Beschluss vom 19.07.2007 -
BVerwG 2 WD 27.06ECLI:DE:BVerwG:2007:190707B2WD27.06.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 19.07.2007 - 2 WD 27.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:190707B2WD27.06.0]
Beschluss
BVerwG 2 WD 27.06
- Truppendienstgericht Süd 2. Kammer - 11.09.2006 - AZ: S 2 VL 6/06
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
am 19. Juli 2007 beschlossen:
- Es soll Beweis erhoben werden über den am 31. März oder 1. April 2004 vor Lehrgangsteilnehmern an der Sanitätsakademie der Bundeswehr in München erfolgten Vortrag des Soldaten (u.a. zu seinen Erfahrungen und Erlebnissen während seiner im Jahre 2003 erfolgten Einreise in die Demokratische Republik Kongo im Zusammenhang mit der Militäroperation ARTEMIS) durch Vernehmung des Oberstabsarztes d.R. Dr. A.
- Mit der Durchführung der Vernehmung wird der Berichterstatter Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth beauftragt.
Gründe
1 Die Entscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 223 Abs. 1 StPO. Der Zeuge Dr. A. hat glaubhaft gemacht, dass er bereits vor Ergehen der Ladung für sich und seine Familie für die Zeit vom 18. bis 25. August 2007 einen Familienurlaub gebucht hatte, den er unterbrechen müsste, wenn er zu der für den 22. August 2007 anberaumten Berufungshauptverhandlung in Leipzig erscheinen müsste. Im Hinblick auf den Urlaubszweck erscheint dies für ihn und seine Familie nicht zumutbar, so dass ein Hindernis im Sinne der genannten Regelungen vorliegt, das seinem Erscheinen in der Berufungshauptverhandlung entgegensteht. Da andererseits die Vernehmung des Zeugen Dr. A. im vorliegenden Verfahren zur Wahrheitsfindung erforderlich ist, ist seine Vernehmung durch den beauftragten Richter geboten. Anderenfalls müsste der bereits anberaumte Termin zur Berufungshauptverhandlung aufgehoben und auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden, weil auch eine Vernehmung des Zeugen an einem Termin vor dem 22. August 2007 durch den erkennenden Senat aus terminlichen Gründen nicht möglich ist. Eine spätere Terminierung würde dem Beschleunigungsgebot für Disziplinarsachen (§ 17 Abs. 1 WDO) zuwiderlaufen.
Beschluss vom 02.08.2007 -
BVerwG 2 WD 27.06ECLI:DE:BVerwG:2007:020807B2WD27.06.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 02.08.2007 - 2 WD 27.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:020807B2WD27.06.0]
Beschluss
BVerwG 2 WD 27.06
- Truppendienstgericht Süd 2. Kammer - 11.09.2006 - AZ: S 2 VL 6/06
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
am 2. August 2007 beschlossen:
- Es soll Beweis erhoben werden über den am 31. März oder 1. April 2004 vor Lehrgangsteilnehmern an der Sanitätsakademie der Bundeswehr in München erfolgten Vortrag des Soldaten (u.a. zu seinen Erfahrungen und Erlebnissen während seiner im Jahre 2003 erfolgten Einreise in die Demokratische Republik Kongo im Zusammenhang mit der Militäroperation ARTEMIS) durch Vernehmung des Oberfeldarztes d.R. Dr. V.
- Mit der Durchführung der Vernehmung wird der Berichterstatter Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth beauftragt.
Gründe
1 Die Entscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 223 Abs. 1 StPO. Die Vernehmung des aus zwingenden dienstlichen Gründen an der Teilnahme an der für den 22. August 2007 anberaumten Berufungshauptverhandlung gehinderten Zeugen Dr. V. ist im vorliegenden Verfahren zur Wahrheitsfindung erforderlich. Seine Vernehmung durch den beauftragten Richter ist geboten. Anderenfalls müsste der bereits anberaumte Termin zur Berufungshauptverhandlung aufgehoben und auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden, weil eine Vernehmung des Zeugen an einem Termin vor dem 22. August 2007 durch den erkennenden Senat aus terminlichen Gründen nicht möglich ist. Eine spätere Terminierung würde dem Beschleunigungsgebot für Disziplinarsachen (§ 17 Abs. 1 WDO) zuwiderlaufen.
Urteil vom 22.08.2007 -
BVerwG 2 WD 27.06ECLI:DE:BVerwG:2007:220807U2WD27.06.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 22.08.2007 - 2 WD 27.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:220807U2WD27.06.0]
Urteil
BVerwG 2 WD 27.06
- Truppendienstgericht Süd 2. Kammer - 11.09.2006 - AZ: S 2 VL 6/06
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 22. August 2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth,
ehrenamtlicher Richter Oberst i.G. Horn und
ehrenamtlicher Richter Oberstleutnant Wegner
sowie
Leitender Regierungsdirektor Sandbaumhüter
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ..., ...,
als Verteidiger,
Geschäftsstellenverwalterin Kairies
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- Die Berufung des Soldaten gegen das Urteil der 4. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 11. September 2006 wird zurückgewiesen.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Soldaten auferlegt.
Gründe
I
1 Der heute 44 Jahre alte Soldat erwarb nach dem neunjährigen Besuch des Gymnasiums im Jahre 1982 die Allgemeine Hochschulreife. Von 1983 bis 1989 absolvierte er das Studium der Medizin an der Universität M., das er mit der ärztlichen Prüfung am 26. April 1989 erfolgreich abschloss. Nach einer Tätigkeit als Arzt im Praktikum wurde er zum 1. Dezember 1990 zur Ableistung seines Grundwehrdienstes zum Panzergrenadierbataillon ... nach N. einberufen und dort als Truppenarzt eingesetzt. Aufgrund seiner Verpflichtungserklärung wurde er mit Wirkung vom 1. Dezember 1991 im Dienstgrad Stabsarzt in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Auf seinen Antrag wurde ihm mit Urkunde vom 27. Dezember 1995, ausgehändigt am 6. Februar 1996, die Eigenschaft eines Berufssoldaten verliehen. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich am 31. Dezember 2024 enden. Am 23. Juni 2004 ist der Soldat zum „Dr. med.“ promoviert worden.
2 Der Soldat wurde regelmäßig befördert, zuletzt mit Urkunde vom 22. Juli 1998, ausgehändigt am 31. Juli 1998, zum Oberfeldarzt.
3 Nach seiner Truppenarztverwendung beim Panzergrenadierbataillon ... in N. wurde er nach verschiedenen Verwendungen u.a. beim Sanitätsbataillon ... in R. und ab dem 22. September 1992 beim Dienstältesten Deutschen Offizier beim Hauptquartier C... in H. eingesetzt. Nach Folgeverwendungen u.a. bei der .../D/F ...bataillon in Mü., dem Wehrbereichskommando .../... Panzerdivision sowie bei der Panzerbrigade ... in A. wurde er nach vorangehender Kommandierung ab dem 1. Mai 2000 als Sanitätsstabsoffizier Arzt und Kommandeur (Zweitverwendung) ...regiment ... nach K. versetzt. Mit Verfügung Nr. 375 vom 13. März 2003 erfolgte seine Versetzung zum 1. Juli 2003 zur ...akademie ..., Lehrgruppe Ausbildung, in M. Mit Kommandierungsverfügung Nr. 376 vom 13. März 2003 wurde gleichzeitig seine Rückkommandierung von seinem neuen Truppenteil (...akademie ...) zu seinem bisherigen Truppenteil (...regiment ...) für die Zeit vom 1. bis 4. Juli 2003 zur Übergabe der Dienstgeschäfte angeordnet. Mit Kommandierungsverfügung Nr. 688 vom 17. Juni 2003 wurde der Soldat für die Zeit vom 20. Juni bis zum 1. September 2003 von der .../...regiment ... zum Deutschen Verbindungsoffizier (DtVO) beim Generalstab der Interventionskräfte der französischen Armee („État Major des Forces d’Intervention d’Armée“ - EMFIA) kommandiert. Der Kommandierungszeitraum wurde durch Verfügung vom 25. Juni 2003 auf den 29. Juni 2003 verkürzt. Mit weiterer Kommandierungsverfügung Nr. 718 vom 25. Juni 2003 wurde der Soldat anschließend für die Zeit vom 5. Juli bis 1. September 2003 von der ...akademie ..., Lehrgruppe Ausbildung, wiederum zum Deutschen Verbindungsoffizier EMFIA kommandiert. Dieser Kommandierungszeitraum wurde durch Verfügung vom 20. August bis zum 15. September 2003 verlängert. Nach vorausgehender Kommandierung (vom 19. bis 30. April 2004) wurde der Soldat von der ...akademie ... in M. mit Wirkung ab 1. Mai 2004 zum ...kommando als Sanitätsstabsoffizierarzt und S 3-Stabsoffizier versetzt. Er wird dort gegenwärtig in der Abteilung Sanitätsdienst eingesetzt.
4 In der planmäßigen Beurteilung vom 20. März 2003 bewertete der Kommandeur des ...kommandos ... die dienstlichen Leistungen des Soldaten viermal („Einsatzbereitschaft“, „Belastbarkeit“, „Auffassungsgabe“, „Zusammenarbeit“) mit der Höchststufe „7“ und zwölfmal mit der Stufe „6“. Seine „Eignung und Befähigung“ wurde dreimal („Verantwortungsbewusstsein“, „Geistige Befähigung“, „Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung“) mit „E“ und einmal mit „D“ bewertet. Der nächsthöhere Vorgesetzte, der Befehlshaber des ...führungskommandos, schloss sich dieser Beurteilung an und bewertete die Förderungswürdigkeit des Soldaten mit „D“.
5
In der planmäßigen Beurteilung vom 17. Juni 2005 bewertete der Generalarzt ... im ...führungskommando die dienstlichen Leistungen des Soldaten sechsmal („Einsatzbereitschaft“, „Belastbarkeit“, „Auffassungsgabe“, „Zusammenarbeit“, „Fachwissen“, „Ausbildungsgestaltung“) mit der Wertung „7“ und zehnmal mit der Wertung „6“. Im Abschnitt „G. Eignung und Befähigung“ erhielt der Soldat einmal („Geistige Befähigung“) die Wertung „D“ und dreimal die Wertung „E“. Der nächsthöhere Vorgesetzte stimmte dieser Beurteilung zu und führte ergänzend aus:
„Der vorliegenden sehr guten Beurteilung stimme ich uneingeschränkt zu. Das Leistungs- und Eignungsprofil des hoch engagierten, zielstrebigen und flexiblen SanStOffzArzt ist treffend wiedergegeben.
Bei einer ruhigen, aber besonders einsatzfreudigen Art und einem außerordentlich hohen Verantwortungsbewusstsein sind Leistungswillen und -vermögen bei OFArzt ... hervorragend ausgeprägt. Seine körperliche und geistige Fitness ist besonders hervorzuheben. Er ist ein SanStOffzArzt, der fachliche Kompetenz und truppendienstliche Erfordernisse sehr gut in Einklang bringt. Dies hat er sowohl in mehrfachen Auslandseinsatz, bei der Einsatzplanung, -vor- und -nachbereitung, als auch als LehrStOffz bei der Ausbildung junger Sanitätsoffiziere immer wieder gezeigt.“
6 Die Förderungswürdigkeit des Soldaten bewertete er mit „D“.
7 In der Hauptverhandlung vor der Truppendienstkammer hat der Disziplinarvorgesetzte Oberstarzt Dr. W. als Leumundszeuge seine letzte planmäßige Beurteilung des Soldaten bestätigt und bekundet, dieser habe „ein großes Maß an Arrangement“ (offenbar gemeint: Engagement), sei „gewissenhaft bei der Arbeit“ und habe eine hervorragende Berufsauffassung. Unter den ihm, dem Zeugen, unterstellten mehr als 100 Sanitätsoffizieren liege der Soldat im vorderen Drittel.
