 und vom 7. September 2000, die diese als Zeugin im polizeilichen Ermittlungsverfahren sowie in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht ... gemacht hat und die deshalb im Disziplinarverfahren gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 BDO ohne nochmalige Vernehmung der Zeugin verwertet werden dürfen.
aa) Der Vornahme eigener Sachverhaltsfeststellungen steht der strafgerichtliche Freispruch nicht entgegen. Dieser entfaltet keine Sperrwirkung für die Fortsetzung des Disziplinarverfahrens. Ein Prozesshindernis gemäß § 17 Abs. 5 BDO liegt nicht vor. Nach dieser Vorschrift kann, wenn der Beamte im gerichtlichen Verfahren wegen einer Straftat freigesprochen wird, wegen der Tatsachen, die Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung waren, ein Disziplinarverfahren nur fortgesetzt werden, wenn diese Tatsachen, ohne den Tatbestand einer Strafvorschrift oder einer Bußgeldvorschrift zu erfüllen, ein Dienstvergehen enthalten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Urteil vom 6. Juni 2000 - BVerwG 1 D 66.98 - DÖD 2000, 290 = DokBer B 2000, 299 m.w.N.) beschränkt sich die Anwendbarkeit der Vorschrift auf (echte) Freisprüche aus materiellrechtlichen Gründen, d.h. auf die Fälle, in denen das Strafgericht die vorgeworfene Tat nicht für erwiesen oder den objektiven oder subjektiven Tatbestand aus Rechtsgründen nicht für erfüllt hält, weil z.B. ein Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgrund vorliegt. Ein solcher Fall ist hier gerade nicht gegeben. Ein Vorwurf der Beleidigung war weder Gegenstand der Anklage noch des Eröffnungsbeschlusses und soweit auch nicht des Freispruchs.
bb) Der Senat ist an eigenständigen Sachverhaltsfeststellungen und damit an der unmittelbaren Verwertung der Aussagen der Zeugin W. nicht durch eine Bindung an die tatrichterlichen Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts ... vom 7. September 2000 gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 BDO gehindert. Nach dieser Vorschrift sind die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils, auf denen die Entscheidung beruht, in einem sachgleichen Disziplinarverfahren u.a. für das Disziplinargericht bindend. Diese Bindungsregelung legitimiert sich aus dem grundsätzlich berechtigten Vertrauen in die Richtigkeit derjenigen Feststellungen eines Strafgerichts, über die nach Prozessregeln in einer Hauptverhandlung (vollständig) Beweis erhoben worden ist, wobei es aus der Sicht des Strafrichters für seine Entscheidung auch auf diese Feststellungen ankommen muss. Demzufolge lösen z.B. Einstellungsurteile der Strafgerichte (Senatsurteile vom 8. April 1986 - BVerwG 1 D 145.85 - BVerwGE 83, 180 und vom 14. Mai 1986 - BVerwG 1 D 157.85 - DokBer B 1986, 209) und Strafbefehle (Senatsurteile vom 16. Juni 1992 - BVerwG 1 D 11.91 - BVerwGE 93, 255 und vom 7. November 2000 - BVerwG 1 D 16.99 -; zum wehrdisziplinargerichtlichen Verfahren vgl. Urteil vom 1. Dezember 1987 - BVerwG 2 WD 66.87 - BVerwGE 83, 373 ff.; zum anwaltsgerichtlichen Verfahren vgl. BGH, NJW 1999, 2288 ff.) keine Bindungswirkung aus.
