Urteil vom 19.06.2025 -
BVerwG 2 WD 25.24ECLI:DE:BVerwG:2025:190625U2WD25.24.0

Aberkennung des Ruhegehalts bei außergewöhnlichem Ausmaß einer nicht genehmigungsfähigen Nebentätigkeit

Leitsatz:

Erreicht eine nicht genehmigte Nebentätigkeit eines Soldaten das Ausmaß eines Zweitberufs und wird sie ungeachtet einer disziplinarrechtlichen Beschuldigtenvernehmung bei laufender Krankschreibung fortgesetzt, ist die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme verwirkt.

  • Rechtsquellen
    3. WehrDiszNOG
    WDO § 38 Abs. 1 und 2, § 60 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 7, § 64 Abs. 1 Satz 2, § 67 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 143 Abs. 1 Satz 2 und 3, § 144 Abs. 2 Satz 1
    SG §§ 7, 12 Satz 2 und 3, § 17 Abs. 2 Satz 1, § 17a Abs. 1, § 20 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, Satz 3 bis 5, § 23 Abs. 1
    BNV § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 14

  • TDG Süd 2. Kammer - 19.06.2024 - AZ: S 2 VL 20/21

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 19.06.2025 - 2 WD 25.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:190625U2WD25.24.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 25.24

  • TDG Süd 2. Kammer - 19.06.2024 - AZ: S 2 VL 20/21

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 19. Juni 2025, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler, Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister, Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke, ehrenamtlicher Richter Major Wolke und ehrenamtlicher Richter Oberleutnant Herzau, Ministerialrat ... als Vertreter der Bundeswehrdisziplinaranwaltschaft, Rechtsanwalt ... als Verteidiger, Geschäftsstellenverwalterin ... als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft wird das Urteil der 2. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 19. Juni 2024 aufgehoben.
  2. Dem früheren Soldaten wird das Ruhegehalt aberkannt.
  3. Der frühere Soldat trägt die Kosten des gesamten Verfahrens einschließlich der ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen.

Gründe

I

1 Das Verfahren betrifft die disziplinarische Ahndung einer ungenehmigten Nebentätigkeit.

2 1. Der ... geborene frühere Soldat verfügt über die allgemeine Hochschulreife und nahm 2012 ein Wirtschaftsingenieursstudium auf, das er wegen des nahenden Eintritts in die Bundeswehr beendete. Im Juli 2013 trat er als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes in die Bundeswehr ein und wurde in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Er bestand den Offizierlehrgang Teil 1 mit "befriedigend". Unter vorangehender Kommandierung wurde er 2014 an die Universität der Bundeswehr in A versetzt. Dort studierte er Psychologie ohne Abschluss. Die letzten akademischen Leistungen erbrachte er im Juni 2015. Am 16. Dezember 2015 wurde er prüfungsunfähig geschrieben. Er war ab dem 15. Juni 2016 dauerhaft nicht dienstfähig und seit dem 22. Februar 2016 immer wieder krank geschrieben worden. Zuletzt wurde er zum Juli 2016 zum Leutnant befördert. Seine Dienstzeit hätte regulär mit Ablauf des 30. Juni 2019 geendet, fand jedoch Ende Juni 2017 ihren Abschluss, weil er wegen eines im Juli 2016 eingeleiteten Dienstunfähigkeitsverfahrens aufgrund einer Leistungsfunktionsstörung entlassen wurde.

3 Während seines Bundeswehrstudiums war der frühere Soldat im Versicherungsgewerbe zumindest als Tippgeber und später als freier Mitarbeiter der Firmen B GmbH und C GmbH tätig. Am 1. April 2015 hat der frühere Soldat ein Gewerbe angemeldet und am 4. März 2016 die Prüfung als Versicherungsmakler erfolgreich abgeschlossen.

4 Der frühere Soldat wurde im Dienstgrad Obergefreiter OA am 23. Juni 2014 durch den Hörsaalleiter in der Aufgabenerfüllung mit "5,71" beurteilt. Er sei ein junger, sehr interessierter und aufgeschlossener Offizieranwärter, der sich mit kontinuierlich guter und konstruktiver Mitarbeit eingebracht habe. Er sei geistig und körperlich voll belastbar. Seine Gesamtleistung liege über den Erwartungen und positioniere ihn im zweiten Drittel des Hörsaals. Der Inspektionschef stimmte dem zu und die frühere Leiterin der Studierendenfachbereichsgruppe D und seinerzeit nächste Disziplinarvorgesetzte, Oberstleutnant E, sagte erstinstanzlich aus, der frühere Soldat habe ruhig, besonnen und bodenständig gewirkt und sei nicht negativ aufgefallen. Seine Studienleistungen hätten sich im Mittelfeld bewegt.

5 Der frühere Soldat ist berechtigt, das Leistungsabzeichen für Leistungen im Truppendienst der Stufe III zu tragen. Die aktuelle Auskunft aus dem Zentralregister enthält ebenso wenig eine Eintragung wie der letzte Auszug aus dem Disziplinarbuch.