8
In der Sonderbeurteilung vom 15. November 2006 bestätigte der Zeuge Oberstarzt Dr. W. als Disziplinarvorgesetzter die Bewertung der dienstlichen Leistungen sowie der Eignung und Befähigung des Soldaten aus der planmäßigen Beurteilung vom 17. Juni 2005. Der nächsthöhere Vorgesetzte stimmte dieser Beurteilung „uneingeschränkt“ zu und führte ergänzend aus:
„Bei einer ruhigen aber besonders einsatzfreudigen Art und einem außerordentlich hohen Verantwortungsbewusstsein sind Leistungswillen und -vermögen bei OFArzt ... hervorragend ausgeprägt. ... Er ist ein SanStOffzArzt, der fachliche Kompetenz und truppendienstliche Erfordernisse sehr gut in Einklang bringt. Dies hat er sowohl im mehrfachen Auslandseinsatz, bei der Einsatzplanung, -vor- und -nachbereitung, als auch als LehrStOffz bei der Ausbildung junger Sanitätsoffiziere immer wieder gezeigt.“
9 Seine Förderungswürdigkeit bewertete er mit „D“.
10 Der Soldat ist berechtigt, das Abzeichen für Leistungen im Truppendienst in Gold (Zahl 5) seit dem 5. Dezember 2004 zu tragen. Bereits vorher hatte er die Einsatzmedaille der Bundeswehr (SFOR), die NATO-Einsatzmedaille GECONSFOR (Zahl 3), die Auszeichnung Médaille de la Défense National de bronze und die Einsatzmedaille der Bundeswehr (KFOR) erhalten.
11 Der Auszug aus dem Disziplinarbuch vom 10. Juli 2007 weist eine Förmliche Anerkennung aus, die der Soldat am 29. November 2000 durch den Kommandeur ...einsatzverband GECONSFOR (L) wegen vorbildlicher Pflichterfüllung erhielt. Weitere Eintragungen enthält der Disziplinarbuchauszug nicht. Ebenso finden sich in dem Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 12. Juli 2007 keine Eintragungen.
12 Der Soldat ist ledig und kinderlos. Ausweislich der Auskunft der Wehrbereichsverwaltung - Gebührniswesen - vom 9. November 2006 erhält er Dienstbezüge aus der Besoldungsgruppe A 15 (9. Dienstaltersstufe) in Höhe von brutto 4 452,29 €, netto 3 256,54 €. Seine finanziellen Verhältnisse sind nach seinen eigenen Angaben geordnet.
II
13 Auf Anweisung des Inspekteurs des Heeres leitete der Befehlshaber ...führungskommando, nachdem er dies zuvor zweimal abgelehnt hatte, mit Verfügung vom 1. September 2005, dem Soldaten ausgehändigt am 2. September 2005, das gerichtliche Disziplinarverfahren ein. Vorher war dem Soldaten am 13. Juni und 23. August 2005 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.
14
Mit Anschuldigungsschrift vom 21. März 2006, dem Soldaten zugestellt am 28. März 2006, legte die Wehrdisziplinaranwaltschaft nach zuvor am 21. Februar 2006 erfolgter Anhörung dem Soldaten folgenden Sachverhalt als Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1, § 17 Abs. 2 Satz 1 und 2 SG unter den erschwerenden Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SG zur Last:
„1. Der Soldat reiste an einem nicht mehr genau feststellbaren Tag im August 2003, wahrscheinlich am 02.08.2003, im Rahmen einer Dienstreise zur Besichtigung von Sanitätseinrichtungen der Operation ARTEMIS von ENTEBBE, Uganda, kommend in die Demokratische Republik Kongo ein und besichtigte Sanitätseinrichtungen in BUNIA, obwohl ihm sein damaliger truppendienstlicher Vorgesetzter, der Deutsche Verbindungsoffizier CPCO/ EMIA, Kpt zS Wa., zuvor den Aufenthalt in BUNIA verboten hatte und obwohl dieser ihm mitgeteilt hatte, dass der Antrag des Deutschen Verbindungsoffiziers an das Bundesministerium der Verteidigung, den Soldaten zur Besichtigung von Sanitätseinrichtungen auch nach BUNIA entsenden zu dürfen, von der Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung abgelehnt worden war. Dabei kannte der Soldat das Verbot seines damaligen truppendienstlichen Vorgesetzten und die Entscheidung der Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung, zumindest hätte er diese kennen können und müssen.
2. Am 31.03. oder 01.04.2004 erweckte der Soldat in einem improvisierten Vortrag an der ...Ak... in M. durch die Wortwahl und die undifferenzierte Verwendung von eigenem und Bildmaterial aus einer französischen Bilddatenbank bei zumindest einem Teil der Lehrgangsteilnehmer den Eindruck, er sei während der Operation ARTEMIS nicht nur wie unter 1. geschildert entgegen der Weisungslage im Jahre 2003 in die Demokratische Republik Kongo eingereist, sondern habe dort auch als Beobachter an einem Einsatz französischer und schwedischer Spezialtruppen gegen Einheimische teilgenommen, bei dem es auf Seiten der Einheimischen nur Tote, aber keine Verletzten gab. Er hätte zumindest erkennen können und müssen, dass die Art und Weise seiner Darstellung zu dem geschilderten Eindruck führen konnte.“
15 Die Truppendienstkammer hat mit dem angefochtenen Urteil vom 11. September 2006 gegen den Soldaten wegen eines Dienstvergehens ein Beförderungsverbot auf die Dauer von zwei Jahren in Verbindung mit einer Kürzung seiner jeweiligen Dienstbezüge um ein Zehntel für die Dauer eines Jahres verhängt. Sie hat dabei hinsichtlich beider Anschuldigungspunkte den angeschuldigten Sachverhalt festgestellt. Das Verhalten des Soldaten hat die Truppendienstkammer - ohne nähere Begründung - als Verstoß gegen seine Dienstpflicht nach § 7 SG, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen (Anschuldigungspunkt 1), gemäß § 11 Abs. 1 SG Befehle seiner Vorgesetzten nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und unverzüglich auszuführen (Anschuldigungspunkt 1), gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 SG die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft zu beeinträchtigen (Anschuldigungspunkt 1) sowie gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 SG die Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordert (Anschuldigungspunkt 2), gewertet. Hinsichtlich des unter Anschuldigungspunkt 1 vorgeworfenen Verhaltens habe der Soldat vorsätzlich, hinsichtlich des unter Anschuldigungspunkt 2 vorgeworfenen Verhaltens fahrlässig gehandelt.
16
Gegen dieses ihm am 21. September 2006 zugestellte Urteil hat der Soldat mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2006, beim Truppendienstgericht eingegangen am 20. Oktober 2006, Berufung in vollem Umfange eingelegt und beantragt,
das Urteil des Truppendienstgerichts vom 11. September 2006 aufzuheben und ihn freizusprechen.
17 Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen: Die Feststellungen der Truppendienstkammer zu Anschuldigungspunkt 1 seien in wesentlichen Punkten unzutreffend. Zu Unrecht sei ihm unterstellt worden, er sei im August 2003 entgegen der bestehenden Befehlslage „gemäß seinem bereits vor Dienstantritt gefassten Entschluss“ (mit einer französischen Militärmaschine) in die Demokratische Republik Kongo eingereist. Vielmehr habe er den Entschluss, als Zivilist nach Bunia zu reisen, erst gefasst, nachdem er in Entebbe auf das völlige Unverständnis der französischen Soldaten gestoßen sei und sich damit nicht nur einem erhöhten Erwartungsdruck ausgesetzt gesehen habe, sondern „auch den aus seiner Sichtweise notwendigen Spagat zwischen bestmöglicher Auftragserfüllung und Wahrung des internationalen Ansehens der deutschen Truppe und andererseits den nationalen Beschränkungen, die gerade die Ursache für das entstandene Dilemma im internationalen Umfeld bedingten zu lösen“ gehabt habe. Demzufolge habe er in Kenntnis der Leitungsentscheidung des Bundesministers der Verteidigung zu überlegen gehabt, wie er aus seiner Sicht - unter Beachtung dieser Ministerentscheidung - in rechtstreuer Weise nach Bunia habe reisen können, um den Erfordernissen seiner Auftragserfüllung und dem internationalen Ansehen der deutschen Bundeswehr gerecht zu werden. Daher sei aus seiner Sicht „ein Auftritt in rein ziviler Natur - quasi mit dem Status eines Touristen - insoweit rechtskonform“ gewesen. Er sei davon ausgegangen, dass er in seiner dienstfreien Zeit diese Unternehmung habe vornehmen dürfen, ohne gegen erteilte Weisungen oder Befehle zu verstoßen.
18 Unzutreffend sei auch die Feststellung der Truppendienstkammer, sein Dienstgeschäft habe sich in Entebbe auf eine Besichtigung von Sanitätseinrichtungen beschränkt, die lediglich fünf Stunden angedauert habe. Vielmehr habe der Aufenthalt in Bunia lediglich fünf Stunden gedauert. Der Aufenthalt in Entebbe sei dagegen länger gewesen.
19 Soweit die Truppendienstkammer das Hilfsargument angeführt habe, dass selbst bei Unterstellung eines spontanen Entschlusses, nach Bunia zu reisen, das Verhalten nicht zu rechtfertigen gewesen sei, überzeuge dies nicht. Er habe damals dienstfreie Zeit gehabt und kein durchgehendes Dienstgeschäft auszuführen gehabt. Zum anderen sei für ihn die Entscheidung des Bundesministers der Verteidigung nicht eindeutig gewesen. Er, der Soldat, habe geglaubt, diese Entscheidung auslegen und sein Auftragsgeschäft so bestmöglich erfüllen zu können. Das Tragen von Zivilkleidung habe ihn nicht zu einem „dienstreisenden Soldaten“ gemacht. Auch als Zivilist sei es möglich gewesen, in der französischen Militärmaschine mitzufliegen. Zur Klärung der gegebenen Möglichkeit, als Zivilist in französischen Militärflugmaschinen mitfliegen zu können, müssten gegebenenfalls entsprechende Zeugen der dortigen Armee vernommen werden. Auch müssten die dortigen Bestimmungen für die Nutzung der Militärmaschinen unter Beachtung der vorliegenden Sachlage aufgeklärt werden. Sollte dies aus bestimmten Gründen nicht möglich sein, müsse zumindest nach dem Zweifelsgrundsatz zu seinen Gunsten von seiner Einlassung ausgegangen werden, dass dies möglich gewesen sei. Im Übrigen spreche auch der Umstand der Einreise am 2. August 2003 deutlich dafür, dass es ein spontanes Einreisen mit kurzem Aufenthalt in Bunia gewesen sei. Am 3. August 2003 habe seine Dienstreise mit dem Rückflug nach Paris geendet. Dass er, der Soldat, im Dienstreisebericht vom 11. September 2003 den „Lösungsweg des Problems“ nicht dargelegt habe, sei logisch. Denn er, der Soldat, sei aus seiner Sicht gerade nicht dienstlich und auch nicht als Soldat unterwegs gewesen. Darum sei auch nicht ersichtlich, warum er über seine „Privatreise“ in seinem dienstlichen soldatischen Erfahrungsbericht habe berichten sollen.
