Beschluss vom 17.03.2022 -
BVerwG 4 BN 30.21ECLI:DE:BVerwG:2022:170322B4BN30.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 17.03.2022 - 4 BN 30.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:170322B4BN30.21.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 30.21

  • VGH Kassel - 28.04.2021 - AZ: 3 C 3068/19.N

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. März 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Decker und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. April 2021 wird verworfen.
  2. Die Antragsteller zu 1 und 2 tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner zu 1/4, die Antragsteller zu 3 und 4 als Gesamtschuldner zu 1/4 und die Antragsteller zu 5 und 6 jeweils zu 1/4. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Antragsteller jeweils selbst.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 80 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie verfehlt die Darlegungsanforderungen nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

2 1. Die Divergenzrüge führt nicht zur Zulassung der Revision.

3 Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26). Diesen Anforderungen wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.

4 Die Beschwerde behauptet eine Abweichung von dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Januar 2010 - 4 BN 36.09 -, dem sie den Rechtssatz entnimmt, Ziele der Raumordnung könnten subjektive Rechte begründen. Einen solchen Rechtssatz enthält der Beschluss nicht.

5 Auch die behauptete Abweichung zu dem Urteil des Senats vom 16. Juni 2011 - 4 CN 1.10 - (BVerwGE 140, 41 Rn. 15) ist nicht dargetan. Die Beschwerde benennt keinen abstrakten Rechtssatz, mit dem der Verwaltungsgerichtshof von einem in diesem Urteil aufgestellten Rechtssatz abgewichen sein soll. Sie erschöpft sich darin, eine fehlerhafte Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu rügen. Das reicht zur Darlegung einer Divergenz nicht aus (stRspr, BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 16. Juni 2020 - 4 BN 53.19 - juris Rn. 3).

6 2. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

7 Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> und vom 14. Oktober 2019 - 4 B 27.19 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 225 Rn. 4). Daran fehlt es hier.

8 a) Die Beschwerde hält für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig,
unter welchen Voraussetzungen Plansätze eines Regionalplans (hier: Regionalplan Südhessen/Regionaler Flächennutzungsplan 2010) subjektive Rechte begründen können.

9 Die Frage zielt ausweislich der Beschwerdebegründung der Sache nach auf die Auslegung des Regionalplans (Plansatz Z 4.3-2) und damit auf irrevisibles Landesrecht. Dass der Verwaltungsgerichtshof bei der Auslegung (UA S. 7) von einer Bindung an Bundesrecht ausgegangen ist und insoweit rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf besteht, zeigt die Beschwerde nicht auf.

10 b) Soweit sie geklärt wissen will,
unter welchen Voraussetzungen bzw. in welcher konkreten Form die Gefahr von Verkehrslärmbelästigungen und/oder Zuparken von Ein- und Ausfahrten bzw. die Gefahr von Überschwemmungen genügt, um eine mehr als nur geringfügige Berührung der Interessen von Grundstückseigentümern zu begründen,
wendet sie sich im Gewand einer Grundsatzrüge gegen die Rechtsanwendung des Verwaltungsgerichtshofs. Bei Eigentümern oder Nutzern von Grundstücken außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans kann die Antragsbefugnis für eine Normenkontrolle insbesondere aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange aus § 1 Abs. 7 BauGB folgen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 24. September 1998 - 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215 <220 ff.> und vom 16. Juni 2011 - 4 CN 1.10 - BVerwGE 140, 41 Rn. 15). Abwägungserheblich sind private Belange, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben und schutzwürdig sind; an letzterem fehlt es bei geringwertigen oder mit einem Makel behafteten Interessen sowie bei solchen, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solchen, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2015 - 4 CN 5.14 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 200 Rn. 14 m.w.N.). Von diesem Maßstab ist auch der Verwaltungsgerichtshof ausgegangen (UA S. 6, 8 f.). Wo die Grenze der Geringfügigkeit verläuft, ist eine Frage des Einzelfalls und entzieht sich rechtsgrundsätzlicher Klärung (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 - 4 CN 3.12 - BVerwGE 147, 206 Rn. 27 sowie Beschlüsse vom 16. März 2010 - 4 BN 66.09 - NVwZ 2010, 1246 Rn. 16 und vom 30. November 2016 - 4 BN 16.16 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 211 Rn. 10).

11 3. Die Verfahrensrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO bleibt erfolglos.

12 a) Die behauptete Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht dargetan. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Beteiligtenvorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2014 - 4 C 35.13 - NVwZ 2015, 656 Rn. 42). Solche Umstände bezeichnet die Beschwerde nicht. Sie hält die Ausführungen der Vorinstanz zur (mangelnden) Antragsbefugnis für fehlerhaft. Das reicht zur Begründung einer Gehörsverletzung nicht aus.

13 b) Mit den Ausführungen zur Divergenzrüge macht die Beschwerde in der Sache zugleich den Verfahrensfehler geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe die Anforderungen an die Darlegung einer Rechtsverletzung nach § 47 Abs. 2 VwGO überspannt und den Antrag deshalb zu Unrecht als unzulässig abgelehnt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11. November 2015 - 4 BN 39.15 - ZfBR 2016, 156 Rn. 4 und vom 5. März 2021 - 4 BN 53.20 - juris Rn. 6). Auch insoweit verfehlt sie die Anforderungen.

14 Soweit der Verwaltungsgerichtshof seiner Subsumtion die Formulierung vorangestellt hat, "eine konkrete Verletzung ihrer Rechte" sei "nicht hinreichend wahrscheinlich zu erwarten", mag diese Formulierung Anlass zu Missverständnissen geben (vgl. schon BVerwG, Beschluss vom 9. Januar 2018 - 4 BN 33.17 - juris Rn. 6). Eine Änderung des eingangs der Entscheidungsgründe formulierten - zutreffenden - rechtlichen Maßstabs kann der Senat darin aber nicht erkennen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die von den Antragstellern geltend gemachten Belange daraufhin geprüft, ob sie abwägungsbeachtlich sind. Dass er dabei die Darlegungsanforderungen überspannt hat, legt die Beschwerde nicht dar. Ein abwägungsbeachtliches Interesse, den Lagevorteil an der Grenze zum Außenbereich bzw. zu einem regionalen Grünzug zu bewahren, hat der Verwaltungsgerichtshof im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Oktober 2020 - 4 BN 44.20 - BRS 88 Nr. 171 = juris Rn. 9 f.) verneint (UA S. 8). Gleiches gilt für die von den Antragstellern geltend gemachten Beeinträchtigungen durch unzulässiges Parkverhalten, die durch straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen im nachgeordneten Verfahren bewältigt werden könnten (UA S. 8). Mehr als geringfügige Beeinträchtigungen durch Verkehrslärm hat der Verwaltungsgerichtshof als nicht dargelegt erachtet (UA S. 9). Fehler bei der Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse zeigt die Beschwerde insoweit nicht auf. Soweit die Antragsteller ein Eindringen von Wasser und eine Verschlechterung der Luft befürchten, ist schon nicht dargetan, dass sie hierzu vor dem Verwaltungsgerichtshof überhaupt etwas - geschweige denn substantiiert - vorgetragen haben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. November 2016 - 4 BN 16.16 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 211 Rn. 17). Ihre Rüge, der Plansatz Z 4.3-2 des Regionalplans habe entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs drittschützende Wirkung, führt nicht auf eine fehlerhafte Anwendung der Prozessrechtsnorm des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, sondern eine materiell-rechtliche Vorfrage, die zudem die Auslegung von irrevisiblem Landesrecht betrifft (s.o.).

15 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 39 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG.