Urteil vom 08.05.2014 -
BVerwG 2 WD 10.13ECLI:DE:BVerwG:2014:080514U2WD10.13.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 08.05.2014 - 2 WD 10.13 - [ECLI:DE:BVerwG:2014:080514U2WD10.13.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 10.13

  • TDG Süd 4. Kammer - 13.12.2012 - AZ: TDG S 4 VL 23/12

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 8. Mai 2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
ehrenamtlicher Richter Oberstleutnant Kallweit und
ehrenamtlicher Richter Hauptfeldwebel Mittler,
Leitender Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ...,
als Verteidiger,
Hauptsekretärin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung des Soldaten wird das Urteil der 4. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 13. Dezember 2012 in Punkt 1 aufgehoben.
  2. Gegen den Soldaten wird wegen eines Dienstvergehens ein Beförderungsverbot für die Dauer von zwei Jahren verbunden mit einer Kürzung der Dienstbezüge um ein Fünftel für die Dauer von einem Jahr verhängt.
  3. Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 Der 30 Jahre alte Soldat leistete nach dem qualifizierenden Hauptschulabschluss und einer Ausbildung zum Verkäufer Grundwehrdienst und freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst. Mit Wirkung vom 4. November 2004 wurde er in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine bis auf 12 Jahre verlängerte Dienstzeit wird Ende November 2014 enden. Er wurde zuletzt mit Wirkung vom 1. Dezember 2007 zum Oberfeldwebel befördert.

2 Nach dem Bestehen des Feldwebellehrganges wurde er im Juli 2006 zur ... in I. versetzt, wo er als MVG Feldwebel und Truppführer eingesetzt wurde. Von dort aus erfolgten mehrere Kommandierungen, zuletzt bis zum 31. Dezember 2012 zur ... in I. Dem schloss sich vom Januar 2013 bis zum Ende der Dienstzeit eine Kommandierung an die ... in H. an. Der Soldat beabsichtigt, den Realschulabschluss und das Fachabitur nachzuholen, eine Ausbildung zum Diplomfinanzwirt zu beginnen und eine Tätigkeit in der Finanzverwaltung aufzunehmen.

3 Die planmäßige Beurteilung vom 22. September 2011 bewertete die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten durchgängig mit „5,00“. Im Persönlichkeitsprofil wurde die funktionale Kompetenz als „ausgeprägt“ und „bestimmendes Merkmal“ gewertet. Gleichfalls „ausgeprägt“ sei die geistige Kompetenz, während die soziale Kompetenz und die Kompetenz in Menschenführung „weniger ausgeprägt“ seien. Zusammenfassend wurde der Soldat als ruhig und gut ausgebildet beschrieben. Übertragene Aufgaben erledige er zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten. Aufträge in komplexen Zusammenhängen brächten ihn jedoch in einigen Fällen aus der Ruhe und veranlassten ihn zu teilweise unüberlegtem und unzweckmäßigem Handeln. Gegenüber Untergebenen überzeuge er nicht durch eine gefestigte Führungskultur. In den Kameradenkreis müsse er sich besser integrieren. Sein Leistungspotential sei erschöpft; er habe sein individuelles Laufbahnziel erreicht. Für Führungsverwendungen und für Stabsverwendungen sei er „geeignet“, für Lehrverwendungen und für Verwendungen mit besonderer Außenwirkung aber „nicht geeignet“. Der Bataillonskommandeur charakterisierte den Soldaten ebenfalls als ruhig und zurückhaltend und hob seine Gewissenhaftigkeit und seinen Sachverstand hervor. Er wies aber auch daraufhin, dass er in Belastungssituationen mehr Ruhe und Gelassenheit zeigen müsse. Der Soldat habe sein Laufbahnziel erreicht.

4 Die Sonderbeurteilung vom 27. Mai 2013 bewertete die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten im Schnitt mit „5,20“. Im Persönlichkeitsprofil wurde die funktionale Kompetenz als „stärker ausgeprägt“ und „bestimmendes Merkmal“ gesehen, während die geistige Kompetenz und die Kompetenz in Menschenführung „ausgeprägt“ sowie die soziale Kompetenz „weniger ausgeprägt“ seien. Die in der letzten Beurteilung dargestellten Defizite seien abgebaut worden. Der Soldat habe in der Verwendung als Transportgruppenführer die Leistungserwartungen ständig deutlich übertroffen, fachlich versiert agiert und sich vorbildlich und stets motiviert gezeigt. Als Ausbilder in der Allgemeinen Grundausbildung habe er die Leistungserwartungen erfüllt. Im Kameradenkreis sei er angekommen.

5 Der als Leumundszeuge vernommene Major W. hat in der Berufungshauptverhandlung ausgesagt, er sei von Oktober 2009 bis November 2012 Disziplinarvorgesetzter des Soldaten gewesen. Dieser habe ihn im Frühjahr 2010 auf familiäre Probleme infolge der Erkrankung seiner Eltern hingewiesen. Deshalb habe man für den Soldaten eine Heimat nähere Verwendung in W. gefunden. Kurz nach seiner Kommandierung dorthin sei ihm die Eingabe des Soldaten an den Wehrbeauftragten zur Stellungnahme zugeleitet worden. Diese habe sehr umfangreiche Ermittlungen notwendig gemacht und ihn etwa ein Vierteljahr beschäftigt. Zu ihm sei der Soldat mit seinen Beschwerden zuvor nicht gekommen. Man hätte in diesem Fall die Probleme schneller lösen können. So sei es eine Menge Arbeit gewesen. Groll gegen den Soldaten hege er wegen der Eingabe aber nicht. Erst im Rahmen der Ermittlungen zu der Eingabe sei das Fehlverhalten des Soldaten bekannt geworden. Zuvor sei ihm der Soldat weder positiv noch negativ aufgefallen. Dieser erfülle seine Aufgaben, leiste aber auch nicht mehr. In seiner Vergleichsgruppe stehe der Soldat im unteren Drittel. Sein Zeitmanagement sei nicht immer optimal. Bei Nachfragen fühle sich der Soldat schnell persönlich angegriffen. Er mache aber keinen Fehler zweimal.

6 Nach den in der Berufungshauptverhandlung verlesenen Angaben des Zeugen Major K., zu dem der Soldat seit Mitte März 2012 kommandiert gewesen war, war dieser für den Zeugen ein wichtiger Ansprechpartner und habe so gute Leistungen erbracht, dass die Kompanie in der Überprüfung der Munitionsbewirtschaftung das beste Ergebnis der Brigade erzielt habe. Gegenstand der Berufungshauptverhandlung waren auch die Angaben des Zeugen Hauptfeldwebel Jürgen S. zu den Leistungen des Soldaten nach der Kommandierung im März 2012. Hiernach hat der Soldat den Munitionsbereich ohne Probleme selbstständig geführt und seinen Bereich „auf Vordermann gebracht“. Er habe seine Aufgabe hervorragend erledigt.

7 Der Soldat ist Träger des Abzeichens für Leistungen im Truppendienst in Gold.

8 Der Auszug aus dem Disziplinarbuch vom 5. März 2014 verweist auf eine förmliche Anerkennung wegen vorbildlicher Pflichterfüllung aus dem Jahr 2008. Die Auskunft aus dem Zentralregister vom 10. Februar 2014 enthält keinen Eintrag.

9 Der Soldat ist ledig und kinderlos. Nach der Auskunft des Bundesverwaltungsamtes, Außenstelle S., vom 13. Februar 2014 erhält er Bezüge in Höhe von 2 428,30 € brutto. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Abzüge werden ihm tatsächlich 2 038,22 € ausgezahlt. Auch in der Berufungshauptverhandlung hat er seine wirtschaftlichen Verhältnisse als geordnet beschrieben, er sei schuldenfrei.

II

10 1. Das Verfahren ist nach Anhörung des Soldaten mit Verfügung des Befehlshabers Heeresführungskommando vom 1. Februar 2012 eingeleitet worden. Der Anhörung der Vertrauensperson hatte der Soldat zuvor widersprochen.