20 Hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 2 könne zwar zutreffen, dass er, der Soldat, mit seinem Vortrag aufgrund der von ihm verwendeten Wortwahl zumindest bei einem Teil der Lehrgangsteilnehmer den Eindruck erweckt habe, er sei wegen der Operation ARTEMIS nicht nur entgegen der Befehlslage in die Demokratische Republik Kongo eingereist, sondern habe dort auch als Beobachter an einem Einsatz französischer und schwedischer Spezialtruppen gegen Einheimische teilgenommen, bei denen es auf Seiten der Einheimischen nur Tote, aber keine Verletzten gegeben habe. Indessen sei darin kein vorwerfbares Dienstvergehen zu erblicken. Er, der Soldat, habe aus seiner Sicht nicht erkennen können und habe auch nicht beabsichtigt, mit seinem Vortrag Missverständnisse hervorzurufen. Während des Vortrags und unmittelbar danach habe es ihm gegenüber keinerlei Feedback seitens des Auditoriums gegeben, sodass er, der Soldat, auch nicht habe erkennen können, ein Missverständnis heraufbeschworen zu haben. Vielmehr sei erst in Unterhaltungen nach dem Vortrag innerhalb der Lehrgangsteilnehmer das Missverständnis „auf den Plan“ getreten, wobei er, der Soldat, jedoch nicht mehr zugegen gewesen sei. Er habe mit seinem „spontanen Initiativvortrag“ den Lehrgangsteilnehmern einen aufschlussreichen und zweckdienlichen Vortrag unterbreiten wollen. Dass es zu Missverständnissen gekommen sei, sei ihm, dem Soldaten, erst anlässlich seiner ersten Vernehmung während der Vorermittlungen bekanntgeworden.
21 Ferner sei am angegriffenen Urteil der Truppendienstkammer zu rügen, dass die Begründung hinsichtlich des Fehlens von Milderungsgründen in der Tat unzureichend sei.
III
22 1. Die am 20. Oktober 2006 eingelegte Berufung des Soldaten gegen das ihm am 21. September 2006 zugestellte Urteil ist zulässig. Sie ist statthaft; ihre Förmlichkeiten sind gewahrt (§ 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WDO).
23 2. Die Berufung ist ausdrücklich und nach ihrem eindeutigen Wortlaut in vollem Umfange eingelegt worden. Der Senat hat daher im Rahmen der Anschuldigung (§ 123 Satz 3 i.V.m. § 107 Abs. 1 WDO) eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, diese rechtlich zu würdigen und die sich daraus ergebenden Folgerungen zu ziehen sowie unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbotes (§ 123 Satz 3 WDO i.V.m. § 331 Abs. 1 StPO) gegebenenfalls über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.
24 3. Die Berufung hat keinen Erfolg.
25 a) Der Senat hat gemäß § 123 Satz 3 i.V.m. § 107 Abs. 2 Satz 2 WDO nach zuvor erfolgter Anhörung des Bundeswehrdisziplinaranwalts (und der Verteidigung) den dem Soldaten in Anschuldigungspunkt 2 zur Last gelegten Vorwurf (Äußerungen des Soldaten bei seinem Vortrag in der ...akademie ... in M.) aus dem gerichtlichen Disziplinarverfahren ausgeklammert. Angesichts der in der Berufungshauptverhandlung zu Anschuldigungspunkt 1 getroffenen Feststellungen fällt der in Anschuldigungspunkt 2 erhobene Vorwurf für die Art und die Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht entscheidungserheblich ins Gewicht. Denn bereits aufgrund des von Anschuldigungspunkt 1 erfassten und vom Senat in der Berufungshauptverhandlung hierzu festgestellten Sachverhaltes hätte gegen den Soldaten eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme in Gestalt einer Dienstgradherabsetzung (um zumindest einen Dienstgrad) ausgesprochen werden müssen. Da die Truppendienstkammer den Soldaten jedoch lediglich zu einem Beförderungsverbot in Verbindung mit einer Kürzung seiner jeweiligen Dienstbezüge verurteilt und da ausschließlich der Soldat Berufung gegen dieses Urteil eingelegt hat, hätte das Verschlechterungsverbot (§ 123 Satz 3 WDO i.V.m. § 331 Abs. 1 StPO) auch im Falle einer Einbeziehung des von Anschuldigungspunkt 2 erfassten Sachverhaltes keine andere Entscheidung als eine Zurückweisung der Berufung des Soldaten zugelassen.
26 b) Zu Anschuldigungspunkt 1 (Reise des Soldaten von Entebbe nach Bunia) hat der Senat aufgrund der Einlassungen des Soldaten, soweit ihnen gefolgt werden konnte, der Bekundungen der vernommenen Zeugen Kapitän zur See a.D. Wa. und Oberstarzt Dr. W. sowie der gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 StPO zum Gegenstand der Berufungshauptverhandlung gemachten Urkunden und Schriftstücke die nachfolgenden tatsächlichen Feststellungen getroffen:
27 Aufgrund seiner mit den Verfügungen vom 17. und 25. Juni 2003 erfolgten Kommandierungen zum Deutschen Verbindungsoffizier (DtVO) beim Generalstab der Interventionskräfte der französischen Armee („État Major des Forces d’Intervention d’Armée“ - EMFIA) in Paris wurde der Soldat vom 21. bis zum 28. Juni sowie vom 5. Juli bis 15. September 2003 im EU-Operationshauptquartier für die Militäroperation ARTEMIS auf einem der beiden mit deutschen Offizieren zu besetzenden Dienstposten als Medical Advisor (J 4-Med) des Kommandeurs der Operation (OpCdr), eines französischen Generals, eingesetzt; der andere mit einem deutschen Offizier besetzte Dienstposten war derjenige des Adjutanten des Kommandeurs der Operation ARTEMIS. Der Operationsname ARTEMIS war die EU-interne Bezeichnung für die EU-geführte militärische Eingreiftruppe EUFOR. Disziplinarvorgesetzter des Soldaten während dieser Verwendung war der Zeuge Hartmut Wa., der zu dieser Zeit mit dem Dienstgrad eines Kapitäns zur See Marineattaché bei der Deutschen Botschaft in Paris sowie Deutscher Verbindungsoffizier beim EMFIA und nationaler Vertreter beim ARTEMIS-Operationshauptquartier in Paris war.
28 Völkerrechtliche Grundlage für den Einsatz von EUFOR in der Demokratischen Republik (DR) Kongo (ehemals Zaire) war die am 30. Mai 2003 vom UN-Sicherheitsrat verabschiedete Resolution 1484 (2003), mit der dieser den bis zum 1. September 2003 zeitlich befristeten Einsatz einer multinationalen Eingreiftruppe („Interim Emergency Multinational Force“ - IEMF) in der Stadt Bunia in der DR Kongo (Region Ituri) auf der Basis des Kapitels VII der Charta der Vereinten Nationen autorisiert und die UN-Mitgliedstaaten aufgerufen hatte, sich mit Personal, Material und der notwendigen finanziellen und logistischen Unterstützung an dieser Eingreiftruppe zu beteiligen. Die Eingreiftruppe sollte die Zeit bis zum Eintreffen militärischer Verstärkungskräfte für die bereits laufende und um ein Jahr verlängerte Militäroperation MONUC („Mission de l’Organisaton des Nations Unies en République Démocratique du Congo“) überbrücken. Im Nordosten (Region Ituri; Provinzhauptstadt Bunia) der DR Kongo fanden seit Jahren bewaffnete Auseinandersetzungen statt, an denen Truppen der kongolesischen Zentralregierung und verschiedene Milizen und „Rebellengruppen“ sowie (bis zum Mai 2003) Einheiten mehrerer benachbarter afrikanischer Staaten beteiligt waren.
29 Der Rat der Europäischen Union hatte sodann im Rahmen der auf Art. 11 EU-Vertrag i.d.F. vom 24. Dezember 2002 (Amtsblatt Nr. C 325 S. 33) gestützten „Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik“ (GASP) mit der am 5. Juni 2003 nach Art. 14, 18 Abs. 5, 25 Abs. 3, 26 und 28 EU-Vertrag verabschiedeten „Gemeinsamen Aktion“ (vgl. ABl EG Nr. L 143 vom 11. Juni 2003 S. 50) beschlossen, die Führung der multinationalen Eingreiftruppe IEMF unter der Bezeichnung ARTEMIS zu übernehmen und sich dabei auf Frankreich als „Rahmennation“ („Framework Nation“) abzustützen, wobei das Operationshauptquartier beim „Centre de planification et de conduite des opérations“ (CPCO) in Paris eingerichtet werden sollte (Art. 4 des EU-Rat-Beschlusses). Als EUFOR- bzw. ARTEMIS-Einsatzgebiet wurde die Provinzhauptstadt Bunia in der Nordostregion der DR Kongo festgelegt. Mit weiterem Beschluss vom 12. Juni 2003 (vgl. ABl EG Nr. L 147 vom 14. Juni 2003 S. 42) traf der EU-Rat auf der Grundlage von Art. 17 Abs. 2 EU-Vertrag die Entscheidung zum Beginn der Operation am 12. Juni 2003 (Art. 3 des Ratsbeschlusses).
30
Der Deutsche Bundestag stimmte auf Antrag der Bundesregierung (BT-Drucks. 15/1168) mit Beschluss vom 18. Juni 2003 dem Einsatz deutscher militärischer Kräfte zur Unterstützung der Militäroperation ARTEMIS zu (BT-Drucks. 15/1168, 15/1176; Plenarprotokoll 15. Wahlperiode - 51. Sitzung, Mittwoch, 18. Juni 2003 S. 4240 D). Der deutsche Beitrag wurde im Beschluss des Deutschen Bundestages wie folgt umschrieben:
„Die Bundesrepublik Deutschland leistet einen Beitrag zur Unterstützung der EUFOR. Die zu diesem Zweck eingesetzten deutschen Kräfte haben insbesondere folgende Aufgaben:
- Verlegung,
- Unterstützung des Betriebs der logistischen Basis außerhalb der Demokratischen Republik Kongo, derzeit geplant in Entebbe,
- Lufttransport bis zur logistischen Basis,
- AIRMEDEVAC,
- Eigensicherung,
- im Bedarfsfall Eigenevakuierung,
- Rückverlegung.“
31
Im Hinblick auf das Einsatzgebiet von Bundeswehrangehörigen im Rahmen der Operation ARTEMIS wurde im Beschluss unter Ziffer 7, letzter Satz, festgelegt:
„Deutsche Kräfte werden - außer im Not- oder Evakuierungsfall - nicht in Bunia eingesetzt.“
32
Auf der Grundlage des Beschlusses des Deutschen Bundestages erging u.a. die Weisung Nr. 2 des Bundesministeriums der Verteidigung (Leiter KSEA/StAL Fü S V) vom 18. Juni 2003, mit der dem Operationshauptquartier in Paris die für eine deutsche Beteiligung an der Militäroperation ARTEMIS vorgesehenen Kräfte angezeigt wurden, darunter:
„Kräfte für die Beteiligung am EU OHQ in Paris und zur Verstärkung DtVO CPCO/EMFIA .“
33
Da der Soldat und der Deutsche Verbindungsoffizier, der Zeuge Wa., der Auffassung waren, die Wahrnehmung der Aufgabenbereiche des Soldaten als Medical Advisor (J 4 MED) sowie des zweiten im Operationshauptquartier als Adjutant des Kommandeurs (OpCdr) eingesetzten deutschen Offiziers erfordere die persönliche Inaugenscheinnahme der eingesetzten Kräfte und der Sanitätseinrichtungen vor Ort in der logistischen Basis in Entebbe (Uganda) sowie der Einrichtungen in Bunia (DR Kongo), fragte der Zeuge Wa. zunächst telefonisch beim Bundesministerium der Verteidigung um eine entsprechende Erlaubnis nach. Nach seinen Angaben wurde ihm dabei von dem zuständigen Referatsleiter „bedeutet, dass man darüber kein großes Aufsehen machen solle“ und er „durchaus die Reisen genehmigen könne“. Da der Zeuge Wa. angesichts der von ihm gesehenen politischen und rechtlichen Brisanz einer Dienstreise in die DR Kongo eine solche informelle Vorgehensweise ablehnte, stellte er am 27. Juni 2003 eine schriftliche Anfrage an das Bundesministerium der Verteidigung (StAL Fü S V und RL Fü S V 2) und beantragte die „Dienstreisen J 4 MED und MA OpCmdr ins Einsatzgebiet (BUNIA und ENTEBBE)“. In dem Antrag heißt es:
„1. Im Rahmen der Erstellung von Contingency-Planungen für Not- und Evakuierungsoperationen ist durch OpCmdr beabsichtigt, u.a. auch das im OHQ eingesetzte DEU Personal beginnend ab 27. KW ins Einsatzgebiet zu entsenden (MA Begleitung des OpCmdr, J 4 MED: Überprüfung der SanUstg vor Ort).
