Verfahrensinformation



Der Antragsteller wendet sich als Planinnenlieger gegen die Änderung eines Bebauungsplans für einen bereits bebauten Bereich.


Die Planänderung setzt — ausgehend vom Bestand — u.a. für einen Teilbereich, in dem ein reines Wohngebiet festgesetzt ist, Baugrenzen für die Hauptgebäude fest. Als Maß der baulichen Nutzung sind für jedes Grundstück zulässige Grundflächen festgesetzt, die durch bestimmte Flächen wie etwa Terrassen und Vordächer überschritten werden dürfen. Durch die in § 19 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 BauNVO genannten Anlagen (u.a. Garagen, Stellplätze, Nebenanlagen) darf die festgesetzte Grundfläche bis zu einer Gesamtgrundflächenzahl von 0,4 überschritten werden.


Der Antragsteller ist Eigentümer von zwei mit je einer Doppelhaushälfte bebauten Grundstücken, die 288 m bzw. 400 m groß sind und für die jeweils eine Grundfläche von 80 m festgesetzt ist. Mit seinem Normenkontrollantrag macht er im Wesentlichen geltend, dass die festgesetzte Gesamtgrundflächenzahl die mögliche Bebauung seiner Grundstücke so weit beschränke, dass für Nebenanlagen, insbesondere Stellplätze und Garagen, nicht mehr genügend Fläche zur Verfügung stehe.


Der Verwaltungsgerichtshof hat den Bebauungsplan bezogen auf den Teilbereich, in dem ein reines Wohngebiet festgesetzt ist, für unwirksam erklärt. Die nur Hauptanlagen betreffende Festsetzung zur zulässigen Grundfläche sei fehlerhaft. Bei einer Festsetzung nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO dürfe nicht zwischen Haupt- und Nebenanlagen unterschieden und die Festsetzung auf die Hauptanlagen beschränkt werden. Vielmehr müssten bei der Ermittlung der Grundfläche gemäß § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO u.a. die Grundflächen von Garagen und ihren Zufahrten sowie Nebenanlagen im Sinne des § 14 BauNVO mitgerechnet werden. Für diese Anlagen fehle es daher an einer wirksamen Festsetzung zur zulässigen Grundfläche.


Hiergegen richtet sich die vom Bundesverwaltungsgericht zugelassene Revision der Antragsgegnerin.


Beschluss vom 30.09.2024 -
BVerwG 4 BN 7.24ECLI:DE:BVerwG:2024:300924B4BN7.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.09.2024 - 4 BN 7.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:300924B4BN7.24.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 7.24

  • VGH München - 12.12.2023 - AZ: 1 N 22.479

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 30. September 2024 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Stamm beschlossen:

  1. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Dezember 2023 wird aufgehoben. Die Revision wird zugelassen.
  2. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren vorläufig auf 30 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und begründet. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

2 Das Revisionsverfahren kann voraussichtlich Gelegenheit geben, die Frage zu klären, ob § 16 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO eine Festsetzung der Größe der Grundflächen beschränkt auf Hauptanlagen ermöglicht.

3 Die vorläufige Festsetzung des Streitwerts für das Revisionsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 4 CN 2.24 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.

Urteil vom 16.09.2025 -
BVerwG 4 CN 2.24ECLI:DE:BVerwG:2025:160925U4CN2.24.0

Festsetzung der Größe der Grundflächen in einem Bebauungsplan

Leitsatz:

§ 16 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO ermächtigt die Gemeinde nicht zu Festsetzungen der zulässigen Grundfläche für einzelne Anlagentypen, sondern verlangt eine einheitliche Festsetzung für alle baulichen Anlagen.

  • Rechtsquellen
    BauNVO § 16 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5, § 19 Abs. 4

  • VGH München - 12.12.2023 - AZ: 1 N 22.479

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 16.09.2025 - 4 CN 2.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:160925U4CN2.24.0]

Urteil

BVerwG 4 CN 2.24

  • VGH München - 12.12.2023 - AZ: 1 N 22.479

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. September 2025 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seidel und Dr. Koch sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Stamm für Recht erkannt:

  1. Auf die Revision der Antragsgegnerin wird das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Dezember 2023 aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich als Planinnenlieger gegen die Änderung eines Bebauungsplans für einen bereits bebauten Bereich.

