Beschluss vom 17.06.2022 -
BVerwG 5 PB 15.21ECLI:DE:BVerwG:2022:170622B5PB15.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 17.06.2022 - 5 PB 15.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:170622B5PB15.21.0]

Beschluss

BVerwG 5 PB 15.21

  • VG Hamburg - 15.11.2017 - AZ: 26 FL 9/16
  • OVG Hamburg - 13.09.2021 - AZ: 8 Bf 25/18.PVL

In der Personalvertretungssache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Juni 2022
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner
beschlossen:

Die Beschwerde des Beteiligten gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts - 1. Fachsenat für Personalvertretungssachen nach dem Landespersonalvertretungsrecht - vom 13. September 2021 wird verworfen.

Gründe

1 Die Beschwerde des Beteiligten hat keinen Erfolg. Die Rechtsbeschwerde ist nicht wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, weil die Beschwerdebegründung den Darlegungsanforderungen des § 99 Abs. 2 HmbPersVG i.V.m. § 92a Satz 2 und § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG nicht gerecht wird.

2 Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 99 Abs. 2 HmbPersVG i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kommt einer Rechtsfrage nur zu, wenn mit ihr eine für die erstrebte Rechtsbeschwerdeentscheidung erhebliche Frage aufgeworfen wird, die im Interesse der Einheit und Fortbildung des Rechts der Klärung bedarf. Die Rechtsfrage muss zudem klärungsfähig sein, was der Fall ist, wenn sie in der Rechtsbeschwerdeinstanz beantwortet werden kann. Nach § 99 Abs. 2 HmbPersVG i.V.m. § 92a Satz 2 i.V.m. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG muss die Begründung der auf den Zulassungsgrund des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG gestützten Nichtzulassungsbeschwerde die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit enthalten. Dieses Darlegungserfordernis setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Rechtsbeschwerdeentscheidung erheblichen Rechtsfrage sowie die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss substantiiert erläutern, dass und inwiefern die Rechtsbeschwerdeentscheidung zur Klärung einer bisher vom Bundesverwaltungsgericht nicht beantworteten, fallübergreifenden und entscheidungserheblichen Rechtsfrage führen kann. Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Beschlusses, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt. Es bedarf auch der substantiierten Auseinandersetzung mit den Gründen bereits ergangener einschlägiger Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts. Soweit sich die Vorinstanz mit der von der Beschwerde als grundsätzlich angesehenen Frage beschäftigt hat, gehört zu der erforderlichen Durchdringung des Prozessstoffes die Erörterung sämtlicher Gesichtspunkte, die im Einzelfall für die erstrebte Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtlich Bedeutung haben können. In der Begründung ist auch substantiiert aufzuzeigen, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der aufgeworfenen Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung zugrunde liegt, zu folgen ist (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 23. Mai 2019 - 5 PB 7.18 - juris Rn. 15 m.w.N.). Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

3 1. Die Beschwerde formuliert als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zunächst:
"Ist § 80 Abs. 1 S. 1 HmbPersVG mit dem Grundgesetz vereinbar?"

4 a) Zu ihrer Erläuterung führt sie aus, die Vorschrift sei nach den Maßstäben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Allzuständigkeit der Personalvertretung (Beschluss vom 24. Mai 1995 - 2 BvF 1/92 - BVerfGE 93, 37) verfassungswidrig, weil § 80 Abs. 1 Satz 1 HmbPersVG nicht danach unterscheide, "ob es sich bei einer Maßnahme um Amtsaufgaben oder um sonstige Maßnahmen" handele. Allein die Tatsache, dass die Allzuständigkeit in § 80 Abs. 2 und 3 HmbPersVG durch die Ausfüllung des Rechtsbegriffs der Maßnahme und die Bezugnahme auf die §§ 87 und 88 HmbPersVG näher ausgestaltet werde, führe nicht dazu, dass diese ausreichend normativ bestimmt und begrenzt sei.