11 Nach Gewährung des Schlussgehörs hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft dem Soldaten mit Anschuldigungsschrift vom 11. Juni 2012 folgenden Sachverhalt als vorsätzliches, zumindest aber fahrlässiges Dienstvergehen zur Last gelegt:
„1. Der Soldat hat an nicht mehr genau bestimmbaren Tagen im Februar und März 2010 während der Dienstzeit in den Diensträumen des ... der ... im Gebäude I 1 in der ...-Kaserne in I. unter Verwendung seines dienstlichen Rechners, Druckers und Kopierers für mehrere Kameraden, mindestens aber für den Oberstabsgefreiten L. und den Oberfeldwebel P., gegen ein Entgelt von 50,- Euro deren Lohnsteuererklärungen 2009 erstellt und ausgedruckt, wobei dem Soldaten weder eine Genehmigung für eine Nebentätigkeit noch eine Genehmigung für eine nichtdienstliche Verwendung des Büromaterials vorlag.
2. Der Soldat hat entweder am Nachmittag des 8. Juli 2010 oder am Vormittag des 9. Juli 2010 an einem nicht mehr bestimmbaren Ort in der ...-Kaserne seinem Teileinheitsführer Hauptfeldwebel S. entgegen dem ihm von diesem am 8. Juli 2010 erteilten Befehl, ‚die Ordnung und Sauberkeit in St. persönlich zu prüfen und sicherzustellen‘, gemeldet, die Ordnung und Sauberkeit in dem Munitionslagerhaus ... auf dem Truppenübungsplatz St. sei ordnungsgemäß hergestellt worden, obwohl der Soldat bei seiner kurzen Besichtigungsreise des gleichen Tages nur feststellen konnte, dass die Reinigungsarbeiten noch andauerten. Zum Zeitpunkt seiner Meldung verblieb damit unklar, ob und wie die Reinigungsarbeiten tatsächlich ausgeführt worden waren. Bei der Überprüfung am 12. Juli 2012 fanden sich im Eingangsbereich und Innenraum Laubblätter und Schmutz.
3. Der Soldat hat an einem nicht genau bestimmbaren Tag zwischen dem 1. Juni 2010 und dem 15. Juli 2010 an dem Raucherstand vor dem Gebäude I 1 in der ...-Kaserne in I. gegenüber der Stabsunteroffizier Z. über den S4 Stabsoffizier Major L. in dessen Abwesenheit sinngemäß geäußert, dass der ‚S4 ihn mal könne, ein Arschloch sei und er (der Soldat) doch nicht sein Bimbo wäre‘.
4. Der Soldat hat an einem nicht mehr genau bestimmbaren Tag zwischen dem 1. Juni und dem 15. Juli 2010, wahrscheinlich aber dem 7. Juli 2010, vor den Munitionsbehältern in der ...-Kaserne in I. gegenüber der Feldwebel L. nach Übermittlung des obigen Befehl wörtlich oder zumindest sinngemäß mit der folgenden Äußerung reagiert: ‚Der kann mich mal am Arsch lecken, ich komm, wann ich will!‘.
5. Der Soldat hat an einem nicht mehr fest bestimmbaren Tag zwischen dem 1. Juni und 15. Juli 2010, wahrscheinlich aber dem 7. Juli 2010, vor den Munitionsbehältern in der ...-Kaserne in I., den ihm durch die Feldwebel L. übermittelten Befehl des Major L., sich unverzüglich in dessen Dienstzimmer zu melden, nicht sofort ausgeführt, sondern ist zunächst bei den Munitionsbehältern geblieben und hat sich erst auf direkte persönlich erneute Aufforderung seitens des Major L. bei diesem gemeldet.“

12 2. Die 4. Kammer des Truppendienstgerichts Süd hat mit Urteil vom 13. Dezember 2012 den Soldaten wegen eines Dienstvergehens in den Dienstgrad eines Feldwebels herabgesetzt.

13 Die Vorwürfe nach dem Anschuldigungspunkt 2 hat die Kammer nach § 107 Abs. 2 WDO ausgeklammert. Im Übrigen hat sie festgestellt: Der Soldat habe in einem Aushang die Unterstützung von Kameraden bei der Erstellung von Lohnsteuererklärungen gegen 50 € angeboten. Er habe zwischen Februar und Mai 2010 für die Zeugen L. und Pe. entgeltlich in der Dienstzeit Lohnsteuererklärungen erstellt und darüber hinaus zweimal wöchentlich mehrere Stunden lang in seinem Dienstzimmer unter Nutzung des dienstliche Rechners, Druckers und Kopierers Steuererklärungen für Kameraden erstellt, ohne eine Nebentätigkeitsgenehmigung zu besitzen. Sein Bestreiten sei durch die Aussagen der Zeugen Pl., Pe. und Michael S. widerlegt.
Zwischen dem 1. Juni und dem 15. Juli 2010 habe der Soldat am Raucherstand vor dem Gebäude I 1 der ...-Kaserne in I. nach einem Streit mit dem S4-Stabsoffizier der Zeugin Z. gegenüber geäußert, dass der „S4 ihn mal könne, ein Arschloch sei und er (der Soldat) nicht sein Bimbo sei“. Dies ergebe sich aus der glaubhaften Aussage der Zeugin Z.. Am 7. Juli 2010 habe die Zeugin L. dem Soldaten den Befehl des Zeugen L. überbracht, sich in das Dienstzimmer des Zeugen L. zu begeben. Der Soldat habe aber erklärt, keine Zeit zu haben, was die Zeugin L. dem Zeugen L. fernmündlich übermittelt habe. Daraufhin habe die Zeugin dem Soldaten den Befehl des Zeugen L. übermittelt, sofort zu erscheinen, woraufhin der Soldat erklärt habe, dass der Zeuge L. „ihn (den Soldaten) mal am Arsch lecken könne“ und „er (der Soldat) komme, wann er wolle“. Nachdem die Zeugin dem Zeugen L. übermittelt hatte, der Soldat werde nicht erscheinen, habe der Zeuge L. den Soldaten persönlich zu sich befohlen. Diesem Befehl habe der Soldat dann Folge geleistet. Die Zeugin L. habe den Vorfall glaubhaft geschildert. Den Soldaten entlaste auch nicht seine Einlassung, er habe die Munitionskisten nicht allein lassen können. Er habe der Zeugin L. nicht aufgetragen, dem Zeugen L. auszurichten, weswegen er nicht habe kommen können. Daher sei die Kammer überzeugt, dass der Soldat nicht allein bei den Munitionskisten gewesen sei. Dies werde auch durch Bekundungen des Zeugen L. gestützt.

14 Der Soldat habe vorsätzlich ein Dienstvergehen unter den erschwerenden Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SG begangen. Durch das Fehlverhalten nach den Anschuldigungspunkten 1, 4 und 5 habe er die Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG), durch das Fehlverhalten nach den Anschuldigungspunkten 3, 4 und 5 die Zurückhaltungspflicht bei Äußerungen nach § 10 Abs.  6 SG, durch das Fehlverhalten nach den Punkten 4 und 5 die Gehorsamspflicht des § 11 Abs. 1 SG, durch das Fehlverhalten nach den Anschuldigungspunkten 3, 4 und 5 die Kameradschaftspflicht des § 12 Satz 2 SG, durch das Verhalten nach den Anschuldigungspunkten 3, 4 und 5 die Pflicht aus § 17 Abs. 1 SG und durch das Verhalten nach den Anschuldigungspunkten 1, 3, 4 und 5 die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verletzt. Das Fehlverhalten nach dem Anschuldigungspunkt 1 verletze zudem § 20 Abs. 1 SG.

15 Das Dienstvergehen wiege sehr schwer. Es werde durch das Fehlverhalten nach Anschuldigungspunkt 1 geprägt. Durch die Wahrnehmung einer nichtgenehmigten Nebentätigkeit während der Dienstzeit habe der Soldat die Kernpflicht zum treuen Dienen schwerwiegend verletzt und Material der Bundeswehr privatnützig verwendet. Diese Selbstbedienungsmentalität sei dem Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit höchst abträglich. Die Verletzung des § 20 SG komme erschwerend hinzu. Erschwerend sei auch zu berücksichtigen, dass der Soldat durch die Äußerungen nach den Anschuldigungspunkten 3 bis 5 in Anwesenheit von Untergebenen seine Eignung als Vorgesetzter in Frage gestellt habe. Die Dienstpflicht aus § 10 Abs. 6 SG sei keine Nebenpflicht und habe funktionellen Bezug zur Erfüllung des Auftrages der Streitkräfte. Weiter erschwerend wirke der Ungehorsam. Die Gehorsamspflicht sei eine zentrale Pflicht. Milderungsgründe in der Tat seien nicht ersichtlich. Zugunsten des Soldaten seien seine ordentlichen Leistungen und eine Nachbewährung zu berücksichtigen. Für ihn sprächen die Förmliche Anerkennung und die Reue wegen der Anschuldigungspunkte 3, 4 und 5. Dass er zu Anschuldigungspunkt 1 weder Einsicht noch Reue gezeigt habe, wirke zu seinen Lasten. Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen sei die Dienstgradherabsetzung. Den Soldaten belaste die Ausübung der ungenehmigten, entgeltlichen Nebentätigkeit während der Dienstzeit in den Diensträumen. Besonders verwerflich sei die Werbung hierfür durch einen Aushang. Ein Versagen der Kontrolle durch Vorgesetzte müsse aber auch berücksichtigt werden. Insgesamt sei eine Herabsetzung um einen Dienstgrad noch ausreichend, aber auch geboten.

16 3. Gegen das ihm am 22. Januar 2013 zugestellte Urteil hat der Soldat am 11. Februar 2012 in vollem Umfang Berufung eingelegt. In der Berufungshauptverhandlung hat er die Verhängung einer milderen Maßnahme beantragt.

17 Die Einlassungen des Soldaten zum Anschuldigungspunkt 1 referiere das Urteil missverständlich. Richtig sei nur: Der Zeuge Le. habe den Soldaten um Hilfe bei der Lohnsteuererklärung gebeten, was er zugesagt habe. Die Lohnsteuererklärung für den Zeugen habe er nicht im Dienst, sondern zuhause auf seinem privaten Rechner erstellt und auf einem Datenträger mit in den Dienst gebracht. Er habe sie auf einem lizenzierten Programm erstellt, das nachweislich auf dem dienstlichen Rechner nicht installiert sei und dort auch nicht installiert werden könne. Auf Bitte des Zeugen habe er sie in der Mittagspause ausgedruckt. Als Dank habe der Zeuge dem Soldaten 15 € für die Kaffeekasse des Transportzuges übergeben. Etwas anderes hätten die Zeugen beim Truppendienstgericht nicht bestätigt. Auch die Steuererklärung für den Zeugen Pe. habe er bei sich zuhause und ohne Verwendung dienstlichen Materials erstellt. Auch der Zeuge Pe. habe 15 € in die Kaffeekasse gezahlt. Aus den Aussagen der Zeugen Pe. und Pl. sei nicht auf die Erstellung der Erklärungen im Dienst zu schließen. Der Zeuge Pl. habe ein vom Soldaten daheim umgearbeitetes Formular über die steuerliche Anerkennung von Wäschekosten für Soldaten irrig für eine Steuererklärung gehalten. Die Erstellung weiterer Steuererklärungen sei nicht hinreichend konkret angeschuldigt. Im Übrigen seien Zeugenaussagen insbesondere hinsichtlich des angeblichen Aushanges unklar und widersprüchlich. Die Anschuldigungspunkte 3, 4 und 5 seien auch nicht erwiesen. Die Zeugen seien unglaubwürdig und zeigten Belastungseifer. Die Degradierung treffe den Soldaten wegen des Verlustes des Eingliederungs- und Zulassungsscheines unverhältnismäßig hart.