2. Vor dem Hintergrund Bez. bitte ich um Herbeiführung einer Leitungsentscheidung, bevor ich dem mir unterstellten Personal hierzu die Genehmigung erteile.“
34 Dieser Antrag wurde im Bundesministerium der Verteidigung vom Führungsstab der Streitkräfte (Leiter des Referates FÜ S V 2) mit Stellungnahme vom 1. Juli 2003 (BA I Bl. 62) befürwortet, von der Leitung des Bundesministeriums jedoch abgelehnt. Der Soldat erhielt daraufhin seinen Dienstreiseantrag ungenehmigt zurück. Der Zeuge Wa. informierte nicht nur die Führung des ARTEMIS-Operationshauptquartiers in Paris, sondern auch den Soldaten und den zweiten dort eingesetzten deutschen Offizier über die erfolgte Entscheidung der Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung.
35 Unter dem 24. Juli 2003 stellte der Soldat in Absprache mit dem Zeugen Wa. einen neuen Dienstreiseantrag, in dem als Reiseziel „Entebbe, Uganda“, als Beginn der Dienstreise „28.07.2003“, als Ende des Dienstgeschäfts in Entebbe „Datum: 02.08.2003 Uhrzeit: 1400 loc Uhr“ sowie hinsichtlich des Reisezwecks „Erkundung/Überprüfung San-Einrichtungen i.E., Planungen StratAirmedevac, Planung SanDst bei Übergabe an UN-Truppen TF 2, SanDstL. Einzelabsprachen mit LSO i.E.“ eingetragen wurden.
36 Mit Dienstreiseanordnung Nr. 2/2003 genehmigte der Zeuge Dr. W. diesen Dienstreiseantrag. Bei dessen Aushändigung, jedenfalls aber vor dem für den 28. Juli 2003 vorgesehenen Abflug des Soldaten nach Entebbe (Uganda), erklärte der Zeuge Wa. diesem, dass die Dienstreise nur nach Entebbe, nicht jedoch nach Bunia (DR Kongo) angeordnet sei und dementsprechend nur dorthin durchgeführt werden dürfe; ein Aufenthalt „von deutschen Soldaten in Bunia“ sei „verboten“. Dementsprechend war dem Soldaten auch bewusst, dass er die Dienstreise nur nach Entebbe durchführen durfte.
37 Am 28. Juli 2003 trat der Soldat (im Rahmen eines Militärlufttransports) seine angeordnete Dienstreise von Paris aus an und traf nach mehreren Zwischenstopps am Donnerstag, dem 31. Juli 2003 in Entebbe (Uganda) ein. Sein französischer Kollege hatte dort ein Programm erstellt. Nach diesem Plan war neben der Inspizierung der Sanitätseinrichtungen in Entebbe auch eine Besichtigung von Sanitätseinrichtungen in Bunia (DR Kongo) „für den Freitag“, also für den 1. August 2003, vorgesehen. Auf den Einwand des Soldaten, das Auftreten deutscher Soldaten in der DR Kongo und damit auch in Bunia sei von der deutschen Regierung und von seinen Vorgesetzten „politisch nicht gewünscht“, äußerten ihm gegenüber - so seine unwiderlegte Einlassung - französische Soldaten Unverständnis und machten geltend, für die (Eventual-)Planung einer (Notfall-)Evakuation sei die Besichtigung der Sanitätseinrichtungen auch in Bunia (DR Kongo) sinnvoll. Der Soldat fragte daraufhin bei seinen französischen Gesprächspartnern nach, ob die französischen Soldaten ihn - ohne Uniform und „gleichsam privat in seiner Freizeit“ - auf einem Flug mit nach Bunia zur Besichtigung der dortigen Sanitätseinrichtungen mitnehmen könnten. Nach interner Abklärung sahen diese dafür keine Hindernisse. Am Nachmittag des Ankunftstages (31. Juli) und am Freitag, dem 1. August 2003 besichtigte der Soldat in Entebbe dann noch Sanitätseinrichtungen, „begleitete“ den Dienstbetrieb im dortigen „Hauptquartier“ und inspizierte zusätzlich, wie von Kameraden aus dem Sanitätsamt der Bundeswehr erbeten, eine technische Einrichtung („Highloader“) am Flughafen Entebbe.
38
Am darauf folgenden Tag (2. August 2003) flog der Soldat in einer französischen Militärmaschine zusammen mit französischen Soldaten von Entebbe
(Uganda) nach Bunia (DR Kongo). Vorher nahm der Soldat von Entebbe aus weder mit seinem Disziplinarvorgesetzten, dem Zeugen Dr. W., der als Deutscher Verbindungsoffizier und nationaler Vertreter beim ARTEMIS-Operationshauptquartier in Paris verblieben war und dessen dienstliche Mobiltelefonnummer er kannte, noch mit dem Bundesministerium der Verteidigung Rücksprache, um die Zulässigkeit seines Vorhabens abzuklären.
39 Nach der Landung auf dem Flughafen von Bunia (DR Kongo) besichtigte der Soldat dort am 2. August 2003 in Begleitung französischer Offiziere Sanitätseinrichtungen, wobei er in einem ungepanzerten Geländewagen der französischen Armee transportiert wurde. Er trug dabei nach seinen unwiderlegten Angaben keine Uniform. Während des Landeanfluges zum Flughafen von Bunia sowie nach dem Start zum Rückflug benutzte er allerdings eine Splitterschutzweste, auf die er sich setzte, um sich - ebenso wie die französischen Soldaten - im Falle von befürchtetem Bodenbeschuss vor einschlagenden Geschossprojektilen zu schützen. Für den Soldaten wurde nach seinen unwiderlegten Angaben in Bunia ein mündliches „Briefing“ über einen Einsatz französischer und schwedischer Militärkräfte in der DR Kongo durchgeführt, der erfolgt sei, weil zuvor aus einem kongolesischen Dorf heraus wiederholt Flugzeuge unter Beschuss genommen worden seien. Während jenes Militäreinsatzes französischer und schwedischer Soldaten seien diese beschossen worden und hätten daraufhin das Feuer „erwidert“. Nach ca. fünf Stunden Aufenthalt in Bunia flog der Soldat aus der DR Kongo mit einer französischen Militärmaschine wieder nach Entebbe (Uganda) zurück.
40 Diesen vom Senat festgestellten Sachverhalt hat der Soldat in der Berufungshauptverhandlung in allen entscheidungsrelevanten Punkten letztlich eingeräumt. Dem steht nicht entgegen, dass der Soldat geltend gemacht hat, sein Disziplinarvorgesetzter, der Zeuge Wa., habe ihm vor dem Abflug von Paris nach Entebbe nicht in Gestalt eines förmlichen „Befehls“ ausdrücklich „verboten“, von Entebbe aus nach Bunia zu reisen; der Zeuge Wa. habe ihm gegenüber lediglich „erklärt“, die „Dienstreise endet in Entebbe“, weil ein Auftreten deutscher Soldaten in Bunia von Seiten der Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung politisch nicht erwünscht sei. Denn mit dieser Einlassung hat der Soldat weder den Inhalt der ihm vom Zeugen Wa. erteilten schriftlichen Dienstreiseanordnung bestritten noch in Abrede gestellt, dass er von diesem auch mündlich davon in Kenntnis gesetzt und darüber belehrt wurde, dass er im Rahmen der Dienstreise nur befugt war, nach Entebbe (Uganda), nicht aber nach Bunia (DR Kongo) zu reisen. Dafür, dass dem Soldaten diese geographische Begrenzung seiner Dienstreise durch den Zeugen Wa. unmissverständlich vermittelt wurde, spricht auch, dass der Soldat in seinem nach Abschluss der Dienstreise nach Entebbe erstellten „Entwurf Erfahrungsbericht zur Tätigkeit als J4 Med/MEDAD im EU-OHQ in Paris während der Operation ARTEMIS in der Demokratischen Republik Kongo (COD)“ vom 11. September 2003 selbst bestätigte, dass seine in Rede stehende Dienstreise „mit der Auflage“ genehmigt worden war, „in ENTEBBE zu bleiben und nicht nach Bunia zu gehen.“ Diesem von ihm verfassten Bericht zur Folge war ihm genau diese aus seiner Sicht „die Auftragserfüllung beeinträchtigende Einschränkung“ bekannt, die - wie er zum Ausdruck brachte - von „Offizieren anderer Nationen mit Unverständnis aufgenommen worden“ sei. Damit bestätigte der Soldat im Kern die Bekundungen des Zeugen Wa., der in der Berufungshauptverhandlung auch auf wiederholte Nachfrage glaubhaft versichert und bestätigt hat, dass er den Soldaten vor der Abreise nach Entebbe unmissverständlich von dem Inhalt der Dienstreiseanordnung in Kenntnis gesetzt habe, wonach eine Reise des Soldaten nach Bunia im Rahmen der angeordneten Dienstreise eindeutig unzulässig gewesen sei. Zudem hat auch der Soldat sowohl vor der Truppendienstkammer („Ich durfte die Dienstreise nur nach Entebbe durchführen.“) als auch in der Berufungshauptverhandlung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt, dass er aufgrund der ihm erteilten Anweisung(en) seiner Vorgesetzten „die Dienstreise nur nach Entebbe“ durchführen durfte. Soweit der Soldat dabei zugleich geltend gemacht hat, ihm sei angesichts dessen nach seiner (damaligen und heutigen) Auffassung lediglich verboten gewesen, „im Rahmen der Dienstreise“, nicht aber „gleichsam privat“ in Zivilkleidung zusammen mit französischen Soldaten von Entebbe aus nach Bunia zu reisen, betrifft dies lediglich die rechtliche Qualifizierung seines Verhaltens, nicht jedoch den festgestellten Sachverhalt.
41 c) Mit seiner am 2. August 2003 erfolgten Reise von Entebbe (Uganda) nach Bunia (DR Kongo) hat der Soldat seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt, seinen Vorgesetzten zu gehorchen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SG) und ihm erteilte Befehle vollständig, gewissenhaft und unverzüglich auszuführen (§ 11 Abs. 1 Satz 2 SG), Disziplin zu wahren (17 Abs. 1 Alt. 1 SG) sowie mit seinem Verhalten dem Ansehen der Bundeswehr und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordert (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG).