2 Die Planänderung setzt - ausgehend vom Bestand - Baugrenzen für die Hauptgebäude fest. Als Maß der baulichen Nutzung sind für jedes Grundstück zulässige Grundflächen festgesetzt (A.3.1), die durch Flächen von Terrassen (A.3.2) und Vordächern, Dachüberständen, die über 0,8 m vor der Außenwand hervorragen, Auskragungen, Außentreppen und Kellerschächten (A.3.3) überschritten werden dürfen. Die nach A.3.1 bis A.3.3 festgesetzte Grundfläche darf durch die in § 19 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BauNVO genannten Anlagen (u. a. Stellplätze, Garagen, Nebenanlagen) bis zu einer Gesamtgrundflächenzahl von 0,4 überschritten werden (A.3.4).

3 Der Antragsteller ist Eigentümer von zwei mit je einer Doppelhaushälfte bebauten Grundstücken, die 288 m2 bzw. 400 m2 groß sind und für die jeweils eine Grundfläche von 8o m2 festgesetzt ist.

4 Der Verwaltungsgerichtshof hat den Bebauungsplan - wie vom Antragsteller beantragt - bezogen auf den Teilbereich, in dem ein reines Wohngebiet festgesetzt ist, für unwirksam erklärt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Die Festsetzung zum Maß der baulichen Nutzung sei fehlerhaft. Der Plan regele zwar die zulässige Grundfläche sowie deren Überschreitung durch Nebenanlagen. Die Festsetzungen reichten jedoch nicht bei allen Grundstücken aus, um die zulässigen Garagen- bzw. Nebengebäude zu realisieren. Dieser Mangel führe zur Unwirksamkeit des Plans im tenorierten Umfang. Gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO müsse die Größe der Grundfläche für alle baulichen Anlagen festgesetzt werden. Eine Festsetzung nur für die Hauptanlagen und nicht auch für die nach § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO mitzurechnenden "Nebenanlagen" sei unzulässig. Hier fehle es an einer wirksamen Festsetzung für die Anlagen im Sinne von § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO. Die Planänderung setze ausweislich der Begründung die zulässige Grundfläche nur für die städtebaulich wirksamen Hauptgebäude, verschiedene Anbauten und Anlagenteile sowie Terrassen fest. Die zulässige Grundfläche für die Grundstücke des Antragstellers belaufe sich auf insgesamt jeweils 122 m² und dürfe durch die in § 19 Abs. 4 BauNVO genannten Anlagen bis zu einer Gesamtgrundflächenzahl von 0,4 überschritten werden. Für das 288 m2 große Grundstück des Antragstellers ergebe sich daraus eine Fläche von 115 m². Da die festgesetzte zulässige Grundfläche diese Fläche bereits überschreite, seien Garagen bzw. Nebengebäude nicht mehr realisierbar. Ob die auf dem größeren Grundstück verbleibende Überschreitungsfläche von 38 m2 für die Realisierung der nach dem Bebauungsplan erforderlichen Garagen oder Stellplätze ausreichend bemessen sei, könne dahinstehen.

5 Die Antragsgegnerin macht mit ihrer Revision geltend, der Verwaltungsgerichtshof gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass die zulässige Grundfläche im Bebauungsplan gesondert für "städtebaulich wirksame Hauptgebäude" einerseits und für die in § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO genannten Anlagen andererseits festgesetzt werden könne. Hierfür böten die Regelungen in § 16 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 und § 19 Abs. 2 und 4 BauNVO keine Grundlage. Vor diesem Hintergrund sei auch die vom Verwaltungsgerichtshof vorgenommene Interpretation, dass die Festsetzung A.3.1 nur für "städtebaulich wirksame Hauptgebäude" gelte, nicht mit Bundesrecht vereinbar.

6 Der Antragsteller verteidigt das angegriffene Urteil.

II

7 Die Revision ist zulässig und begründet. Das angegriffene Urteil beruht auf einer Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Es erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Senat kann nicht selbst in der Sache entscheiden; das erfordert die Zurückverweisung (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

8 1. a) Der Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, die Festsetzungen zur Größe der Grundfläche seien fehlerhaft, weil es an einer wirksamen Festsetzung für die nach § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO zu berücksichtigenden Anlagen fehle, liegt ein unzutreffendes Verständnis der § 16 Abs. 2 Nr. 1, § 19 Abs. 4 BauNVO zugrunde.