III

18 Die gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WDO form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Mit dem in der Berufungshauptverhandlung gestellten Antrag ist sie auch begründet.

19 Das Rechtsmittel ist in vollem Umfang eingelegt worden. Der Senat hat daher im Rahmen der Anschuldigung eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, diese rechtlich zu würdigen und unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbotes (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 331 StPO) über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.

20 1. Den Sachverhalt, der Gegenstand der Urteilsfindung ist, bestimmt die Anschuldigungsschrift vom 11. Juni 2012 auch hinsichtlich des Schuldvorwurfes mit der im Interesse einer effektiven Verteidigung gegen den Vorwurf gebotenen Klarheit (vgl. zu den Anforderungen: Beschluss vom 11. Februar 2009 - BVerwG 2 WD 4.08 - BVerwGE 133, 130 <131 ff.> = Buchholz 450.2 § 99 WDO 2002 Nr. 2 Rn. 12 = NZWehrr 2009, 16).

21 Zu Anschuldigungspunkt 1 ist der Vorwurf allerdings nach dem Anschuldigungssatz auf das Handeln in den dienstlichen Räumen, während der Dienstzeit und unter Nutzung dienstlichen Materials beschränkt. Zwar führt die Anschuldigungsschrift im Ermittlungsergebnis aus, es habe nicht näher ermittelt werden können, ob der Soldat die Steuererklärungen außerdienstlich erstellt habe. Die außerdienstliche Wahrnehmung einer nicht genehmigten, aber genehmigungspflichtigen Nebentätigkeit wäre ebenfalls pflichtwidrig. Jedoch ist im Anschuldigungssatz ausschließlich ein innerdienstliches Handeln umschrieben, sodass der Soldat nicht mit der zur Gewährleistung einer effektiven Verteidigung erforderlichen Sicherheit erkennen konnte, dass ihm auch das Handeln während seiner Freizeit und außerhalb dienstlicher Anlagen vorgeworfen werden sollte.

22 Mit dem „Erstellen“ von Steuererklärungen sind dem Soldaten alle Handlungen vorgeworfen, die der Abfassung einer vollständigen Erklärung dienen. Hierzu gehört nicht nur das Ausfüllen des Vordruckes der Erklärung selbst; vielmehr sind auch solche Arbeiten erfasst, die der Vorbereitung des Ausfüllens des Formulars dienen, sowie die Zusammenstellung und Erarbeitung der als Belege notwendigen Anlagen. Dies ergibt sich aus dem Wortsinn des Begriffes „erstellen“, der nach dem üblichen Sprachgebrauch alle Tätigkeiten einschließt, die die Verfertigung des unterschriftsreifen Endproduktes voraussetzt. Der Anschuldigungspunkt 1 ist auch insoweit hinreichend bestimmt, als dem Soldaten die Erstellung von Lohnsteuererklärungen für weitere nicht namentlich benannte Kameraden vorgeworfen wird, weil die vorgeworfenen Handlungen örtlich und zeitlich eingegrenzt und die in Rede stehenden Nutzer der Dienstleistung dadurch konkretisiert sind, dass es sich um Kameraden aus dem dienstlichen Umfeld des Soldaten handelt.

23 2. Zur Überzeugung des Senats steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der Berufungshauptverhandlung folgender Sachverhalt fest:

24 a) Zum Anschuldigungspunkt 1:

25 Der Soldat hat zwischen Februar und März 2010 entsprechend seiner eigenen Einlassung und der Bekundung des Zeugen Le. die Lohnsteuererklärung für das Jahr 2009 für diesen Zeugen erstellt.

26 Während seiner Dienstzeit hat er jedenfalls die ihm von dem Zeugen übergebenen Unterlagen durchgesehen, auf Vollständigkeit überprüft, sich hieraus ergebende Fragen in Rücksprache mit dem Zeugen Le. geklärt und Anlagen zur Erklärung gefertigt. Außerdem hat er die fertige Erklärung als Worddokument auf dem dienstlichen Rechner geöffnet, auf Bitte des Zeugen Le. eine Änderung vorgenommen und die Erklärung dann auf dem dienstlichen Drucker ausgedruckt. Der zeitliche Umfang dieser Arbeiten war nicht mehr zu klären, sodass nach dem Zweifelsgrundsatz davon auszugehen ist, dass er nur gering gewesen ist.

27 Zwar hat der Soldat sich auch in der Berufungshauptverhandlung dahingehend eingelassen, dass er die Unterlagen vom Zeugen Le. morgens vor dem Dienstantritt nur kurz entgegengenommen und die Erklärung in seiner Freizeit mit einem nur für seine privaten Rechner lizenzierten Programm daheim gefertigt habe.
Der Senat glaubt dem Soldaten, dass er die Arbeit an dem von ihm genutzten Steuerprogramm tatsächlich außerhalb der Dienstzeit und dienstlicher Anlagen ausgeführt hat. Denn seine Angaben zu den technischen Voraussetzungen des Einsatzes des fraglichen Computerprogramms sind plausibel und es ist nachvollziehbar, dass die eigentlichen Kernarbeiten an der Steuererklärung in der Ungestörtheit des häuslichen Arbeitsplatzes effizienter ausgeführt werden können als im Dienstzimmer, wo der Dienstbetrieb die Arbeiten unterbricht; auch hat kein Zeuge gesehen, dass der Soldat am Dienstrechner amtliche Steuererklärungsformulare ausgefüllt hat. Das schließt es allerdings nicht aus, dass der Soldat während des Dienstes die Eingaben in das Programm vorbereitet, ein Konzept erstellt und Anlagen in der Form von Worddokumenten, für deren Erstellung das lizenzierte Programm nicht zwingend erforderlich ist, erarbeitet hat. Dass er diese Arbeiten im Dienst vorgenommen hat, steht zur Überzeugung des Senates auf der Grundlage der Aussagen der Zeugen Le. und Pl. fest. Der Zeuge Le. hat auf Vorhalt seiner vorangegangenen Erklärung bestätigt, dass der Soldat über einige Tage hinweg mehrfach von seinem Dienstzimmer in das Dienstzimmer des Zeugen gekommen sei und diesem Fragen zu der zu erstellenden Steuererklärung gestellt habe. Dies hat der Zeuge in allen seinen Vernehmungen übereinstimmend geschildert. Er hat keinen Belastungseifer gezeigt und auch deutlich gemacht, wo er infolge des Zeitablaufes Erinnerungslücken hat. Er konnte auf Nachfrage auch spontan erläutern, zu welchen Themen - Mieten und Versicherungen - der Soldat sich mit Nachfragen an ihn wandte. Der Senat hat daher keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit seiner Angaben. Diese werden zudem gestützt durch die Angaben des Zeugen Pl., der zumindest zeitweise im selben Dienstzimmer wie der Soldat gearbeitet hat. Dieser Zeuge hat in der Berufungshauptverhandlung berichtet, er habe mehrfach bemerkt, dass der Soldat Schriftstücke mit steuerlichen Inhalten ausgedruckt zu seinem Schreibtisch gebracht habe. Dies habe ihn interessiert, weil er selbst seine Steuererklärung erstellt und gehofft habe, hierfür nützliche Informationen zu bekommen, weshalb er ein Gespräch mit dem Soldaten hierüber begonnen habe. Trotz der durch den Zeitablauf erklärbaren Erinnerungslücken des Zeugen vor allem hinsichtlich der Häufigkeit und des zeitlichen Rahmens seiner Beobachtungen glaubt der Senat auch diesem Zeugen. Denn auch er hat keinen Belastungseifer gezeigt, Erinnerungslücken offen gelegt und nachvollziehbar erläutert, warum er dem Geschehen überhaupt Aufmerksamkeit geschenkt hat.

