Beschluss vom 16.04.2020 -
BVerwG 9 B 66.19ECLI:DE:BVerwG:2020:160420B9B66.19.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 16.04.2020 - 9 B 66.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:160420B9B66.19.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 66.19

  • OVG Lüneburg - 27.08.2019 - AZ: OVG 7 KS 24/17

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. April 2020
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Martini
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. August 2019 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 60 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde, die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützt ist, hat keinen Erfolg.

2 1. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.

3 Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

4 a) Die Klärung der Frage,
ob die Klagebegründung hinsichtlich eines verspäteten Tatsachenvortrages auch dann an den Maßstäben des § 6 UmwRG n.F. gemessen werden darf, wenn diese Vorschrift erst in Kraft getreten ist, nachdem die bis dahin geltende sechswöchige Klagebegründungfrist von § 4a Abs. 1 UmwRG a.F. bereits abgelaufen war,
wäre im Revisionsverfahren nicht zu erwarten, denn sie war für das Oberverwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Es hat die vom Kläger beanstandete Zurückweisung seines Vorbringens zur fehlenden Leistungsfähigkeit der Ortsumgehung und des sich anschließenden Straßennetzes nicht nur mit § 6 UmwRG in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. August 2017, geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 2018 (§ 6 UmwRG n.F.) begründet, den es gestützt auf die Überleitungsvorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 2 UmwRG für anwendbar hält, obwohl die Klage am 12. April 2017 erhoben wurde und die Neufassung des § 6 UmwRG erst nach Rechtshängigkeit der Klage und nach Ablauf der zuvor geltenden 6-Wochen-Frist zur Klagebegründung in Kraft trat, nämlich am 29. Juli 2017 (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 27. August 2019 - 7 KS 24.17 - juris Rn. 451 und 154 ff. m.w.N.).

5 Vielmehr hat es selbst Zweifel an dieser Auffassung geäußert (OVG Lüneburg, a.a.O. Rn. 163 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 6. September 2018 - 3 A 15.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 86 = juris Rn. 15) und die Zurückweisung des Vorbringens hilfsweise auch damit begründet, dass die Voraussetzungen des § 4a Abs. 1 UmwRG a.F. bzw. des insoweit gleichlautenden § 17e Abs. 5 FStrG a.F. i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO erfüllt seien (vgl. OVG Lüneburg, a.a.O. Rn. 457). Bei einer solchen Mehrfachbegründung kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Mai 2013 - 9 B 46.12 - juris Rn. 2).

6 An dieser Voraussetzung fehlt es. Zur Begründung der Zurückweisung auf der Grundlage von § 4a Abs. 1 UmwRG a.F. und § 17e Abs. 5 FStrG a.F. hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, der Kläger sei im Planfeststellungsbeschluss über die Frist belehrt worden, das in Rede stehende Vorbringen sei unentschuldigt deutlich außerhalb der 6-Wochen-Frist erfolgt und hierdurch habe sich der Rechtsstreit verzögert (Rn. 457). Gegen diese einzelnen Begründungselemente hat die Beschwerde keine durchgreifenden Grundsatzrügen (s. hierzu aa) bis dd)) oder Verfahrensrügen (s. hierzu unter 2 a)) geltend gemacht:

7 aa) Der Umstand der Fristbelehrung im Planfeststellungsbeschluss ist unstreitig.

8 bb) Ob ein klägerisches Vorbringen neu ist oder lediglich eine Präzisierung (Vertiefung) des innerhalb der Klagefrist Vorgebrachten darstellt, ist in erster Linie eine Frage der Einzelfallwürdigung durch das Gericht. Soweit es hierzu Fragen von grundsätzlicher Bedeutung gibt, sind diese in der Rechtsprechung geklärt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 14 <zu § 6 UmwRG n.F., aber auch zu Vorgängervorschriften>); weitere Fragen von grundsätzlicher Bedeutung werden in der Beschwerde nicht aufgeworfen.

