Beschluss vom 14.04.2021 -
BVerwG 9 A 8.19ECLI:DE:BVerwG:2021:140421B9A8.19.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.04.2021 - 9 A 8.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:140421B9A8.19.0]

Beschluss

BVerwG 9 A 8.19

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. April 2021
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler und
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Schübel-Pfister und Dr. Emmenegger
beschlossen:

Das Ablehnungsgesuch der Kläger gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht a.D. A, die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht B, die Richter am Bundesverwaltungsgericht C und D sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht E wird zurückgewiesen.

Gründe

1 Der Antrag auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Bundesverwaltungsgericht a.D. A, der Vorsitzenden Richterin am Bundesverwaltungsgericht B, der Richter am Bundesverwaltungsgericht C und D sowie der Richterin am Bundesverwaltungsgericht E wegen Besorgnis der Befangenheit, über den gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO ohne die Mitwirkung der abgelehnten Richter zu entscheiden ist, hat keinen Erfolg. Über das Ablehnungsgesuch, welches sich sowohl auf das Ausgangsverfahren BVerwG 9 A 8.19 als auch auf das diesbezügliche Anhörungsrügeverfahren BVerwG 9 A 7.20 bezieht, entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (1.); es ist teilweise bereits unzulässig (2.) und im Übrigen jedenfalls unbegründet (3.).

2 1. Der Senat entscheidet über das Ablehnungsgesuch ohne die von den Klägern beantragte mündliche Verhandlung. Gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 46 Abs. 1 ZPO ist über Ablehnungsgesuche durch Beschluss und damit grundsätzlich ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden (§ 101 Abs. 3 VwGO). Umstände, die ihre Durchführung gleichwohl als sinnvoll erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich. Die Beteiligten hatten mehrfach - auch hinsichtlich der eingeholten dienstlichen Äußerungen - Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme, von der sie umfassend Gebrauch gemacht haben. Aus dem Hinweis der Kläger auf die öffentliche Bedeutung des Ablehnungsverfahrens (Göertz, in: Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, ZPO, 79. Aufl. 2021, § 46 Rn. 4) lassen sich keine Schlüsse auf die Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung ziehen. Soweit die Kläger auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 21. Mai 1992 - V B 232/91 - (BFHE 168, 22 <24>) verweisen, wird darin lediglich ausgeführt, dass das Finanzgericht über ein Ablehnungsgesuch aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden durfte; zur Erforderlichkeit einer solchen Verhandlung hatte sich der Bundesfinanzhof nicht geäußert. Ein Anspruch auf mündliche Verhandlung lässt sich auch nicht unmittelbar aus dem Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG ableiten (stRspr des BVerfG, vgl. etwa Kammerbeschluss vom 3. Juli 2019 - 1 BvR 2811/18 - NJW 2019, 2919 Rn. 9).

3 2. Das nach Verkündung des klageabweisenden Urteils vom 2. Juli 2020 - 9 A 8.19 - erhobene Ablehnungsgesuch, das sich auf alle an der mündlichen Verhandlung des Verfahrens beteiligten Richter bezieht, ist insoweit unzulässig, als es auf den Ausschluss der vorgenannten Richter von der Abfassung der Urteilsgründe zielt. Nach dem Erlass des Urteils lässt das Prozessrecht insoweit einen Richterwechsel, auf den ein Befangenheitsgesuch zielt, nicht mehr zu (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. März 2017 - 6 B 53.16 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 82 Rn. 22). Der mit einem Befangenheitsantrag für die betroffenen Richter eintretende Stillstand des Verfahrens (§ 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 47 Abs. 1 ZPO) sowie ihr etwaiger Ausschluss beziehen sich auf zukünftige Verfahrenshandlungen und Entscheidungen, nicht aber auf bereits getroffene Urteile, hinsichtlich derer die gerichtliche Bindungswirkung gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 318 ZPO eingetreten ist und bei denen das Beratungsergebnis lediglich noch zu Papier gebracht werden muss. Zudem schreibt § 117 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Identität der an der Entscheidung mitwirkenden und der das Urteil unterzeichnenden Richter vor.

4 3. Soweit das Ablehnungsgesuch auf den Ausschluss der abgelehnten Richter von der Entscheidung über die am 7. Juli 2020 erhobene Anhörungsrüge gerichtet ist, ist es teilweise unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.

5 Allerdings steht der Zulässigkeit nicht von vorneherein entgegen, dass das Ablehnungsgesuch erst nach der Verkündung des Urteils erhoben wurde. Vielmehr sprechen bezüglich der ausstehenden Entscheidung über die Anhörungsrüge der Kläger überwiegende Gründe dafür, dass das Gesuch trotz des rechtskräftigen Abschlusses des Verfahrens zulässig ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. November 2018 - 9 B 26.18 - juris Rn. 3 ff. m.w.N. zum Streitstand; ebenso Gerken, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl. 2020, § 44 Rn. 10; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 42 ZPO Rn. 3). Jedoch ist es hinsichtlich des Vorsitzenden Richters am Bundesverwaltungsgericht a.D. A mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden; der Zweck der § 54 VwGO i.V.m. §§ 41 ff. ZPO, eine (noch ausstehende) Entscheidung unter Mitwirkung eines voreingenommenen Richters zu verhindern (BVerwG, Beschluss vom 29. November 2018 - 9 B 26.18 - juris Rn. 4), hat sich insoweit nach Eintritt des Richters in den Ruhestand mit Ablauf des Monats November 2020 erledigt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 2018 - 1 WB 42.17 u.a. - juris Rn. 6; BGH, Beschluss vom 21. Februar 2011 - II ZB 2/10 - NJW 2011, 1358 Rn. 10). Der Hinweis der Kläger auf die Möglichkeit einer Nichtigkeitsklage analog § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (i.V.m. § 153 VwGO) ändert daran nichts.

6 Dessen ungeachtet hat das Ablehnungsgesuch in der Sache keinen Erfolg. Nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO setzt die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit voraus, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen, nicht dagegen, dass der Richter tatsächlich befangen, voreingenommen oder parteiisch ist. Es genügt, wenn vom Standpunkt eines Beteiligten aus gesehen hinreichend objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln. Die rein subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht dagegen nicht aus (stRspr, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 182/09 - BVerfGK 15, 111 <114>; BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2017 - 9 A 16.16 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 83 Rn. 2). Gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 44 Abs. 2 ZPO muss der Ablehnungsgrund - individuell bezogen auf den oder die an der zu treffenden Entscheidung beteiligten Richter - substantiiert dargelegt werden; die zur Begründung des Ablehnungsgesuchs geltend gemachten Tatsachen sind gemäß § 294 ZPO glaubhaft zu machen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 1975 - 6 C 129.74 - BVerwGE 50, 36 <37>; Beschluss vom 29. November 2018 - 9 B 26.18 - juris Rn. 9).

7 Gemessen hieran haben die Kläger keine Gründe glaubhaft gemacht, die geeignet sind, eine Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter zu begründen. Dies gilt für das von den Klägern beanstandete Telefonat des Beklagtenvertreters im März 2020 (a) ebenso wie für die als einseitig und willkürlich gerügte Verfahrensweise des Senats bis zum Urteilserlass (b). Die nachträglich, insbesondere im Zusammenhang mit den dienstlichen Äußerungen geltend gemachten weiteren Ablehnungsgründe führen weder einzeln (c) noch in einer Gesamtschau (d) zu einer anderen Beurteilung.