9 aa) Nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO kann im Bebauungsplan das Maß der baulichen Nutzung durch Festsetzung der Grundflächenzahl oder der Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen bestimmt werden. Die Vorschrift ermächtigt den Plangeber dazu, den Umfang der Fläche eines Grundstücks zu bestimmen, der von baulichen Anlagen in zulässiger Weise überdeckt werden darf. Gemäß § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO sind bei der Ermittlung der Grundfläche die Grundflächen der in den Nr. 1 bis 3 genannten Anlagen mitzurechnen. Die zulässige Grundfläche darf durch die Grundflächen der in Satz 1 bezeichneten Anlagen bis zu 50 vom Hundert überschritten werden, höchstens jedoch bis zu einer Grundflächenzahl von 0,8; weitere Überschreitungen in geringfügigem Ausmaß können zugelassen werden (§ 19 Abs. 4 Satz 2 BauNVO). Im Bebauungsplan können von Satz 2 abweichende Bestimmungen getroffen werden (§ 19 Abs. 4 Satz 3 BauNVO).

10 bb) Die aktuelle Fassung des § 19 Abs. 4 BauNVO beruht auf der Vierten Verordnung zur Änderung der Baunutzungsverordnung vom 23. Januar 1990 (BGBl. I S. 127). Die früheren Fassungen sahen vor, dass die Grundflächen von Nebenanlagen im Sinne von § 14 BauNVO, von baulichen Anlagen, die nach Landesrecht im Bauwich oder in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können, sowie von Balkonen, Loggien und Terrassen nicht auf die zulässige Grundfläche angerechnet werden. Nach der Neuregelung sind grundsätzlich alle baulichen Anlagen ungeachtet ihrer Funktion grundflächenrelevant. Anlass für diese konzeptionelle Neuausrichtung war die Bodenschutzklausel (§ 1 Abs. 5 Satz 3 BauGB 1987/§ 1a Abs. 2 BauGB). Mit der Anrechnungsregelung in Satz 1 soll der besonderen Bedeutung der nicht versiegelten Grundstücksfläche für die Erhaltung der natürlichen Bodenfunktion und für die Verbesserung des Stadtklimas Rechnung getragen werden, indem die zulässige Überbauung des Baugrundstücks mit Nebenanlagen an die für die Hauptnutzung festgesetzte höchstzulässige Grundstücksüberbauung gekoppelt wird. Die ergänzenden Regelungen in Satz 2 bis 4 sollen unter grundsätzlicher Wahrung des mit der Anrechnung verfolgten Ziels des Bodenschutzes einen flexiblen, auch die Zumutbarkeit berücksichtigenden Vollzug gewährleisten und es zusätzlich der Gemeinde ermöglichen, durch Festsetzungen im Bebauungsplan situationsgerecht die Anrechnungsregelung auszugestalten (vgl. BR-Drs. 354/89, S. 35 ff., 71 f.). § 19 Abs. 4 BauNVO ist auch auf die Festsetzung einer absoluten Grundfläche nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 BauNVO anzuwenden; die Gegenauffassung (vgl. Seith, in: Brügelmann, BauNVO, Stand Juli 2025, § 16 Rn. 39) widerspricht der Intention des Verordnungsgebers.