9 cc) Auch für die Frage der genügenden Entschuldigung kommt es auf den Einzelfall an. Die von der Beschwerde hierzu aufgeworfene Frage,
ob aus § 6 UmwRG n.F. bzw. § 4a Abs. 1 UmwRG a.F. folgt, dass Tatsachen, die der Kläger erst nach Ablauf der Klagebegründungsfrist erfährt, so dass er bezüglich des Nichtvortrages bis zu diesem Zeitpunkt entschuldigt war, alsbald nach Kenntniserlangung dem Gericht übermitteln muss und zwar auch dann, wenn diesbezüglich keine Ausschlussandrohung oder Belehrung erfolgt oder ersichtlich ist,
bedarf schon deshalb keiner revisionsrechtlichen Klärung, weil sie von unzutreffenden Voraussetzungen ausgeht: Nicht jede Tatsache, die ein Kläger erst nach Ablauf der Klagebegründungsfrist erfährt, führt dazu, dass der Nichtvortrag dieser Tatsache (automatisch) entschuldigt ist. Ob neue Tatsachen vorliegen, die der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht vortragen konnte, so dass der Nichtvortrag entschuldigt ist, muss das Gericht vielmehr - wie oben bereits ausgeführt - im jeweiligen Einzelfall prüfen und bewerten.

10 Zudem geht die Fragestellung zu Unrecht davon aus, dass es hier an einer "Ausschlussandrohung oder Belehrung" fehlte. Die Fristsetzung erfolgte hier nicht nach § 87b Abs. 1 oder 2 VwGO durch den Vorsitzenden oder den Berichterstatter, sondern unmittelbar durch Gesetz, das für den Fall der Fristversäumnis § 87b Abs. 3 VwGO für entsprechend anwendbar erklärt; darüber wurden die Kläger durch den Planfeststellungsbeschluss belehrt (s.o.). Für die Annahme der Beschwerde, das Gericht müsse vor der Zurückweisung verspäteten Vorbringens stets eine "Androhung" aussprechen, fehlt jede Stütze im Gesetz. Die Zurückweisung verspäteten Vorbringens hat vielmehr zusammen mit der Sachentscheidung zu ergehen. Einer besonderen Zwischenentscheidung bedarf es nicht, weil diese dem Beschleunigungszweck der Präklusionsfrist zuwiderliefe (ebenso Ortloff/Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 87b Rn. 35). Soweit der Kläger meint, der gerichtliche Hinweis sei erforderlich, damit Entschuldigungsgründe vorgetragen werden könnten (vgl. Beschwerdebegründung S. 8), ist zu beachten, dass der Betroffene Entschuldigungsgründe von sich aus vortragen muss (ebenso Ortloff/Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, a.a.O. Rn. 41); er braucht sie gem. § 87b Abs. 3 Satz 2 VwGO allerdings nur auf Verlangen glaubhaft zu machen.

11 dd) Auch bezüglich des letzten Begründungselements besteht kein Klärungsbedarf. Zur Verzögerung des Rechtsstreits genügt das Herbeiführen einer nicht unerheblichen absoluten Verfahrensverzögerung; auf die Frage, ob der Rechtsstreit ebenso lange gedauert hätte, kommt es nicht an, es sei denn, dies wäre offenkundig (BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2010 - 8 B 112.09 - juris Rn. 8 m.w.N.).

12 b) Die Frage,
ob die Rechtsfolgen von § 4a Abs. 1 UmwRG a.F. mit den Rechtsfolgen von § 6 UmwRG n.F. hinsichtlich einer Verspätungspräklusion identisch sind oder ob die Ausschlusskriterien nach § 4a Abs. 1 UmwRG a.F. weniger streng sind,
ist nach dem Vorstehenden ebenfalls nicht entscheidungserheblich. Unabhängig davon ergibt sich die Antwort aber auch unmittelbar aus dem Gesetz. Danach verlängert die Neufassung des § 6 UmwRG einerseits die Klagebegründungsfrist auf zehn Wochen ab Klageerhebung; andererseits werden die Rechtsfolgen verschärft. Nach Fristablauf vorgebrachte Erklärungen und Beweismittel sind - gemäß § 6 Satz 2 UmwRG - ungeachtet einer Verzögerung nur noch zuzulassen, wenn die Verspätung genügend entschuldigt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. September 2018 - 3 A 15.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 86 = juris Rn. 15).

13 c) Die Frage,
ob der Tatsachenvortrag im Rahmen des § 6 UmwRG n.F. bzw. § 4a Abs. 1 UmwRG a.F. eine rechtliche Zuordnung dieses Tatsachenvortrages verlangt,
lässt sich ebenfalls ohne Weiteres anhand des Wortlauts (verneinend) beantworten. Es ist im Übrigen weder dargelegt noch erkennbar, dass das Oberverwaltungsgericht von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, insbesondere ergibt sich dies nicht aus der Verwendung des Begriffs "Konfliktbewältigung durch die Nordumgehung" in Rn. 452 des Urteils. Damit greift das Urteil lediglich die Überschrift auf, unter der die Kläger im Schriftsatz vom 12. August 2019 erstmals den angeblich unzureichenden Querschnitt der Trasse beanstanden (GA Bl. 1041 ff.).