5 Dies genügt nicht den Darlegungsanforderungen, weil sich die Beschwerde bereits nicht ausreichend mit der einfachrechtlichen Rechtslage auseinandersetzt, indem sie es unterlässt, die systematisch bedeutsame Regelung des § 82 Abs. 7 Satz 3 HmbPersVG in Erwägung zu ziehen. Diese Vorschrift soll nach dem Willen des Landesgesetzgebers so zu verstehen sein, dass in den Fällen der Allzuständigkeit des Personalrats nach § 80 Abs. 1 HmbPersVG, den das Oberverwaltungsgericht zur Begründung der Mitbestimmungsbedürftigkeit der im Streit stehenden Maßnahme herangezogen hat, der stets bloß empfehlende Charakter der Entscheidungen der Einigungsstelle sichergestellt ist (vgl. Bü-Drs. 20/10838 S. 63). Vor diesem Hintergrund hätte die Beschwerde näher erläutern müssen, warum eine Sicherstellung in diesem Sinne den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht genügen soll. Denn nach dieser kann auch bei innerdienstlichen Maßnahmen, die schwerpunktmäßig die Erledigung von Amtsaufgaben betreffen, eine Mitbestimmung zulässig sein, wenn zumindest die Entscheidung der Einigungsstelle nur den Charakter einer Empfehlung an die zuständige Dienststelle hat (BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 1995 - 2 BvF 1/92 - BVerfGE 93, 37 = juris Rn. 148). Der bloße Hinweis der Beschwerde darauf, dass die Zulässigkeit einer Allzuständigkeit des Personalrats in der Literatur nach wie vor umstritten sei, kann eine Auseinandersetzung hiermit nicht ersetzen.

6 b) Darüber hinaus führt die Beschwerde (Beschwerdebegründung S. 16) aus, die in § 80 Abs. 1 HmbPersVG geregelte Allzuständigkeit genüge den durch das Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen auch deshalb nicht, weil es für die Aufrechterhaltung der Entscheidungskompetenz der demokratisch legitimierten Stellen nicht genüge, wenn sie nur formal gewahrt sei. Deren Wahrung sei aber faktisch unmöglich gemacht, weil die aufgrund der Regelungen in den §§ 81 und 82 HmbPersVG völlig unbestimmte Dauer des Schlichtungs- und Einigungsstellenverfahrens kombiniert mit der großen Zahl zustimmungspflichtiger Maßnahmen die Gefahr begründe, dass wichtige Entscheidungen faktisch verhindert und demokratisch verantwortliche Stellen gelähmt werden könnten.

7 Auch dies genügt den Darlegungsanforderungen nicht, weil die Beschwerde sich insoweit allein auf eine in der Literatur angestellte, auf bloßen Erwartungen basierende Prognose der faktischen Folgen der Allzuständigkeit stützt, die zu einem Zeitpunkt aufgestellt worden ist, als sich die hier in Rede stehende Novellierung des hamburgischen Landesrechts noch im Entwurfsstadium befand (vgl. Thüsing, öAT 2014, 10). Darauf, ob und inwieweit die dort befürchteten faktischen Folgen des Gesetzes sieben Jahre nach Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung tatsächlich eingetreten sind, geht die Beschwerde indes nicht ein, obwohl sie Angaben hierzu zumindest in Bezug auf den Zuständigkeitsbereich des Beteiligten hätte machen können. Ohne jede Darlegung der inzwischen feststellbaren faktischen Auswirkungen des § 80 Abs. 1 HmbPersVG bleibt die hierauf gestützte Behauptung seiner Verfassungswidrigkeit durch die Beschwerde indes vollständig spekulativ und damit unschlüssig. Deshalb bedarf es für die vorliegende Fallgestaltung keiner Entscheidung, ob vom Oberverwaltungsgericht nicht festgestellte sog. "legal facts" im personalvertretungsrechtlichen Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde nicht zu berücksichtigen sind (vgl. zum revisionsrechtlichen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren BVerwG, Beschluss vom 2. Februar 2011 - 6 B 37.10 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 173 Rn. 11).

8 c) Schließlich meint die Beschwerde, die Regelung des § 80 Abs. 1 HmbPersVG sei verfassungswidrig, weil bereits der zentrale Begriff der Maßnahme zu unbestimmt sei und dessen Legaldefinition in § 80 Abs. 2 HmbPersVG hieran nichts ändere. Hierzu werde zu Recht vertreten, es sei unklar, ob es ausreiche, dass die Maßnahme nicht lediglich geringfügig die Interessen der Arbeitnehmer betreffe, oder ob es nach § 80 Abs. 3 Satz 1 HmbPersVG erforderlich sei, dass sie ähnliches Gewicht habe wie die in den §§ 87, 88 HmbPersVG genannten Maßnahmen.