28 Der Soldat hat vom Zeugen Le. für die Erstellung der Lohnsteuererklärung 15 € für die Kaffeekasse gefordert und erhalten.
Dies entspricht seiner eigenen Einlassung. Der Zeuge Le. hat keine widersprechenden Angaben machen, sich an die Zahlung vielmehr gar nicht mehr erinnern können, was jedenfalls dafür spricht, dass ein vergleichsweise geringer Betrag in Rede stand. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Soldat in einem Aushang am schwarzen Brett in dem u.a. auch von ihm genutzten Dienstzimmer seine Hilfe bei der Erstellung von Lohnsteuererklärungen für Kameraden gegen ein Entgelt von 50 € angeboten hat.
Von einem Aushang entsprechenden Inhalts ist der Senat trotz der Behauptung des Soldaten, erst nach der Erstellung der Lohnsteuererklärung für den Zeugen Pe. einen Aushang ans Schwarze Brett gehängt und in diesem auch nur die Ausleihe eines Buches über Steuerfragen und Erläuterungen dazu angeboten zu haben, überzeugt. Denn die Zeugen Michael S. und Pl. haben in der Berufungshauptverhandlung unabhängig voneinander und übereinstimmend bekundet, in dem Aushang sei gegen Zahlung von 50 € die Erstellung von Steuererklärungen und nicht bloß die Ausleihe eines Buches angeboten worden. Dies entspricht ihren Einlassungen in den vorangegangenen Vernehmungen. Mit der Einlassung der Zeugen zum Preis der angebotenen Leistung korrespondiert auch die glaubhafte Aussage des Zeugen Pe., selbst 50 € für die Erstellung einer Lohnsteuererklärung an den Soldaten gezahlt zu haben. Gerade der Umstand, dass der Zeuge, der den Aushang nach eigenen Angaben nicht kannte, 50 € gezahlt hatte, deutet darauf hin, dass dies der Preis für die Dienstleistung war, mit dem der Soldat diese auch angeboten hatte. Diese Übereinstimmung lässt die Angaben der Zeugen Michael S. und Pl. zu ihrer Erinnerung zuverlässig erscheinen. Daher ist der Senat überzeugt, dass die - zudem in der konkreten Form erstmals in der Berufungshauptverhandlung getätigte - Einlassung des Soldaten, er habe lediglich Erläuterungen zu einem Buch steuerrechtlicher Thematik angeboten, eine Schutzbehauptung ist.
Allerdings hat kein Zeuge sichere Angaben dazu machen können, wann er den Aushang erstmals gesehen hatte. Dem Soldaten ist daher nicht zu widerlegen, dass er erst nach Fertigung der Erklärung für den Zeugen Le. den Aushang erstellt hatte. Es erscheint nach der Lebenserfahrung naheliegend, dass der Soldat durch die mit nur geringem Entgelt zugunsten Dritter honorierte Hilfeleistung für den Zeugen Le. auf die Idee gekommen ist, seine Fähigkeiten gewinnbringend für sich einzusetzen und ein entsprechendes Angebot zu unterbreiten. Vor diesem Hintergrund kann - jedenfalls nicht mit hinreichender Überzeugungsgewissheit - aus dem Aushang der Schluss gezogen werden, dass der Preis der Leistung auch zuvor bereits 50 € betragen hatte.

29 Nach der Einlassung des Soldaten und den Bekundungen des Zeugen Pe. steht weiter fest, dass der Soldat auch für den Zeugen Pe. eine Erklärung erstellt hat. Der Senat ist nach der glaubhaften Aussage des Zeugen Pe., der sich in allen Vernehmungen hierzu übereinstimmend geäußert hat, überzeugt, dass der Soldat hierfür 50 € erhalten hat.
Allerdings ist dem Soldaten nicht zu widerlegen, dass er diese Erklärung allein an seinem häuslichen Arbeitsplatz in seiner Freizeit erstellt hat. Der Zeuge Pe. konnte auch auf Nachfragen in der Berufungshauptverhandlung nicht bestätigen, dass sich der Soldat während der Arbeitszeit mit Rückfragen zur Erstellung der Steuererklärung an ihn gewandt hatte. Wegen der Aussage des Zeugen Le. glaubt der Senat dem Soldaten, dass er die Zeugen Le. und Pe. verwechselt hatte, als er in der Berufungshauptverhandlung zunächst selbst auf Fragen zur Erstellung der Lohnsteuererklärung für den Zeugen Pe. verwiesen hatte. Allein auf die glaubhaften Angaben des Zeugen Pl., der Soldat habe in seinem Dienstzimmer auch an Steuerunterlagen gearbeitet, kann der Senat nicht die Überzeugung gründen, es habe sich hier auch um Anlagen für die Erklärung gerade des Zeugen Pe. gehandelt. Denn der Zeuge Pl. hat wie auch in seinen vorangegangenen Vernehmungen keine Namen der Kameraden genannt, für deren Steuererklärungen Schriftstücke erstellt worden seien. Es fehlt hier - anders als im Falle der Erklärung für den Zeugen Le. - an zusätzlichen Indizien für eine Tätigkeit während der Dienstzeit. Angesichts der vagen Angaben des Zeugen Pl. zu Zeitraum und Häufigkeit der von ihm beobachteten Arbeiten lässt sich nicht ausschließen, dass seine Beobachtungen allein im Zusammenhang mit der Erarbeitung der Steuererklärung für den Zeugen Le. stehen. Da weitere Aufklärungsmöglichkeiten nicht ersichtlich sind, ist die Einlassung des Soldaten im Zweifel nicht widerlegt.

30 Die Erstellung von Lohnsteuererklärungen für weitere Kameraden kann der Senat nicht feststellen. Namen in Frage kommender Kameraden haben sich durch die Ermittlungen und auch durch die Berufungshauptverhandlung nicht ergeben. Die Beobachtungen des Zeugen Pl. sind für sich genommen nicht ausreichend konkret, um mit hinreichender Sicherheit feststellen zu können, dass andere Arbeiten als die im Zusammenhang mit der Erstellung der Erklärung für den Zeugen Le. nachgewiesenen, während der Dienstzeit vorgenommen wurden.

31 Dass der Soldat keine Nebentätigkeitsgenehmigung hatte, hat er ebenso eingeräumt wie den Umstand, dass er um ihre Notwendigkeit wusste.

32 b) Zum Anschuldigungspunkt 2:

33 Der Senat hat diesen Teil der Vorwürfe durch Beschluss in der Berufungshauptverhandlung wieder in das gerichtliche Disziplinarverfahren einbezogen, weil gemäß § 107 Abs. 2 Satz 2 WDO die Voraussetzungen der Ausklammerung dadurch entfallen sind, dass der Senat - nicht zuletzt nach der Beweiserhebung zu Anschuldigungspunkt 1 - die Gewichtigkeit der weiteren Vorwürfe und den Schwerpunkt des Dienstvergehens anders beurteilt als die Vorinstanz. Für Art und Höhe der Disziplinarmaßnahme konnte dieser zusätzliche Vorwurf für die Bemessungsentscheidung hiernach voraussichtlich deshalb ins Gewicht fallen, weil nicht auszuschließen war, dass jedenfalls bei seiner Einbeziehung in die Bemessungsentscheidung die von der Vorinstanz verhängte Maßnahme angemessen oder eine weniger weitgehende Milderung erforderlich wäre.

34 Von diesem Vorwurf ist der Soldat jedoch aus tatsächlichen Gründen freizustellen. Zwar befanden sich unstreitig bei der Überprüfung am 12. Juli 2012 im Eingangs- und Innenbereich des Munitionslagerhauses ... Laub und Schmutz. Es ist aber nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen, dass die vom Soldaten entsprechend der Anschuldigung angeordneten Reinigungsarbeiten zum Zeitpunkt seiner Meldung bei seinem Teileinheitsführer erfolgreich abgeschlossen waren und dass dem Vortrag des Soldaten gemäß erst zwischen dem Ende der Arbeiten und der Kontrolle durch den Brigadefeuerwerker Verschmutzungen in das Gebäude eingebracht worden waren. Bereits die Anschuldigungsschrift lässt offen, ob nach dem Abschluss der Reinigungsarbeiten Laub und Schmutz im Gebäude verblieben waren. Schon angesichts des Zeitablaufes ist nicht ersichtlich, wie in dieser Frage weitere Aufklärung möglich sein sollte. Zeugen, die bekunden könnten, dass sich die Verunreinigungen bereits zum Zeitpunkt der Meldung des Soldaten im Gebäude befanden, sind nicht ersichtlich. Der Senat geht daher nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ davon aus, dass die Meldung des Soldaten bei seinem Teileinheitsführer zutreffend gewesen ist und die Verschmutzungen erst nachträglich aufgetreten sind.

35 c) Zum Anschuldigungspunkt 3:

36 Zwischen Juni und Mitte Juli 2010 hat der Soldat sich am Raucherstand vor einem Dienstgebäude in der ...-Kaserne in I. nach einer Besprechung mit seinem Fachvorgesetzten Major L. in Anwesenheit der Zeugin Z. über diesen Vorgesetzten dahingehend geäußert, dass „der S4 ihn mal könne, ein Arschloch sei und er doch nicht sein Bimbo wäre.“

37 Der Soldat hat in der Berufungshauptverhandlung nicht mehr ausgeschlossen, dass er sich wie angeschuldigt geäußert haben könnte. Er könne sich nicht erinnern, solche Äußerungen seien untypisch für ihn und sie täten ihm leid, wenn sie gefallen sein sollten.

38 Der Senat stützt seine Überzeugung auf die glaubhafte Schilderung der glaubwürdigen Zeugin Z. Diese hat den Vorfall in der Berufungshauptverhandlung so geschildert wie in ihren vorangegangenen Vernehmungen auch. Sie hat sich ohne Belastungseifer geäußert, Nachfragen spontan beantwortet und deutlich gemacht, dass sich der Soldat aus ihrer Sicht nur habe Luft machen wollen und nach einer vorangegangenen, laut geführten Diskussion mit Major L. sehr erregt gewesen sei. Sie hat auch zugunsten des Soldaten darauf hingewiesen, dass dieser ihrer Erfahrung nach in anderen Situationen gelassener und ruhiger reagiert habe. Die Zeugin hat die Situation plastisch und nachvollziehbar geschildert und deutlich gemacht, woran sie sich wegen des Zeitablaufes nicht mehr erinnern konnte, und worüber sie keine Aussage machen konnte, weil sie bei der vorangegangenen Diskussion des Soldaten mit Major L. nicht anwesend gewesen war.