14 2. Die Revision ist auch nicht deshalb zuzulassen, weil ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

15 a) Das angegriffene Urteil verletzt nicht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG. Entgegen dem Beschwerdevorbringen (vgl. Beschwerdebegründung S. 19 f.) war das Oberverwaltungsgericht nicht verpflichtet, das Vorbringen zur Leistungsfähigkeit der Ortsumgehung und des sich anschließenden Straßennetzes - auf diesen Gesichtspunkt beschränkt sich die Beschwerde ausdrücklich (vgl. S. 5) - zu berücksichtigen. Vielmehr durfte es dieses Vorbringen, gestützt auf § 87b Abs. 3 VwGO (in Verbindung mit der gesetzlich angeordneten Klagebegründungsfrist) zurückweisen, und zwar ohne die vorhergehende Erteilung eines Hinweises.

16 Bei der Zurückweisung von Vorbringen oder Beweismitteln nach § 87b VwGO handelt sich um eine Ermessensentscheidung, die einer Begründung bedarf (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. März 2000 - 9 B 518.99 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 60 = juris Rn. 20 und vom 6. April 2000 - 9 B 50.00 - juris Rn. 6). Die Ermessensentscheidung und die Gründe dafür können sich allerdings auch aus der Darlegung ergeben, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Zurückweisung vorliegen (BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2010 - 8 B 112.09 - juris Rn. 10). Wie bereits oben unter 1 a) im Zusammenhang mit den Grundsatzrügen ausgeführt wurde, schreibt das Gesetz nicht vor, dass das Gericht vor der Zurückweisung verspäteten Vorbringens einen Hinweis erteilen muss.

17 Hiervon ausgehend ist ein Verfahrensfehler nicht erkennbar.

18 aa) Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass das Vorbringen der Kläger zur Leistungsfähigkeit außerhalb der Klagebegründungsfrist lag; insbesondere habe es sich hierbei um keine Vertiefung des bisherigen Vorbringens in der Klagebegründung gehandelt (Rn. 452).

19 Zwar wendet der Kläger dagegen in der Beschwerdebegründung ein, er habe bereits in der Klagebegründung vom 24. Mai 2007 (S. 22) darauf hingewiesen, dass es hinsichtlich der Netzfunktion keine Untersuchung gebe; auch habe er schon damals die Kapazitätsprobleme an der Autobahnabfahrt Luthe erwähnt. Er hat aber zugleich eingeräumt, "mehr (habe er) zu diesem Zeitpunkt nicht vortragen (können), da die zur Verfügung stehenden Unterlagen keine darüberhinausgehende Anstoßfunktion erfüllten" (vgl. Beschwerdebegründung S. 3). Dies entspricht auch der Klagebegründung selbst, in der ausdrücklich angemerkt wird, dass die ergänzende Variantenuntersuchung dem Kläger nicht bekannt sei und auch nicht ausgelegen habe (Klagebegründung S. 21).

20 Vor diesem Hintergrund durfte das Oberverwaltungsgericht den Vortrag der Kläger in den Schriftsätzen ihres Prozessbevollmächtigten vom 15. Januar 2019, 12. August 2019 und 25. August 2019 und der diesen beigefügten gutachterlichen Stellungnahmen als neuen, nicht vertiefenden Vortrag werten (vgl. Rn. 453 f.), denn erst dieses spätere Vorbringen bezog sich auf die zum Zeitpunkt der Klagebegründung noch nicht vorliegenden Unterlagen; von diesen haben sich die Kläger erst nach Akteneinsicht Kenntnis verschafft.

21 Das Oberverwaltungsgericht hat den bereits in der Klagebegründung enthaltenen Vortrag auch nicht übergangen, sondern sich hiermit näher auseinandergesetzt (Rn. 454 am Ende).

