Beschluss vom 30.04.2024 -
BVerwG 4 B 19.23ECLI:DE:BVerwG:2024:300424B4B19.23.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 30.04.2024 - 4 B 19.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:300424B4B19.23.0]
Beschluss
BVerwG 4 B 19.23
- VG München - 21.07.2021 - AZ: M 29 K 20.380
- VGH München - 03.07.2023 - AZ: 2 B 22.1722
In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. April 2024
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Decker und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Stamm
beschlossen:
- Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. Juli 2023 wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Gründe
1 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.
2 Der Verwaltungsgerichtshof ist davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine planungsrechtliche Beurteilung nach § 34 Abs. 1 BauGB nicht gegeben sind. Es fehle bereits an einem Ortsteil. Zwar weise die Bebauung im Umfeld des Vorhabengrundstücks ein gewisses Gewicht auf, es fehle aber an einer organischen Siedlungsstruktur (UA Rn. 14 ff.). Sollte man dies anders sehen und die Ortsteileigenschaft bejahen wollen, sei jedenfalls die weitere Voraussetzung des Bebauungszusammenhangs zu verneinen (UA Rn. 24 ff.).
3 Ist die vorinstanzliche Entscheidung - wie hier - auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt. Denn ist nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben, dann kann diese hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 2022 - 4 BN 7.22 - juris Rn. 4 m. w. N.). Jedenfalls in Bezug auf die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, das Vorhabengrundstück nehme an einem etwaigen Bebauungszusammenhang nicht teil, weil es sich hierbei um keine Baulücke (mehr) handele, ist der insoweit allein geltend gemachte Revisionszulassungsgrund der Divergenz nicht gegeben.
4 Gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung (u. a.) des Bundesverwaltungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Dies setzt einen Widerspruch in einem abstrakten Rechtssatz voraus, also einen prinzipiellen Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes (BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2017 - 6 B 43.17 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 198 Rn. 4). In der Beschwerdebegründung muss nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO die Entscheidung bezeichnet werden, von der das Urteil abweicht. Der Beschwerde obliegt es, einen tragenden, abstrakten Rechtssatz dieser Entscheidung zu einer revisiblen Rechtsvorschrift zu benennen und darzulegen, dass die Entscheidung der Vorinstanz auf einem abweichenden abstrakten Rechtssatz zu derselben Rechtsvorschrift beruht. Für eine Abweichung nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genügt nicht der Vorwurf, die Vorinstanz habe einen abstrakten Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts fehlerhaft oder gar nicht angewandt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. November 2022 - 4 BN 4.22 - juris Rn. 11 m. w. N.). Gemessen daran legt die Beschwerde eine Divergenz nicht dar.
5 1. Die Beschwerde entnimmt dem Beschluss des Senats vom 16. Februar 1988 - 4 B 19.88 - (Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 123) einen Rechtssatz des Inhalts, dass einseitig bebaute Straßen in der Regel eine trennende Wirkung zwischen Innen- und Außenbereich entfalten. Dazu stehe die Regelvermutung des Verwaltungsgerichtshofs in Widerspruch, wonach ein Grundstück nur dann dem Innenbereich zuzuordnen sei, wenn es an mindestens drei Seiten von Bebauung umgeben sei. Diese Gegenüberstellung führt nicht auf eine Rechtssatzdivergenz. Die von der Beschwerde in Bezug genommene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gibt den aus ihr abgeleiteten Rechtssatz schon nicht her; diesen hatte vielmehr das dortige Berufungsgericht aufgestellt. Der Senat hat demgegenüber betont, dass es nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen sei, ob eine Straße einen Bebauungszusammenhang herstelle oder ob ihr eine trennende Funktion zwischen Innen- und Außenbereich zukomme (a. a. O. juris Rn. 2). Im Übrigen ist aber auch nicht ersichtlich, dass eine Abweichung zwischen den von der Beschwerde gegenübergestellten Rechtssätzen besteht. Die Frage einer eventuell trennenden Wirkung des D.wegs hat sich dem Verwaltungsgerichtshof nicht gestellt, weil dieser Weg in Nord-Süd-Richtung verläuft und ihm deshalb in Bezug auf die südlich bzw. nördlich des Vorhabengrundstücks angrenzenden Grundstücke keine trennende Wirkung zukommen kann. Einen Rechtssatz, wonach bei einseitiger Bebauung aufgrund der trennenden Wirkung der Straße die bebaute Seite stets umfänglich und unabhängig von den weiteren Verhältnissen als unbeplanter Innenbereich gemäß § 34 Abs. 1 BauGB zu qualifizieren ist, wovon die Beschwerde möglicherweise ausgeht, enthält der Beschluss vom 16. Februar 1988 nicht.
6 2. Dem Urteil des Senats vom 6. November 1968 - 4 C 2.66 - (BVerwGE 31, 20) entnimmt die Beschwerde den Rechtssatz, dass ausschlaggebend (für das Vorliegen eines Bebauungszusammenhangs) sei, inwieweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit (Zusammengehörigkeit) vermittele. Dieser Rechtssatz besage, dass für die Frage, ob einem unbebauten Grundstück eine Zäsurwirkung zukomme oder ein Grundstück als Baulücke den Bebauungszusammenhang nicht unterbreche, die gesamte, in der näheren Umgebung vorhandene aufeinanderfolgende Bebauung in den Blick zu nehmen sei. Der Verwaltungsgerichtshof sei zwar von diesem Rechtssatz ausgegangen. Abweichend hiervon habe er aber angenommen, dass nur die unmittelbar an das unbebaute Vorhabengrundstück angrenzenden Grundstücke für die Frage des Bebauungszusammenhangs Relevanz entfalteten. Eine Divergenz ist hiermit nicht dargetan. Denn in der Sache macht die Beschwerde lediglich einen Rechtsanwendungsfehler geltend, auf den eine Divergenzrüge nicht gestützt werden kann. Der Vorwurf ist im Übrigen unbegründet. Ausweislich der Ausführungen unter Randnummer 26 des Urteilsabdrucks hat der Verwaltungsgerichtshof "die Bereiche südlich und nördlich des Vorhabengrundstücks" in den Blick genommen und aus der dort beim Augenschein vorgefundenen "kleinteiligen Bebauung" insbesondere der jeweils vier auf das Vorhabengrundstück folgenden Grundstücke geschlossen, dass es sich bei diesem um keine "Baulücke" handelt.
7 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.