39 d) Zu den Anschuldigungspunkten 4 und 5:

40 Zwischen Juni und Mitte Juli 2010 hatte der Fachvorgesetzte des Soldaten, Major L., diesem durch die Zeugin L. den Befehl übermitteln lassen, sich im Dienstzimmer des Zeugen L. zu melden. Die Zeugin L. begab sich zu dem Soldaten, der etwa dreißig Meter vom Dienstgebäude entfernt an einigen offenen Munitionskisten arbeitete, auf denen er einen Teil ihres Inhaltes abgelegt hatte, und übermittelte dem Soldaten den Befehl. Der Soldat erklärte, keine Zeit zu haben, und setzte seine Arbeit fort, was die Zeugin L. dem Zeugen L. fernmündlich ausrichtete. Der Zeuge L. befahl dem Soldaten daraufhin durch die Zeugin L. erneut, sich unverzüglich bei ihm zu melden. Nachdem die Zeugin diesen Befehl weitergeleitet hatte, äußerte der Soldat der Zeugin L. gegenüber sinngemäß „Der kann mich mal am Arsch lecken, ich komm´, wann ich will.“. Die Zeugin L. teilte dem Zeugen L. mit, der Soldat werde nicht erscheinen, sodass der Zeuge L. selbst an den Ausgang des Dienstgebäudes trat und den in Sichtweite befindlichen Soldaten zu sich rief, woraufhin dieser auch erschien.

41 Der Soldat hat in der Berufungshauptverhandlung auch zu diesen Anschuldigungspunkten erklärt, er könne sich hieran nicht mehr erinnern, aber auch nicht ausschließen, sich wie von der Zeugin L. geschildert verhalten zu haben. In diesem Fall tue es ihm leid.

42 Die Feststellungen des Senates stützen sich in erster Linie auf die Aussagen der Zeugin L., die in der Berufungshauptverhandlung gemäß § 123 Satz 1 WDO und - soweit es außergerichtliche Aussagen betraf - im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO verlesen wurden. Die Zeugin hat die Situation in allen Verfahrensstadien widerspruchsfrei und detailreich und damit glaubhaft geschildert. Ein Motiv, den Soldaten mit einer Falschaussage zu belasten, ist nicht ersichtlich. Ihre Angaben werden auch durch die Ausführungen des Zeugen Major L. gestützt, der den Teil des Vorganges, den er beobachten konnte, korrespondierend mit den Angaben der Zeugin L. geschildert hat. Auch an der Glaubhaftigkeit der Angaben dieses Zeugen hat der Senat keine Zweifel. Er hat deutlich gemacht, wo er wegen des Zeitablaufes Erinnerungslücken hat und nur Vermutungen äußern kann. Belastungseifer war bei ihm schon deshalb nicht zu erkennen, weil er bemüht war, die aus seiner Sicht geringe Bedeutung des Vorfalles im Interesse des Soldaten hervorzuheben und deutlich zu machen, dass aus seiner Sicht durch den Vorfall die Zusammenarbeit mit dem Soldaten nicht nachteilig beeinflusst worden sei.

43 3. Damit hat der Soldat vorsätzlich ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen.

44 a) aa) Durch die zum Teil in dienstlichen Anlagen und während der Dienstzeit erfolgte Erstellung der Lohnsteuererklärung für den Zeugen Le. und den Ausdruck der Erklärung auf dem dienstlichen Drucker hat er § 20 SG unter mehreren Teilaspekten verletzt: Die Nebentätigkeit darf nicht ausgeübt werden, solange die Genehmigung nicht vorliegt (§ 20 Abs. 1 SG). Sie darf grundsätzlich nicht innerhalb der Dienstzeit in Diensträumen ausgeübt werden (§ 20 Abs. 3 Satz 1 SG). Ohne zusätzliche Genehmigung und Entrichtung eines angemessenen Entgeltes darf auch Material des Dienstherrn - hier das Papier und die Tinte für die Ausdrucke sowie der Computer und die Drucktechnik - nicht genutzt werden (§ 20 Abs. 4 Satz 1 SG).

45 Ein Soldat bedarf für seine Nebentätigkeit der vorherigen Genehmigung seines Disziplinarvorgesetzten (§ 20 Abs. 1 SG). Nebentätigkeit ist jede Tätigkeit innerhalb und außerhalb des öffentlichen Dienstes, die neben der Haupttätigkeit (Hauptverwendung) ausgeübt wird (Scherer/Alff/Poretschkin, SG, 9. Aufl. 2013, § 20 Rn. 3). Dazu gehören alle gewerblichen und anderweitigen wirtschaftlichen Betätigungen (Urteil vom 28. April 2004 - BVerwG 2 WD 20.03 - S. 13), also auch die der Erzielung eines Gewinns für die Kaffeekasse dienende Erstellung der Steuererklärung für den Zeugen Le.. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Regelung, sondern auch aus ihrem Sinn und Zweck. Das Soldatenverhältnis als Dienstverhältnis wird charakterisiert durch die Dienstleistungspflicht des Soldaten. Aufgrund der Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) ist der Soldat gehalten, seine volle Arbeitskraft dem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen. Sinn und Zweck des § 20 Abs. 1 SG liegen darin, in einem Genehmigungsverfahren vorab zu prüfen, ob die Inanspruchnahme durch die Nebentätigkeit nach ihrer Art und ihrem Umfang mit der ordnungsgemäßen Erfüllung der dienstlichen Pflichten des Soldaten im Einklang steht und ob ferner eine Interessenkollision mit den dienstlichen Pflichten des Soldaten auszuschließen ist. Demgemäß ist die Genehmigung zu versagen, wenn zu besorgen ist, dass durch die Nebentätigkeit dienstliche Interessen beeinträchtigt werden (§ 20 Abs. 2 SG). Eine der in § 20 Abs. 6 SG abschließend aufgeführten genehmigungsfreien Nebentätigkeiten liegt hier nicht vor. Nach § 20 Abs. 1 Satz 2 SG sind auch bestimmte unentgeltliche Nebentätigkeiten genehmigungspflichtig, zu denen auch die freiberufliche Nebentätigkeit - wie hier die Wahrnehmung von Aufgaben eines Steuerberaters - zählt.
Hiernach kommt es für die Notwendigkeit einer Genehmigung nicht darauf an, ob der Soldat ein Entgelt gefordert hat. Im Übrigen ist aber die Forderung von 15 € für die Kaffeekasse auch nicht geeignet, die Entgeltlichkeit der Nebentätigkeit auszuschließen. Denn für die Frage der Entgeltlichkeit kommt es nicht darauf an, ob die Vergütung dem Soldaten oder einem Dritten - hier der Kameradengemeinschaft, die in die Kaffeekasse einzahlt - zufließt (vgl. BVerwG Beschluss vom 11. September 1979 - BVerwG 2 D 78.78 - Buchholz 237.7 § 68 LBG NW Nr. 3).

46 Da der Soldat in Kenntnis der die Pflichtwidrigkeit begründenden tatsächlichen Umstände handelte, handelte er vorsätzlich.

47 bb) Durch das zum Anschuldigungspunkt 1 festgestellte Verhalten ist zugleich vorsätzlich § 7 SG verletzt. Die Pflicht zum treuen Dienen enthält auch die Pflicht das Vermögen des Dienstherrn zu schützen (vgl. Scherer/Alff/Poretschkin, a.a.O. § 7 SG Rn. 17), die durch die o.g. Nutzung dienstlichen Materials zu außerdienstlichen Zwecken verletzt ist. Die Pflicht zur gewissenhaften und ordnungsgemäßen Dienstleistung (vgl. Urteil vom 18. Juni 2003 - BVerwG 2 WD 50.02 - S. 21 = Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 6 = NVwZ-RR 2004, 195) ist durch die Verwendung von Dienstzeit auf eine Nebentätigkeit verletzt.

48 cc) Der Soldat hat zudem vorsätzlich die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im dienstlichen Bereich (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) verletzt, da sein Verhalten geeignet war, sowohl das Vertrauen seiner Vorgesetzten als auch die Achtung bei Untergebenen erheblich zu beeinträchtigen. Ein Vorgesetzter, der unter Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften eigennützig eine nicht genehmigte Nebentätigkeit ausübt, erschüttert seine persönliche und dienstliche Integrität (vgl. Urteile vom 18. Juni 2003 a.a.O., vom 28. April 2004 - BVerwG 2 WD 20.03 - S. 15 und vom 4. Juli 2013 - BVerwG 2 WD 21.12 - Rn. 21).

49 b) aa) Durch die Äußerung über Major L. gegenüber der Zeugin Z. an der Raucherecke vor dem Dienstgebäude hat der Soldat die Pflicht zum treuen Dienen vorsätzlich verletzt. Da jedenfalls die Bezeichnung als „Arschloch“ ein negatives Werturteil über Major L. einer Dritten gegenüber und damit eine Beleidigung im Sinne von § 185 StGB darstellt, ist § 7 SG unter dem Teilaspekt der Loyalität zur Rechtsordnung berührt. In Kenntnis der die Tatbestandsmäßigkeit begründenden Umstände handelte der Soldat vorsätzlich.

50 bb) Vorsätzlich verletzt ist auch die Pflicht zur Zurückhaltung bei Äußerungen. § 10 Abs. 6 SG erfasst alle „Äußerungen“ die geeignet sind, das Vertrauen in Vorgesetzte zu erschüttern. Auch ehrverletzende und diffamierende Aussagen sind „Äußerungen“, die gegen die Pflicht zur Zurückhaltung verstoßen (vgl. Urteil vom 13. März 2008 - BVerwG 2 WD 6.07 - Rn. 86 = Buchholz 449 § 10 SG Nr. 59 = NZWehrr 2009, 33 m.w.N.). Die Norm verpflichtet Vorgesetzte, ihre Meinung unter Achtung der Rechte anderer besonnen, tolerant und sachlich zu vertreten (vgl. Urteil vom 13. März 2008 a.a.O. Rn. 87 m.w.N.). Diese Pflicht ist durch § 185 StGB unterfallende Äußerungen über Vorgesetzte verletzt. Dies geschah aus dem genannten Grund vorsätzlich.