42
aa) Verstoß gegen § 11 Abs. 1 SG
Der Soldat war ungehorsam gegenüber dem ihm durch seinen Disziplinarvorgesetzten, den Zeugen Wa., in Gestalt der Dienstreiseanordnung und der ergänzenden Erläuterungen erteilten Befehl, die in Rede stehende Dienstreise (ausschließlich) nach Entebbe (Uganda) durchzuführen.
43 Ihm war durch Befehl untersagt, sich während der für den 28. Juli bis zum 3. August 2003 (Ende des Dienstgeschäfts in Entebbe/Uganda: 14.00 loc Uhr) angeordneten Dienstreise in die DR Kongo zu begeben.
44 Die vom Soldaten geäußerten Zweifel an dem Befehlscharakter der Dienstreiseanordnung und der ergänzenden diesbezüglichen Erklärungen seines Disziplinarvorgesetzten, des Zeugen Wa., greifen nicht durch.
45 Ein „Befehl“ liegt dann vor, wenn einem militärischen Untergebenen durch einen militärischen Vorgesetzten (oder durch den Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt <Art. 65a GG> oder im Verhinderungsfall durch dessen Vertreter im Amt) schriftlich, mündlich oder in anderer Weise eine Anweisung zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen mit Gehorsamsanspruch erteilt wird (vgl. zur stRspr des Senats zum Inhalt des Befehlsbegriffs nach § 11 Abs. 1 SG i.V.m. § 2 Nr. 2 WStG u.a. Urteile vom 21. Juni 2005 - BVerwG 2 WD 12.04 - BVerwGE 127, 302 = Buchholz 236.1 § 11 SG Nr. 1 = NJW 2006, 77 <80> = EuGRZ 2006, 636 <646> und vom 26. September 2006 - BVerwG 2 WD 2.06 - BVerwGE 127,1 = Buchholz 449 § 10 SG Nr. 55 = NZWehrr 2007, 79 jeweils m.w.N.). Dabei ist nicht erforderlich, dass vom Anweisenden der Ausdruck „Befehl“ verwendet wird (vgl. u.a. Beschluss vom 12. Oktober 1983 - BVerwG 1 WB 128.82 - BVerwGE 76, 122 = NZWehrr 1984, 118; Urteil vom 3. Juli 2007 - BVerwG 2 WD 12.06 -). Maßgebend ist - wie auch bei anderen Erklärungen im Rechtsverkehr - der Erklärungsgehalt nach dem Empfängerhorizont eines objektiven Betrachters (sog. objektivierter Empfängerhorizont gemäß §§ 133, 157 BGB analog).
46 Die Dienstreiseanordnung in Verbindung mit den ergänzenden Erklärungen des Zeugen Wa., des militärischen Vorgesetzten des Soldaten, war in diesem Sinne nach dem objektivierten Empfängerhorizont eine Anweisung zu einem bestimmten Verhalten, nämlich die Dienstreise nur nach Entebbe (Uganda) zu dem darin angegebenen Zweck durchzuführen. Sie legte den Zeitpunkt, den Zweck und die näheren Modalitäten der Dienstreise fest. Nur aufgrund ihres Ergehens durfte sich der Soldat während seiner Dienstzeit nach Entebbe (Uganda) begeben. Nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt, der gegenüber dem Soldaten durch die mündlichen Erläuterungen und Belehrungen durch den Disziplinarvorgesetzten vor der Abreise aus Paris nach Entebbe noch verdeutlicht wurde, schloss sie für den Soldaten insbesondere aus, sich während der vom 28. Juli bis 3. August 2003 dauernden Dienstreise in die DR Kongo zu begeben. Auch die der Dienstreiseanordnung zugrunde liegende Entscheidung der Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung war dem Soldaten durch seinen Disziplinarvorgesetzten vermittelt worden und ihm bekannt.
47 Entgegen der Auffassung des Soldaten ließ die getroffene Anordnung in Verbindung mit den ihm gegebenen Erläuterungen keinen Spielraum für seine Mitreise in Zivilkleidung in einem französischen Militärflugzeug zwecks Besichtigung von Sanitätseinrichtungen in Bunia (DR Kongo). Dies ergibt sich bereits daraus, dass als „Reiseziel“ in der Dienstreiseanordnung in Verbindung mit dem darin in Bezug genommenen Dienstreiseantrag des Soldaten ausschließlich „Entebbe, Uganda“ angegeben und damit angeordnet wurde. Als „Reisezweck“ waren allein die „Erkundung/Überprüfung“ der Sanitätseinrichtungen im Einsatzland („i.E.“), die Durchführung von „Planungen StratAirmedevac“ (= strategischer Verwundetenlufttransport), die „Planung“ von Sanitätsdiensten „bei Übergabe an UN-Truppen TF 2“ sowie „Sanitätsdienstliche Einzelabsprachen“ mit dem Leitenden Sanitätsoffizier im Einsatzland („LSO i.E.“) festgelegt worden. „Einsatzland“ war, wie der Zeuge Wa. in der Berufungshauptverhandlung nochmals ausdrücklich bestätigt hat, für die Soldaten/Soldatinnen der Bundeswehr im Rahmen der Operation ARTEMIS aufgrund der im Beschluss des Deutschen Bundestages vom 18. Juni 2003 enthaltenen Begrenzungen und der diese umsetzenden Weisungen des Bundesministers der Verteidigung allein Uganda, nicht aber die DR Kongo. Zwar heißt es in dem vom Sanitätsführungskommando der Bundeswehr (G 3.1 Einsatz/Übungen) erlassenen „Befehl zur Ausplanung und Vorbereitung eines Beitrages des ZSanDstBw zur EU Operation ‚ARTEMIS’ in der Demokratischen Republik Kongo“ vom 18. Juni 2003 (BA VIII 87) im Abschnitt „Lage“ unter „b. Eigene Lage“: „Im Not- oder Evakuierungsfall erlaubt das Mandat (= des Deutschen Bundestages) die Möglichkeit von Lufttransport/STRATAIRMEDEVAC bis nach Bunia“. Dies änderte aber nichts daran, dass während der für den Zeitraum vom 28. Juli bis 3. August 2003 angeordneten Dienstreise des Soldaten ein solcher „Not- oder Evakuierungsfall“ nicht vorlag und dass die Dienstreiseanordnung als Reiseziel für den Soldaten ausschließlich Entebbe (Uganda) festlegte und hierzu keine Einschränkung oder „fakultative Öffnungsklausel“ enthielt.
48 Der dem Soldaten in Gestalt dieser Dienstreiseanordnung (in Verbindung mit den ihm dazu durch den Disziplinarvorgesetzten gegebenen mündlichen Erklärungen und Erläuterungen) erteilte Befehl war mithin klar und bestimmt. Er wird auch in der Anschuldigungsschrift (Anschuldigungspunkt 1) hinreichend präzise bezeichnet (vgl. allgemein zu den Anforderungen an die Bestimmtheit der Anschuldigungsschrift beim Vorwurf des Ungehorsams u.a Urteile vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 - BVerwGE 118, 161 = Buchholz 235.01 § 107 WDO 2002 Nr. 1 = NZWehrr 2004, 31), vom 18. September 2003 - BVerwG 2 WD 3.03 - BVerwGE 119, 76 = Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 11 = NZWehrr 2005, 122 und vom 21. Juni 2005 - BVerwG 2 WD 12.04 - BVerwGE 127, 302 <306 ff.> = EuGRZ 2005, 636 <641>).
49 Gegenüber diesem ihm erteilten Befehl war der Soldat ungehorsam, weil er das aus den ihm bekannten Gründen ausdrücklich ihm auferlegte Gebot, die Dienstreise allein nach Entebbe (Uganda) durchzuführen, nicht gewissenhaft vollzog sowie das damit verbundene Verbot, nicht in die DR Kongo zu reisen, nicht beachtete. Indem er - auf eigenen Entschluss - am 2. August 2003 in einem Militärflugzeug zusammen mit französischen Soldaten nach Bunia (DR Kongo) flog, sich dort etwa fünf Stunden aufhielt, an einem „Briefing“ teilnahm und Sanitätseinrichtungen besichtigte, missachtete er die ihm durch die Dienstreiseanordnung für die Dienstreise auferlegten Beschränkungen und das damit verbundene, von seinem Disziplinarvorgesetzten ausgesprochene Verbot der Einreise in die DR Kongo. Dabei ist unerheblich, welche Kleidung der Soldat während seines Fluges und seines Aufenthaltes in der DR Kongo trug. Das ihm auferlegte Gebot, die Dienstreise allein nach Entebbe (Uganda) durchzuführen sowie das damit verbundene Verbot, nicht in die DR Kongo zu reisen, richteten sich an ihn - in Person - als militärischen Untergebenen für die gesamte Dauer der angeordneten Dienstreise und waren nicht davon abhängig, ob er dabei in diesem Zeitraum durchgängig Dienst- oder zeitweise Zivilkleidung trug. Denn auch dann, wenn der Soldat zeitweise berechtigter- oder unberechtigterweise nicht Dienstkleidung getragen haben sollte, verlor er dadurch nicht seinen rechtlichen Status als Soldat der Bundeswehr. Er unterstand weiterhin in truppendienstlicher Hinsicht seinen militärischen deutschen Vorgesetzten und blieb an die ihm erteilten Befehle gebunden. Die Vorstellung des Soldaten, er habe sich seinem militärischen Status als Soldat der Bundeswehr während der für die Zeit vom 28. Juli bis 3. August 2003 mit dem ausschließlichen Reiseziel Entebbe (Ugangda) angeordneten Dienstreise am 2. August 2003 dadurch entziehen können, dass er in Zivilkleidung schlüpfte und den Reisetag als „dienstfrei“ deklarierte, ist rechtsirrig.
50 Der Soldat verletzte seine Gehorsamspflicht vorsätzlich. Denn nach den vom Senat in der Berufungshauptverhandlung getroffenen Feststellungen kannte der Soldat den Inhalt der ihm erteilten Dienstreiseanordnung und der ihm dazu durch den Disziplinarvorgesetzten, den Zeugen Wa., gegebenen Erläuterungen sowie die zugrundeliegende Entscheidung der Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung. Er wusste und wollte auch, dass er sich mit den französischen Soldaten mittels eines französischen Militärflugzeuges von Entebbe aus nach Bunia und damit in die DR Kongo begab, um dort Sanitätseinrichtungen zu besichtigen.
51 Selbst wenn der Soldat - woran der Senat nach dem Ergebnis der Berufungshauptverhandlung erhebliche Zweifel hegt - zum Tatzeitpunkt subjektiv geglaubt haben sollte, er missachte mit seiner Reise nach Bunia „nicht im rechtlichen Sinne“ den ihm erteilten Befehl, würde dies nichts am Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung ändern. Hätte dem Soldaten bei Begehung der Tat tatsächlich die Einsicht gefehlt, Unrecht zu tun (§ 17 StGB analog), ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass ein solcher Verbotsirrtum für ihn unvermeidbar war. Die vom Senat in der Berufungshauptverhandlung getroffenen Feststellungen belegen das Gegenteil.