6 Der verheiratete frühere Soldat ist Vater eines am ... geborenen Sohnes und einer am ... geborenen Tochter unterschiedlicher Mütter. Er erhielt bis zum 30. Juni 2018 75 % der Dienstbezüge der Besoldungsgruppe A 9 G. Die Übergangsbeihilfe von 12 227,64 € wird einbehalten. Nach seinem aktiven Dienst war der frühere Soldat zunächst hauptberuflich als Versicherungsvermittler tätig. Dann kündigte er und nahm ein Psychologiestudium an der Universität A auf, das er mit dem Bachelor abschloss. Er ist derzeit als Bau- und Projektleiter tätig und verdient monatlich ca. 5 700 € netto. Seine monatlichen Verbindlichkeiten belaufen sich auf etwa 3 500 €, nachdem er monatliche Zahlungen von 1 000 € aus einem mit den Firmen B GmbH und C GmbH geschlossenen Vergleich wegen Rückzahlungen über 41 000 € seit Februar 2025 nicht mehr zu leisten braucht.

7 2. Auf der Grundlage des unter dem 28. Februar 2017 eingeleiteten Verfahrens wurde dem früheren Soldaten mit Anschuldigungsschrift vom 17. Mai 2021 als Dienstvergehen zur Last gelegt:
"1. Obwohl der frühere Soldat aufgrund seiner schriftlichen Belehrungen vom 1. Juli 2013 und vom 22. September 2014 wusste, zumindest aber hätte wissen können und müssen, dass er für die Ausübung einer entgeltlichen Nebentätigkeit die Genehmigung seiner oder seines Disziplinarvorgesetzten der 2. Stufe benötigte, war er an nicht mehr näher zu bestimmenden Orten in der Bundesrepublik Deutschland, ohne die hierfür erforderliche Nebentätigkeitsgenehmigung zu haben,
a) mindestens vom 25. März 2015 bis zum 8. März 2016 im Rahmen einer sogenannten Partnervereinbarung für gelegentliche Interessenten-Zuführung für die B GmbH in F (B) als Tippgeber für die Vermittlung von Finanzdienstleistungsprodukten tätig und erhielt für diese Tätigkeit im vorgenannten Zeitraum Provisionen in Höhe von 29 565,36 Euro von der B,
b) vom 11. März 2016 bis zum 15. Dezember 2016 im Rahmen eines Vertriebspartnervertrages für die B als Vertriebspartner für die Vermittlung von Finanzdienstleistungsprodukten tätig und erhielt für diese Tätigkeit im vorgenannten Zeitraum Vermittlerprovisionen in Höhe von weiteren 54 053,68 Euro von der B sowie
c) vom 11. März 2016 bis 23. Januar 2017 im Rahmen eines Vertriebspartnervertrages für die C GmbH in F (C) als Vertriebspartner für die Vermittlung von Finanzdienstleistungsprodukten tätig und erhielt für diese Tätigkeit im vorgenannten Zeitraum Vermittlerprovisionen in Höhe von 129,15 Euro.
2. Obwohl der frühere Soldat aufgrund seiner Vernehmung vom 16. Dezember 2016 zum Tatvorwurf der Ausübung einer ungenehmigten Nebentätigkeit wusste, dass er für die Ausübung einer entgeltlichen Nebentätigkeit die Genehmigung seines Disziplinarvorgesetzten der 2. Stufe benötigte, und obwohl ihm seine damalige Disziplinarvorgesetzte, die Zeugin Hauptmann E, die Ausübung der unter Ziffer 1 beschriebenen Nebentätigkeit ausdrücklich untersagte, war er von diesem Tag an bis zu seinem Ausscheiden aus dem aktiven Wehrdienstverhältnis am 30. Juni 2017 an nicht mehr näher zu bestimmenden Orten in der Bundesrepublik Deutschland, ohne die hierfür erforderliche Nebentätigkeitsgenehmigung zu haben, im Rahmen eines Vertriebspartnervertrages für die B als Vertriebspartner für die Vermittlung von Finanzdienstleistungsprodukten tätig und erhielt für diese Tätigkeit in diesem Zeitraum weitere Vermittlerprovisionen in Höhe von 57 711,77 Euro von der B.
3. Der frühere Soldat veranlasste zwischen dem 2. Juli und dem 13. Dezember 2015 in G den Zeugen Leutnant (damals Obergefreiter) H dazu, eine Partnervereinbarung für gelegentliche Interessentenzuführungen mit der B und eine weitere derartige Partnervereinbarung mit der C einzugehen, in deren Rahmen der Zeuge den vorgenannten Unternehmen gelegentlich Interessenten für Finanzdienstleistungsprodukte zuführen sollte, und versicherte dem Zeugen hierbei unter anderem, dass diese Tätigkeit mit dem Soldatenberuf vereinbar sei, obwohl er aufgrund seiner schriftlichen Belehrungen vom 1. Juli 2013 und vom 22. September 2014 wusste, zumindest aber hätte wissen können und müssen, dass der Zeuge für die Ausübung einer entgeltlichen Nebentätigkeit die Genehmigung seines Disziplinarvorgesetzten der 2. Stufe benötigt, eine Nebentätigkeit im Bereich der Vermittlung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen indes wegen drohenden Widerstreits mit dienstlichen Pflichten regelmäßig zu versagen ist; der Zeuge H erhielt seit seinem Vertragsschluss bis zum Ende Juli 2016 von der B 693,46 Euro an Provisionen und sah sich nur deswegen keinem gerichtlichen Disziplinarverfahren ausgesetzt, weil er nach Erhalt einer Belehrung zum Thema Nebentätigkeiten beide 'Tippgeberverträge' im Juli 2016 gekündigt hatte."