9 Mit diesem Argument allein ist jedoch eine Unbestimmtheit des Begriffs der Maßnahme in § 80 Abs. 1 HmbPersVG nicht aufgezeigt. Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 HmbPersVG ist eine Maßnahme eine Handlung oder Entscheidung, durch die die Dienststelle in eigener Zuständigkeit eine Regelung trifft, die die Angehörigen des öffentlichen Dienstes nicht nur geringfügig berührt oder innerdienstliche Verhältnisse nicht nur unwesentlich und nicht nur kurzfristig verändert. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf § 80 Abs. 3 Satz 1 HmbPersVG verweist, setzt sie sich ebenfalls nur unzureichend mit der einfachrechtlichen Rechtslage auseinander. Sie geht nicht darauf ein, dass die Regelung des § 80 Abs. 3 Satz 1 HmbPersVG vor dem Hintergrund zu verstehen sein soll, dass die Aufnahme von Mitbestimmungskatalogen in das Gesetz zugleich die Reichweite der ebenfalls angeordneten Allzuständigkeit des Personalrats begrenzen soll (siehe zu dieser sowie vergleichbaren anderen Regelungen Altvater, in: Altvater/Baden/Baunack/Berg/Dierßen/Herget/Kröll/Lenders/Noll, BPersVG, 10. Aufl. 2019, § 75 Rn. 284 unter Hinweis auf die langjährige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts). Ob dies tatsächlich zutrifft (zu den Grenzen einer solchen Auslegung vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 2018 - 5 P 9.17 - BVerwGE 163, 246 Rn. 9 ff.) und welcher Inhalt der Vorschrift anderenfalls zukommen soll, bedarf vorliegend keiner Erörterung. Denn die Regelung berührt jedenfalls nicht den Inhalt der Definition des Maßnahmenbegriffs nach § 80 Abs. 2 HmbPersVG und stellt auch nicht dessen Bestimmtheit infrage, sondern sie drückt allenfalls eine Begrenzung des Mitbestimmungsrechts nach § 80 Abs. 1 HmbPersVG auf bestimmte Arten von Maßnahmen aus. Soweit die Beschwerde im Übrigen meint, § 87 Abs. 1 und § 88 Abs. 1 HmbPersVG einerseits und § 80 Abs. 3 Satz 2 HmbPersVG andererseits seien widersprüchlich formuliert, legt sie schon nicht dar, welche Folgerungen hieraus mit Blick auf die mit der Grundsatzfrage behauptete Verfassungswidrigkeit des § 80 Abs. 1 HmbPersVG zu ziehen sein sollen.

10 2. Die Beschwerde formuliert außerdem als Rechtsfrage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung:
"Stellt die Aufnahme einer Regelung in ein Handbuch zur Regelung laufender Geschäftsprozesse - auf deren Grundlage eine Regelung ermöglicht wird, die ihrerseits innerdienstliche Verhältnisse nicht nur unwesentlich verändert - bereits eine Regelung im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 HmbPersVG dar, die innerdienstliche Verhältnisse nicht nur unwesentlich verändert?"

11 Dazu meint die Beschwerde, die reine Möglichkeit, dass auf der Grundlage einer abstrakten Regelung innerdienstliche Verhältnisse verändert würden, könne nicht ausreichend sein. Es handele sich bloß um eine Entscheidung, die eine Maßnahme lediglich vorbereite.

12 Damit zeigt die Beschwerde schon die Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage nicht auf, weil sie von einem unzutreffenden Verfahrensgegenstand ausgeht. Gegenstand des durch das Oberverwaltungsgericht entschiedenen Feststellungsbegehrens war die Verletzung eines Mitbestimmungsrechts des Antragstellers durch die Einrichtung und Besetzung von Telearbeitsplätzen, und nicht "die Aufnahme einer Regelung in ein Handbuch". Die Beschwerde zeigt im Übrigen nicht schlüssig auf, warum die vom Oberverwaltungsgericht festgestellte und vom Beteiligten nicht bestrittene zwischenzeitliche Besetzung von 432 Telearbeitsplätzen nicht bereits zu einer wesentlichen Veränderung der innerdienstlichen Verhältnisse im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 HmbPersVG geführt haben soll. Eine solche Wirkung hat das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich bejaht und nicht, wie die Beschwerde meint, lediglich offengelassen. Mit der diesbezüglichen Argumentation in dem angefochtenen Beschluss setzt sie sich nicht auseinander, sondern stellt ihr lediglich ihre gegenteilige Auffassung gegenüber.

13 3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 99 Abs. 2 HmbPersVG i.V.m. § 92a Satz 2 i.V.m. § 72a Abs. 5 Satz 5 Alt. 1 ArbGG abgesehen.