52 Unvermeidbar wäre ein solcher Verbotsirrtum nur dann gewesen, wenn der Soldat vor der Nichtbefolgung des Befehls alles ihm Mögliche und Zumutbare getan hätte, um sich bei seinem Disziplinarvorgesetzten oder einer anderen zuständigen Stelle zu vergewissern, dass sein Handeln mit dem ihm erteilten Befehl vereinbar war. Als Nicht-Jurist war er im Falle von rechtlichen Zweifeln am Inhalt oder an der Verbindlichkeit des ihm erteilten Befehls zudem gegebenfalls gehalten, hierzu rechtlichen Sachverstand zu konsultieren, insbesondere etwa durch ausdrückliche Anfrage bei dem für seinen Bereich zuständigen Rechtsberater. Beides hat er jedoch nicht getan. Weder hat er auch nur versucht, mit seinem Disziplinarvorgesetzten, dem Zeugen Wa., vor seiner Reise in die DR Kongo Rücksprache zu nehmen, obwohl ihm - wie er in der Berufungshauptverhandlung eingeräumt hat - dessen dienstliche Mobiltelefonnummer bekannt war und zur Verfügung stand, noch hat er sich im Falle der Unerreichbarkeit seines unmittelbaren Disziplinarvorgesetzten darum bemüht, eine Klärung durch einen Rückruf bei einer anderen zuständigen Stelle herbeizuführen, obwohl er nach seiner eigenen Einlassung dazu in der Lage gewesen wäre. Damit hat der Soldat gemäß der entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 17 StGB für sein Fehlverhalten uneingeschränkt einzustehen.
53 bb) Mit dem von Anschuldigungspunkt 1 erfassten und vom Senat festgestellten Verhalten verstieß der Soldat auch gegen seine dienstliche Pflicht, Disziplin zu wahren (§ 17 Abs. 1 SG).
54 Der Inhalt des Begriffs „Disziplin“ wird im Gesetz nicht definiert, sondern vorausgesetzt. Üblicherweise wird sowohl im militärischen Bereich als auch im allgemeinen Sprachgebrauch unter Wahrung der „Disziplin“ verstanden, dass der Soldat sich - in den vom geltenden Recht gezogenen Grenzen - in das militärische Gefüge selbstbeherrscht ein- und damit unterordnet und die militärische Ordnung einhält (vgl. dazu u.a. Scherer/Alff, SG, 7. Aufl. 2003, § 17 Rn. 2). Bereits der Wortlaut der Vorschrift lässt erkennen, dass es bei Verletzungen dieser Pflicht regelmäßig um ein Verhalten gegenüber Vorgesetzten geht. Ein Verhalten gegenüber Außenstehenden, mag es auch von mangelnder Selbstbeherrschung zeugen, verstößt regelmäßig nicht gegen diese Pflicht des Soldaten, Disziplin zu wahren (Urteil vom 6. Juli 1976 - BVerwG 2 WD 11.76 - BVerwGE 53, 178 <181> = NZWehrr 1977, 97). Während ein Ungehorsam (Verstoß gegen § 11 Abs. 1 SG) einen Verstoß gegen einen konkreten - verbindlichen - Befehl voraussetzt, der nach ständiger Rechtsprechung des Senats in der Anschuldigungsschrift konkret bezeichnet werden muss (vgl. dazu u.a Urteile vom 6. Mai 2003 a.a.O., vom 18. September 2003 a.a.O. und vom 21. Juni 2005 a.a.O.), reicht es für einen Verstoß gegen § 17 Abs. 1 SG aus, dass der betreffende Soldat mit seinem Verhalten eine gegenüber Vorgesetzten bestehende Pflicht verletzt. Durchgreifende Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift bestehen nicht (vgl. u.a. Walz, in: Walz/Eichen/Sohm, SG, 2006, § 17 Rn. 28 m.w.N.). Die Regelung schränkt als Bestandteil der „verfassungsmäßigen Ordnung“ für Soldaten das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) im Sinne des § 6 Satz 2 SG „im Rahmen der Erfordernisse des militärischen Dienstes“ in hinreichend bestimmter Weise ein.
55 Im vorliegenden Fall verstieß der Soldat dadurch gegen seine Pflicht zur Disziplin, dass er am 2. August 2003 in der festgestellten Weise in die DR Kongo reiste, obwohl ihm bekannt war, dass seine ursprünglich geplante Dienstreise nach Bunia (DR Kongo) von der Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung ausdrücklich abgelehnt und seine Dienstreise nach Entebbe von seinem Disziplinarvorgesetzten, dem Zeugen Wa., durch die Dienstreiseanordnung und die ergänzenden Erläuterungen und Erklärungen ausdrücklich auf dieses Ziel begrenzt worden war, und dort - über die Missachtung des ihm erteilten Befehls zum Fernbleiben von Bunia hinaus - Aktivitäten entfaltete bzw. an Aktivitäten von Soldaten der Operation ARTEMIS teilnahm (Besichtigung von Sanitätseinrichtungen, Teilnahme am Briefing). Denn der Soldat nahm dabei die mit dieser Reise und dem dortigen Aufenthalt angesichts der im Nordosten der DR Kongo herrschenden schwierigen Sicherheitslage notwendigerweise verbundenen Gefahren für seine Gesundheit und sein Leben sowie die - auch angesichts des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 18. Juni 2003 - für den Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt damit einhergehenden innen- und außenpolitischen Risiken eigenmächtig in Kauf, ohne sich zuvor bei seinem Dienstvorgesetzten ausdrücklich rückzuversichern, ob seine Einschätzung der Befehlslage und des von ihm zu erfüllenden dienstlichen Auftrages zutreffend war. Damit ließ er die gerade auch bei militärischen Einsätzen im Ausland erforderliche und unabdingbare Disziplin gegenüber seinen Vorgesetzten in grobem Maße vermissen.
56 Auch der Verstoß gegen § 17 Abs. 1 SG erfolgte vorsätzlich. Denn der Soldat kannte das ihm erteilte Verbot, sich in die DR Kongo zu begeben, sowie die Erwartungen seiner Vorgesetzten an sein diszipliniertes Verhalten und unternahm dennoch bewusst und gewollt seine Reise von Entebbe nach Bunia. Hinsichtlich der Vermeidbarkeit eines eventuellen Verbotsirrtums wird auf die oben zu § 11 Abs. 1 SG dargelegten Gründe verwiesen.
57 cc) Mit seinem von Anschuldigungspunkt 1 erfassten und vom Senat festgestellten Verhalten verstieß der Soldat ferner gegen seine dienstliche Pflicht, dem Ansehen der Bundeswehr (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 SG) sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst erfordert (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 SG).
58 Eine Beeinträchtigung des „Ansehens“ der Bundeswehr, also ihres „guten Rufs“ bei Außenstehenden, liegt dann vor, wenn der Soldat als „Repräsentant“ der Bundeswehr oder eines bestimmten Truppenteils anzusehen ist und sein Verhalten negative Rückschlüsse auf die Streitkräfte als Angehörige eines - an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG), insbesondere an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG) gebundenen - Organs des sozialen und demokratischen Rechtsstaats Bundesrepublik Deutschland (vgl. Urteil vom 28. September 1990 - BVerwG 2 WD 27.89 - BVerwGE 86, 321 <329 f.> = Buchholz 236.1 § 8 SG Nr. 1 = NZWehrr 1991, 32; Scherer/Alff, a.a.O., § 17 Rn. 25) zulässt. Der von § 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 SG geschützte „gute Ruf“ der Bundeswehr bezieht sich namentlich auch auf die Qualität der Ausbildung, die sittlich-moralische Integrität und die allgemeine Dienstauffassung ihrer Soldatinnen und Soldaten sowie die - an Recht und Gesetz gebundene - militärische Disziplin der Truppe (vgl. u.a. Urteil vom 18. Juli 1995 - BVerwG 2 WD 32.94 - BVerwGE 103, 257 <259> = Buchholz 236.1 § 12 SG Nr. 2 = NZWehrr 1996, 34; Scherer/Alff, a.a.O., § 17 Rn. 25). Für die Feststellung eines Verstoßes gegen die Vorschrift kommt es dabei nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht darauf an, ob eine Ansehensschädigung im konkreten Fall tatsächlich eingetreten ist. Es reicht vielmehr aus, dass das Verhalten des betreffenden Soldaten geeignet war, eine das Ansehen schädigende Wirkung auszulösen (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 21. Juni 2005 - BVerwG 2 WD 12.04 - NJW 2006, 77 <108>). Denn die Vorschrift stellt allein auf das Verhalten des/r Soldaten/in ab (stRspr, u.a. Beschluss vom 12. Oktober 1993 - BVerwG 2 WDB 15.92 - BVerwGE 103, 12 = NZWehrr 1994, 27 m.w.N.).
59 Das festgestellte Verhalten des Soldaten war in diesem Sinne geeignet, eine Schädigung des guten Rufs der Bundeswehr bei Außenstehenden zu bewirken. Als der von der Bundeswehr zum ARTEMIS-Operationshauptquartier in Paris entsandte „Medical Advisor“ des Kommandeurs (OpCdr) war er sowohl im Operationshauptquartier als auch bei Dienstreisen in die Einsatzregion ein herausgehobener „Repräsentant“ der Bundeswehr im dargelegten Sinne. Er befand sich aufgrund seiner Verwendung und dienstlichen Aufgabenzuweisung in einer Funktion, die typischerweise mit sich brachte, jedenfalls aber dazu geeignet war, sein Auftreten und Verhalten dem Blickfeld zahlreicher Außenstehender und deren kritischer Wahrnehmung auszusetzen. Wäre gar öffentlich bekannt geworden, dass sich der von der Bundeswehr zum ARTEMIS-Operationshauptquartier in Paris entsandte „Medical Advisor“ des Kommandeurs entgegen der klaren Willensbekundung der Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung, die insoweit um die strikte Einhaltung und Durchsetzung der vom Deutschen Bundestag beschlossenen geographischen Grenzen für den Einsatz von Bundeswehrsoldaten im Rahmen der EU-Militäroperation ARTEMIS bemüht war, und entgegen der eindeutigen Weisung seines Disziplinarvorgesetzten - außerhalb des festgelegten Einsatzgebietes aufgehalten hat, um „auf eigene Faust“ aus seiner Sicht für notwendig gehaltene Informationen für - von ihm so definierte - dienstliche Zwecke zu sammeln, wäre dies zumindest geeignet gewesen, den Eindruck hervorzurufen, die Bundeswehrführung sei bei einem solchen Auslandseinsatz nicht in der Lage, die - an Recht und Gesetz gebundene - militärische Disziplin ihres auf einem herausgehobenen Dienstposten eingesetzten hohen Sanitätsoffiziers zu gewährleisten. Dies wäre für ihren guten Ruf abträglich gewesen, und zwar nicht nur im Inland, sondern möglicherweise auch im Ausland.
60 Auch ein Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 SG liegt vor. Die Achtungs- und die Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten können durch sein Verhalten schon dann Schaden nehmen, wenn dieses Zweifel an seiner Zuverlässigkeit weckt oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage stellt (vgl. Urteile vom 2. April 1974 - BVerwG 2 WD 5.74 - BVerwGE 46, 244 <248> = NZWehrr 1975, 69 <71 f.> und vom 21. Juni 2005 - BVerwG 2 WD 12.04 - NJW 2006, 77 <108>). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Denn der Soldat verstieß nach den vom Senat getroffenen Feststellungen vorsätzlich gegen den ihm erteilten Befehl seines Disziplinarvorgesetzten und offenbarte damit, dass er nicht uneingeschränkt bereit oder in der Lage ist, einen ihm erteilten - verbindlichen - Befehl auch dann auszuführen, wenn er meint, diesen z.B. aus Rücksicht auf die Stimmungslage von (ausländischen) Kameraden umgehen oder missachten zu sollen, ohne hierzu berechtigt zu sein.