8 3. Das Truppendienstgericht Süd hat dem früheren Soldaten unter Ausklammerung des Anschuldigungspunktes 3 durch Urteil vom 19. Juni 2024 das Ruhegehalt um zwei Fünftel gekürzt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

9 Der unter Anschuldigungspunkt 1 und 2 angeschuldigte Sachverhalt stehe als Ergebnis der Beweisaufnahme fest. Der frühere Soldat habe ungeachtet der von ihm unterzeichneten Belehrungen über die Notwendigkeit einer Genehmigung für Nebentätigkeiten im Zeitraum vom 25. März 2015 bis zum 30. Juni 2017 für die Firmen B GmbH und C GmbH dem Verbot bewusst zuwider Nebentätigkeiten ausgeübt und dafür Provisionen von gut 140 000 € erhalten. Die Tätigkeiten habe er ausgeübt, auch nachdem ihn seine Disziplinarvorgesetzte am 16. Dezember 2016 auf die Rechtswidrigkeit seines Tuns hingewiesen habe. Nicht nachgewiesen sei indes, dass sie ihn auch angewiesen habe, dies zukünftig zu unterlassen. Er habe dadurch vorsätzlich seine Pflichten aus § 20 Abs. 1 Satz 1 SG sowie § 17 Abs. 2 Satz 2 SG a. F. verletzt.

10 Bei der Bemessungsentscheidung komme zum Tragen, dass in Fällen einer nicht genehmigten Nebentätigkeit für einen Finanzdienstleister grundsätzlich ein Beförderungsverbot oder eine Kürzung der Dienstbezüge den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bilde. In schweren Fällen bilde jedoch bereits auf erster Stufe eine Dienstgradherabsetzung den Ausgangspunkt. Ein solcher Erschwerungsfall liege vor, weil der frühere Soldat auch nach der Vernehmung am 16. Dezember 2016 die Nebentätigkeit fortgesetzt habe. Einstufungserschwerend sei indes nicht einzustellen, dass sich die Bruttoprovision in sechsstelliger Höhe bewege, denn dieser Umstand sei wegen der Rückzahlungsverpflichtung des früheren Soldaten über ca. 41 000 € zu relativieren.

11 Auf der zweiten Stufe sei zu beachten, dass eine Dienstgradherabsetzung nicht in Betracht komme, weil sich der frühere Soldat bereits im niedrigsten Offizierdienstgrad befinde, so dass auf die Kürzung des Ruhegehalts überzugehen sei. Dabei sei keine Kürzung in der gesetzlichen Maximalhöhe, sondern lediglich eine um zwei Fünftel auszusprechen, weil das gerichtliche Verfahren um zwei Jahre überlang sei. Bei der Bemessung komme jedoch auch zum Tragen, dass sich die Verstöße gegen das Nebentätigkeitsrecht über zwei Jahre erstreckten, die Bruttoprovision sich im unteren sechsstelligen Bereich bewegt und der frühere Soldat als Vorgesetzter die Nebentätigkeit in Kenntnis der gegen ihn aufgenommenen disziplinaren Ermittlungen fortgesetzt habe. Die Beweggründe sprächen jedoch insoweit nicht gegen ihn, als er mit der Nebentätigkeit seine atypisch hohen Lebenshaltungskosten zu decken beabsichtigt und angesichts des nahenden Ausscheidens aus dem Dienst die Grundlage für eine neue Einkommensquelle zu schaffen versucht habe. Seine zeitweise schwierige persönliche Situation, die anfangs durch starke psychische Probleme geprägt gewesen sei und ihn nach seiner Einlassung sogar an Selbstmord habe denken lassen, wirke nicht entlastend. Dafür sei sie zum einen nicht ausreichend "fassbar" gewesen und zum anderen nicht "aufdrängend kausal". Denn der frühere Soldat habe sein Fehlverhalten bewusst gesteuert. Ebenso wenig würden seine durchschnittlichen dienstlichen Leistungen ihn entlasten, jedoch seine Einsicht und Reue.

12 4. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft verfolgt mit ihrer Berufung die Aberkennung des Ruhegehalts.

13 Zu Unrecht sei zu Gunsten des früheren Soldaten berücksichtigt worden, dass dieser einen Teil der Provisionen zurückzuzahlen gehabt habe, denn dies ändere an dem Umfang der Nebentätigkeit nichts. Sie sei wegen ihres Umfanges auch nicht genehmigungsfähig gewesen, weil sie einen Zweitberuf dargestellt habe. Die erwirtschafteten Provisionen hätten mit monatlich mehr als 5 000 € die Bruttodienstbezüge des früheren Soldaten - im März 2017 hätten sie 3 056,91 € betragen - überstiegen. Die Beweggründe sprächen auch gegen ihn, denn ihm sei es darum gegangen, auf möglichst bequeme Weise ein möglichst hohes Einkommen zu generieren. Dabei seien seine Lebenshaltungskosten im Vergleich mit anderen in A wohnhaften Menschen nicht atypisch hoch gewesen. Auch die ungeplante Schwangerschaft seiner Partnerin hätte ihn nicht zwingen müssen, eine ungenehmigte Nebentätigkeit auszuüben, zumal er im Tatzeitraum noch Dienstbezüge erhalten habe. Anschuldigungspunkt 3 sei zu Unrecht ausgeklammert worden, denn er könne durchaus ins Gewicht fallen. Das Verhalten des früheren Soldaten dem Kameraden H gegenüber sei höchst unkameradschaftlich gewesen, zumal zwischen ihnen seinerzeit ein Dienstgradunterschied bestanden habe.