11 cc) § 16 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 BauNVO verlangt schon nach seinem Wortlaut, dass die Größe der Grundfläche für alle baulichen Anlagen festgesetzt wird. Für eine Differenzierung nach Anlagentypen findet sich keine Grundlage. Auch die Ausnahmeregelung in § 16 Abs. 5 BauNVO nennt als Bezugspunkte für Differenzierungen nur Teile des Baugebiets, einzelne Grundstücke oder Grundstücksteile sowie Teile baulicher Anlagen. Eine anlagenbezogene Regelung kann nur auf der Grundlage von § 19 Abs. 4 Satz 3 BauNVO für die dort genannten Anlagentypen getroffen werden. Das System der Maßfestsetzungen in §§ 16 ff. BauNVO ist bundesrechtlich abschließend. Das gilt sowohl hinsichtlich des Kataloges der zulässigen Bestimmungsfaktoren als auch hinsichtlich deren Kombination und der Notwendigkeit ihrer Festsetzung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Juli 1991 - 4 NB 22.91 - Buchholz 406.12 § 16 BauNVO Nr. 1 S. 1; OVG Lüneburg, Urteil vom 21. März 2019 - 1 KN 9/17 - ZfBR 2019, 585). Darüber hinaus steht der Gemeinde ein "Festsetzungsfindungsrecht" nicht zu (BVerwG, Urteile vom 11. Februar 1993 - 4 C 18.91 - BVerwGE 92, 56 <62> und vom 30. August 2001 - 4 CN 9.00 - BVerwGE 115, 77 <80>). Eine Festsetzung der Größe der zulässigen Grundfläche nur für Hauptanlagen ist daher nicht von der Ermächtigungsgrundlage in § 16 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO gedeckt (vgl. OVG Saarlouis, Urteil vom 12. März 2009 - 2 C 312.08 - BRS 74 Nr. 88 S. 434; VGH Hamburg, Urteil vom 17. Juni 2010 - 2 E 7/07.N - BauR 2010, 2064 <2065>; OVG Münster, Urteil vom 1. September 2016 - 10 D 23/15.NE - juris Rn. 83). Davon ist - im Ansatz zutreffend - auch die Vorinstanz ausgegangen (UA S. 8 unter Bezugnahme auf VGH München, Urteil vom 22. September 2015 - 1 B 14.16 52 - NVwZ-RR 2016, 135 Rn. 23 ff.).

12 dd) Der Verwaltungsgerichtshof hat aber weitergehend angenommen, dass die Grundfläche für alle baulichen Anlagen in zulässiger Weise auch durch die Kombination einer Festsetzung für Hauptanlagen nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO mit einer Festsetzung für Nebenanlagen nach § 19 Abs. 4 Satz 3 BauNVO erfolgen kann. Die Grundfläche für die Nebenanlagen müsse dann aber so bemessen sein, dass die zulässigen Garagen- bzw. Nebengebäude realisiert werden können (vgl. VGH München, Beschluss vom 22. Januar 2018 - 1 ZB 16.16 35 - juris Rn. 5; Urteil vom 7. November 2012 - 1 N 10.24 17 - ZfBR 2013, 182). Das steht mit § 16 Abs. 2 Nr. 1 und § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO nicht in Einklang.

13 Die Mitrechnungsregel des § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO knüpft an § 16 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO an. Sie soll - zusammen mit § 16 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO - sicherstellen, dass die Gemeinde bei der Bauleitplanung die Bodenversiegelung in den Blick nimmt und ihr entgegenwirkt. Der Plangeber muss sich bei der Ermittlung der Grundfläche vor Augen halten, dass grundsätzlich alle baulichen Anlagen zu Buche schlagen. Dabei kann es z. B. bei der Planung eines Wohngebiets sachgerecht sein, die zulässige Grundfläche so zu bestimmen, dass das festgesetzte Maß etwa die Grundfläche zulässt, die für die Hauptgebäude benötigt wird, und für die Garagen, Zufahrten und Nebenanlagen die sich aufgrund von § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO errechnende "Überschreitungsfläche" vorzusehen. Das Maß der zulässigen Grundfläche nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO ist im Planwerk aber ungeachtet der zugrunde liegenden planerischen Überlegungen ohne einschränkende Zusätze festzusetzen. Der festgesetzte Wert gilt für alle grundflächenrelevanten Anlagen (vgl. Petz, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 6. Aufl. 2025, § 16 Rn. 26 und § 19 Rn. 10, 25) und kann daher auch für alle Anlagen in Anspruch genommen werden. Der Verwaltungsgerichtshof stellt dagegen der Sache nach darauf ab, ob der für die Hauptanlagen festgesetzten Grundfläche eine "auskömmliche" Grundfläche für die sonstigen Anlagen hinzugerechnet werden kann, so dass im Ergebnis das von § 16 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO geforderte Summenmaß vorliegt. Dieser Ansatz findet in § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO keine Grundlage. Der Begriff "mitrechnen" ist nicht im Sinne eines Addierens der Werte verschiedener Einzelfestsetzungen zu verstehen, sondern - wie o. a. – als "berücksichtigen, einbeziehen". Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs lässt sich auch nicht auf die Überschreitungsregelung in § 19 Abs. 4 Satz 2 und 3 BauNVO stützen. Deren Anwendungsbereich beschränkt sich auf die Bestimmung des Umfangs, in dem die festgesetzte zulässige Grundfläche durch die Grundflächen der Anlagen im Sinne von § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO überschritten werden darf (vgl. OVG Münster, Urteil vom 1. September 2016 - 10 D 23/15.NE - juris Rn. 85). Die "Kombinationslösung" der Vorinstanz kann folglich schon im Ansatz und ungeachtet der Größe der Überschreitungsfläche nicht auf § 16 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 i. V. m. § 19 Abs. 4 BauNVO gestützt werden.