8 a) Eine Besorgnis der Befangenheit folgt zunächst nicht aus dem vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten geführten, in der Gerichtsakte nicht vermerkten Telefonat am 26. März 2020, aus dem die Kläger den Schluss ziehen, hinter ihrem Rücken hätten inhaltliche Gespräche zwischen dem Gericht und dem Beklagten stattgefunden. Der betreffende Anruf des Beklagtenvertreters bezog sich auf die kurz zuvor von den Klägern beantragte Verlegung des für den 13. Mai 2020 anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung, über die das Gericht noch nicht entschieden hatte. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten telefonierte hierbei nach eigenen Angaben mit einer Mitarbeiterin der Geschäftsstelle und teilte die erhaltenen Auskünfte dem Beklagten mit E-Mail vom selben Tag mit, in der es unter anderem heißt: "Unabhängig davon habe ich mich beim BVerwG nach dem Stand der Vorbereitung erkundigt. Derzeit sind zwei Richter des 9. Senats mit Corona infiziert, zwei weitere Richter befinden sich im Krankenstand (darunter auch die Berichterstatterin und der Vorsitzende). [...] Der 9. Senat wird in der kommenden Woche über seine weiteren Terminierungen entscheiden. Sollte der 13. Mai als Termin (vorerst) bestehen bleiben, würde das Gericht mitteilen, ob es noch zusätzlichen Vortrag zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung benötigt."

9 Die Kläger machen unter Verweis auf diese E-Mail, von der sie durch eine Akteneinsicht bei der Flurbereinigungsbehörde am 28. Juli 2020 Kenntnis erlangt haben, zu Unrecht geltend, der Prozessbevollmächtigte des Beklagten könne nur mit einem Senatsmitglied telefoniert und müsse hierbei die Erfolgsaussichten der Klagen erörtert haben. Sie haben bereits nicht den Anforderungen des § 294 ZPO entsprechend glaubhaft gemacht, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten überhaupt ein Telefonat mit einem der abgelehnten Richter geführt hat. Bei Gesamtwürdigung aller Umstände des Falles ist dies nicht überwiegend wahrscheinlich (vgl. zum Maßstab BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2006 - IX ZB 60/06 - NJW-RR 2007, 776 Rn. 11 f.); erst recht bestehen keine Anhaltspunkte für bestimmte, in diesem Gespräch zutage getretene inhaltliche Positionierungen des Senats. Weitere Nachforschungen zum Inhalt und Gesprächspartner des betreffenden Telefonats sind daher nicht veranlasst.

10 aa) Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat in seinen Stellungnahmen vom 20. August 2020 und 12. Oktober 2020 ausdrücklich erklärt, seinerzeit nicht mit einem Senatsmitglied, sondern mit einer Mitarbeiterin der Geschäftsstelle telefoniert zu haben. Es besteht kein Anlass, an dem Wahrheitsgehalt dieser Äußerung des Verfassers der vorgenannten E-Mail zu zweifeln. Vielmehr deckt sich die Aussage mit den dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter. Der Vorsitzende Richter am Bundesverwaltungsgericht a.D. A und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht E haben jeweils erklärt, im betreffenden Zeitraum wegen krankheitsbedingter Dienstabwesenheit nicht mit dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten kommuniziert zu haben. Auch die Richter am Bundesverwaltungsgericht D und C haben erläutert, keine Erinnerung an ein entsprechendes Telefonat zu haben und ein solches wegen der üblicherweise erfolgenden Anfertigung von Aktenvermerken über Telefonate mit Verfahrensbeteiligten (D) bzw. fehlender Rufumleitung an den Heimarbeitsplatz (C) auch für unwahrscheinlich zu halten. Die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht B, seinerzeit stellvertretende Senatsvorsitzende, hat in ihrer dienstlichen Äußerung erklärt, sich ebenfalls nicht an ein Telefonat mit dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zwischen dem 22. und dem 26. März 2020 zu erinnern. Dies ist nicht zuletzt im Hinblick darauf plausibel, dass sie den Beklagtenvertreter (erst) am 30. März 2020 zur Frage einer etwaigen Terminsaufhebung telefonisch angehört hat. Dieses Telefonat ist durch einen Gesprächsvermerk vom 30. März 2020 dokumentiert.

11 bb) Die Glaubhaftigkeit der Einlassung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten wird auch durch den Inhalt der E-Mail vom 26. März 2020 sowie durch die weiteren Umstände des Einzelfalls nicht in Zweifel gezogen, sondern vielmehr bestätigt.

12 Soweit die Kläger geltend machen, eine Mitarbeiterin der Geschäftsstelle hätte keine Auskunft über den Gesundheitszustand von Senatsmitgliedern erteilt bzw. erteilen dürfen, ist darauf zu verweisen, dass nach der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 16/2020 vom 17. März 2020 vermehrt mit Anfragen von Verfahrensbeteiligten bei der Geschäftsstelle zum Fortgang anhängiger Verfahren sowie zu Coronavirus-Infektionen im betreffenden Senat zu rechnen war. Unabhängig davon waren die in der E-Mail vom 26. März 2020 wiedergegebenen Angaben zum Krankenstand der Senatsmitglieder sachlich unzutreffend, was gegen die Annahme spricht, dass der Beklagtenvertreter mit einem Senatsmitglied persönlich gesprochen hat.

13 Die Auskunft, der Senat werde in der Folgewoche über seine weiteren Terminierungen entscheiden, ist ebenfalls nicht geeignet, die Annahme eines Gesprächs (lediglich) mit der Geschäftsstelle zu erschüttern; dort war die Absicht einer zeitnahen Entscheidung über den Terminverlegungsantrag bekannt (vgl. die E-Mail der Vorsitzenden Richterin am Bundesverwaltungsgericht B vom 24. März 2020 an die Geschäftsstelle). Soweit es in der E-Mail des Beklagtenvertreters vom 26. März 2020 heißt, das Gericht "würde mitteilen, ob es noch zusätzlichen Vortrag zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung benötigt", ist diese Formulierung zudem nicht notwendigerweise (im Sinne einer indirekten Rede) dahingehend zu verstehen, dass in dem Telefonat vom selben Tag eine solche Auskunft erteilt worden sei. Vielmehr lässt sich die Wendung "würde" auch dahin interpretieren, dass der Prozessbevollmächtigte die aus seinem eigenen allgemeinen Erfahrungswissen gespeiste Erwartung der zukünftigen Verfahrensweise des Senats ausdrückt. Im Übrigen liegt die Annahme, dass die Geschäftsstelle eine solche Auskunft auch von sich aus - ohne zugrundeliegende Anweisung eines Senatsmitglieds - erteilt haben könnte, jedenfalls in der Sondersituation eines coronabedingten gerichtlichen Notbetriebs nicht fern.