22 bb) Des Weiteren hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass das Vorbringen unentschuldigt erst 2019 - also sehr lange nach Klageeinreichung (April 2017) - vorgebracht worden sei; die Kläger hätten "die Verspätung offenkundig selbst verschuldet" (Rn. 455). So hätten sie nicht gleich mit Klageeinreichung am 12. April 2017, sondern erst mit Schriftsatz vom 18. Mai 2017 Akteneinsicht beantragt. Auch nach erfolgter Akteneinsicht - die Vorlage der Akten fand am 26. Mai 2017 statt - hätten sie nicht zeitnah reagiert, sondern den Gutachter erst am 6. März 2018, d.h. ein knappes Jahr nach Klageerhebung und zehn Monate nach Vorlage der Verwaltungsvorgänge, mit der Bewertung der Unterlagen zur Variantenbewertung und zur Verkehrsuntersuchung beauftragt. Zudem hätten sie dem Gericht die "Stellungnahme zu den Verkehrsuntersuchungen" vom Juli 2018 nicht unmittelbar vorgelegt, sondern weitere Monate verstreichen lassen.

23 Der Kläger setzt dem in seiner Beschwerdebegründung nichts Durchgreifendes entgegen. Den zeitlichen Ablauf bestätigt er, indem er selbst ausführt, man habe sich "erst deutlich nach Ablauf der Klagebegründungsfrist dazu entschieden, ein Fachgutachten zur Beurteilung der Variantenfrage (...) einzuholen"; wegen des mit der Gutachtenerstellung verbundenen finanziellen Aufwands habe man sich nicht kurzfristig, sondern erst "nach reiflicher Überlegung" dazu entschließen können.

24 Soweit der Kläger darauf hinweist, bis zum Ablauf der sechswöchigen Klagebegründungsfrist könne man kein Sachverständigengutachten einholen und vorlegen (Beschwerdebegründung S. 6), geht er von einem unzutreffenden Verständnis der Klagebegründungsfrist aus. Innerhalb der Frist sind die zur Begründung der Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Geht es - wie hier - um einen Sachverständigenbeweis, so ist die zu beweisende Tatsache sowie das Beweismittel zu benennen; das Sachverständigengutachten selbst kann dann durchaus noch außerhalb der Frist vorgelegt werden.

25 Die Darlegungsanforderungen werden hierdurch auch nicht überspannt. Der fristgerechte Vortrag setzt zunächst voraus, dass sich der Rechtsanwalt umgehend Akteneinsicht verschafft, wenn er - was in Planfeststellungsverfahren der Regelfall ist - auch zu Abwägungsunterlagen Stellung nehmen will, die nicht zu den ausgelegten Planfeststellungsunterlagen gehören. Derartige Unterlagen finden sich häufig in Materialbänden oder in den Verwaltungsvorgängen der Planfeststellungsbehörde. Es ist sodann Aufgabe des Rechtsanwaltes, diese Unterlagen noch innerhalb der Klagebegründungsfrist zu sichten und rechtlich zu durchdringen. Dies erfordert bereits der Vertretungszwang nach § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2019 - 9 A 13.18 - juris Rn. 134 und Beschluss vom 30. Oktober 2009 - 9 A 24.09 - juris Rn. 5). Zwar kann sich der Rechtsanwalt auch schon hierbei der Hilfe eines Sachverständigen bedienen; insbesondere kann er diesen damit beauftragen, ein Sachverständigengutachten zu einzelnen Fragen zu erstellen. Voraussetzung ist aber immer, dass schon innerhalb der Klagebegründungsfrist die Tatsachen und Beweismittel (hier: Sachverständigengutachten) benannt werden.

26 Der Kläger geht von falschen Voraussetzungen aus, wenn er meint, er könne die Sichtung bestimmter Unterlagen in der Weise vollständig auf einen Sachverständigen delegieren, dass dessen Vorbringen auch noch außerhalb der Klagebegründungsfrist berücksichtigt werden müsse. Die Darlegungslast des Klägers wird durch die Regelung des § 87b VwGO verschärft; sein Vorbringen wird zügiger angefordert. Er kann die Zurückweisung verspäteten Vorbringens und damit eine Sachentscheidung aufgrund des nicht vollständig ermittelten Sachverhalts dadurch verhindern, dass er fristgemäß reagiert. Damit nimmt die Regelung in Kauf, dass das öffentliche Interesse an der sachlichen Richtigkeit der Entscheidung hinter dem Interesse an einer Verfahrensbeschleunigung zurücktritt (Ortloff/Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 87b Rn. 16).

