Beschluss vom 16.09.2024 -
BVerwG 4 BN 16.24ECLI:DE:BVerwG:2024:160924B4BN16.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 16.09.2024 - 4 BN 16.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:160924B4BN16.24.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 16.24

  • VGH Mannheim - 22.03.2024 - AZ: 8 S 2736/22

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. September 2024
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt und Dr. Seidel
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 22. März 2024 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die ausschließlich auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.

2 Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Mai 2024 - 4 BN 30.23 - juris Rn. 2 m. w. N. <insoweit nicht abgedruckt in ZfBR 2024, 434>). Dem genügt die Beschwerde nicht.

3 1. Ist die vorinstanzliche Entscheidung − wie hier − auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt. Denn ist nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben, dann kann diese hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. April 2024 - 4 B 19.23 - juris Rn. 3 m. w. N. <insoweit nicht abgedruckt in ZfBR 2024, 352>). Der Verwaltungsgerichtshof hat kumulativ zwei rechtserhebliche Mängel angenommen, die jeweils für sich die Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans begründeten: Zum einen liege ein beachtlicher Verfahrensmangel nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 2 Abs. 3 BauGB vor, weil die Antragsgegnerin den Belang der Antragstellerin, ihr Grundeigentum − wie bisher − einer baulichen Nutzung zuführen zu können, in seiner Bedeutung nicht hinreichend bewertet habe (vgl. UA S. 15 ff.). Zum anderen sei der Antragsgegnerin unabhängig hiervon ein beachtlicher, selbstständig rügefähiger (materieller) Abwägungsvorgangsfehler unterlaufen, § 214 Abs. 3 Satz 2, § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 1 Abs. 7 BauGB (vgl. UA S. 27 f.). Jedenfalls in Bezug auf die zweite tragende Begründung ist ein Revisionszulassungsgrund nicht dargelegt (s. u.). Auf das Vorbringen der Antragsgegnerin zu dem Bewertungsmangel und die insofern als rechtsgrundsätzlich bezeichneten Fragen kommt es demnach nicht an.

4 2. Soweit die Antragsgegnerin hinsichtlich des materiellen Abwägungsmangels grundsätzlich geklärt wissen will,
ob die zeitliche Dimension bzw. eine unterbliebene Dringlichkeit bzgl. der Verfahrensdurchführung den öffentlichen Belangen weniger Gewicht vermittelt,
fehlt es schon an der Entscheidungserheblichkeit. Der Verwaltungsgerichtshof sieht einen Fehler im Abwägungsvorgang darin, dass dem gewichtigen Eigentumsbelang der Antragstellerin, von einer "faktischen Enteignung" verschont zu bleiben, lediglich die öffentlichen Belange entgegengehalten worden seien, erforderliche öffentliche Parkplätze und einen Kinderspielplatz schaffen zu wollen; für das behauptete besondere Gewicht dieser Belange sei aber von der Antragsgegnerin nichts angeführt worden. Gegen diese Erwägung, die für die Vorinstanz bereits für sich entscheidungstragend war, wendet sich die Beschwerde nicht. Die Frage zur zeitlichen Dimension bzw. der fehlenden Dringlichkeit der Verfahrensdurchführung bezieht sich ausschließlich auf die ergänzende Erwägung, wonach dies − d. h. die unzureichende Darlegung des besonderen Gewichts der öffentlichen Belange − "umso mehr" vor dem Hintergrund gelte, dass das Planungsverfahren keineswegs mit besonderer Dringlichkeit vorangetrieben worden sei, sondern sogar − eher gegenläufig − über längere Zeit Möglichkeiten einer Wohnbebauung ausgelotet worden seien (UA S. 28). Diese Ausführungen gehen über die Feststellung, dass das behauptete besondere Gewicht der öffentlichen Belange der Antragsgegnerin jedenfalls keinen Anlass zu einer beschleunigten Durchführung des Planverfahrens gegeben hat, nicht hinaus. Für die Frage der Offensichtlichkeit und Ergebnisrelevanz des Mangels im Sinne von § 214 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BauGB sind sie nicht tragend. Entgegen der Auffassung der Beschwerde ergibt sich aus der Urteilsbegründung nicht, dass der Verwaltungsgerichtshof einen offensichtlichen Abwägungsmangel anderenfalls verneint hätte. Die Beschwerde legt auch nicht dar, inwieweit die Dauer des Planverfahrens für die Offensichtlichkeit des Mangels relevant sein sollte.

5 Ungeachtet dessen hat der Verwaltungsgerichtshof den angenommenen Fehler im Abwägungsvorgang kumulativ ("auch", UA S. 28) damit begründet, dass die Antragsgegnerin eine nur teilweise Inanspruchnahme des Grundstücks der Antragstellerin nicht erwogen habe. Insoweit macht die Beschwerde keine Zulassungsgründe geltend. Namentlich reicht der bloße Hinweis auf Ziffer 2.5 der Planbegründung in einem Klammerzusatz bei der Wiedergabe der angegriffenen Entscheidung (vgl. S. 4 der Beschwerdebegründung) zur Darlegung eines − ausdrücklich auch nicht geltend gemachten − Verfahrensmangels im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht aus.

6 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.