51 cc) Vorsätzlich verletzt ist auch die Kameradschaftspflicht: Inhalt und bestimmende Faktoren der Pflicht zur Kameradschaft sind das gegenseitige Vertrauen der Soldaten der Bundeswehr, das Bewusstsein, sich jederzeit aufeinander verlassen zu können, sowie die Verpflichtung zu gegenseitiger Achtung, Fairness und Toleranz. Ein Soldat der die Rechte, die Ehre oder die Würde seiner Kameraden verletzt (§ 12 Satz 2 SG), stört den Dienstbetrieb und beeinträchtigt damit letztlich auch die Einsatzbereitschaft der Truppe. Beleidigende Äußerungen verletzen die Ehre des betroffenen Major L.

52 dd) Durch sein Fehlverhalten verletzte der Soldat zudem ebenfalls vorsätzlich seine dienstliche Pflicht, Disziplin zu wahren (§ 17 Abs. 1 SG). Diese Pflicht erfordert, dass sich der Soldat - in den vom geltenden Recht gezogenen Grenzen - in das militärische Gefüge selbstbeherrscht einordnet, sich nach Maßgabe der Gesetze und der festgelegten Unterstellungsverhältnisse unterordnet und die militärische Ordnung einhält, soweit sich aus dem geltenden Recht nichts anderes ergibt. Untergebene sind nach § 17 Abs. 1 SG gehalten, die dienstliche Autorität ihrer Vorgesetzten ohne Rücksicht auf persönliche Sympathien oder Antipathien anzuerkennen und ihr Verhalten danach auszurichten; für einen Verstoß gegen § 17 Abs. 1 SG reicht es aus, dass der betreffende Soldat mit seinem Verhalten eine gegenüber Vorgesetzten bestehende Pflicht verletzt und dabei zu erkennen gibt, dass er sich, jedenfalls im konkreten Fall, der dienstlichen Autorität seines Vorgesetzten nicht selbstbeherrscht unterordnen will (Urteil vom 13. März 2008 a.a.O. Rn. 65 m.w.N.). Wer - wie hier der Soldat - den Vorgesetzten strafrechtlich relevant und zudem in Gegenwart Dritter beleidigt, stellt dessen Autorität in Frage und macht deutlich, dass er diese nicht anerkennt.

53 ee) Vorsätzlich verletzt ist auch § 17 Abs. 2 Satz 1 SG: Jeder Verstoß eines Soldaten gegen eine gesetzliche Dienstpflicht, die dem § 17 SG vorangestellt ist, enthält (zugleich) einen Verstoß gegen § 17 Abs. 2 SG, wenn dem festgestellten Verhalten unabhängig von anderen Pflichtverstößen die Eignung zur Ansehensminderung innewohnt. Die Achtungs- und die Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten können durch sein Verhalten schon dann Schaden nehmen, wenn dieses Zweifel an seiner Zuverlässigkeit weckt oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage stellt. Für die Feststellung eines Verstoßes gegen diese Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob eine Ansehensschädigung im konkreten Fall tatsächlich eingetreten ist. Es reicht vielmehr aus, dass das Verhalten des Soldaten geeignet war, eine ansehensschädigende Wirkung auszulösen (vgl. Urteile vom 22. Januar 1997 - BVerwG 2 WD 24.96 - BVerwGE 113, 48 <54> = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 12 S. 46, vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris Rn. 27 m.w.N. und vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - juris Rn. 29). Die Unfähigkeit, bei Äußerungen die Rechte von Kameraden und die Autorität des Vorgesetzten zu achten, weckt Zweifel an der Zuverlässigkeit eines Soldaten.

54 c) aa) Durch das Verhalten des Soldaten nach der Übermittlung des Befehls des Major L., sich unverzüglich bei ihm zu melden, hat er vorsätzlich die Pflicht zum treuen Dienen unter dem Teilaspekt der Pflicht zur Loyalität zur Rechtsordnung verletzt. Denn die Aufforderung an Major L., dieser könne ihn „am Arsch lecken“ stellt nicht nur eine Beleidigung gemäß § 185 StGB dar. Sein Verhalten erfüllt auch vorsätzlich die Voraussetzungen einer Gehorsamsverweigerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WStG. Die Aufforderung, sich unverzüglich beim Fachvorgesetzten zu melden, stellt einen Befehl im Sinne von § 2 Nr. 2 WStG dar. Die Tat kann auch gegenüber einem Befehlsboten - hier der Zeugin L. - begangen werden (Lingens/Korte, WStG, 5. Aufl. 2012, § 20 Rn. 4 m.w.N.). Eine Auflehnung mit Wort ist mit verbalen Äußerungen des Täters gegeben, durch die er seinen Widerwillen zur Befolgung des Befehls zum Ausdruck bringt (Lingens/Korte, a.a.O., § 20 Rn. 6). Da hier der Befehl, unverzüglich zu erscheinen, in Rede steht, stellt die Ankündigung zu kommen, wann man wolle, eine demonstrative Verweigerung der Ausführung des Befehls dar und nicht nur die Ankündigung einer späteren Befolgung. Die Verknüpfung mit einer Beleidigung des Befehlenden geht auch über das Ankündigen einer einfachen Nichtbefolgung des Befehls hinaus.

55 Es kommt auch nicht darauf an, ob die Anordnung, unverzüglich zu erscheinen, dem Befehlsempfänger - entsprechend der Legaldefinition in § 121 Abs. 1 BGB - die Möglichkeit belassen hätte, sein Erscheinen aus von ihm nicht verschuldeten Gründen zu verzögern. Denn es ist nicht feststellbar, dass der Soldat wegen der Arbeit an offenen Munitionskisten die Meldung bei seinem Fachvorgesetzten nur für den Zeitraum zurückgestellt hatte, den er für unerlässliche Sicherungsmaßnahmen benötigt hätte.

56 Der Senat ist überzeugt, dass der Soldat nicht die Absicht hatte, vor dem Erscheinen bei Major L. nur die offen herumliegende Munition zu sichern, dass er vielmehr die begonnenen Arbeiten zunächst zu Ende führen wollte. Diese Absicht ergibt sich für den Senat daraus, dass der Soldat die Zeugin L. entsprechend ihrer glaubhaften Aussage gar nicht auf Hinderungsgründe hingewiesen hat, die einer sofortigen Befolgung des Befehls für die Zeugen nachvollziehbar entgegen stehen würden, ihr vielmehr nur angekündigt hat, zu irgendeinem späteren Zeitpunkt zu erscheinen, den er selbst nicht genauer bestimmt hatte. Hätte der Soldat sachliche Gründe für eine gerechtfertigt verzögerte Befolgung des Befehles vorbringen wollen, hätte er dies zudem nicht mit einer Beleidigung des Befehlenden verbunden. Zum anderen hat der Soldat auch eine sich aufdrängende Möglichkeit, den Befehl zu befolgen, ohne die offene Munition ungesichert allein zu lassen, nicht genutzt. Da er sich im Dienstzimmer des Major L. nur weniger als fünfzig Meter von dem Ort befunden hätte, an dem die offenen Munitionskisten standen, sich diese auf dem Kasernengelände befanden und die Zeugin L. ausreichende Autorität und Sachkunde gehabt hätte, die Munition vorübergehend gegen den Zugriff Dritter zu sichern, hätte ohne weiteres die Möglichkeit bestanden, sie kurzzeitig mit der Aufsicht über die Munition zu betrauen, sich bei Major L. zu melden und diesen auf die nur vorübergehend durch die Zeugin L. bewachten offenen Munitionskisten hinzuweisen. Warum er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hatte, konnte der Soldat in der Berufungshauptverhandlung nicht plausibel erläutern. Sein Hinweis, er sei im Umgang mit Munition besonders pingelig, erklärt nicht, welche Gefahren ein solches Vorgehen aus seiner Sicht nicht hätte ausschließen können und macht daher nicht nachvollziehbar, warum er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, wenn es ihm tatsächlich nur um die Sicherung offener Munitionskisten gegangen wäre. Der Senat hält daher seine Einlassung für eine Schutzbehauptung.

57 Der Soldat kannte die tatsächlichen Umstände, aus denen sich die Pflichtwidrigkeit des Verhaltens ergibt, und handelte auch willentlich, daher vorsätzlich.

58 bb) Das Angebot an den Vorgesetzten, „ihn mal am Arsch lecken“ zu können, stellt eine nach den oben ausgeführten Grundsätzen dem § 10 Abs. 6 SG unterfallende, unbesonnene und unsachliche Meinungsäußerung über den ihm übermittelten Befehl dar. Auch insoweit handelte der Soldat aus dem genannten Grund vorsätzlich.

59 cc) Verletzt ist durch die unterbliebene Befolgung des Befehls zum unverzüglichen Erscheinen ebenfalls vorsätzlich die Gehorsamspflicht aus § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 SG, weil der Soldat wie ausgeführt nicht durch die Absicht, die Munition zu sichern, mit Recht die Befolgung des Befehls verweigerte.