27 cc) Schließlich führt das Oberverwaltungsgericht aus, dass die Zulassung des Vorbringens "nach der freien Überzeugung des Senats die Erledigung des Rechtsstreits verzögern" würde (Rn. 456 f.). Soweit der Kläger dem in der Beschwerde widerspricht und meint, das Gericht habe ohne Weiteres zu seinen Gunsten durchentscheiden können, setzt er lediglich seine eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Gerichts. Damit wird ein Verfahrensfehler nicht dargelegt.

28 b) Aus dem Vorstehenden folgt, dass das Gericht den in der mündlichen Verhandlung gestellten förmlichen Beweisantrag zur Leistungsfähigkeit des Knotenpunktes Hochstr. / B 441 neu, zur Leistungsfähigkeit für den Streckenabschnitt Hochstraße / B 441 neu sowie zur Leistungsfähigkeit für die weitere Streckenführung verfahrensfehlerfrei wegen Verspätung ablehnen durfte (vgl. hierzu im Einzelnen OVG Lüneburg, a.a.O. Rn. 458 ff. sowie Protokoll der mündlichen Verhandlung GA Bl. 1355). Auf die hilfsweisen Erwägungen im Urteil (Rn. 464 ff.) kommt es daher nicht an.

29 c) Soweit der Kläger rügt, es liege eine Überraschungsentscheidung vor (Beschwerdebegründung S. 12), werden schon die prozessualen Darlegungserfordernisse nicht erfüllt, da nicht hinreichend erläutert wird, worin die Überraschungsentscheidung liegen soll. Sollte die Ablehnung des Beweisantrages gemeint sein, scheidet eine Überraschungsentscheidung schon deshalb aus, weil die Ablehnung in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich mit der Verspätung begründet wurde. Hierzu konnte der Kläger Stellung nehmen und hat dies ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung auch getan (GA Bl. 1355).

30 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Beschluss vom 28.07.2020 -
BVerwG 9 B 24.20ECLI:DE:BVerwG:2020:280720B9B24.20.0

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    BVerwG, Beschluss vom 28.07.2020 - 9 B 24.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:280720B9B24.20.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 24.20

  • OVG Lüneburg - 27.08.2019 - AZ: OVG 7 KS 24/17

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. Juli 2020
durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Martini und Dr. Dieterich
beschlossen:

  1. 1. Auf die Anhörungsrüge des Klägers wird das Verfahren BVerwG 9 B 66.19 unter dem neuen Aktenzeichen BVerwG 9 B 29.20 fortgeführt, soweit es um den bislang nicht berücksichtigten Schriftsatz des Klägers vom 2. Dezember 2019 geht.
  2. 2. Im Übrigen wird die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. April 2020 zurückgewiesen.

Gründe

1 1. Die Anhörungsrüge, über die der Senat in seiner der aktuellen Geschäftsverteilung entsprechenden Besetzung entscheidet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. November 2007 - 8 C 17.07 - juris Rn. 1), ist begründet, soweit es um den Schriftsatz des Klägers vom 2. Dezember 2019 geht (Beschwerdebegründung Teil 2). Der Senat hat insoweit den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 152a Abs. 1 VwGO).

2 Der Senat hat mit Beschluss vom 16. April 2020 - 9 B 66.19 - (juris) die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. August 2019 zurückgewiesen. Dabei hat er allerdings nur die ihm vom Oberverwaltungsgericht übermittelte Beschwerdebegründung vom 26. November 2019 berücksichtigt. Erst aufgrund der Anhörungsrüge vom 8. Juni 2020 hat sich herausgestellt, dass der Kläger am 2. Dezember 2019 - und damit noch innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist - einen weiteren Begründungsschriftsatz beim Oberverwaltungsgericht eingereicht hatte, den dieses versehentlich nicht an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet hat.

3 Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht unter Berücksichtigung des zweiten Schriftsatzes zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre, ist das Verfahren nach § 152a Abs. 5 Satz 1 VwGO fortzusetzen.

4 2. Im Übrigen ist die Anhörungsrüge unbegründet.