14 5. Der frühere Soldat beantragt die Zurückweisung der Berufung. Sein Dienstvergehen gebiete aus den vom Truppendienstgericht zutreffend erkannten Gründen nicht die Höchstmaßnahme. Insbesondere sei zu Recht berücksichtigt worden, dass die Höhe der Provisionen nicht geeignet sei, auf den Umfang der Nebentätigkeit zu schließen. Denn vorliegend sei die Provision bereits verdient, wenn es zu einem Vertragsabschluss komme. Dabei bestehe häufig ein erhebliches "Missverhältnis" zwischen der Vermittlungsprämie und dem dafür erforderlichen Arbeitsaufwand. Soweit sich die Wehrdisziplinaranwaltschaft gegen die Würdigung der Beweggründe wende, verkenne sie, dass er sich in einer psychischen Ausnahmesituation, unter anderem wegen einer unerwarteten Vaterschaft, befunden habe. Mit seinen seinerzeitigen monatlichen Nettobezügen von ca. 1 800,00 € habe er gerade die Mietkosten von 1 500,00 € decken können und selbst bei den späteren Einkünften von 2 430,68 € netto monatlich hätten die Mietkosten über 60 % des Nettoeinkommens beansprucht. Die Ausklammerung des Anschuldigungspunktes 3 sei zu Recht erfolgt. Denn der dortige Vorhalt sei konstruiert. Soweit der Zeuge belastend ausgesagt habe, liege bei ihm eine - angesichts der Involvierung in disziplinarische Vorermittlungen nachvollziehbare - Belastungstendenz zur eigenen Entlastung vor. Ungeachtet dessen habe jeder Soldat die Einschätzung, ob eine Tätigkeit als Nebentätigkeit genehmigungspflichtig sei, eigenverantwortlich vorzunehmen.

15 6. Hinsichtlich der Einzelheiten zur Person des früheren Soldaten, zur Anschuldigung und zur Begründung des erstinstanzlichen Urteils wird auf dieses verwiesen. Zu den im Berufungsverfahren eingeführten Dokumenten und die dortigen Zeugenaussagen wird auf das Protokoll der Berufungshauptverhandlung Bezug genommen.

II

16 Die zulässige Berufung ist begründet. Da sie unbeschränkt ist, hat der Senat im Rahmen der Anschuldigung eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen (1.), diese rechtlich zu würdigen (2.) und über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden (3.). Nach Maßgabe dessen ist dem früheren Soldaten, der wegen der einbehaltenen Übergangsbeihilfe gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 WDO in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Neuordnung des Wehrdisziplinarrechts und zur Änderung weiterer soldatenrechtlicher Vorschriften (3. WehrDiszNOG) vom 17. Dezember 2024 (BGBl. I Nr. 424) als Soldat im Ruhestand gilt, das Ruhegehalt nach § 60 Abs. 2 Nr. 4, § 67 Abs. 1 Satz 1 WDO abzuerkennen. Denn wenn er sich noch im Dienst befände, wäre seine Entfernung aus dem Dienstverhältnis gerechtfertigt (§ 67 Abs. 1 Satz 2 WDO).

17 1. Zur Überzeugung des Senats steht in tatsächlicher Hinsicht fest:

18 a) Der frühere Soldat hat ohne eine Nebentätigkeitsgenehmigung seines Dienstherrn vom 25. März 2015 bis zum 30. Juni 2017 für die Firmen B GmbH und C GmbH auf vertraglicher Basis Nebentätigkeiten in Form der Vermittlung von Finanzdienstleistungsprodukten ausgeübt und dafür Provisionen von 141 459,96 € erhalten, obwohl er wusste, dafür einer Nebentätigkeitsgenehmigung zu bedürfen.

19 Dass der frühere Soldat über keine Nebentätigkeitsgenehmigung verfügte, ist unstreitig und unterliegt in Ermangelung einer aktenkundigen Genehmigung auch keinen Zweifeln.

20 Hinsichtlich der Tätigkeit und der Provisionshöhe stützt der Senat seine Überzeugung nicht nur auf die insoweit geständigen Einlassungen des früheren Soldaten, sondern auch auf die in die Berufungshauptverhandlung eingeführten Tippgeber- sowie Vertragspartnerverträge des früheren Soldaten mit den Firmen B GmbH und C GmbH sowie auf die von ihnen ausgestellten Provisionsbescheinigungen. Dass der frühere Soldat bei Aufnahme der Nebentätigkeit im März 2015 von dem Erfordernis einer Genehmigung des Dienstherrn wusste, folgt nicht nur aus seiner dies bestätigenden Einlassung, sondern auch aus den ihm erteilten schriftlichen Belehrungen (vom 1. Juli 2013 sowie vom 22. September 2014), die auf eine unzulässige Nebentätigkeit im Bereich der Vermittlung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen ausdrücklich hinweisen.