60 dd) Die beleidigende Äußerung gegenüber dem Vorgesetzten stellt wie zu Anschuldigungspunkt 3 dargetan eine vorsätzliche Verletzung der Kameradschaftspflicht aus § 12 SG und der Pflichten gegenüber dem Vorgesetzten aus § 17 Abs. 1 SG dar. Der Ungehorsam verletzt gleichfalls vorsätzlich die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht des § 17 Abs. 2 Satz 1 SG.

61 4. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten („Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr“ (vgl. dazu Urteil vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 Rn. 23 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

62 a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen im Einzelfall insgesamt nicht leicht.

63 Der Soldat hat zentrale soldatische Pflichten, insbesondere Vorgesetztenpflichten, verletzt, wobei der Schwerpunkt der Verfehlungen in der Verletzung der Gehorsamspflicht nach den Anschuldigungspunkten 4 und 5 liegt.

64 Die Pflicht zum Gehorsam (§ 11 Abs. 1 SG) gehört zu den zentralen Dienstpflichten eines jeden Soldaten. Alle Streitkräfte beruhen auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam. Vorsätzlicher Ungehorsam stellt daher stets ein sehr ernstzunehmendes Dienstvergehen dar (Urteil vom 16. März 2011 - BVerwG 2 WD 40.09 - juris Rn. 52 m.w.N.). Fehlt die Bereitschaft zum Gehorsam, kann die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr in Frage gestellt sein.

65 In gleicher Weise gewichtig ist die Verletzung der Pflicht, Disziplin zu wahren (§ 17 Abs. 1 SG). Das für die Funktionsfähigkeit der Streitkräfte bestimmende Prinzip von Befehl und Gehorsam ist auf die Bereitschaft auch und gerade Vorgesetzter, sich in Unterstellungsverhältnisse einzuordnen, angewiesen.

66 Von hohem Gewicht ist auch die Verletzung der Pflicht aus § 10 Abs. 6 SG. Eine derartige Pflichtverletzung stellt die Eignung als Vorgesetzter in Frage. Es handelt sich auch hier nicht um eine bloße Nebenpflicht, vielmehr um eine Pflicht mit funktionellem Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebes (Urteil vom 22. Oktober 2008 - BVerwG 2 WD 1.08 - BVerwGE 132, 179 = Buchholz 449 § 10 SG Nr. 60 jeweils Rn. 105). Die in § 10 Abs. 6 SG von jedem Offizier und Unteroffizier bei dienstlichen und außerdienstlichen Äußerungen verlangten Beschränkungen (Achtung der Rechte anderer, Besonnenheit, Toleranz und Sachlichkeit) sind für einen Vorgesetzten nach der vom Gesetzgeber getroffenen Regelungsentscheidung unerlässlich, um seine dienstlichen Aufgaben erfüllen und seinen Untergebenen im Sinne von § 10 Abs. 1 SG in Haltung und Pflichterfüllung Vorbild sein zu können (Urteil vom 22. Oktober 2008 a.a.O. Rn. 33).

67 Die Kameradschaftspflicht in den Streitkräften ist nicht minder bedeutsam. Denn der Zusammenhalt der Bundeswehr beruht gemäß § 12 Satz 1 SG wesentlich auf Kameradschaft. Die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben erfordert im Frieden und in noch höherem Maße im Einsatzfalle gegenseitiges Vertrauen sowie das Bewusstsein, sich jederzeit aufeinander verlassen zu können. Ein Vorgesetzter, der die Rechte seines Kameraden verletzt, untergräbt den dienstlichen Zusammenhalt, stört den Dienstbetrieb und kann damit letztlich auch die Einsatzbereitschaft der Truppe beeinträchtigen (vgl. Urteil vom 1. März 2007 - BVerwG 2 WD 4.06 - Rn. 46 m.w.N.).

68 Die Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) gehört zu den zentralen Pflichten eines Soldaten; ihre Verletzung ist in der Regel schon deshalb von erheblicher Bedeutung.
Das Gewicht der hier in Rede stehenden Verletzung wird maßgeblich dadurch indiziert, dass die Gehorsamsverweigerung entsprechend den Vorwürfen nach den Anschuldigungspunkten 4 und 5 durch § 20 Abs. 1 WStG strafrechtliche Relevanz erhält, während hier die Nutzung von Dienstzeit und Dienstmaterial für private Zwecke im Rahmen der ungenehmigten Nebentätigkeit nach dem Anschuldigungspunkt 1 nur untergeordnete Bedeutung hat.

69 Da es - wie oben ausgeführt - Sinn und Zweck des § 20 SG ist, sicher zu stellen, dass ein Soldat seine nach der Pflicht zum treuen Dienen geschuldete Arbeitskraft vollständig und ohne Konflikt mit dienstlichen Interessen dem Dienstherrn zur Verfügung stellt, dieser Teil des einheitlichen Dienstvergehens in seiner Bedeutung gegenüber den anderen Vorwürfen hier aber zurücktritt, gibt die Verletzung dieser Pflicht im konkreten Fall dem Dienstvergehen kein höheres Gewicht.

70 Auch die Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) ist, soweit hier nicht allein die ungenehmigte Nebentätigkeit nach dem Anschuldigungspunkt 1, sondern in erster Linie die Gehorsamspflichtverletzung nach den Anschuldigungspunkten 4 und 5 in Rede steht, gewichtig. Die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere - wie hier - ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (stRspr, z.B. Urteile vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris Rn. 27 - m.w.N. und vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - juris Rn. 29). Dies war hier der Fall.

71 Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden hier des Weiteren dadurch bestimmt, dass der Soldat aufgrund seines Dienstgrades als Oberfeldwebel in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 SG i.V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus (vgl. Urteile vom 25. Juni 2009 - BVerwG 2 WD 7.08 - m.w.N., vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - Rn. 28 und vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - Rn. 30).

72 b) Der Senat konnte nicht feststellen, dass das Dienstvergehen erhebliche, nachteilige Auswirkungen für den Dienstbetrieb hatte.

73 Die Kommandierungen des Soldaten waren vielmehr zunächst durch dessen privates Interesse an einem Heimat nahen Einsatzort motiviert. Für die fortlaufenden Folgekommandierungen nach Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens mag dieses mit ursächlich geworden sein. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass diese Kommandierungen in erster Linie durch die Unruhe motiviert waren, die die Eingabe des Soldaten an den Wehrbeauftragten des Bundestages ausgelöst hatte. Der damalige Disziplinarvorgesetzte des Soldaten hat auch in der Berufungshauptverhandlung darauf hingewiesen, dass er auf die Bearbeitung der Eingabe viel Zeit verwendet hatte und erwartet hätte, dass der Soldat sich vor der Einschaltung des Wehrbeauftragen zunächst wegen der von ihm gerügten Missstände an ihn als Vorgesetzten gewandt hätte.

74 Der Fachvorgesetzte des Soldaten, Major L., hat auf Befragen ausgeschlossen, dass die den Schwerpunkt der Verfehlungen bildenden Pflichtverletzungen die Zusammenarbeit zwischen ihm und dem Soldaten nachteilig beeinflusst hatte.

75 c) Die Beweggründe des Soldaten sprechen nicht für ihn. Das hier den Schwerpunkt bildende Fehlverhalten nach den Anschuldigungspunkten 4 und 5 ist Ausdruck einer nicht altersangemessenen Unreife und einer mangelhaften Selbstbeherrschung in Stresssituationen.

76 d) Das Maß der Schuld des uneingeschränkt schuldfähigen Soldaten wird durch sein vorsätzliches Handeln bestimmt.

77 Milderungsgründe in den Umständen der Tat liegen nicht vor: Sie wären nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Urteil vom 23. September 2008 - BVerwG 2 WD 18.07 - Rn. 59 m.w.N.) nur dann gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte.

78 Das Handeln in einer seelischen Ausnahmesituation kann zwar einen Milderungsgrund in den Umständen der Tat begründen (vgl. dazu z.B. Urteil vom 16. Oktober 2002 - BVerwG 2 WD 23.01 , 32.02 - BVerwGE 117, 117 <124> = Buchholz 236.1 § 13 SG Nr. 9 S. 16 f. m.w.N.).
Die Belastungsfaktoren, auf die sich der Soldat vorliegend beruft, begründen aber noch keine außergewöhnlichen Besonderheiten seiner Situation zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Handlungen. Vielmehr sehen sich zahlreiche Menschen der Doppelbelastung familiärer Pflichten (hier der Betreuung erkrankter Eltern) und einer hohen, durch Spannungen mit Vorgesetzten gekennzeichneten Belastung durch berufliche Pflichten ausgesetzt. Diese Umstände erreichen hier noch keinen so hohen Grad an Zuspitzung, dass ein normgemäßes Verhalten kaum noch erwartet werden kann. Auch wenn die Kombination beruflicher und familiärer Belastungen aber noch nicht das Gewicht eines Milderungsgrundes in den Umständen der Tat erreicht, berücksichtigt der Senat diese vom Soldaten glaubhaft vorgetragenen Umstände dennoch - wenn auch mit geringerem Gewicht - maßnahmemildernd.

79 Auf eine mangelhafte Dienstaufsicht kann sich der Soldat nicht berufen. Ein Milderungsgrund ergibt sich hieraus nur, wenn er der Dienstaufsicht bedarf, z.B. in einer Überforderungssituation, die ein hilfreiches Eingreifen des Vorgesetzten erforderlich macht (vgl. z.B. Urteile vom 13. März 2003 - BVerwG 1 WD 4.03 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 2 S. 10 und vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris Rn. 37). Als langjähriger Zeitsoldat mit Erfahrung in der Position des Vorgesetzten bedurfte der Soldat keines hilfreichen Eingreifens der Dienstaufsicht, um eine Zweckentfremdung dienstlicher Materialien und seiner Dienstzeit zu unterlassen, die Notwendigkeit der Einholung einer Nebentätigkeitsgenehmigung zu erkennen und sich einem Vorgesetzten und seinem Befehl gegenüber militärisch korrekt zu verhalten.