5 Der Kläger kann nicht mit seiner Rüge durchdringen, der Senat habe seinen Vortrag zur Frage einer hinreichenden Entschuldigung (S. 4 seiner Nichtzulassungsbeschwerde vom 26. November 2019) übergangen; dort habe er beanstandet, dass die Zurückweisung des Vortrages zur fehlenden Leistungsfähigkeit und die Ablehnung des damit verbundenen Beweisantrages sein rechtliches Gehör verletzt habe. Zur näheren Begründung führt er in seiner Anhörungsrüge aus (S. 5 ff.), bei dem geltend gemachten Fehler habe es sich um einen Zufallsfund des eingeschalteten Privatgutachters gehandelt. Daher sei der Zeitpunkt der Anforderung von Akten bzw. der Akteneinsicht völlig unerheblich gewesen; insoweit fehle es an jedem kausalen Zusammenhang. Auch wenn er die fehlenden Unterlagen noch am Tage der Klageeinreichung angefordert hätte, wäre es unmöglich gewesen, den Fehler in der 6-Wochen-Frist zu erkennen, vorzutragen oder unter Beweis zu stellen. Sei die Versäumung der Klagefrist aber entschuldigt, könne es nicht mehr auf den Zeitpunkt der Nachholung eines bis zum Ablauf der Frist entschuldigt nicht getätigten Vortrages ankommen. Ein Wiederaufleben der Zurückweisungsmöglichkeit bei unentschuldigter Versäumung der Frist sehe das Gesetz nicht vor (gemeint ist wohl bei entschuldigter Versäumung).

6 Mit diesem Vortrag hat sich der Senat indes bereits auseinandergesetzt: So hat er zum einen zum geltend gemachten "Zufallsfund" ausgeführt, dass nicht jede Tatsache, die ein Kläger erst nach Ablauf der Klagebegründungsfrist erfährt, dazu führt, dass der Nichtvortrag dieser Tatsache (automatisch) entschuldigt ist. Ob neue Tatsachen vorliegen, die der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht vortragen konnte, so dass der Nichtvortrag entschuldigt ist, muss das Gericht vielmehr im jeweiligen Einzelfall prüfen und bewerten (BVerwG, Beschluss vom 16. April 2020 - 9 B 66.19 - juris Rn. 9). Hiervon ausgehend hat der Senat keine grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage erkennen können. Zum anderen ist der Senat auf die Annahme des Oberverwaltungsgerichts eingegangen, dass das Vorbringen unentschuldigt erst 2019 - also sehr lange nach Klageeinreichung (April 2017) - vorgebracht worden sei; die Kläger hätten "die Verspätung offenkundig selbst verschuldet". Insoweit konnte der Senat keinen Verfahrensfehler erkennen (BVerwG, Beschluss vom 16. April 2020 - 9 B 66.19 - juris Rn. 22).

7 Damit folgt der Senat in der Sache nicht der Auffassung des Klägers, der meint, es stehe ihm frei, neue Tatsachen, die ihm außerhalb der 6-Wochen-Frist bekannt werden, noch jederzeit als entschuldigt in das Verfahren einzuführen. Der Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass eine solche Auslegung Sinn und Zweck der Klagebegründungsfrist des § 6 UmwRG n.F. bzw. § 4a UmwRG a.F. entgegensteht. Die Norm nimmt auf die Regelung zur Zurückweisung verspäteten Vorbringens in § 87b Abs. 3 VwGO Bezug, um zur Straffung des Gerichtsverfahrens beizutragen. Damit steht die Auffassung des Klägers in Widerspruch.

8 Schließlich ist der Senat auch auf die Ablehnung des Beweisantrages eingegangen (BVerwG, Beschluss vom 16. April 2020 - 9 B 66.19 - juris Rn. 28).

9 3. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, weil Gerichtskosten gemäß KV-Nr. 5400 der Anl. 1 zu § 3 Abs. 2 GKG nur entstehen, wenn die Rüge in vollem Umfang verworfen oder zurückgewiesen wird.

Beschluss vom 28.07.2020 -
BVerwG 9 B 29.20ECLI:DE:BVerwG:2020:280720B9B29.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.07.2020 - 9 B 29.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:280720B9B29.20.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 29.20

  • OVG Lüneburg - 27.08.2019 - AZ: OVG 7 KS 24/17

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. Juli 2020
durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Martini und Dr. Dieterich
beschlossen:

Der Beschluss des Senats vom 16. April 2020 - BVerwG 9 B 66.19 - bleibt aufrechterhalten.

Gründe

1 1. Das frühere Verfahren BVerwG 9 B 66.19 (Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. August 2019) wurde auf die begründete Anhörungsrüge des Klägers hin mit Beschluss vom heutigen Tage (BVerwG 9 B 24.20 ) unter dem Aktenzeichen - 9 B 29.20 - fortgesetzt, soweit es um den bislang nicht berücksichtigten Schriftsatz des Klägers vom 2. Dezember 2019 geht.