61 Auch der Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 und 2 SG erfolgte vorsätzlich. Denn der Soldat kannte den ihm erteilten Befehl und unternahm dennoch bewusst und gewollt seine Reise von Entebbe nach Bunia. Hinsichtlich der Vermeidbarkeit eines eventuellen Verbotsirrtums wird auf die oben zu § 11 Abs. 1 SG dargelegten Gründe verwiesen.
62 dd) Dagegen verstieß der Soldat mit seinem Verhalten nicht gegen seine Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG), wovon aber die Truppendienstkammer im angefochtenen Urteil - ebenso wie hinsichtlich der anderen von ihr angenommenen Dienstpflichtverletzungen ohne Begründung - ausgegangen ist.
63 Die in § 7 SG normierte allgemeine Pflicht zum „treuen Dienen“, die durch die in den §§ 8 ff. SG aufgestellten spezielleren Dienstpflichten in deren Anwendungsbereich konkretisiert wird, gebietet jedem Soldaten, seine dienstlichen Aufgaben und Pflichten gewissenhaft, sorgfältig und loyal gegenüber dem Dienstherrn zu erfüllen. Das schließt ein, innerhalb und außerhalb des Dienstes mit den ihm zur Verfügung stehenden Kräften dazu beizutragen, dass die Streitkräfte der Bundeswehr ihre durch die Verfassung festgelegten Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen können, sowie alles zu unterlassen, was diese bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben in unzulässiger Weise schwächen könnte.
64 Zu der in § 7 SG normierten Pflicht zum „treuen Dienen“ gehört insbesondere die Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der geltenden Rechtsordnung (Urteile vom 28. September 1990 a.a.O., vom 28. Januar 2004 - BVerwG 2 WD 13.03 - BVerwGE 120, 106 <107> = Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 53 = NZWehrr 2004, 169, vom 22. März 2006 - BVerwG 2 WD 7.05 - Buchholz 450.2 § 107 WDO 2002 Nr. 2 <insoweit nicht veröffentlicht> jeweils m.w.N. und Urteil vom 26. September 2006 - BVerwG 2 WD 2.06 - BVerwG 127, 1 = Buchholz 449 § 10 SG Nr. 55 = NZWehrr 2007, 79). Denn die Anforderungen an die insoweit von den Soldatinnen und Soldaten geforderte „Treue“ (zum Dienstherrn Bundesrepublik Deutschland) werden in der rechtsstaatlichen parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes, in der - anders als in der absolutistischen oder konstitutionellen Monarchie - ein monarchischer „Souverän“ als personelles Bezugsobjekt für die Treueverpflichtung nicht (mehr) zur Verfügung steht, in erster Linie durch den vom Volk (von dem gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG „alle Staatsgewalt“ ausgeht) gewählten Gesetzgeber und innerhalb dieses Rahmens von der parlamentarisch verantwortlichen Exekutive festgelegt.
65 Die Vorschrift des § 7 SG kommt bei der Prüfung von Dienstpflichtverletzungen jedoch nur insoweit zur Anwendung, als die in den §§ 8 ff. SG normierten Dienstpflichten für ihren jeweiligen Anwendungsbereich ihr nicht als speziellere Vorschrift vorgehen (vgl. u.a. Urteile vom 20. Mai 1981 - BVerwG 2 WD 9.80 - BVerwGE 73, 187 <191> und vom 26. September 2006 a.a.O.; Walz, in: Walz/Eichen/Sohm, SG, 2006, § 7 Rn. 22 m.w.N.).
66 Das von Anschuldigungspunkt 1 erfasste und vom Senat festgestellte Verhalten des Soldaten, entgegen dem ihm - in Gestalt der Dienstreiseanordnung in Verbindung mit den ihm hierzu von seinem Disziplinarvorgesetzten gegebenen Erklärungen und Erläuterungen - erteilten Befehl in die DR Kongo einzureisen, wird als Ungehorsam gegenüber seinen Vorgesetzten in seinem Unrechtsgehalt bereits von § 11 Abs. 1 SG und hinsichtlich der Nichtbeachtung seiner Pflicht zur Disziplin gegenüber seinen Vorgesetzten von § 17 Abs. 1 SG erfasst. Ein eigenständiger Anwendungsbereich verbleibt insofern für § 7 SG nicht. Ein kriminelles Verhalten nach § 19 WStG (Ungehorsam), § 20 WStG (Gehorsamsverweigerung) oder § 21 WStG (Leichtfertiges Nichtbefolgen eines Befehls) ist dem Soldaten mangels hinreichender Erfüllung der jeweils relevanten Tatbestandsmerkmale dieser Strafbestimmungen nicht nachzuweisen, so dass eine Verletzung von § 7 SG in Gestalt eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung ausscheidet.
67 Keiner näheren Prüfung und Entscheidung bedarf im vorliegenden Fall die Frage, ob ein Soldat (auch) dann der Bundesrepublik Deutschland, seinem Dienstherrn, nicht „treu“ dient, wenn er als Angehöriger des „Parlamentsheers“ Bundeswehr (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 12. Juli 1994 - 2 BvE 3/92, 5/93, 7/93, 8/93 - BVerfGE 90, 286 <381 ff.>) im Rahmen eigener Dispositionsmöglichkeiten unmittelbar die im konstitutiven Beschluss des Deutschen Bundestages getroffenen Festlegungen für den Einsatz nicht hinreichend beachtet. Die Anforderungen und rechtlichen Grenzen, die sich aus dem in Rede stehenden Beschluss des Deutschen Bundestages vom 18. Juni 2003 ergaben, wurden im vorliegenden Falle durch den dem Soldaten - in Gestalt der Dienstreiseanordnung und der diese ergänzenden Erklärungen und Erläuterungen - erteilten Befehl des zuständigen Disziplinarvorgesetzten, dem eine diesbezügliche ausdrückliche Entscheidung der Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung zugrunde lag, umgesetzt und konkretisiert. Durch den Befehl war für den Soldaten aus den in anderem Zusammenhang bereits dargelegten Gründen jede (Dispositions-)Möglichkeit ausgeschlossen, sich während der vom 28. Juli bis 3. August 2003 dauernden und der Inspektion der Sanitätseinrichtungen in Entebbe (Uganda) dienenden Dienstreise nach Bunia in die DR Kongo zu begeben. Da sich zudem dieser vom Soldaten nicht befolgte verbindliche Befehl des Disziplinarvorgesetzten innerhalb der durch den konstitutiven Beschluss des Deutschen Bundestages vom 18. Juni 2003 gezogenen Grenzen bewegte, wird der Unrechtsgehalt des Ungehorsams des Soldaten bereits von § 11 Abs. 1 SG erfasst. Daneben verbleibt hier für § 7 SG kein Raum.
68 d) Die Truppendienstkammer hat das Dienstvergehen des Soldaten (§ 23 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 17 Abs. 1 Alt. 1 sowie § 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 und 2 SG) nicht in der vom Gesetz geforderten Weise geahndet. Angemessen und erforderlich wäre eine Herabsetzung um zumindest einen Dienstgrad gewesen.
69 Art und Maß einer zu verhängenden Disziplinarmaßnahme sind abhängig von der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens, seinen Auswirkungen, dem Maß der Schuld, der Persönlichkeit, der bisherigen Führung sowie den Beweggründen des Soldaten (§ 38 Abs. 1 i.V.m. § 58 Abs. 7 WDO).
70 aa) Die „Eigenart und Schwere“ eines Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlung, mithin also nach der Bedeutung der verletzten Pflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen des Soldaten sehr schwer.
71 Soweit der Soldat seine Pflicht zum Gehorsam (§ 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SG) verletzte, hat er gegen eine der Kernpflichten jedes Soldaten verstoßen. Die Pflicht zum Gehorsam gehört zu den zentralen soldatischen Dienstpflichten (vgl. Urteile vom 14. November 1991 - BVerwG 2 WD 12.91 - BVerwGE 93, 196 <199> = NVwZ-RR 1992, 366, vom 3. August 1994 - BVerwG 2 WD 18.94 - NZWehrr 1995, 211 und vom 4. Juli 2001 - BVerwG 2 WD 52.00 - Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 46 = NZWehrr 2002, 76). Dies ergibt sich aus der fundamentalen Bedeutung von Befehl und Gehorsam als Führungsmittel der Streitkräfte nach dem geltenden Recht. Die in Art. 65a GG dem Bundesminister für Verteidigung zugewiesene Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte der Bundeswehr, für die er als Mitglied der Bundesregierung parlamentarisch verantwortlich ist, erfordert sicherzustellen, dass er diese auch rechtlich und tatsächlich wirksam ausüben kann. Dem dient u.a. die - strafbewehrte (vgl. §§ 19 ff. WStG) - Regelung des § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SG, die gewährleisten soll, dass der Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt diese entweder direkt oder über von ihm eingerichtete nachgeordnete Befehlsketten auch effektiv und ordnungsgemäß ausüben kann. Auf diese Weise soll nicht nur die Erfüllung der den Streitkräften zugewiesenen Aufgaben durch den parlamentarisch verantwortlichen Minister und die von ihm damit betrauten militärischen Vorgesetzten erreicht und durchgesetzt, sondern auch eine rechtstaatliche und demokratisch legitimierte Kontrolle der Streitkräfte gewährleistet werden. Die besondere Bedeutung der in § 11 Abs. 1 SG verankerten Gehorsamspflicht von militärischen Untergebenen und damit des militärischen Führungsinstruments von „Befehl und Gehorsam“ ergibt sich zudem auch daraus, dass völker- und völkerstrafrechtliche Regelungen eine Struktur der Streitkräfte verlangen, die die wirksame Durchsetzung (in den Grenzen des Rechts) von Vorgesetzten erteilter Befehle und damit die entsprechende Gehorsamspflicht von Untergebenen sicherstellt (vgl. u.a. Art. 28 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 <BGBl II 2000 S. 1394>; vgl. ferner § 13 VStGB).
72 Erschwerend fällt bei der Einordnung des Unrechtsgehalts der Verletzung der Pflicht zum Gehorsam sowie der Pflicht zur Disziplin ins Gewicht, dass der Soldat aufgrund seines Dienstgrades als Oberfeldarzt und vor allem angesichts seiner Verwendung als „Medical Advisor“ des Kommandanten der ARTEMIS-Operation eine besonders herausgehobene Stellung als Sanitätsoffizier während eines Auslandseinsatzes innehatte. Die mit einem solchen militärischen Auslandseinsatz typischerweise verbundenen Gefahren und Risiken unterstreichen die besondere Bedeutung der Gehorsamspflicht sowie der Pflicht zur Disziplin.
73 Auch der Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 SG hat Gewicht. Denn ein Soldat, und zwar insbesondere ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner militärischen Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der geordnete Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist (u.a. Urteil vom 16. Dezember 2004 - BVerwG 2 WD 15.04 -). Auch bei der Verletzung der Pflicht, dem Ansehen der Bundeswehr nicht zu schaden, geht es nicht um eine bloße Nebenpflicht. Denn sie hat wegen ihres funktionellen Bezugs zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs erhebliche Bedeutung.