Grundsätzlich können auch die Tatsachenfeststellungen in sachgleichen freisprechenden Strafurteilen unter die Bindungswirkung gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 BDO fallen, wenn und soweit diese auf einer vollständigen Prüfung der Tat- und Schuldfrage beruhen (Senatsurteil vom 21. März 1974 - BVerwG 1 D 1.74 -) oder wenn das freisprechende Strafurteil darauf beruht, dass - etwa im Falle eines persönlichen Strafaufhebungsgrundes - Tat und Täterschaft des Beamten feststehen (Senatsurteil vom 6. Juni 2000 - BVerwG 1 D 66.98 - a.a.O.: Freispruch wegen § 371 AO). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass der Beamte zu keinem Zeitpunkt einen der Vorwürfe eingeräumt, er vielmehr zur Sache geschwiegen hat. Die Anklage beruhte auf dem Vorwurf sexueller Nötigung in zwei Fällen (§ 177 Abs. 1 Nr. 1, 3, § 53 StGB). Von beiden Vorwürfen wurde der Beamte freigesprochen. Mit Blick auf den fehlenden Strafantrag war ein Vorwurf der Beleidigung weder Gegenstand der Anklage noch des Eröffnungsbeschlusses. Bei den Ausführungen des Amtsgerichts zur Beleidigung im Strafurteil handelt es sich um ein obiter dictum. Die Gefahr, dass sich das Strafgericht bei den aus seiner Sicht nicht tragenden Feststellungen zu einer im Verhalten des Beamten zu sehenden Beleidigung der Zeugin W. nicht in demselben Maße von der sonst gebotenen Sorgfalt hat leiten lassen wie bei solchen, die das Ergebnis tragen, ist nicht von der Hand zu weisen. So lässt sich der im Strafurteil enthaltene Passus:
"... und griff ihr plötzlich von oben in den Ausschnitt an den Busen ..."
den protokollierten Aussagen der Zeugin W. nicht entnehmen. Dort ist nur von einem Griff an die (linke) Brust die Rede. Vor allem entbehren die strafgerichtlichen Sachverhaltsausführungen zum Vorliegen einer Beleidigung insoweit einer abschließenden Prüfung, als im Anschluss an die Aussage der Zeugin W. auf die Vernehmung der geladenen und anwesenden tatort- und tatzeitnächsten Zeugin N. - im allseitigen Einverständnis - verzichtet worden ist. Es handelt sich daher insgesamt nur um eine kursorische Würdigung des verfügbaren Beweismaterials.
cc) Der Senat hat keine Bedenken, der Schilderung des Vorfalls vom 7. Dezember 1998 durch die Zeugin W. zu folgen. Ihre Aussagen, die sie zuletzt in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht gemacht hat, sind glaubhaft. Die Zeugin hat dabei im Wesentlichen ihre früheren schriftlichen Äußerungen im Rahmen postinterner Ermittlungen sowie ihre Aussagen im polizeilichen Ermittlungsverfahren sachlich widerspruchsfrei und in zurückhaltender Form wiederholt. Der Beamte hat der Schilderung der Zeugin W. auch nichts Erhebliches entgegengesetzt. Bei der Vernehmung der Zeugin vor dem Amtsgericht waren der Beamte und sein Verteidiger zugegen. Der Beamte hat zur Sache keine Aussagen gemacht. Das ist sein Recht. Allerdings hat er sich damit der Möglichkeit begeben, der Zeugin zu widersprechen, um die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen zu erschüttern und damit auf das Beweisergebnis Einfluss zu nehmen. Sein Verteidiger hat sich im Strafverfahren nur zu anderen gegen den Beamten gerichteten Vorwürfen geäußert und hat Beweisanträge nicht zum Fall W., sondern zum Fall P. sowie zur Glaubwürdigkeit dieser weiteren Zeugin - und anderer - gestellt. Der Beamte und sein Verteidiger haben auch zu keinem Zeitpunkt die Vernehmung der Frauenbeauftragten N. als tatort- und tatzeitnächster Zeugin beantragt. Nach Angaben der Zeugin W. hat sich der Beamte ihr gegenüber in Anwesenheit von Frau N. entschuldigt; Frau N. drängte sich also als Zeugin für die Richtigkeit der Behauptung der Zeugin W. förmlich auf. Eine Entschuldigung ist regelmäßig das Eingeständnis, sich falsch verhalten zu haben. Diesem ihn belastenden Umstand ist der Beamte, obwohl die Aussage der Zeugin in seinem Beisein und im Beisein seines Verteidigers erfolgte, nicht durch einen entsprechenden Beweisantrag entgegengetreten, und zwar selbst dann nicht, als seine früheren, vor dem Senat wiederholten Beweisanträge zurückgewiesen und ihm die Gründe dafür mitgeteilt worden waren.