2 Die gemäß § 152a Abs. 5 Satz 2 VwGO erneut zu treffende Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde führt jedoch nicht zur Zulassung der Revision. Die Beschwerde ist auch unter Berücksichtigung des Schriftsatzes vom 2. Dezember 2019 in der Sache zurückzuweisen. Daher ist die ursprüngliche Entscheidung im Tenor, nicht aber wegen der Begründung aufrechtzuerhalten (vgl. VGH München, Beschluss vom 14. März 2018 - 13a ZB 18.30454 - juris Rn. 3 m.w.N.; Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 152a Rn. 25). Diese wird vielmehr um die nachfolgenden Gründe ergänzt.

3 2. Die im Schriftsatz des Klägers vom 2. Dezember 2019 (Teil 2 der Beschwerdebegründung) erhobenen Grundsatz- und Verfahrensrügen führen nicht zur Zulassung der Revision.

4 a) Die geltend gemachten Grundsatzrügen (S. 8 f.) sind wortgleich mit denen in der Beschwerdebegründung vom 26. November 2019, so dass insoweit auf den Beschluss vom 16. April 2020 - 9 B 66.19 - sowie - zur weiteren Erläuterung - auf den Anhörungsrügenbeschluss vom heutigen Tage (9 B 24.20 ) verwiesen werden kann.

5 b) Die Revision ist auch nicht deshalb zuzulassen, weil im Zusammenhang mit der Zurückweisung des klägerischen Vortrags zur Nichtauslegung des Wasserkörperdatenblattes ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

6 Das Oberverwaltungsgericht hat den diesbezüglichen Vortrag als verspätet angesehen. Innerhalb der Klagebegründungsfrist sei dieser Fehler nicht geltend gemacht worden. Dies sei auch ohne Kenntnis des Inhalts des Wasserkörperdatenblattes möglich gewesen (OVG Lüneburg, Urteil vom 27. August 2019 - 7 KS 24/17 - juris Rn. 159 f.). Selbst wenn man dies anders sähe, sei das verspätete Vorbringen jedenfalls nicht genügend entschuldigt. Die Auffassung des Klägers, ihm stehe es nach Ablauf der Klagebegründungsfrist frei, erst später bekannt gewordene Tatsachen zu jedem späteren Zeitpunkt des Verfahrens einzubringen, überzeuge erkennbar nicht. Eine solche Sichtweise widerspreche eklatant dem Sinn und Zweck der Klagebegründungsfrist, zu einer Straffung des Gerichtsverfahrens beizutragen. Könne während der Klagebegründungsfrist aus Gründen, die nicht in der Sphäre des Klägers liegen, nicht vorgetragen werden, sei ein verspätetes Vorbringen lediglich bis zu dem Zeitpunkt entschuldigt, in dem ein Vortrag möglich und zumutbar geworden sei. Vorliegend habe die Beklagte das fragliche Wasserkörperdatenblatt mit Schriftsatz vom 14. August 2017 vorgelegt. Der Vortrag der Kläger dazu sei jedoch erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 14. August 2019 erfolgt (OVG Lüneburg, Urteil vom 27. August 2019 - 7 KS 24/17 - juris Rn. 160). Es sei schließlich auch nicht mit geringem Aufwand möglich, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln. Denn die Aufklärung, zu welchem Zeitpunkt das aktualisierte Wasserkörperdatenblatt veröffentlicht worden sei, welche Unterlagen ausgelegt worden seien, ob es sich um einen Verfahrensfehler oder um einen materiellen Fehler handele und ob ein etwaiger Verfahrensfehler beachtlich gewesen sei, erfordere eine nähere Prüfung mit nicht mehr geringem Aufwand (ebd. Rn. 161).

7 Bei der Zurückweisung von Vorbringen oder Beweismitteln nach § 87b VwGO handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, deren Voraussetzungen der Senat bereits im Beschluss vom 16. April 2020 - 9 B 66.19 - (juris Rn. 16) näher erläutert hat. Hiervon ausgehend ist ein Verfahrensfehler nicht erkennbar.