74 Vor diesem Hintergrund hat der Soldat mit seinem Dienstvergehen in schwerwiegender Weise versagt. Je höher ein Soldat in den Dienstgradgruppen steigt, umso größer sind die Anforderungen, die an seine Zuverlässigkeit, sein Pflichtgefühl und sein Verantwortungsbewusstsein gestellt werden müssen, und umso schwerer wiegt eine Pflichtverletzung, die er sich zu schulden kommen lässt (vgl. Urteile vom 9. Juli 1991 - BVerwG 2 WD 41.90 - BVerwGE 93, 126 <132> = NZWehrr 1994, 254 und vom 21. Juni 2000 - BVerwG 2 WD 19.00 - Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 37 = NZWehrr 2001, 33). Von dem Soldaten konnte und musste aufgrund seiner erhöhten Verantwortung erwartet werden, dass er bei der Erfüllung seiner Dienstpflichten untadelig mit gutem Beispiel voranging. Die Stellung des Soldaten erforderte es, dass er (aufgrund seines Vorgesetztendienstgrades als Oberfeldarzt) als Vorgesetzter in Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel hätte geben müssen (§ 10 Abs. 1 SG). Durch sein Fehlverhalten hat der Soldat ein sehr schlechtes Beispiel gegeben.
75 bb) Das Dienstvergehen des Soldaten hatte zwar während seines Aufenthaltes in der DR Kongo und auch sonst während seiner Dienstreise keine konkret feststellbaren negativen Auswirkungen. Der Soldat muss sich jedoch jedenfalls die personalwirtschaftlichen Folgen seines Fehlverhaltens zurechnen lassen. Nach Bekanntwerden seiner Pflichtverletzungen sah sich die Personalführung gezwungen, ihn von den vorgesehenen Auslandsverwendungen bis auf Weiteres auszunehmen. Seine dienstliche Verwendungsfähigkeit war damit, ausgelöst durch sein Dienstvergehen, in erheblichem Maße eingeschränkt. Dies fällt zu seinen Lasten ins Gewicht.
76 cc) Die Schuld des Soldaten wird vor allem durch sein vorsätzliches Handeln bestimmt. Es liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass zum Zeitpunkt des Dienstvergehens seine Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB eingeschränkt oder gar ausgeschlossen war.
77 Sonstige Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des Soldaten mindern würden, sind nicht ersichtlich. Sie wären nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Urteile vom 1. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 51.02 - und vom Urteil vom 24. November 2005 - BVerwG 2 WD 32.04 - NZWehrr 2006, 127 <insoweit nicht veröffentlicht> m.w.N.) dann gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Dafür fehlt es indes an hinreichenden Anhaltspunkten.
78 Insbesondere handelte es sich bei dem Fehlverhalten nicht um eine unbedachte, im Grunde persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten. Das ergibt sich schon daraus, dass er seinen Entschluss, nach Bunia (DR Kongo) zu reisen, nicht spontan fasste und ausführte, sondern - wie er in der Berufungshauptverhandlung im Einzelnen dargelegt hat - sich sein Verhalten reiflich überlegte. Ungeachtet des ihm bekannten Inhalts der Dienstreiseanordnung und der diese erläuternden ergänzenden Erklärungen seines Vorgesetzten entschied er sich bewusst dazu, den Befehl nicht zu beachten.
79 Er handelte erkennbar auch nicht in einer körperlichen oder seelischen Ausnahmesituation (vgl. stRspr, u.a. Urteil vom 16. Oktober 2002 - BVerwG 2 WD 23.01 , 32.02 - BVerwGE 117, 117 <124> = Buchholz 236.1 § 13 SG Nr. 9 und vom 24. November 2005 a.a.O.).
80 Auch eine Belastung des Soldaten mit einer außergewöhnlichen situationsgebundenen Erschwernis bei der Erfüllung seines dienstlichen Auftrags (vgl. dazu Urteil vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 - BVerwGE 118, 161 = Buchholz 235.01 § 107 WDO 2002 Nr. 1 = NZWehrr 2004, 31 <insoweit nicht veröffentlicht>) ist nicht ersichtlich. Der Umstand, dass - wie er unwiderlegt vorgetragen hat - einige seiner französischen Kameraden in Paris und in Entebbe wenig Verständnis für das ihm gegenüber ausgesprochene Verbot, sich in die DR Kongo zu begeben, hatten, konnte und durfte für einen Soldaten seines Dienstgrades schon angesichts seiner Ausbildung, langen beruflichen Erfahrung und seiner herausgehobenen Stellung keine (körperliche oder seelische) Ausnahmesituation begründen oder ihn in außergewöhnlichem Maße belasten. Von ihm konnte und musste erwartet werden, gegenüber den angeführten diesbezüglichen Erwartungen französischer Kameraden zu bestehen und seinen zuständigen (deutschen) Vorgesetzten loyal zu dienen und zu gehorchen.
81 Ein den Soldaten teilweise entlastendes Mitverschulden von Vorgesetzten etwa im Hinblick auf eine nicht hinreichende Wahrnehmung der Dienstaufsicht (vgl. Urteile vom 17. Oktober 2002 - BVerwG 2 WD 14.02 -, Buchholz 236.1 § 12 SG Nr. 19 = NZWehrr 2003, 127) und vom 6. Mai 2003 a.a.O.) ist ebenfalls nicht erkennbar.
82 dd) Die vom Soldaten angeführten Beweggründe für sein Fehlverhalten vermögen ihn nicht zu entlasten. Soweit er geltend gemacht hat, er sei mit seiner Reise nach Bunia (DR Kongo) im Grunde darum bemüht gewesen, seinen dienstlichen Auftrag („im Sinne der Auftragstaktik“) bestmöglich zu erfüllen, verkennt er, dass er einen konkreten Auftrag auszuführen hatte, der durch die Dienstreiseanordnung seines Vorgesetzten und dessen erläuternden Erklärungen hinsichtlich des alleinigen Reiseziels und des Reisezwecks eindeutig definiert war. Es stand nicht in seiner Befugnis, diesen Befehl zu missachten und eigenständig zu definieren, wie sein dienstlicher Auftrag zu verstehen und an welchem Ort er zu erfüllen war. Selbst wenn sich der Soldat aufgrund eines gewissen sozialen „psychischen Drucks“ seiner französischen Kameraden, durch dienstlichen Übereifer oder durch ein übersteigertes Selbstwertgefühl zu seinem Fehlverhalten hätte verleiten lassen, vermag ihn dies nicht zu entlasten.
83 ee) Die gute bis sehr gute Qualität der dienstlichen Leistungen des Soldaten, wie sie in den vorliegenden Beurteilungen zum Ausdruck kommen, fallen dagegen zugunsten des Soldaten ins Gewicht. Zudem hat er auch eine förmliche Anerkennung sowie mehrere Auszeichnungen für Auslandseinsätze erhalten. Auch seine ausweislich der Bekundungen des Zeugen Dr. W. fortwährend guten bis sehr guten dienstlichen Leistungen und sein beanstandungsfreies dienstliches Verhalten in der Zeit nach dem Dienstvergehen sprechen für ihn.
84 Zu seinen Lasten wirkt sich hinsichtlich der Beurteilung seiner Persönlichkeit dagegen aus, dass er durchgängig, noch in der Berufungshauptverhandlung, sein Fehlverhalten zu bagatellisieren und zu rechtfertigen versucht hat. Ihm fehlt es bis heute an der erforderlichen Einsicht in sein Dienstvergehen. Dies bedarf einer nachdrücklichen Pflichtenmahnung.
85 ff) Bei der gebotenen Gesamtwürdigung des Fehlverhaltens des Soldaten ist davon auszugehen, dass der Senat in der Vergangenheit die Verletzung der Gehorsamspflicht - je nach Schwere des Verstoßes - mit einer Gehaltskürzung (Urteil vom 4. Juli 2001 - BVerwG 2 WD 52.00 - Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 46 = NZWehrr 2002, 76), einem Beförderungsverbot (vgl. u.a. Urteile vom 7. Juni 1988 - BVerwG 2 WD 6.88 - BVerwGE 86, 30 <f.> = NZWehrr 1989, 37, vom 27. September 1989 - BVerwG 2 WD 12.89 - BVerwGE 86, 180 = NZWehrr 1990, 261 und vom 3. August 1994 - BVerwG 2 WD 18.94 - NZWehrr 1995, 211) oder auch einer Dienstgradherabsetzung (Urteile vom 14. November 1991 - BVerwG 2 WD 12.91 - BVerwGE 93, 196 und vom 2. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 42.02 - Buchholz 235.1 § 38 WDO 2002 Nr. 7 = NZWehrr 2004, 34) geahndet hat.
86 Vorliegend hat das Dienstvergehen des Soldaten erhebliches Gewicht; es ist von einem schwerwiegenden Fall auszugehen. Das ergibt sich vor allem aus der dargelegten Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und der vorsätzlichen Begehungsweise. Ein solches Fehlverhalten erfordert regelmäßig eine von außen wahrnehmbare Maßnahme, also zumindest eine Herabsetzung im Dienstgrad. Dafür sprechen sowohl spezial- als auch generalpräventive Gründe. Ein Sanitätsoffizier, der sich bei einem militärischen Auslandseinsatz in Kenntnis eines ihm hinsichtlich seines zu erfüllenden Auftrages und des Einsatzgebietes durch den zuständigen Disziplinarvorgesetzten erteilten Befehls und der diesem zugrundeliegenden ausdrücklichen Entscheidung der Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung darüber vorsätzlich hinwegsetzt, stellt in gravierender Weise seine Eignung als Offizier, vor allem für Auslandseinsätze in Frage. Lässt er zudem - wie der Soldat - auch nachfolgend eine hinreichende Einsicht in sein Fehlverhalten nicht erkennen, so bedarf er einer nachdrücklichen Pflichtenmahnung. Denn er bietet keine hinreichende Gewähr für eine künftige Beachtung seiner dienstlichen Pflichten in ähnlichen Einsatz- und Gefahrensituationen. Ein Beförderungsverbot in Verbindung mit einer Kürzung der Dienstbezüge reicht als angemessene Disziplinarmaßnahme in einem solchen Falle regelmäßig nicht aus. Denn dadurch wird der Schwere des Dienstvergehens nicht hinreichend Rechnung getragen. Eine Herabsetzung im Dienstgrad macht dagegen sowohl für den betreffenden Offizier als auch für sein berufliches Umfeld deutlich, dass ein solches schwerwiegendes Fehlverhalten keinesfalls hingenommen werden kann und gravierende Folgen für seine dienstliche Stellung und seine weitere berufliche Zukunft nach sich zieht. Von einer Dienstgradherabsetzung hätte nur dann abgesehen werden können, wenn es sich um einen atypischen Fall gehandelt hätte, der das Gewicht des Dienstvergehens in einem milderen Licht erscheinen ließe. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Insbesondere liegen, wie zuvor dargelegt, keine Milderungsgründe in den Umständen der Tat vor. Die festgestellten Milderungsgründe in der Person des Soldaten rechtfertigen es - gerade auch angesichts der fehlenden Einsicht des Soldaten und der bis heute nicht hinreichenden Auseinandersetzung mit seinem Fehlverhalten - nicht, von einer Dienstgradherabsetzung abzusehen, sondern allenfalls diese in ihrem Ausmaß zu beschränken.
87 Aufgrund des Verschlechterungsverbotes (§ 123 Satz 3 WDO i.V.m. § 331 Abs. 1 StPO) war es dem Senat jedoch versagt, die im angefochtenen Urteil der Truppendienstkammer verhängte Disziplinarmaßnahme eines auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Beförderungsverbotes in Verbindung mit einer Kürzung seiner jeweiligen Dienstbezüge (um ein Zehntel für die Dauer eines Jahres) zu verschärfen.
88 Die Berufung des Soldaten war damit unbegründet und zurückzuweisen.
89 4. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Soldat gemäß § 139 Abs. 2 WDO zu tragen, weil das von ihm eingelegte Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist. Die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen ganz oder teilweise dem Bund aufzuerlegen, ist gemäß § 140 Abs. 5 Satz 2 WDO unzulässig.