21 b) Der frühere Soldat hat diese unerlaubte Tätigkeit fortgesetzt, obwohl er anlässlich seiner disziplinaren Vernehmung am 16. Dezember 2016 von der seinerzeitigen Disziplinarvorgesetzten auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens hingewiesen worden ist. Der frühere Soldat hat dies in der Berufungshauptverhandlung zwar nicht eindeutig eingeräumt; dies folgt jedoch aus der erstinstanzlich protokollierten Aussage der Zeugin E, die dort ausgesagt hat, sie könne sich schemenhaft daran erinnern, mit ihm darüber gesprochen zu haben, dass die ausgeübte Nebentätigkeit nicht zulässig sei. Deren Aussage ist auch glaubhaft, da sie durch die aktenkundige Niederschrift über die Vernehmung des Soldaten (vom 16. Dezember 2016) bestätigt wird.

22 c) Nicht erwiesen ist jedoch die Anschuldigung in Anschuldigungspunkt 2, ihm sei von der früheren Disziplinarvorgesetzten anlässlich der Vernehmung am 16. Dezember 2016 die weitere Ausübung der Nebentätigkeit ausdrücklich untersagt worden. Denn der frühere Soldat hat diesen Vorwurf nicht eingeräumt und die Zeugin E hat erstinstanzlich ausgesagt, sie könne sich an eine solche Anordnung nicht mehr erinnern. Daran ändert auch die E-Mail des Hauptmann I vom 5. April 2017 nichts, weil er nicht aus eigener Wahrnehmung von einer entsprechenden Anordnung berichtet hat.

23 d) Zur Überzeugung des Senats steht auch fest, dass der frühere Soldat - wie unter Anschuldigungspunkt 3 angeschuldigt - den Zeugen und seinerzeitigen Obergefreiten H veranlasste, eine Tippgebervereinbarung mit den Firmen B GmbH und C GmbH einzugehen, indem er dem Zeugen gegenüber entgegen eigenem Wissen versicherte, die Ausübung der Nebentätigkeit sei mit dem Soldatenberuf vereinbar. Dies hatte zur Folge, dass der Zeuge wegen der aufgenommenen Tätigkeit disziplinarischen Ermittlungsmaßnahmen ausgesetzt war.

24 Der frühere Soldat, der seinerzeit den Dienstgrad eines Oberfähnrichs bekleidete, hat sich in der Berufungshauptverhandlung zwar dahingehend eingelassen, er könne sich an ein solches Gespräch nicht erinnern, obgleich sein Verteidiger für ihn unter dem 14. Juli 2021 gegenüber dem Truppendienstgericht erklärt hatte, sein Mandant räume den Sachverhalt (uneingeschränkt) ein (vgl. auch Schriftsatz vom 14. Juni 2024). Zur Überzeugung des Gerichts steht das angeschuldigte Verhalten jedoch auf der Grundlage der Aussage des Zeugen H fest. Zwar hat er sich in der Berufungshauptverhandlung erst auf Vorhalt seiner in den außergerichtlichen Vernehmungsniederschriften (vom 27. April 2017 und 7. August 2019) protokollierten Aussagen daran erinnert, dies jedoch dann unzweifelhaft und ohne den Vorbehalt, seine frühere Aussage werde wohl stimmen. Ohne Zögern hat er erklärt, sich daran zu erinnern, dass der frühere Soldat bei dem Gespräch dabei gewesen sei und zu ihm gesagt habe, dass es dienstlich kein Problem sei, eine Nebentätigkeit als Tippgeber auszuüben. Damit hat der frühere Soldat den Zeugen zugleich (mit-)veranlasst, vertragliche Verbindungen zu den Firmen einzugehen.

25 Der Senat hat bei dem Zeugen auch kein Belastungsmotiv feststellen können. Allein aus dem Umstand, dass er sich unkameradschaftlich behandelt fühlte, folgt es nicht, weil dieser Eindruck bei objektiver Betrachtung auch berechtigt war. Gegen ein Belastungsmotiv spricht zudem, dass er sich erst auf Vorhalt seiner früheren Aussagen an die Äußerung des früheren Soldaten erinnerte, was dann ferngelegen hätte, wenn bei ihm von vornherein eine Belastungsabsicht bestanden hätte. Zudem hat er differenzierend ausgesagt, weil er erklärte, sich nicht mehr daran erinnern zu können, welchen Wortlaut die ihm vom früheren Soldaten gesendete WhatsApp gehabt habe.

26 Dass gegen den Zeugen wegen der Ausübung der Nebentätigkeit ein Disziplinarverfahren angestrengt wurde, steht sowohl auf der Grundlage der Aussage des Zeugen als auch nach Aktenlage fest.

27 Der frühere Soldat handelte aus den unter 1 a) dargelegten Gründen auch in dem Bewusstsein, dem Zeugen und Kameraden eine unrichtige Auskunft zu erteilen. Der Zeuge maß dem deshalb ein besonderes Gewicht bei, weil sie ihm von einem ranghöheren und erfahrenen Offizieranwärter erteilt wurde.

28 2. Der frühere Soldat hat mit seinem Verhalten ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen.