14 cc) Die weiteren Mutmaßungen der Kläger sind nicht substantiiert vorgetragen, rein spekulativ und entbehren einer sachlichen Grundlage. Weder das Fehlen eines Gesprächsvermerks der Geschäftsstelle noch der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte den Namen der Geschäftsstellenmitarbeiterin nicht genannt hat bzw. hat nennen können, sind geeignet, die Glaubhaftigkeit seiner Einlassung in Zweifel zu ziehen. Vor diesem Hintergrund besteht für weitere Sachverhaltsermittlungen, insbesondere für die von den Klägern begehrte Einholung dienstlicher Äußerungen sämtlicher Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle, kein Anlass. Die Annahme der Kläger, "im Zweifel" spreche nach der gesetzgeberischen Intention des § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO der Anschein gegen den Richter und sei einem Ablehnungsgesuch deshalb stattzugeben, findet im Gesetz und der einschlägigen Rechtsprechung (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2010 - V ZB 210/09 - NJW-RR 2011, 136 Rn. 10) keine Stütze. Maßgebend ist vielmehr, dass die von den Klägern vorgenommene Deutung einer Äußerung des Beklagtenvertreters über ein angebliches richterliches Verhalten von diesem substantiiert bestritten wird.

15 dd) Darüber hinaus bestehen auch sonst keine Anhaltspunkte dafür, dass in dem betreffenden Telefonat über die (Un-)Zulässigkeit der Klage gesprochen wurde. Der Hinweis, das Gericht werde mitteilen, ob zusätzlicher Vortrag erforderlich ist, besagt nichts über die Erfolgsaussichten der Klage. Er trägt vielmehr dem Umstand Rechnung, dass der Amtsermittlungsgrundsatz innerhalb der durch die Klagebegründung gezogenen prozessualen Grenzen (§ 17e Abs. 5 FStrG) grundsätzlich uneingeschränkt gilt. Das Gericht kann das Vorbringen der Kläger mithin auch ohne Erwiderung der Gegenseite nicht unbesehen als wahr unterstellen und seiner Entscheidung zugrunde legen, sondern hat den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Dies schließt gemäß § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO ein, den Beteiligten die Ergänzung ihrer vorbereitenden Schriftsätze aufzugeben.

16 b) Das Ablehnungsgesuch ist auch insoweit unbegründet, als die Kläger eine objektiv willkürliche, an einer "Kette von Verstößen" leidende und die Interessen des Beklagten über Gebühr berücksichtigende Verfahrensweise des Senats rügen. Nicht zu Bedenken Anlass geben insbesondere die Verlegung des Termintags und der Terminstunde (aa), die Bemessung der Schriftsatzfrist (bb), der Zeitpunkt der Erteilung richterlicher Hinweise (cc), das unterbliebene Hinwirken auf eine gütliche Einigung (dd), der Umfang der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (ee) und die Ablehnung des Protokollberichtigungsantrags (ff). Teilweise fehlt es bereits an einer rechtzeitigen bzw. unverzüglichen Geltendmachung gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 43, 44 Abs. 4 ZPO oder an einer hinreichenden Substantiierung des klägerischen Vortrags; im Übrigen bestehen in der Sache keine Anhaltspunkte für eine Besorgnis der Befangenheit.

17 aa) Sofern das Vorbringen der Kläger daran anknüpft, dass der Beklagte vor der Verlegung des ursprünglich für den 13. Mai 2020 anberaumten Verhandlungstermins auf Dienstag, den 23. Juni 2020 sein Interesse an einer zeitnahen mündlichen Verhandlung geäußert hatte, hätten die Kläger ein etwaiges Ablehnungsrecht bereits gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 43 ZPO verloren. Danach kann eine Partei einen Richter nicht mehr wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Die Kläger haben bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung kein Ablehnungsgesuch angebracht, obwohl ihnen bekannt war, dass dem Senat bei der Verlegung des Verhandlungstermins der Schriftsatz des Beklagten vom 31. März 2020 vor Augen stand. Darin hatte der Beklagte um einen Verhandlungstermin spätestens bis Mitte Juni 2020 gebeten und dies mit dem angestrebten Baubeginn im September 2020 unter Berücksichtigung des Vergabeverfahrens und des begrenzten Zeitfensters für Baumfällarbeiten begründet. Im Übrigen stellte die Terminverlegung auch in der Sache keinen Grund dar, der bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gibt, an der Unparteilichkeit der abgelehnten Richter zu zweifeln. Sie erfolgte gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 ZPO auf Wunsch der Kläger wegen coronabedingter Unsicherheiten. Dass hierbei auch Terminierungswünsche der Gegenseite berücksichtigt wurden, lässt keine unsachlichen Erwägungen erkennen.

18 Gleiches gilt für die Mutmaßung der Kläger, die Anfang Juni 2020 erfolgte Verlegung der Terminstunde der mündlichen Verhandlung von 9:00 Uhr auf 13:30 Uhr habe auf sachfremden Beweggründen beruht. Abgesehen von ihrer nicht rechtzeitigen Geltendmachung gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 43, 44 Abs. 4 ZPO entbehrt diese Mutmaßung angesichts des Vermerks der Berichterstatterin vom 4. Juni 2020, dem zufolge die Verlegung der Terminstunde in Absprache mit dem Prozessbevollmächtigten der Kläger und mit deren Einverständnis erfolgte, jeder Grundlage. Die abgelehnten Richter mussten sich dazu in ihren dienstlichen Stellungnahmen daher nicht äußern.

19 bb) Soweit die Kläger die Bemessung der ihnen in der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2020 gewährten Schriftsatzfrist von drei Werktagen (bis Sonntag, den 28. Juni 2020) als zu kurz kritisieren, ist die Rüge unabhängig von ihrer rechtzeitigen Geltendmachung - ausweislich des Sitzungsprotokolls haben die Kläger die Bemessung der Schriftsatzfrist in der mündlichen Verhandlung nicht beanstandet - jedenfalls inhaltlich unbegründet. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 8. Juli 2020 über den Protokollberichtigungsantrag erläutert hat, beruhte die Bemessung der Schriftsatzfrist darauf, dass der Senat drei Arbeitstage als in jeder Hinsicht ausreichend erachtete, um zu der Frage einer durch den Grundsatz von Treu und Glauben vorgegebenen zeitlichen Grenze für die nachträgliche Anfechtung des umstrittenen Planfeststellungsbeschlusses abrundend Stellung zu nehmen. Für eine Richterablehnung reicht es regelmäßig - ohne das Hinzutreten weiterer, auf eine Parteilichkeit hindeutender Umstände - nicht aus, dass ein Richter bei der Sachverhaltswürdigung, der rechtlichen Beurteilung oder bei verfahrensleitenden Entscheidungen eine andere Rechtsauffassung vertritt als ein Beteiligter (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. April 2007 - 2 BvR 1674/06 - BVerfGK 11, 62 <74 f.>). Das gilt selbst für irrige Ansichten, solange sie nicht willkürlich oder offensichtlich unhaltbar sind und damit Anhaltspunkte dafür bieten, dass der abgelehnte Richter Argumenten nicht mehr zugänglich und damit nicht mehr unvoreingenommen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. November 2018 - 9 B 26.18 - juris Rn. 14). Derartige Anhaltspunkte sind hier nicht erkennbar. Im Hinblick auf den im nachgelassenen Schriftsatz vom 26. Juni 2020 gestellten Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung hat der Senat die Erwägungen, aufgrund derer er die gewährte Schriftsatzfrist für ausreichend erachtete, im Urteil vom 2. Juli 2020 (Rn. 60 ff.) nochmals ausführlich dargelegt. Für die Mutmaßung der Kläger, bei der Bemessung der Schriftsatzfrist seien sachfremde Erwägungen wie das Interesse des Beklagten an einer zeitnahen Urteilsverkündung oder gerichtsorganisatorische Gründe ausschlaggebend gewesen, fehlt es danach an einer tragfähigen Grundlage.

