Urteil vom 19.07.2006 -
BVerwG 2 WD 13.05ECLI:DE:BVerwG:2006:190706U2WD13.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 19.07.2006 - 2 WD 13.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:190706U2WD13.05.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 13.05

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 19. Juli 2006, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier als Vorsitzender,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
sowie
Oberstleutnant Friese,
Hauptfeldwebel Müller
als ehrenamtliche Richter,
Bundeswehrdisziplinaranwalt ...,
...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Die Berufung des früheren Soldaten gegen das Urteil der 1. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 12. April 2005 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Beförderungsverbot aufgehoben wird.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem früheren Soldaten auferlegt.

II

18 Mit Verfügung vom 13. Juli 2004, dem früheren Soldaten ausgehändigt am 21. Juli 2004, leitete der Befehlshaber des S...Kdo nach zuvor am 26. Januar 2004 erfolgter Anhörung das gerichtliche Disziplinarverfahren ein. In der Anschuldigungsschrift vom 7. Dezember 2004 wird dem früheren Soldaten folgender Sachverhalt als Dienstvergehen gemäß § 23 Abs. 1 i.V.m. § 12 Satz 2 und § 17 Abs. 2 Satz 2 SG unter den erschwerenden Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SG zur Last gelegt:
„1. Am Morgen des 4. August 2003 schlug er seine Ehefrau ... K., die sich zu dieser Zeit im Dienstverhältnis einer Wehrübenden im Dienstgrad Unteroffizier befand, in der Wohnung seiner Mutter in B. mehrfach mit der flachen Hand ins Gesicht.
Am Nachmittag desselben Tages, in der ehelichen Wohnung in K., trat er seiner Frau mit voller Wucht gegen den Oberschenkel und schlug ihr sodann mehrfach weiter ins Gesicht.
Als Folge seiner Misshandlungen erlitt die Ehefrau schmerzhafte Hämatome sowohl am Oberschenkel als auch im Gesicht sowie eine posttraumatische Kieferklemme mit stark eingeschränkter seitlicher Mobilität des Unterkiefers, daneben starke Kopfschmerzen und Übelkeit.
2. Am 9. Dezember 2000 gegen 11:50 Uhr entwendete er in den Geschäftsräumen der Firma S..., Elsenstraße 111 - 114 in B., eine DVD zum Preis von 59,99 DM, um sich diese rechtswidrig zuzueignen.
3. Am 23. März 2000 gegen 22:15 Uhr fuhr er mit einem Zug der Deutschen Bahn AG, MVV M., von M... nach F., ohne im Besitz eines gültiges Fahrausweises zu sein.“

19 Die 1. Kammer des Truppendienstgerichts Nord hat mit Urteil vom 12. April 2005 den früheren Soldaten in allen drei Anschuldigungspunkten für schuldig befunden und gegen ihn wegen eines Dienstvergehens ein Beförderungsverbot auf die Dauer von 36 Monaten verhängt sowie seine jeweiligen Dienstbezüge um 1/20 auf die Dauer von neun Monaten gekürzt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des Urteils verwiesen.

20 Gegen das ihm am 6. Mai 2005 zugestellte Urteil hat der frühere Soldat am 2. Juni 2005 unbeschränkte Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen geltend gemacht:
Die Truppendienstkammer habe ihre Aufklärungspflicht nach § 106 Abs. 1 WDO verletzt. Zwar sei es zutreffend, dass er mit seiner (früheren) Ehefrau während ihres Heimaturlaubes Anfang August 2003 erhebliche verbale Auseinandersetzungen gehabt habe. Diese seien dadurch entstanden, dass er vermutet habe, seine (frühere) Ehefrau habe sich während ihres damaligen Auslandsaufenthaltes in Bo. einem anderen Soldaten in einem Liebschaftsverhältnis zugewandt. Sie habe allerdings damals zu Beginn des Monats August 2003 und auch noch während des vorliegenden Verfahrens stets bestritten, ehebrecherische Beziehungen zu einem anderen Truppendienstangehörigen unterhalten zu haben. Gleichzeitig habe sie den Eindruck erweckt, in besonderer Weise schutzbedürftig zu sein, weil angeblich er, der frühere Soldat, während der ehelichen Lebensgemeinschaft Druck auf sie ausgeübt habe. Zwischenzeitlich stehe aber tatsächlich fest, dass seine (frühere) Ehefrau mit dem Soldaten S. geschlechtlich verkehrt habe; im Jahre 2004 sei ein von jenem Soldaten gezeugtes Kind von ihr geboren worden.

21 Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchem Grunde die bei seiner (früheren) Ehefrau festgestellten Verletzungen gerade durch ihn, den früheren Soldaten, hervorgerufen worden sein sollten. Auch andere Ursachen kämen dafür in Betracht. So könne sich seine (frühere) Ehefrau unter Umständen auch während ihres Fluges von De. nach Bo. solche Verletzungen zugezogen haben. Er habe bei ihr, als er sie zum Flughafen gebracht habe, keine Verletzungen bemerkt; sie sei körperlich unversehrt gewesen.