Der Senat hält ebenso wie zuletzt das Landgericht ... als strafgerichtliche Berufungsinstanz die Zeugin W. auch für glaubwürdig; er hat deshalb keine Veranlassung gesehen, zur Überprüfung ihrer Glaubwürdigkeit Frau N. von Gerichts wegen als Zeugin anzuhören. Zwar hat die Zeugin W. zusammen mit der Zeugin P. als Nebenklägerin Berufung gegen das freisprechende Strafurteil eingelegt. Dieser Umstand allein macht ihre Aussagen jedoch nicht unglaubhaft. Es gibt keine Anhaltspunkte für ein unberechtigtes Verfolgungsinteresse der Zeugin. Vielmehr hat sie die Wahrheitsliebe über dieses Verfolgungsinteresse gestellt. Ihre sachlich zurückhaltenden Aussagen haben dazu geführt, dass die Strafgerichte in beiden Instanzen den angeklagten Verbrechenstatbestand der sexuellen Nötigung verneinen mussten. Letztlich ist sogar eine Verurteilung wegen Beleidigung unterblieben, weil die Zeugin bewusst keinen Strafantrag gegen den Beamten gestellt hat.
2. Der Senat hat den Beamten vom Vorwurf, ein außerdienstliches Dienstvergehen im Sinne des § 54 Satz 3 i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG begangen zu haben, freigesprochen.
Das disziplinarrechtlich zu beurteilende Verhalten des Beamten betrifft seinen außerdienstlichen Pflichtenkreis. Der Beamte war zur Tatzeit (7. Dezember 1998) gemäß § 13 Abs. 1 SUrlV i.V.m. § 4 Abs. 3 PostPersRG unter Wegfall der Besoldung vom Dienst beurlaubt und wurde mittels privatrechtlichen Anstellungsvertrages bei der Deutschen Post AG weiterbeschäftigt. Nach allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsätzen hat die Beurlaubung eines Beamten vor allem zur Folge, dass dieser für den betreffenden Zeitraum von der ihm obliegenden Dienstleistungspflicht befreit ist; eine Dienstpflichtverletzung eines beurlaubten Beamten kann sich deshalb aus Rechtsgründen nur als außerdienstliches Dienstvergehen im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG darstellen (stRspr, z.B. Urteil vom 3. September 2003 - BVerwG 1 D 4.03 - m.w.N.). Demgegenüber bleibt das Treue- und Loyalitätsverhältnis zum Dienstherrn uneingeschränkt bestehen. Der Beamte bleibt beamtenrechtlich pflichtgebunden, soweit sich aus der Natur und Art des Urlaubs nichts anderes ergibt. Insbesondere unterliegt er weiter den sich aus § 54 Satz 3 BBG ergebenden Dienstpflichten zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten außerhalb des Dienstes (vgl. Urteil vom 3. September 2003 a.a.O.).
Der Beamte hat durch das außerdienstliche "Busengrapschen" seine Dienstpflichten gemäß § 54 Satz 3 BBG nicht verletzt. Nach dieser Vorschrift muss das Verhalten eines Beamten auch außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert. Dabei ist nach der neueren Senatsrechtsprechung (z.B. Urteil vom 12. Dezember 2001 - BVerwG 1 D 4.01 - ZBR 2002, 398 = NVwZ 2002, 1519 = DokBer B 2002, 135 m.w.N.) bei der Prüfung des § 54 Satz 3 BBG die Regelung des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG konkretisierend zu berücksichtigen. Nach der letztgenannten Vorschrift ist ein Verhalten des Beamten außerhalb des Dienstes ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Die Erfordernisse des Berufs im Sinne von § 54 Satz 3 BBG ergeben sich aus dem "Amt" des Beamten und dem "Ansehen" des Beamtentums im Sinne von § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG. Die Tatbestandsmerkmale "Amt" und "Ansehen" sind daher, weil das Merkmal "die sein Beruf erfordert" ausfüllend, bereits bei der Prüfung zu würdigen, ob eine Pflichtverletzung im Sinne von § 54 Satz 3 BBG vorliegt. Unter "Amt" im Sinne von § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG ist dabei das Amt im konkret-funktionellen Sinn zu verstehen (vgl. Urteil vom 8. Mai 2001 - BVerwG 1 D 20.00 - BVerwGE 114, 212 <216> m.w.N.). Da in den Fällen der Beurlaubung vom Dienst - wie hier - ein konkret-funktionelles Amt nicht mehr gegeben ist, kann unter diesen Umständen eine außerdienstliche Pflichtwidrigkeit grundsätzlich nur dadurch in Betracht kommen, dass das Verhalten des Beamten das berufserforderliche Ansehen des Beamtentums beeinträchtigt hat oder zumindest geeignet ist, es zu beeinträchtigen (vgl. Urteil vom 8. Mai 2001 a.a.O. <217 f.>).
Nach der Rechtsprechung des Senats dient die Wahrung des "Ansehens des Beamtentums" der Erhaltung der Grundlagen eines allgemeinen Vertrauens in eine rechtsstaatliche gesetzestreue Verwaltung. Der Beamte darf das Vertrauen, dass er diesem Auftrag gerecht wird, nicht beeinträchtigen (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2001 a.a.O.), z.B. durch außerdienstliches Verhalten, das eine Verletzung seiner Treue- und Loyalitätspflichten gegenüber dem Dienstherrn (vgl. Beschluss vom 24. Oktober 2002 - BVerwG 1 DB 10.02 - Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 33 = ZBR 2003, 94 = DokBer B 2003, 57) darstellt. Davon kann hier aber nicht ausgegangen werden.
Der beurlaubte Beamte hat freilich als Angestellter der Deutschen Post AG die dort beschäftigte Beamtin W. am Arbeitsplatz sexuell belästigt und dadurch gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2, § 2 Abs. 2 und 3 BeschSchG). Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist jedes vorsätzliche, sexuell bestimmte Verhalten, das die Würde von Beschäftigten am Arbeitsplatz verletzt. Dazu gehören u.a. sexuell bestimmte körperliche Berührungen - wie hier der vorsätzliche Griff an die Brust der Zeugin W. -, die von der Betroffenen erkennbar abgelehnt werden (§ 2 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 BeschSchG). Im innerdienstlichen Bereich stellt ein solches Fehlverhalten eines Beamten in der Regel zugleich einen vorsätzlichen Verstoß gegen § 54 Satz 3 BBG dar (vgl. z.B. Urteil vom 4. April 2001 - BVerwG 1 D 15.00 - Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 27).
Im außerdienstlichen Bereich - wie hier - kommt es jedoch im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 54 Satz 3 i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG für die Frage der Beeinträchtigung des Ansehens des Beamtentums allein darauf an, ob in dem Verstoß gegen das Beschäftigtenschutzgesetz zugleich eine Verletzung der Treue- und Loyalitätspflichten gegenüber dem Dienstherrn gesehen werden kann. Das ist zu verneinen. Zwar ist der Beamte aufgrund seines fortbestehenden Treue- und Loyalitätsverhältnisses gehalten, den Dienstherrn nicht in seinem Interesse an einer sachgerechten Wahrnehmung seiner Fürsorgepflicht (§ 79 BBG) gegenüber anderen Beamten zu beeinträchtigen. Diese im Beschäftigtenschutzgesetz konkretisierte Fürsorgepflicht, eine Beamtin vor der Verletzung ihrer Würde durch sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz präventiv wie repressiv zu schützen (vgl. § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 BeschSchG), besteht jedoch bei Beamten, die unter Wahrung ihrer Rechtsstellung und der Verantwortung des Dienstherrn bei der Deutschen Post AG beschäftigt werden (vgl. dazu Art. 143 b Abs. 3 GG), nur noch subsidiär. Das Beschäftigtenschutzgesetz gilt nicht nur für Beamte und für Arbeitnehmer in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts, sondern auch für Arbeitnehmer in Betrieben und Verwaltungen des privaten Rechts (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BeschSchG). Dies ist hier von Bedeutung. Im Hinblick auf die Einbindung des vom Dienst beurlaubten Beamten in ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis zur Deutschen Post AG oblag es zunächst dem Unternehmen, von seinen arbeitgeberrechtlichen Befugnissen Gebrauch zu machen, bevor es die ihm zustehenden Dienstherrnbefugnisse wahrnahm (vgl. Art. 143 b Abs. 3 Satz 2 GG, § 1 Abs. 1 Satz 1 PostPersRG). Aufgabe des Bundes als Dienstherrn ist es grundsätzlich nur noch, im Rahmen seiner fortbestehenden Verantwortung Rechtsaufsicht auszuüben, und im Übrigen dann einzugreifen, wenn die privatrechtlichen Sanktionen zur Wahrung der Belange des Dienstherrn nicht ausreichen.