20 Im Übrigen erschöpft sich das Vorbringen, das Gericht habe eine unverhältnismäßig kurze Schriftsatzfrist gesetzt, der Sache nach in der Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs. Eine solche Rüge ist jedoch für sich genommen ungeeignet, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen (BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2015 - 9 B 31.15 - juris Rn. 3).

21 cc) Auch die Rüge, der Hinweis in der mündlichen Verhandlung auf die für die nachträgliche Anfechtung von Planfeststellungsbeschlüssen maßgeblichen zeitlichen Grenzen sei nicht frühzeitig i.S.d. § 139 Abs. 4 Satz 1 ZPO erfolgt, begründet keine Zweifel an der Unparteilichkeit der abgelehnten Richter. Es kann dahingestellt bleiben, ob und in welchem Umfang die Regelungen des § 139 ZPO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 173 Satz 1 VwGO entsprechend anwendbar sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 2003 - 6 B 43.03 - Buchholz 451.45 § 101 HwO Nr. 2 S. 1). Denn auch bei unterstellter Anwendbarkeit des § 139 Abs. 4 Satz 1 ZPO rügen die Kläger der Sache nach wiederum eine Gehörsverletzung, die - wie bereits dargelegt - für sich genommen nicht die Besorgnis der Befangenheit begründen kann. Im Übrigen hätte eine verspätete Hinweiserteilung lediglich zur Folge, dass der Senat den Klägern genügend Gelegenheit zur Reaktion hätte geben müssen, gegebenenfalls durch einen Schriftsatznachlass (vgl. die stRspr des BGH, jüngst etwa den Beschluss vom 21. Januar 2020 - VI ZR 346/18 - NJW-RR 2020, 574 Rn. 9 m.w.N.). Vorliegend hat der Senat den Klägern eine Schriftsatzfrist gewährt, die - wie oben dargelegt - keinen Anlass zu Bedenken gibt und insbesondere nicht willkürlich ist.

22 dd) Das Ablehnungsgesuch ist auch insoweit unbegründet, als die Kläger rügen, der Senat habe entgegen § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 278 Abs. 1 ZPO keinen Versuch einer gütlichen Einigung unternommen. Eine Pflicht, auf die gütliche Beilegung des Rechtsstreits auch dann noch hinzuwirken, wenn eine der Streitparteien - wie hier der Beklagte mit Schriftsatz vom 16. Juni 2020 - eine entsprechende Vergleichsbereitschaft ausdrücklich ausgeschlossen hat, sieht die Prozessordnung nicht vor. Im Übrigen haben die Kläger spätestens nach Stellung des Klageantrags am Schluss der mündlichen Verhandlung ein entsprechendes Ablehnungsrecht gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 43 ZPO verloren; darüber hinaus fehlen in der Sache jegliche Anhaltspunkte für eine Besorgnis der Befangenheit.

23 ee) Ohne Erfolg stützen die Kläger ihr Ablehnungsgesuch ferner darauf, dass der Senat den Verwaltungsvorgang zum Planfeststellungsverfahren für den Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 nicht beigezogen hat. Für ihre Befürchtung, der Beklagte habe diese Entscheidung beeinflusst bzw. "mitbestimmt", fehlt es an einer tragfähigen Grundlage. Der Anruf des Prozessbevollmächtigten des Beklagten bei Gericht am 24. Juni 2019, auf den sich die Kläger beziehen, betraf ausweislich des entsprechenden Gesprächsvermerks der Geschäftsstelle lediglich die Frage nach dem Umfang der mit Verfügung vom 7. Mai 2019 angeforderten Verwaltungsvorgänge. Diesen hat der Senatsvorsitzende daraufhin mit - auch dem Prozessbevollmächtigten der Kläger zur Kenntnis gegebener - Verfügung vom 11. Juli 2019 unter dem Vorbehalt, bei Bedarf weitere Akten anzufordern, präzisiert. Dieser Vorgang lässt keine Einflussnahme des Beklagten erkennen und gibt auch darüber hinaus keinen Anlass für eine Besorgnis der Befangenheit. Die dem Planänderungsbeschluss zugrundeliegenden Verwaltungsvorgänge wurden seitens des Beklagten vollständig vorgelegt.

24 Hinsichtlich der Rüge, die unterbliebene Beiziehung des Verwaltungsvorgangs beruhe auf Willkür, haben die Kläger ihr Ablehnungsrecht gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 43 ZPO verloren. Dass der Senat diesen Verwaltungsvorgang nicht beigezogen hatte, war den Klägern bereits vor Schluss der mündlichen Verhandlung bekannt. Im Übrigen bedurfte es schon deshalb keiner Beiziehung, weil den Klägern bezüglich des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses nach der Rechtsauffassung des Senats (vgl. Urteil vom 2. Juli 2020 Rn. 64) von vornherein die Klagebefugnis fehlt bzw. die Klage nicht rechtzeitig erhoben wurde.

25 ff) Soweit die Kläger rügen, der Beschluss vom 8. Juli 2020 verhalte sich nicht dazu, dass die Mikrofonanlage im Sitzungssaal nicht funktioniert habe, und diene insoweit nur der "Wahrung des Anscheins rechtlichen Gehörs", fehlt es bereits an einer schlüssigen und hinreichend substantiierten Darlegung eines Ablehnungsgrundes. Die angeblich mangelhafte Funktionsweise der Mikrofonanlage haben die Kläger überdies bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht gerügt.

26 c) Aus den dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter, die von den Klägern teils ungenau, selektiv und aus dem Zusammenhang gerissen wiedergegeben werden, ergeben sich keine Ablehnungsgründe, die nachträglich entstanden oder den Klägern nunmehr bekannt geworden wären; Gleiches gilt für das weitere Geschehen nach dem erstmaligen Anbringen des Ablehnungsgesuchs am 4. August 2020.

27 aa) Die dienstliche Äußerung des Vorsitzenden Richters am Bundesverwaltungsgericht a.D. A vom 10. August 2020 begründet keine Besorgnis der Befangenheit.

28 Soweit die Kläger dies aus einzelnen gewählten Formulierungen ableiten wollen, fehlt es bereits an der schlüssigen Darlegung eines Ablehnungsgrundes. Dies gilt insbesondere, soweit sich der Senatsvorsitzende gegen die Behauptung der Kläger, die Gewährung der Schriftsatzfrist habe lediglich den "Anschein rechtlichen Gehörs" wahren sollen, "nachdrücklich verwahrt" hat. Eine unsachliche oder unangemessene Reaktion auf das Ablehnungsgesuch, die ihrerseits Zweifel an der Unbefangenheit begründen könnte (vgl. Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 54 Rn. 17 m.w.N.), liegt in dieser Wortwahl nicht. Auch die Verwendung der Begriffe "Vorhalt", "Behauptung" oder "Mutmaßung" begründet keine Anhaltspunkte dafür, dass der Vorsitzende Richter am Bundesverwaltungsgericht a.D. A - wie die Kläger meinen - das Ablehnungsgesuch missbillige und sich durch dieses persönlich angegriffen fühle.