8 Nicht überzeugend ist der Hinweis des Klägers, es habe sich lediglich um einen rechtlichen Hinweis gehandelt, der vom Gericht nicht als verspätet habe ausgeschlossen werden können (S. 7 Mitte), denn die fehlende Auslegung einer Unterlage ist - anders als etwa die Sachurteilsvoraussetzungen einer Klage - keine stets von Amts wegen zu prüfende Tatsache. Ob die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts überzeugend ist, der Kläger habe schon innerhalb der Klagebegründungsfrist die fehlende Auslegung des Wasserkörperdatenblattes rügen können, mag zweifelhaft sein. Dies kann aber dahinstehen, da das Gericht die Zurückweisung selbständig tragend darauf gestützt hat, dass das spätere Vorbringen - erst lange nach Kenntnis des Inhalts des Datenblattes - nicht ausreichend entschuldigt war und zu einer Verzögerung des Verfahrens geführt hätte. Jedenfalls insoweit war das Vorgehen nicht verfahrensfehlerhaft.

9 Das Oberverwaltungsgericht weist zutreffend darauf hin, dass § 6 UmwRG auf die Regelung zur Zurückweisung verspäteten Vorbringens in § 87b Abs. 3 VwGO Bezug nimmt, um zur Straffung des Gerichtsverfahrens beizutragen. Die Auffassung des Klägers, es stehe ihm frei, neue Tatsachen, die ihm außerhalb der 6-Wochen-Frist bekannt werden, noch jederzeit als entschuldigt in das Verfahren einzuführen, steht damit in klarem Widerspruch. Dass - ausgehend von den vom Gericht angenommenen Voraussetzungen (Entschuldigung lediglich bis zu dem Zeitpunkt, in dem ein Vortrag möglich und zumutbar geworden ist) - ein Verfahrensfehler vorlag, legt die Beschwerde nicht dar. Sie weist lediglich darauf hin, dass sie erstmals am 18. August 2017 Kenntnis von dem neuen Datenblatt erlangt habe (S. 7 oben); warum sie nicht unverzüglich darauf reagierte, erläutert sie hingegen nicht, auch nicht im nachgereichten Schriftsatz vom 27. Juli 2020. Soweit der Kläger schließlich die vom Gericht bei der hilfsweisen Anwendung des § 4a UmwRG a.F. angenommene Verzögerung (OVG Lüneburg, Urteil vom 27. August 2019 - 7 KS 24/17 - juris Rn. 165 f.) in Abrede stellt (S. 9), setzt er lediglich seine eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Gerichts. Auch damit wird ein Verfahrensfehler nicht dargelegt.

10 c) Aus denselben Gründen ist ein Verfahrensmangel auch nicht im Zusammenhang mit der Prüfung des wasserrechtlichen Verschlechterungsverbotes und des Verbesserungsgebotes nach § 27 Abs. 1 WHG dargelegt. Denn auch insoweit hat das Oberverwaltungsgericht den Vortrag, der erstmals in den Schriftsätzen vom 12. und 25. August 2019 erfolgte, verfahrensfehlerfrei als unentschuldigt verspätet zurückgewiesen und zu Recht angenommen, dass der Sachverhalt nicht mit geringem Aufwand auch ohne Mitwirkung der Beteiligten zu ermitteln war (vgl. hierzu OVG Lüneburg, Urteil vom 27. August 2019 - 7 KS 24/17 - juris Rn. 407 f.). Der Einwand des Klägers, für die Prüfung des Verschlechterungsverbotes und des Verbesserungsgebotes wäre ein irgendwie relevanter Sachverhaltsaufklärungsaufwand nicht entstanden, greift nicht durch. Vielmehr lassen sich die Einstufung und die vorhabenbedingte Verschlechterung des ökologischen Zustands oder Potentials eines Oberflächenwasserkörpers durch das Gericht regelmäßig nur mit sachverständiger Hilfe zuverlässig beurteilen.

11 Im Übrigen weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass dieser Rüge die Entscheidungserheblichkeit fehlt, da das Oberverwaltungsgericht die Kausalität des geltend gemachten Fehlers - selbständig tragend - verneint hat. Der - unterstellte - Mangel habe nur örtliche Bedeutung und sei für die Eigentumsbetroffenheit der Kläger nicht kausal (OVG Lüneburg, Urteil vom 27. August 2019 - 7 KS 24/17 - juris Rn. 410). Diese materielle Erwägung wird vom Kläger nicht erfolgreich mit Verfahrens- oder Sachrügen angegriffen.