80 e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien „Persönlichkeit“ und „bisherige Führung“ sind dem Soldaten seine durch die letzte planmäßige Beurteilung ausgewiesenen jedenfalls ordentlichen Leistungen zugute zu halten.

81 Der Senat berücksichtigt auch eine Nachbewährung (zu den Voraussetzungen vgl. Urteil vom 29. November 2012 - BVerwG 2 WD 10.12 - Rn. 48.). Zwar weist die Sonderbeurteilung im Vergleich zur vorangegangenen planmäßigen Beurteilung nur eine geringe Steigerung der Durchschnittsnote aus. Jedoch führt der erläuternde Teil ausdrücklich an, dass es dem Soldaten gelungen ist, zuvor noch bemängelte Defizite abzubauen und in wesentlichen Teilen seiner Aufgaben die Anforderungen ständig deutlich zu übertreffen. Dem entsprechen auch die in der Berufungshauptverhandlung verlesenen Bekundungen der Zeugen Major K. und Hauptfeldwebel Jürgen S., die ohne jede Einschränkung Anerkennung für die Leistungen des Soldaten nach der Kommandierung zu ihnen bekundet hatten.

82 Für ihn spricht auch die fehlende disziplinäre und strafrechtliche Vorbelastung, auch wenn diesem Umstand kein großes Gewicht zukommt, da der Soldat hiermit nur die Mindesterwartungen seines Dienstherrn pflichtgemäß erfüllt, aber keine Leistung erbringt, die ihn aus dem Kreis der Kameraden heraushebt.

83 Der Senat hält dem Soldaten auch die im Laufe des gerichtlichen Verfahrens gewachsene Unrechtseinsicht zugute. Insbesondere hat der Soldat in der Berufungshauptverhandlung die Möglichkeit eigenen Fehlverhaltens entsprechend den Anschuldigungspunkten 3, 4 und 5 ausdrücklich zugestanden und mehrfach sein Bedauern über sein Versagen zum Ausdruck gebracht. Auch das gerichtliche Disziplinarverfahren als solches hat pflichtenmahnende Wirkung. Soweit damit die Zwecke des Disziplinarverfahrens teilweise erreicht sind, kann dies eine mildere Maßnahme rechtfertigen.

84 f) Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Umstände ist im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts der Ausspruch eines Beförderungsverbotes kombiniert mit einer Bezügekürzung (§ 58 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 1 und 2, §§ 59, 60 Abs. 2 WDO) erforderlich und angemessen.

85 Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 10. Februar 2010 - BVerwG 2 WD 9.09 - juris Rn. 35 ff.) von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:

86 aa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als „Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen“.

87 Wie oben ausgeführt liegt der Schwerpunkt der Verfehlung hier in dem Fehlverhalten nach den Anschuldigungspunkten 4 und 5. Der Senat hat in der Vergangenheit die Verletzung der Gehorsamspflicht - je nach Schwere des Verstoßes - mit einer Gehaltskürzung, einem Beförderungsverbot oder auch einer Dienstgradherabsetzung geahndet (vgl. Urteile vom 23. Juni 2011 - BVerwG 2 WD 21.10 - Buchholz 449 § 7 SG Nr. 56 Rn. 49 und vom 22. August 2007 - BVerwG 2 WD 27.06 - BVerwGE 129, 181 = Buchholz 449 § 11 SG Nr. 2, jeweils Rn. 85 m.w.N.). Die konkret in Rede stehende Kombination von Pflichtverletzungen entzieht sich einer typisierenden Erfassung, sodass den Umständen dieses Falles auf der zweiten Stufe der Zumessungserwägungen einzelfallbezogen Rechnung zu tragen ist.

88 bb) Auf der zweiten Stufe ist dann zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung oder die Notwendigkeit einer Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach „oben“ bzw. nach „unten“ zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet, dem Wehrdienstgericht einen Spielraum eröffnet.

89 Hiernach liegt in Abwägung aller einzustellenden Aspekte insgesamt ein mittelschweres Dienstvergehen vor, das mit der mittleren Maßnahmeart aus dem durch den Schwerpunkt der Verfehlungen vorgegebenen Spektrum an Disziplinarmaßnahmen angemessen geahndet werden kann.

90 Denn einerseits ist der hohen Bedeutung Rechnung zu tragen, die ein wehrstrafrechtlich relevanter Ungehorsam für das Prinzip von Befehl und Gehorsam hat. Nicht zuletzt aus generalpräventiven Gründen kann ein derartiges Versagen eines Vorgesetzten nicht mehr als mit einer bloßen Bezügekürzung noch angemessen zu ahndendes Vergehen eingestuft werden. Hier kommen zudem noch weitere Pflichtverletzungen hinzu, die das Gewicht von Tat und Schuld deutlich erhöhen, weil sie engen Bezug zu der für das Prinzip von Befehl und Gehorsam essentiellen Einordnung jedes Soldaten in die hierarchische Ordnung der Streitkräfte haben. Dies sind die strafrechtlich relevanten Beleidigungen eines Vorgesetzten, die disziplinarrechtlich zugleich als Verletzungen der Pflicht, Disziplin zu wahren, zu würdigen sind. Damit hat der Soldat vorliegend ein erhöhtes Maß an Renitenz gegenüber seiner Pflicht zur Anerkennung der Autorität seines Vorgesetzten an den Tag gelegt.

91 Andererseits ist aber auch dem situativen Kontext Rechnung zu tragen, in dem der konkrete Befehl nach den Anschuldigungspunkten 4 und 5 stand. Das disziplinare Gewicht des Ungehorsams ist umso höher, je größer die durch den Ungehorsam drohenden Gefahren für ein bedeutsames Rechtsgut, insbesondere Leib und Leben von Kameraden, sind und je höher die Bedeutung der mit dem Befehl verfolgten Zwecke anzusetzen ist. Hier waren durch die Weigerung des Soldaten, unverzüglich bei seinem Fachvorgesetzten zu erscheinen, weder Leib und Leben Dritter auch nur abstrakt gefährdet noch - nach den Angaben des Fachvorgesetzten selbst - konkret die weitere Zusammenarbeit mit diesem erheblich belastet. Es ist auch nicht ersichtlich, dass durch die verzögerte Rücksprache bei dem Vorgesetzten die Erledigung dienstlicher Aufträge beeinträchtigt worden wäre. Damit erfordert der Kontext des in Rede stehenden Befehls noch nicht die Annahme eines schwerwiegenden Falles von Ungehorsam. Zu Gunsten des Soldaten Rechnung zu tragen ist zudem auch den oben angeführten Milderungsgründen in seiner Person, d.h. seinen ordentlichen Leistungen vor den Vorfällen, der Nachbewährung und seiner im Verfahren gewachsenen Unrechtseinsicht. Des Weiteren ist mildernd die für das Versagen mit ursächliche private und dienstliche Belastung des Soldaten einzustellen, auch wenn diese noch nicht das Gewicht eines Milderungsgrundes in den Umständen der Tat erreicht.

92 Unter Berücksichtigung dieser Aspekte erreichen hier die erschwerenden Gesichtspunkte noch kein Gewicht, das allein die Dienstgradherabsetzung als tat- und schuldangemessene Maßnahme erscheinen ließe. Dass konkret die erschwerenden Umstände gewichtiger sind als die mildernden Aspekte, kann dadurch angemessen berücksichtigt werden, dass das Beförderungsverbot seiner Dauer nach im mittleren Bereich angesiedelt und mit einer spürbaren Bezügekürzung gekoppelt wird. Der Senat hält ein Beförderungsverbot von zwei Jahren für erforderlich, aber auch ausreichend. Angesichts des in weniger als zwei Jahren eintretenden Dienstzeitendes ist es für eine spürbare pflichtenmahnende Wirkung auf den Soldaten mit einer deutlichen Bezügekürzung zu kombinieren. Wegen der geordneten wirtschaftlichen Verhältnisse des durch die Ansprüche auf Übergangsgebührnisse und die Übergangsbeihilfe auch mittelfristig wirtschaftlich abgesicherten Soldaten bemisst der Senat dies der Höhe nach am oberen Rand, um die wirtschaftlichen Folgen der Sanktion deutlich fühlbar werden zu lassen. Wegen der am oberen Rand liegenden Höhe der Kürzung reicht nach Überzeugung des Senats allerdings eine am unteren Rand des Zulässigen liegende Dauer der Kürzung als Pflichtenmahnung aus.

93 5. Da der Soldat den in der Berufungsschrift angekündigten, weitergehenden Antrag nicht gestellt hat, mit seinem in der Berufungshauptverhandlung gestellten Antrag aber voll durchdringt, trägt der Bund nach § 139 Abs. 1 Satz 1 WDO die Kosten des Berufungsverfahrens. Die dem Soldaten im Berufungsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen trägt der Bund nach § 140 Abs. 2 Satz 1 WDO, da es unbillig erscheint, den Soldaten mit den für die erfolgreiche Berufung notwendigen Auslagen zu belasten. Die Entscheidung der Vorinstanz zu den Kosten dieser Instanz hat Bestand. Allein der Soldat hat Rechtsmittel eingelegt. Die Billigkeit verlangt nicht, ihn weitergehend von den Kosten des Verfahrens erster Instanz freizustellen als dies das Truppendienstgericht auf der Grundlage von § 138 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 WDO getan hat.