29 Hinsichtlich der weiteren Rüge der Kläger, trotz ihrer umfangreichen Schriftsätze habe der Vorsitzende die Bemessung der Schriftsatzfrist "nicht ex post kritisch reflektiert", ist darauf hinzuweisen, dass die dienstliche Äußerung gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO nicht dem Überdenken einer getroffenen Entscheidung, sondern der Sachaufklärung dient (BVerwG, Beschluss vom 29. November 2018 - 9 B 26.18 - juris Rn. 8). Einzelne Paragraphenzitate, in welchen die Kläger unzulässige Rechtsausführungen erblicken, rechtfertigen nicht ansatzweise deren Schlussfolgerung, die dienstliche Äußerung fälle "Urteile in eigener Sache" und unternehme den "Versuch der Einflussnahme auf den Kontrollrichter". Schließlich begründet auch die Passage zu den Gründen für die Verlegung der mündlichen Verhandlung auf den 23. Juni 2020 keine Besorgnis der Befangenheit. Die Äußerung, der Beklagte habe im Schriftsatz vom 31. März 2020 sein Interesse dargelegt, dass der Senat rechtzeitig, nämlich spätestens acht Wochen, vor September 2020 entscheide, ist mit Blick auf den dort genannten Baubeginn "im" September 2020 bereits nicht objektiv unrichtig.

30 bb) Das Ablehnungsgesuch ist auch insoweit unbegründet, als die Kläger es auf die dienstliche Äußerung der Vorsitzenden Richterin am Bundesverwaltungsgericht B vom 8. August 2020 sowie auf Vorgänge stützen, von denen sie durch diese Äußerung erfahren haben.

31 Insbesondere bestehen nicht deshalb Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Richterin, weil sie ihren Vermerk über die fernmündliche Anhörung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 30. März 2020 nicht an die Beteiligten übermittelt hat. Wie sich aus der dienstlichen Äußerung der Richterin ergibt, beruhte die unterbliebene Übersendung des Gesprächsvermerks auf der Ankündigung des Beklagtenvertreters, seine telefonischen Erklärungen zur Eilbedürftigkeit am Folgetag schriftsätzlich näher zu erläutern. Nach Eingang des Schriftsatzes am 31. März 2020, der die angekündigten Erläuterungen zur Dringlichkeit enthielt, wurde die Übersendung an die Kläger veranlasst.

32 Eine Besorgnis der Befangenheit folgt auch nicht aus der Rüge einer einseitigen Verfahrensweise durch telefonische Anhörung nur des Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu dem von den Klägern persönlich gestellten Terminverlegungsantrag. Denn diesem Antrag wurde entsprochen. Welcher Anlass bestanden haben soll, vor dieser Entscheidung nochmals die Kläger oder ihren Prozessbevollmächtigten anzuhören, lässt sich den Darlegungen der Kläger nicht entnehmen und ist auch im Übrigen nicht erkennbar.

33 Zweifel an der Unparteilichkeit ergeben sich schließlich nicht aus der Rüge, die dienstliche Äußerung enthalte objektiv unzutreffende Angaben. Die Erklärung, "die Akte 9 A 8.19 erstmals am 30. März 2020 - nach Rückkehr aus der Quarantäne - zur Kenntnis genommen" zu haben, ist bereits nicht unrichtig. "Erstmalige (Akten-)Kenntnis" ist, wie sich aus den vorangegangenen und nachfolgenden Sätzen ergibt, im Sinne einer inhaltlichen Kenntnis bzw. der Einarbeitung in den Verfahrensstand mit Blick auf die beantragte Terminverlegung zu verstehen. Die seinerzeitige Unterzeichnung der Eingangsverfügung am 7. Mai 2019 genügt hierfür ersichtlich nicht.

34 cc) Aus der dienstlichen Äußerung der Richterin am Bundesverwaltungsgericht E vom 7. August 2020 ergibt sich ebenfalls kein Ablehnungsgrund. Soweit ihre Erklärungen zum genauen Zeitpunkt des Berichterstatterwechsels und des Eingangs der Klageerwiderungen in den Parallelverfahren inhaltlich unzutreffend sind, ist nicht ersichtlich, dass dies Ausdruck einer persönlichen Voreingenommenheit sein könnte. Warum in der Bezugnahme auf gerichtliche Unterlagen eine Gehörsverletzung und parteiliche Einseitigkeit liegen soll, ist nicht im Ansatz erkennbar. Soweit die Richterin erklärt hat, die Mikrofonanlage im Sitzungssaal habe aus ihrer Sicht ausreichend funktioniert und der Prozessbevollmächtigte der Kläger habe keine Bedenken geäußert, ist dies ohne Weiteres nicht als Bestätigung einer optimalen Funktionsweise, sondern dahin zu verstehen, dass der Prozessbevollmächtigte keine Bedenken gegen ein ausreichendes Funktionieren der Mikrofonanlage geäußert hat. In den Urteilsgründen ist hierzu ausgeführt, dass es in der mündlichen Verhandlung zu vereinzelten akustischen Problemen gekommen war, die sich durch entsprechende Nachfragen jeweils ausräumen ließen.

35 dd) Ferner führt das weitere Geschehen nach Urteilsverkündung, insbesondere die Unterzeichnung und Abfassung der Urteilsgründe, auf keine Besorgnis der Befangenheit.

36 Der von den Klägern insoweit gerügte Verstoß gegen die Wartepflicht nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 47 Abs. 1 ZPO liegt bereits nicht vor. Diese Bestimmungen, wonach ein abgelehnter Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen hat, die keinen Aufschub gestatten, erfassen - wie bereits dargelegt - nicht die schriftliche Abfassung und Unterzeichnung einer bereits vor Anbringung des Befangenheitsgesuchs getroffenen Entscheidung (BVerwG, Beschluss vom 7. März 2017 - 6 B 53.16 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 82 Rn. 22).

37 Soweit die Kläger rügen, der Senat hätte den Hinweis auf diese Auslegung des § 47 Abs. 1 ZPO nicht in die schriftlichen Urteilsgründe aufnehmen dürfen, machen sie lediglich (vermeintliche) Rechtsfehler dieser Entscheidung, nicht aber ein auf Befangenheit hindeutendes Verhalten geltend. Die Mutmaßung, der Hinweis habe eine Bindungswirkung für die mit der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch befassten Richter bezweckt, entbehrt jeglicher Grundlage.

38 Das Ablehnungsgesuch lässt sich auch nicht auf die Rüge stützen, der Vorsitzende Richter am Bundesverwaltungsgericht a.D. A habe am 24. August 2020 trotz seiner vorherigen Ablehnung eine Verfügung vorgenommen. Insoweit fehlt es bereits an der substantiierten Darlegung eines Ablehnungsgrundes. Die Kläger stützen ihren Vorwurf auf zwei handschriftliche Zusätze in der betreffenden Verfügung, welche vom zuständigen Oberamtsrat elektronisch entworfen, ausgedruckt, mit seiner Paraphe versehen und sodann dem (stellvertretenden) Berichterstatter vorgelegt wurde, der die Verfügung seinerseits paraphierte. Für die ins Blaue hinein geäußerte Behauptung einer Urheberschaft des Senatsvorsitzenden an den handschriftlichen Zusätzen ist nicht der geringste Anhaltspunkt vorhanden. Vielmehr handelt es sich eindeutig um die Handschrift des vorgenannten Oberamtsrats.