29 a) Mit seinem zu Anschuldigungspunkt 1 und 2 erwiesenen Verhalten hat er gegen die nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SG bestehende Pflicht verstoßen, eine Genehmigung einzuholen, wenn er eine entgeltliche Nebentätigkeit ausüben will. Dabei belegen Provisionen über - selbst bei Abzug der Rückzahlung von 41 000 € – gut 100 000 €, dass die Nebentätigkeit nicht in einem "geringen Umfang" im Sinne der §§ 14, 5 Abs. 1 Satz 1 BNV angefallen ist, da sie die Grenze von 100 € monatlich (§ 5 Abs. 1 Satz 2 BNV) überstieg.

30 Die Ausübung einer Nebentätigkeit ohne Einholung der erforderlichen Genehmigungen stellt einen Verstoß gegen die Grundpflicht des Soldaten zum treuen Dienen (§ 7 SG) dar (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2003 - 2 WD 50.02 - ‌NVwZ-RR 2004, 195 <195>). Eine Nebentätigkeit ist jedes Nebenamt und jede Nebenbeschäftigung innerhalb und außerhalb des öffentlichen Dienstes, die neben der Haupttätigkeit (Hauptverwendung) ausgeübt wird (§ 20 Abs. 7 SG i. V. m. § 97 Abs. 1 BBG). Dazu gehören alle gewerblichen und anderweitigen wirtschaftlichen Betätigungen (BVerwG, Urteil vom 28. April 2004 - 2 WD 20.03 - ZBR 2005, 132 <132>). Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Regelung, sondern auch aus ihrem Sinn und Zweck. Das Soldatenverhältnis als Dienstverhältnis wird charakterisiert durch die Dienstleistungspflicht des Soldaten. Aufgrund der Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) ist der Soldat gehalten, seine Arbeitskraft dem Dienstherrn in vollem Umfang zur Verfügung zu stellen. Sinn und Zweck des § 20 Abs. 1 SG liegen darin, in einem Genehmigungsverfahren vorab zu prüfen, ob die Inanspruchnahme durch die Nebentätigkeit nach ihrer Art und ihrem Umfang mit der ordnungsgemäßen Erfüllung der dienstlichen Pflichten des Soldaten im Einklang steht und ob eine Interessenkollision mit den dienstlichen Pflichten auszuschließen ist (BVerwG, Urteile vom 8. Mai 2014 ‌- 2 WD 10.13 - Rn. 45 und vom 23. Januar 2025 - 2 WD 3.24 - juris Rn. 29).

31 Der frühere Soldat hat zudem vorsätzlich die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im dienstlichen Bereich (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) verletzt, da sein Verhalten geeignet war, sowohl das Vertrauen seiner Vorgesetzten als auch die Achtung bei Untergebenen erheblich zu beeinträchtigen. Ein Vorgesetzter, der unter Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften eigennützig eine nicht genehmigte Nebentätigkeit ausübt, erschüttert seine persönliche und dienstliche Integrität (BVerwG, Urteile vom 8. Mai 2014 - 2 WD 10.13 - Rn. 48 und vom 23. Januar 2025 - 2 WD 3.24 - juris Rn. 30).

32 b) Mit seinem zu Anschuldigungspunkt 3 erwiesenen Verhalten hat er gegen die nach § 12 Satz 2 SG bestehende Kameradschaftspflicht verstoßen. Sie verpflichtet auch zur Rücksichtnahme auf Kameraden (§ 12 Satz 3 SG). Damit unvereinbar ist, einen Kameraden der Gefahr disziplinarer Verfolgung auszusetzen (BVerwG, Urteil vom 4. Mai 2006 - 2 WD 9.05 - Rn. 30), wobei sich diese Gefahr vorliegend auch realisiert hat. Dass der Zeuge H durch eigene Recherchen zur Frage zulässiger Nebentätigkeiten das gegen ihn eingeleitete Disziplinarverfahren hätte verhindern können, ändert nichts an der Unkameradschaftlichkeit des Verhaltens des früheren Soldaten. Denn er hat dienstrechtlich fehlerhafte Vorstellungen eines Kameraden in eigenem finanziellen Interesse gezielt befördert.

33 3. Bei Art und Höhe der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme sind nach § 60 Abs. 7 i. V. m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des früheren Soldaten zu berücksichtigen. Dabei legt der Senat ein zweistufiges Prüfungsschema zugrunde.

34 a) Auf der ersten Stufe bestimmt er zwecks Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle und im Interesse der Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die betreffende Fallgruppe als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen. Bei der ungenehmigten Ausübung einer Nebentätigkeit bewegt sich das Spektrum der Disziplinarmaßnahmen von einer Bezügekürzung bis zur Dienstgradherabsetzung (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Juni 2003 - 2 WD 50.02 - NVwZ-RR 2004, 195 <195> und vom 28. April 2004 - 2 WD 20.03 - ZBR 2005, 132 <132 f.> sowie Beschluss vom 18. August 2023 - 2 WDB 5.23 - juris Rn. 62), bei Soldaten im Ruhestand folglich von der Kürzung des Ruhegehalts bis zur Dienstgradherabsetzung (§ 60 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 WDO).