Im vorliegenden Fall hat die Deutsche Post AG auf die sexuelle Belästigung durch den Beamten arbeitsrechtlich mit einer Versetzung ... reagiert. Dabei handelt es sich nach dem Stufenkatalog angemessener arbeitsrechtlicher Maßnahmen gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 BeschSchG - Abmahnung, Umsetzung, Versetzung, Kündigung - um eine relativ schwerwiegende Sanktion. Der Beamte musste in der Folgezeit - bis zum 1. September 2003 - von seinem privaten Wohnsitz mit einem Familienheim in S. aus seiner Arbeit im mehr als 190 km entfernten B. nachgehen. Dies hatte weiterhin zur Folge, dass er der herausgehobenen Stellung des Leiters einer großen Niederlassung verlustig ging. Man kann auch sagen, dass damit seine Karriere einen empfindlichen Knick erfahren hat. Der Bund als Dienstherr hat diese Reaktionen der Deutschen Post AG nicht beanstandet. Er hat sie aus Fürsorgegesichtspunkten, insbesondere den weiblichen Beamten gegenüber, womöglich auch in Ansehung weiterer Vorwürfe, die hier keine Rolle spielen können und dürfen, offensichtlich als ausreichend angesehen. Eine Verletzung der Treue- und Loyalitätspflichten gegenüber dem Dienstherrn mit Blick auf dessen Fürsorgepflicht ist demnach - bezogen auf den hier allein erhobenen Vorwurf - nicht gegeben.
Dessen ungeachtet lägen hier auch die besonderen qualifizierenden Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG nicht vor. Von einem Beamten wird außerdienstlich kein wesentlich anderes Sozialverhalten erwartet als von einem Durchschnittsbürger (Urteil vom 30. August 2000 - BVerwG 1 D 37.99 - BVerwGE 112, 19 <26>). Daher überschreitet das außerdienstliche einmalige "Busengrapschen" eines Beamten - nur dies ist hier angeschuldigt und erwiesen, der Senat muss bei einer allein angeschuldigten Einmaligkeit auch von einer Erstmaligkeit ausgehen - im Regelfall das einer jeden außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Maß an disziplinarischer Relevanz noch nicht so deutlich, wie dies nach dem Wortlaut des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG für die Annahme eines außerdienstlichen Dienstvergehens erforderlich wäre (vgl. dazu Urteil vom 8. Mai 2001 a.a.O. <219 f.>). Zwar ist ein solches Verhalten strafrechtlich als Beleidigung zu qualifizieren. Eine Beleidigung nach § 185 StGB wird aber nur auf Antrag verfolgt (§ 194 StGB) und ist im Regelfall mit keinem anderen Strafmaß bedroht als die sog. einfache Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB. Die erst- und einmalige außerdienstliche Trunkenheitsfahrt eines dienstlich nicht mit dem Führen von Kraftfahrzeugen betrauten Beamten stellt aber nach der neueren Rechtsprechung des Senats ebenfalls noch kein außerdienstliches Dienstvergehen dar (in der Regel mangelt es dann bereits an den Voraussetzungen des § 54 Satz 3 BBG, vgl. Urteil vom 30. August 2000 - BVerwG 1 D 37.99 - a.a.O., Leitsatz 1). Für eine Beleidigung der vorliegenden Art als außerdienstliches Dienstvergehen kann nichts anderes gelten.
Der Beamte war daher aus Rechtsgründen mit der Kostenfolge aus § 113 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 1 BDO freizusprechen.