39 Sofern schließlich die Bezugnahme der Kläger in ihrem Schriftsatz vom 9. November 2020 auf die eingereichte Verfassungsbeschwerde der Geltendmachung neuer Ablehnungsgründe oder der Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens zur Richterablehnung dienen sollte, wäre bereits den Darlegungsanforderungen nicht genügt. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es nicht Aufgabe des Gerichts ist, aus Schriftsätzen im Wege der Auslegung den Sachvortrag sowie etwaige konkludent gestellte Anträge zu ermitteln oder zu konkretisieren (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 21. Juni 1989 - 1 BvR 32/87 - BVerfGE 80, 257 <263> und vom 24. Juli 2018 - 2 BvR 1961/09 - NJW 2018, 3374 Rn. 64; BVerwG, Beschlüsse vom 11. April 2017 - 4 B 11.17 - ZfBR 2017, 587 Rn. 4 und vom 14. August 2018 - 9 B 18.17 - juris Rn. 4). Der Vertretungszwang gemäß § 67 Abs. 4 VwGO dient einer geordneten und konzentrierten Verfahrensführung; durch die Herausarbeitung und den sachdienlichen Vortrag der für das Verfahren maßgebenden Gesichtspunkte soll das Bundesverwaltungsgericht in die Lage versetzt werden, sich auf die Aufgaben eines obersten Gerichtshofs des Bundes und erstinstanzlichen Gerichts in besonders bedeutsamen Angelegenheiten zu konzentrieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Dezember 1986 - 1 BvR 872/82 - BVerfGE 74, 78 <93>; Schenk, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2020, § 67 Rn. 8; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 67 Rn. 28). Hieran muss sich der Vortrag der Beteiligten mit der Folge messen lassen, dass nur ein Vorbringen, das diesen Anforderungen genügt, berücksichtigt und beschieden werden muss (BVerwG, Beschluss vom 29. November 2018 - 9 B 26.18 - juris Rn. 25). Im Übrigen führt das Vorbringen auch inhaltlich zu keiner anderen Beurteilung.

40 d) Vermögen nach alledem die einzelnen von den Klägern benannten Gesichtspunkte eine Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen, so besteht auch in der Gesamtschau aller Umstände kein vernünftiger Grund, an einer Unparteilichkeit der abgelehnten Richterinnen und Richter zu zweifeln.

41 4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 146 Abs. 2 VwGO).

Beschluss vom 17.05.2021 -
BVerwG 9 A 7.20ECLI:DE:BVerwG:2021:170521B9A7.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 17.05.2021 - 9 A 7.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:170521B9A7.20.0]

Beschluss

BVerwG 9 A 7.20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Mai 2021
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Sieveking und Prof. Dr. Schübel-Pfister
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Kläger gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Juli 2020 - 9 A 8.19 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Anhörungsverfahrens zu je 1/3.

Gründe

1 Die zulässige Anhörungsrüge ist nicht begründet. Der Senat hat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

2 1. Die den Klägern in der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2020 gewährte Schriftsatzfrist war nicht unverhältnismäßig kurz.

3 Wie der Senat bereits im Zusammenhang mit dem Antrag der Kläger auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, kann dahinstehen, ob es zur Gewährung des rechtlichen Gehörs überhaupt eines Schriftsatznachlasses bedurfte, denn jedenfalls war die Frist, die bis zu ihrem Ablauf am Sonntag, den 28. Juni 2020 drei volle Werktage umfasste, objektiv nicht zu kurz bemessen. Zur Begründung wird auf die Erwägungen im Urteil vom 2. Juli 2020 - 9 A 8.19 - (Rn. 60 ff.) verwiesen, an denen der Senat festhält. Das Vorbringen der Kläger in ihren Schriftsätzen vom 7. Juli 2020 und 26. Oktober 2020 (dort Rügen C.1 und C.3) rechtfertigt keine andere Beurteilung.

4 a) Die von den Klägern angeführte Frist von zwei Wochen für die Erhebung einer Anhörungsrüge nach § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO ist für die Bemessung einer richterlich gesetzten Äußerungsfrist, für die die jeweiligen Umstände des Einzelfalls maßgebend sind (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 5. Februar 2003 - 2 BvR 153/02 - NVwZ 2003, 859 <860>), ohne Bedeutung.

5 b) Überlegungen des Senats zu den gewöhnlichen Arbeitsabläufen in einem Anwaltsbüro und den Schwierigkeiten bei einer Übermittlung von Schriftsätzen an einem Wochenende waren entgegen der Auffassung der Kläger nicht veranlasst, weil bereits die von der Schriftsatzfrist umfassten drei Werktage ausreichten, um eine sachlich fundierte Äußerung der Kläger bei Gericht einzureichen.

6 c) Die Schriftsatzfrist war nicht im Hinblick auf die "Komplexität des vorzutragenden Prozessstoffes" unverhältnismäßig kurz bemessen. Der Verweis der Kläger auf die Länge ihres nachgelassenen Schriftsatzes vom 26. Juni 2020 (71 Seiten) ist in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht aussagekräftig, weil der Inhalt dieses Schriftsatzes zu einem nicht unerheblichen Anteil über die Fragestellung hinausgeht, deretwegen die Schriftsatzfrist gewährt worden ist.

7 Anlass für den Schriftsatznachlass waren Bedenken des Gerichts gegen die Zulässigkeit der Klage, die unter Hinweis auf die Rechtsprechung im Baunachbarrecht mit den Stichworten "Verwirkung des Klagerechts" und "Orientierung an der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO" umschrieben wurden. Dabei geht es um die im öffentlichen Baurecht bekannte Thematik der Nachbarklage, die nach einhelliger Auffassung innerhalb eines Jahres ab dem Zeitpunkt, in dem der Nachbar sichere Kenntnis von der rechtsverletzenden Baugenehmigung hatte oder hätte haben müssen, erhoben werden muss (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1974 - 4 C 2.72 - BVerwGE 44, 294 <298 ff.>). Der Grundgedanke, dass dem Baunachbarn die Berufung auf das Fehlen einer förmlichen Bekanntgabe der Baugenehmigung in dieser Situation nach Treu und Glauben verwehrt ist, wird teilweise - verkürzt und deshalb rechtlich unscharf - damit umschrieben, dass der Nachbar sein Klagerecht "verwirkt" habe (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 16. März 2010 - 4 B 5.10 - juris Rn. 8; OVG Münster, Beschluss vom 19. Oktober 2016 - 8 B 594.16 - juris Rn. 13). Darüber hinaus ist anerkannt, dass auch eine "echte" Verwirkung (sowohl des verfahrensrechtlichen Widerspruchs- bzw. Klagerechts als auch des materiellen Abwehrrechts) in Betracht kommt, die je nach den Umständen des Einzelfalls auch schon vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO eintreten kann (vgl. auch dazu BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1974 - 4 C 2.72 - BVerwGE 44, 294 <298 ff.>; Beschluss vom 11. September 2018 - 4 B 34.18 - Buchholz 310 § 70 VwGO Nr. 28 Rn. 9 ff., 14 f. m.w.N.). Der Schriftsatznachlass sollte den Klägern Gelegenheit geben, zur Übertragbarkeit dieser im Baunachbarrecht anerkannten Grundsätze auf den vorliegenden Fall Stellung zu nehmen. Dass hierfür drei Werktage ohne Weiteres ausreichend waren, hat der Senat bereits in den Urteilsgründen ausgeführt.