35 Eine Dienstgradherabsetzung bildet den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen jedenfalls dann, wenn die Nebentätigkeit ein außergewöhnliches Ausmaß erreicht, es namentlich nicht mehr genehmigungsfähig ist. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn sie sich von Art, Umfang, Dauer und Häufigkeit als Zweitberuf darstellt (§ 20 Abs. 2 Satz 3 SG), die zeitliche Beanspruchung in der Woche ein Fünftel der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit überschreitet (§ 20 Abs. 2 Satz 4 SG) oder der Gesamtbetrag der Vergütung 40 % des jährlichen Endgrundgehalts des Dienstgrads des Soldaten übersteigt (§ 20 Abs. 2 Satz 5 SG). Denn in jenen Fällen wird der Soldat in einem Maß in Anspruch genommen, dass die ordnungsgemäße Erfüllung der dienstlichen Pflichten behindert werden kann (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SG). Legt man auf der Grundlage der Besoldungsgruppe A 9 G, 2. Erfahrungsstufe, das Grundgehalt des früheren Soldaten aus dem Jahre 2016 von 2 666,62 € monatlich und somit von 31 999,44 € jährlich zugrunde, überschreiten schon allein seine Nebeneinkünfte aus dem Vertriebspartnervertrag mit 54 053,68 € die 40 %-Grenze (ca. 12 800 €) um ein Mehrfaches. Dass der frühere Soldat in einem ganz außerordentlichen Umfang eine ungenehmigte und nicht genehmigungsfähige Nebentätigkeit ausgeübt hat, folgt zudem aus seiner erstinstanzlichen Einlassung, er habe wohl um die einhundert Versicherungen geschlossen. Dass er in der Berufungshauptverhandlung erklärt hat, erst später habe die Nebentätigkeit einen Umfang von 120 000 km Fahrstrecke jährlich erreicht, ändert daran nichts. Ebenso wenig steht die Rückzahlung von gut 41 000 € der Annahme einer umfassenden Nebentätigkeit entgegen. Die Rückzahlungen richten sich lediglich danach, in welchem Umfang die Vertragsabschlüsse rechtlich Bestand haben, bewirken aber nicht, dass sich der Umfang der einmal ausgeübten Tätigkeit dadurch nachträglich wieder reduzierte.

36 b) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO Umstände vorliegen, die eine Milderung oder Verschärfung der auf der ersten Stufe angesetzten Regelmaßnahme gebieten. Liegt angesichts der be- und entlastenden Umstände ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlichen Bemessungskriterien zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet, dem Wehrdienstgericht hinsichtlich des Disziplinarmaßes einen Spielraum eröffnet. Dabei müssen die Milderungsgründe umso gewichtiger sein, je schwerer ein Dienstvergehen wiegt (BVerwG, Urteil vom 2. Februar 2023 - 2 WD 3.22 - juris Rn. 25). Allerdings rechtfertigt allein der Umstand, dass der frühere Soldat den Dienstgrad eines Leutnants (d.R.) und damit den niedrigsten Offizierdienstgrad seiner Laufbahn bekleidet, womit sich gemäß § 64 Abs. 1 Satz 2 WDO eine (weitere) Dienstgradherabsetzung verbietet, nicht den Übergang zur Höchstmaßnahme (BVerwG, Urteil vom 14. Juni 2018 - 2 WD 15.17 - juris Rn. 50). Dafür müssen vielmehr sonstige Umstände streiten, die beim früheren Soldaten mehrfach vorliegen. Seine Reue und Einsicht sowie sein Geständnis, dem schon wegen der eindeutigen Beweislage wenig Gewicht beigemessen werden kann (BVerwG, Urteil vom 16. Januar 2020 ‌- 2 WD 2.19 - NZWehrr 2020, 117 <122>), sowie die durchschnittlichen dienstlichen Leistungen sind nicht geeignet, sie zu kompensieren.

37 aa) Zu den erschwerenden Umständen zählt, dass der frühere Soldat über den 16. Dezember 2016 hinaus bis zu seinem Dienstzeitende seine ungenehmigte Nebentätigkeit fortgesetzt hat, obwohl er ab diesem Zeitpunkt wusste, dass gegen ihn wegen dieses Verhaltens disziplinare Ermittlungen aufgenommen worden waren. Er hat sich damit der Erfüllung dienstlicher Pflichten nachhaltig verweigert, seine Vorbildfunktion missachtet und sich als unbelehrbar erwiesen (BVerwG, Urteil vom 16. Januar 2020 - 2 WD 2.19 - NZWehrr 2020, 117 <122>). Dies lässt auf einen schweren Charaktermangel schließen (BVerwG, Urteil vom 21. November 2024 - 2 WD 10.24 - juris Rn. 43) und gebietet in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 38 Abs. 2 WDO bereits eine Verschärfung der Disziplinarmaßnahme (BVerwG, Urteil vom 28. September 2021 - 2 WD 11.21 - juris Rn. 44 m. w. N.).