14 b) Der Verwaltungsgerichtshof hat der Auslegung des Änderungsplans mithin bundesrechtlich unzutreffende Maßstäbe zugrunde gelegt. Sein Auslegungsergebnis ist für den Senat daher nicht bindend nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. April 2024 - 4 CN 2.23 - BVerwGE 182, 200 Rn. 31 m. w. N. und vom 27. Juni 2013 - 4 C 1.12 - BVerwGE 147, 118 Rn. 8 zu § 137 Abs. 2 VwGO).

15 Zugleich hat der Verwaltungsgerichtshof sich dadurch den Blick auf eine mögliche geltungserhaltende Auslegung der Festsetzungen (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 23. November 2022 - 4 BN 4.22 - juris Rn. 7) verstellt. Seine - allein auf S. 9 der Planbegründung gestützte - Annahme, der Änderungsplan setze unter A.3.1 nur die Grundfläche für die städtebaulich wirksamen Hauptgebäude fest, findet im Wortlaut der textlichen Festsetzung keine Stütze. Diese ist nicht mit entsprechenden Zusätzen versehen; aus der zeichnerischen Darstellung ergibt sich ebenfalls keine Beschränkung. Die Begründung des Bebauungsplans ist kein Planbestandteil. Sie kann sich über eindeutige textliche oder auch zeichnerische Festsetzungen nicht hinwegsetzen und nur insoweit Bedeutung haben, als sie gegebenenfalls zur Auslegung und Erklärung unklarer Satzungsbestimmungen heranzuziehen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. März 2004 - 4 CN 4.03 - BVerwGE 120, 239 <244> und vom 20. Mai 2010 - 4 C 7.09 - BVerwGE 137, 74 Rn. 44). Ungeachtet dessen zwingt die vom Verwaltungsgerichtshof in Bezug genommene Passage der Planbegründung nicht zu dem Schluss, dass die Antragsgegnerin die unter A.3.1 festgesetzte Grundfläche Hauptgebäuden vorbehalten und Anlagen im Sinne des § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO ausnehmen wollte. Dass die dort wiedergegebenen planerischen Überlegungen zur Grundflächenbemessung in erster Linie auf den Flächenbedarf für die Hauptgebäude abstellen, sich dabei an den vorhandenen Kubaturen orientieren und für Nebenanlagen auf eine Überschreitungsfläche setzen, kann wie o. a. durchaus sachgerecht sein und gerade im Interesse des Bodenschutzes liegen. Bei bundesrechtskonformer Auslegung - die der Senat mangels Bindung an die Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs selbst vornehmen kann - sind die Festsetzungen zur Größe der Grundfläche in A.3.1 und A.3.4 danach von der Ermächtigungsgrundlage in § 16 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 i. V. m. § 19 Abs. 4 Satz 3 BauNVO gedeckt. Die Festsetzungen zu Terrassen (A.3.2) sowie Vordächern, Dachüberständen etc. (A.3.3) beruhen auf § 16 Abs. 5 BauNVO. Für die Frage, ob diese Festsetzungen angemessen und verhältnismäßig sind, ist nicht die Festsetzungsermächtigung, sondern das Abwägungsgebot maßgeblich, das gemäß § 1 Abs. 7 BauGB darauf gerichtet ist, die von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen und unverhältnismäßige und gleichheitswidrige Belastungen zu vermeiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2024 - 4 CN 1.24 - BauR 2025, 440).

16 2. Das Urteil stellt sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die tatrichterlichen Feststellungen erlauben keine Entscheidung darüber, ob die Festsetzungen zur Größe der Grundfläche den Anforderungen des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB und des Abwägungsgebots nach § 1 Abs. 7 BauGB genügen. Das nötigt zur Zurückverweisung (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).