8 d) Unschädlich ist, dass das Gericht bei der Protokollierung des erteilten Hinweises die mündlich angesprochene "Parallele zum Baunachbarrecht" nicht ausdrücklich schriftlich fixiert, sondern mit den oben genannten Stichworten (Verwirkung, Jahresfrist) umschrieben hat. Der rechtliche Hintergrund des Hinweises war eindeutig und ist von den Klägern auch zutreffend eingeordnet und verstanden worden; die einschlägigen baurechtlichen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts sind in dem nachgelassenen Schriftsatz thematisiert worden. Aus diesem Grund liegt auch keine Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht vor, wobei dahinstehen kann, inwieweit die von den Klägern angeführte Vorschrift des § 139 Abs. 4 Satz 1 ZPO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren überhaupt entsprechend anwendbar ist (vgl. dazu etwa BVerwG, Beschlüsse vom 25. August 2003 - 6 B 43.03 - Buchholz 451.45 § 101 HwO Nr. 2 S. 1 f. und vom 24. Februar 2020 - 9 BN 9.18 - juris Rn. 42 m.w.N.).

9 e) Soweit die Kläger schließlich einen Beleg für die "überspannten und unzumutbaren Erwartungen" des Gerichts darin sehen, dass der Senat selbst nicht in der Lage gewesen sei, in der Zeit bis zur Niederlegung der Urteilsgründe die "einschlägige Rechtsprechung" des Bundesverwaltungsgerichts ausfindig zu machen, verfängt dies bereits deshalb nicht, weil es sich bei den von den Klägern zitierten Urteilen vom 3. Juli 1987 - 4 C 12.84 - (Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 72) und vom 27. November 1996 - 11 A 100.95 - (Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 18) nicht um einschlägige Rechtsprechung handelt. Denn sie verhalten sich nicht ansatzweise zu der vorliegend maßgeblichen und in der mündlichen Verhandlung erörterten Frage (vgl. Protokoll vom 23. Juni 2020 S. 2), ob und inwieweit sich ein Grundstückseigentümer, dessen Betroffenheit sich erst aus der nachträglichen Einbeziehung in eine Unternehmensflurbereinigung ergibt, noch gegen den zuvor ergangenen Planfeststellungsbeschluss wehren kann.

10 2. Aus der geltend gemachten Besorgnis der Befangenheit aller Senatsmitglieder, die am Urteil vom 2. Juli 2020 mitgewirkt haben (Rüge C.2), lässt sich eine Gehörsverletzung nicht herleiten. Das Ablehnungsgesuch der Kläger ist mit Beschluss vom 14. April 2021 - auch in Bezug auf den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht a.D. Dr. B. - als unbegründet zurückgewiesen worden. Entgegen der (mit Schriftsatz vom 12. Mai 2021 wiederholten und bekräftigten) Ansicht der Kläger bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Richter, die an der mündlichen Verhandlung und Urteilsfindung mitgewirkt haben, den Klägern nicht unvoreingenommen und unbefangen gegenübergestanden haben.

11 3. Die Rüge der Kläger, der Senat habe wesentlichen Vortrag, insbesondere aus dem nachgelassenen Schriftsatz vom 26. Juni 2020, nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt, greift ebenfalls nicht durch.

12 Das Gebot zur Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, den Vortrag der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidungsfindung in Erwägung zu ziehen. Es soll als Prozessgrundrecht insbesondere sicherstellen, dass die zu treffende Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in der unterlassenen Kenntnisnahme oder Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (BVerfG, Beschluss vom 30. Januar 1985 - 1 BvR 393/84 - BVerfGE 69, 141 <143> und Kammerbeschluss vom 18. Januar 2011 - 1 BvR 2441/10 - juris Rn. 11 m.w.N.). Das Gericht ist jedoch weder verpflichtet, den Rechtsansichten eines Beteiligten zu folgen, noch muss es sich in seinen Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen ausdrücklich befassen (stRspr des BVerfG, vgl. nur Urteil vom 2. März 2006 - 2 BvR 2099/04 - BVerfGE 115, 166 <180> und Kammerbeschluss vom 2. Juli 2018 - 1 BvR 682/12 - NVwZ 2018, 1561 Rn. 19 m.w.N.). In der Regel ist davon auszugehen, dass es den Vortrag der Beteiligten pflichtgemäß zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidung berücksichtigt hat. Allein die Nichterwähnung einzelner Begründungselemente des Beteiligtenvorbringens rechtfertigt daher nicht den Schluss, das Gericht habe sich mit diesen Argumenten nicht befasst (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216 f.>; Beschlüsse vom 16. Juli 2013 - 1 BvR 3057/11 - BVerfGE 134, 106 Rn. 32 und vom 23. Mai 2018 - 1 BvR 97/14, 2392/14 - BVerfGE 149, 86 Rn. 63; BVerwG, Beschluss vom 12. Dezember 2019 - 9 A 24.19 - juris Rn. 2). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO liegt daher nur vor, wenn besondere Umstände deutlich machen, dass das Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht berücksichtigt hat, wobei sich die Entscheidungserheblichkeit auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Gerichts beurteilt (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 2. September 2019 - 8 B 19.19 - juris Rn. 2 m.w.N.).

13 Aus den Darlegungen der Kläger ergibt sich nicht, dass der Senat gegen diese Grundsätze verstoßen hat. Ihr Vortrag erschöpft sich in weiten Teilen in einer Wiedergabe und inhaltlichen Bewertung der Entscheidungsgründe des Senats und Ausführungen dazu, warum die Kläger diese für unzutreffend halten, ohne konkret darzulegen, welches entscheidungserhebliche Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen worden sein soll. Der Sache nach wird im Wesentlichen beanstandet, dass der Senat den Rechtsansichten der Kläger nicht gefolgt ist. Darauf lässt sich - wie dargelegt - eine Gehörsrüge nicht stützen.

14 a) Die Rüge der Kläger (unter C.4), der Senat habe ihren Vortrag aus dem Schriftsatz vom 26. Juni 2020 zu dem für das Rechtsinstitut der Verwirkung erforderlichen Umstandsmoment nicht beschieden, kann eine Gehörsverletzung schon deshalb nicht begründen, weil es nach der Rechtsauffassung des Senats auf ein solches "Umstandsmoment" nicht entscheidungserheblich ankam. Soweit die Kläger (unter C.5) auf ihren "diesbezüglichen" Vortrag aus den Schriftsätzen vom 26. Juni und 7. Juli 2020 verweisen und diese in umfangreichen Auszügen wörtlich wiedergeben (durch Hineinkopieren der Seiten 31 - 54 des Schriftsatzes vom 26. Juni 2020 und der Seiten 31 - 37 des Schriftsatzes vom 7. Juli 2020), fehlt zudem eine den Anforderungen von § 152a Abs. 2 Satz 6 i.V.m. § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO entsprechende Darlegung, inwiefern eine Gehörsverletzung vorliegen soll. Der wiedergegebene Vortrag bezieht sich auf die Frage einer Verwirkung und enthält Ausführungen zu einer Vielzahl rechtlicher und tatsächlicher Gesichtspunkte. Auf einzelne Elemente dieser Argumentation ist der Senat in seinem Urteil vom 2. Juli 2020 ausdrücklich eingegangen, so etwa auf die Frage eines Rangverhältnisses zwischen den Rechtsbehelfen gegen den Flurbereinigungsbeschluss und den Planfeststellungsbeschluss (Rn. 43), die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim (Rn. 44) oder Vertrauensschutzgesichtspunkte zugunsten der Kläger zu 1. und zu 2. (Rn. 52). Die Kläger geben nicht konkret an, hinsichtlich welcher Aspekte beanstandet wird, dass sie auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserheblich gewesen, aber nicht berücksichtigt worden seien. Ein Gehörsverstoß muss konkret bezeichnet werden. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, aus der umfangreichen Wiederholung früheren Vorbringens dasjenige herauszusuchen, das angeblich nicht zur Kenntnis genommen worden sein soll (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 2016 - 2 B 34.14 - NVwZ-RR 2016, 428 Rn. 60 m.w.N.).