38 bb) Hinzu tritt, dass er die Nebentätigkeiten nicht nur dauerhaft über zwei Jahre, sondern selbst in Zeiträumen der Dienstunfähigkeit ausgeübt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. August 2018 - 2 B 4.18 - NVwZ 2019, 229 Rn. 20). Denn trotz mehrfacher Krankschreibungen ab 22. Februar 2016 schloss er am 4. März 2016 die Prüfung als Versicherungsmakler ab und obwohl er am 15. Juni 2016 dauerhaft nicht dienstfähig geschrieben worden war, sah er sich gleichwohl in der Lage, bis zum 30. Juni 2017 eine Nebentätigkeit auszuüben, die damit faktisch zu seinem Hauptberuf wurde. Dieser Umstand wirkt in zweifacher Hinsicht erschwerend. Ein Soldat muss gemäß § 17a Abs. 1 SG alles in seinen Kräften Stehende tun, um eine rasche Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit herbeizuführen (zum Beamtenrecht: BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 2 A 2.12 - BVerwGE 147, 127 Rn. 17). Dazu gehört, dass er seine Kräfte schont und sie nicht vorzeitig, insbesondere zu Erwerbszwecken, einsetzt. Fühlt er sich indes imstande, Dienstleistungen - auch nur in beschränktem - Umfang zu erbringen, handelt er pflichtwidrig, wenn er sie nicht seinem Dienstherrn anbietet, der ihm das Gehalt weiterzahlt und ihm aus Anlass der Krankheit Vorteile gewährt (BVerwG, Urteil vom 9. November 2023 - 2 WD 1.23 - BVerwGE 181, 33 Rn. 36). Seine Wiedergenesung anzustreben hätte der frühere Soldat umso mehr bemüht gewesen sein müssen, als er akademische Leistungen zuletzt im Juni 2015 erbracht hatte und bei der Fortsetzung des Studiums auch keine besondere körperliche Belastung zu befürchten stand.

39 cc) Mildernde Umstände von Gewicht liegen nicht vor.

40 Soweit es die Behauptung des früheren Soldaten betrifft, wegen der Schwangerschaft seiner Freundin und wegen der nahenden Entlassung aus der Bundeswehr die Tätigkeiten ausgeübt zu haben, um die hohen Lebenshaltungskosten in A bestreiten zu können, handelt es sich um eine Schutzbehauptung. Denn dass beide Umstände für die Aufnahme der Nebentätigkeiten ursprünglich nicht kausal waren, folgt zum einen daraus, dass er sie laut Gewerbeanmeldung schon am 1. April 2015 aufnahm, obwohl er nach eigener Einlassung von der Schwangerschaft der Freundin erst im Sommer/​Herbst 2015 erfahren hat; zum anderen wurde das Dienstunfähigkeitsverfahren im Juli 2016 und somit ebenfalls erst nach Aufnahme der Nebentätigkeit eingeleitet. Dies folgt nicht nur aus den erstinstanzlichen Einlassungen sowie den Einlassungen des früheren Soldaten in der Berufshauptverhandlung, sondern auch aus den in die Berufungshauptverhandlung eingeführten Erklärungen der Firmen, für die er die Nebentätigkeit ausgeübt hat.

41 Angesichts dieses zeitlichen Ablaufs wirkt auch nicht erheblich mildernd, dass sich der frühere Soldat durch die sich ab Sommer/​Herbst 2015 anbahnende Verantwortung als zukünftiger Vater und die sich seit Juli 2016 abzeichnende Entlassung in einer psychischen Belastungssituation sah, die schon zuvor eingesetzt und zu einer psychotherapeutischen Behandlung geführt hatte. Denn dies kann nur insoweit Bedeutung erlangen, als ihm dadurch der Entschluss erschwert wurde, die seit 2015 noch ohne vermeintlich wirtschaftliche Zwänge aufgenommene Nebentätigkeit wieder einzustellen. Dem ist jedoch nur deshalb ein geringes Gewicht beizumessen, weil er sie trotz der Belehrung im Dezember 2016 über die Rechtswidrigkeit seines Tuns fortsetzte. Dabei entlastet ihn auch seine Einlassung nicht, die Lebenshaltungskosten in A, das Wissen um zukünftig reduzierte Einkünfte und Verpflichtungen gegenüber einem Kind und der Kindesmutter hätten ihm insoweit "keine Wahl" gelassen. Denn er schloss damit aus, seinen Lebensstandard den Einkommensverhältnissen anzupassen wie sich dies jedem Erwachsenen mit dem Ausbildungsniveau des früheren Soldaten bei wirtschaftlichem Verhalten aufdrängt. Von einer wirtschaftlichen Notsituation, die unverschuldet gewesen wäre, kann somit nicht ausgegangen werden. Dies gilt umso mehr, als kein zeitlich begrenztes Fehlverhalten vorliegt (BVerwG, Urteil vom 21. November 2024 - 2 WD 10.24 - juris Rn. 60).

42 dd) Ist das Vertrauen in einen (früheren) Soldaten zerstört und deswegen die Höchstmaßnahme zu verhängen, kann eine - etwaige - überlange Verfahrensdauer ebenso wenig maßnahmemildernde Wirkungen entfalten (BVerwG, Urteil vom 2. Februar 2023 - 2 WD 3.22 - juris Rn. 40 m. w. N.).

43 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1 Satz 2 WDO. Es liegen keine Gründe vor, die es im Sinne des § 143 Abs. 1 Satz 3, § 144 Abs. 2 Satz 1 WDO unbillig erscheinen ließen, den früheren Soldaten mit den Kosten des Rechtsmittelverfahrens und den ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen zu belasten.