15 b) Soweit die Kläger (unter C.6 und C.7) beanstanden, dass auf der Ebene der Zulässigkeit der Anfechtungsklage der Kläger zu 1. und 2. Fragen der Begründetheit nicht gänzlich hätten außen vor bleiben können und der Senat deshalb den diesbezüglichen Vortrag nicht hätte unbeschieden lassen dürfen, geht es wiederum um den Aspekt des Vertrauenstatbestandes im Zusammenhang mit einer "echten" Verwirkung, der für den Senat nicht entscheidungserheblich war. Da es entgegen der Auffassung der Kläger bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Klage der Kläger zu 1. und 2. nicht auf Fragen der Begründetheit ankam, bestand für den Senat auch keine Veranlassung, sich mit den Ausführungen und Überlegungen der Kläger zur materiellen Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses näher auseinanderzusetzen oder diese zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung zu machen; die diesbezüglichen Rügen (unter C.8) sind daher unbeachtlich. Entsprechendes gilt für die Überlegungen der Kläger zu alternativen Klagemöglichkeiten und den Erfolgsaussichten einer - vorliegend nicht erhobenen - Klage auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses (vgl. zu dieser Fallkonstellation im Übrigen das Urteil des Senats vom 23. Juni 2020 - 9 A 23.19 - juris).

16 c) Die Ausführungen der Kläger (unter C.9, C.10, C.12 und C.13) zur fehlenden Übertragbarkeit der Rechtsprechung zum Baunachbarrecht auf den vorliegenden Fall und zum Fehlen eines nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses richten sich der Sache nach gegen die rechtlichen Überlegungen und Bewertungen des Senats und legen dar, warum die Kläger diese für falsch halten. Beanstandet wird in diesem Zusammenhang keine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG, sondern dass die Entscheidung des Senats nicht mit Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 14 Abs. 1 und 3 und Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar sei.

17 Auch mit der dabei erhobenen Rüge, der Senat habe die "einheitlich geklärte höchstrichterliche Rechtsprechung" zur Anwendbarkeit der Rechtsprechung zum Baunachbarrecht auf das Fachplanungsrecht übersehen, wird keine Gehörsverletzung geltend gemacht, sondern inhaltliche Kritik an der Entscheidung des Senats geübt. Lediglich ergänzend sei hierzu angemerkt, dass sich den beiden referierten Urteilen vom 3. Juli 1987 - 4 C 12.84 - (Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 72) und vom 27. November 1996 - 11 A 100.95 - (Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 18), auf die die Kläger im Übrigen erst im Anhörungsrügeverfahren Bezug genommen haben, keineswegs die Aussage entnehmen lässt, dass eine Anwendung der Rechtsprechung zum Baunachbarrecht auf das Fachplanungsrecht allenfalls dann erfolgen könne, wenn sich Vorhabenträger und Fachplanungsbetroffener tatbestandlich in einem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis gegenüberstünden. Von einer höchstrichterlichen Klärung kann in diesem Zusammenhang keine Rede sein. In dem Urteil vom 3. Juli 1987 wird im Übrigen aus der Zustellung eines Planfeststellungsbeschlusses an den Ehemann nach der allgemeinen Lebenserfahrung geschlossen, dass auch die Ehefrau Kenntnis vom Inhalt des Beschlusses erlangt hat, weshalb die Grundsätze der Rechtsprechung des Baunachbarrechts auch auf den dortigen Fall angewendet wurden (Urteil vom 3. Juli 1987 a.a.O. S. 3). Danach unterstützt diese Entscheidung sogar die Rechtsauffassung des Senats.

18 Vor diesem Hintergrund stellt das Urteil entgegen der Auffassung der Kläger auch keine gehörsverletzende Überraschungsentscheidung dar, mit der ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte. Soweit die Kläger (unter C.11) den Grund dafür, dass das Gericht die von ihnen vorgetragenen Argumente nicht ausdrücklich "beschieden" hat, als Ausdruck einer gehörsverkürzenden Versäumung der Pflicht zur Kenntnisnahme und Würdigung des Sachverhalts verstehen, ist dies nicht zutreffend. Der Senat hat die Argumente, die die Kläger für eine Zulässigkeit ihrer Klage und gegen die Übertragbarkeit von Überlegungen aus dem Baunachbarrecht insbesondere zu einer Verwirkung angeführt haben, zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Dass er ihnen inhaltlich nicht gefolgt ist, mögen die Kläger für falsch und unverständlich halten, einen Gehörsverstoß begründet dies jedoch nicht.

19 d) Auch mit ihrem Vortrag zur Klagebefugnis aller Kläger hinsichtlich des Planänderungsbescheids vom 17. Januar 2019 (Rüge C.14 und C.15) machen die Kläger der Sache nach keine Gehörsverletzung geltend, sondern kritisieren die Rechtsauffassung des Senats, wobei sie erneut durch Hineinkopieren Bezug nehmen auf längere Passagen aus ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 26. Juni 2020 sowie ihrem - vor Kenntnis der schriftlichen Urteilsgründe verfassten - Anhörungsrügeschriftsatz vom 7. Juli 2020, ohne konkret darzulegen, welches für seine Entscheidung erhebliche Vorbringen der Senat nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen haben soll. Wie dargelegt, lässt allein der Umstand, dass der Senat im Ergebnis zu einer anderen rechtlichen Bewertung gelangt ist als die Kläger, nicht den Schluss zu, er habe sich nicht mit dem Vortrag der Kläger auseinandergesetzt. Einer förmlichen "Bescheidung" der einzelnen Begründungselemente der Kläger bedurfte es dabei nicht.

20 4. Soweit die Kläger mit Schriftsatz vom 9. November 2020 auf ihre als Anlage beigefügte Verfassungsbeschwerde vom selben Tag "vollinhaltlich" Bezug nehmen, genügt der pauschale Verweis auf die über 400 Seiten lange Beschwerdeschrift - ungeachtet der Frage, ob er fristgerecht im Sinne des § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO erfolgt ist - jedenfalls nicht den Darlegungsanforderungen für eine Anhörungsrüge.

21 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO. Eine Streitwertfestsetzung ist nicht notwendig, weil sich die Gerichtsgebühr aus Nr. 5400 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz ergibt.