22 Bezeichnenderweise gebe es keine weiteren Tatzeugen für das ihm angelastete Fehlverhalten. Die Zeugen, die in zeitlich engster Nähe seine (frühere) Ehefrau noch am Tage vor dem Abflug gesehen hätten, hätten bekundet, dass diese in der angeblichen Tatzeit ein bemühtes und fürsorgliches Verhalten gegenüber ihm, dem früheren Soldaten, an den Tat gelegt habe. Am Abend des Tages der Auseinandersetzungen habe er sich in dem Garten des von ihm und seiner (früheren) Ehefrau angemieteten Hauses in K. aus Enttäuschung stark betrunken. Aufgrund seines Trinkverhaltens sei er, wie der Zeuge Ge. bekundet habe, nicht mehr in der Lage gewesen, ohne Begleitung seiner (früheren) Ehefrau ins Haus und ins Bett zu kommen. Die Nachbarn hätten bekundet, an diesem Abend und am Folgetag mit seiner (früheren) Ehefrau gesprochen zu haben. Dabei hätten sie jeweils festgestellt, dass keinerlei Verletzungen bei seiner (früheren) Ehefrau vorhanden gewesen seien. Im Übrigen sei es nicht seine Aufgabe, „die Beweisketten zu schließen“.

23 Das Gericht habe insbesondere auch deshalb gegen seine Aufklärungspflicht verstoßen, weil es zumindest den nunmehrigen Vater des Kindes der (früheren) Ehefrau zu den Umständen der ehebrecherischen Beziehung hätte vernehmen müssen. In der angestrebten Verdeckung dieser ehebrecherischen Beziehung sei ein Motiv für die möglichen Falschbehauptungen seiner (früheren) Ehefrau zu sehen.

24 Es dürfe auch nicht unbeachtet bleiben, dass seine (frühere) Ehefrau von nahezu allen Truppenangehörigen an ihrem Einsatzort in äußerst fürsorglicher Weise „beschützt“ worden sei. Sie habe bezeichnenderweise das vorliegende gerichtlichte Disziplinarverfahren auch gar nicht in Gang gebracht. Vielmehr sei dies durch die „Dienstvorgesetzten und weitere Truppendienstangehörigen am Einsatzort“ seiner (früheren) Ehefrau geschehen, die meinten, sie müsse aus ihrer Ehe mit ihm „befreit“ werden.

25 Ferner sei das angefochtene Urteil auch deshalb fehlerhaft, weil die Beurteilung der Truppendienstkammer, in der von der (früheren) Ehefrau behaupteten Körperverletzung ein Dienstvergehen zu sehen, im Ergebnis unverhältnismäßig sei. Für ihn, den früheren Soldaten, habe dieses Verfahren zur Konsequenz, dass eine Verlängerung seiner Dienstzeit, die Anfang August 2003 bereits festgestanden habe, nunmehr nicht erfolgt sei. Er habe mithin durch eine umstrittene einfache Körperverletzung, die bei jedem Amtsgericht zu einer Einstellung des Verfahrens nach § 153 StPO geführt hätte, „seinen Arbeitsplatz“ verloren. Vor dem Hintergrund seiner Vorbildung und seiner beruflichen Situation komme dies einer „äußerst harten Bestrafung“ gleich. Der Verlust des Arbeitsplatzes bedeute für ihn psychisch und finanziell das „absolute Aus“. Er sei sich absolut sicher, seine (frühere) Ehefrau nicht geschlagen zu haben. Die ehelichen Auseinandersetzungen und insbesondere die Zweifel an seiner (früheren) Ehefrau und deren Beschuldigung hätten ihn in eine „tiefe Lebenskrise“ gestürzt. Er sei infolgedessen über Monate erkrankt und in psychiatrischer Behandlung gewesen. Durch das Verfahren selbst sei er außerdem traumatisiert worden, weil er in keiner Weise nachvollziehen könne, aus welchem Grund seine (frühere) Ehefrau ihn mit dieser Hartnäckigkeit beschuldige und mit falschen Behauptungen belaste.

26 Es sei im Übrigen nicht Sinn und Zweck der Wehrdisziplinarordnung, Auseinandersetzungen zwischen Eheleuten, die Angehörige der Bundeswehr sind, vor den Wehrdienstgerichten auszutragen.

27 Das angefochtene Urteil sei auch deshalb rechtswidrig, weil die „weiterhin abgeurteilten Taten, die Verurteilung durch das Amtsgericht B.-Tiergarten vom 23. April 1997 und vom 30. März 1998“ mehr als sechs Jahre disziplinarrechtlich ungeahndet geblieben seien. Er, der frühere Soldat, sei nach diesen strafrechtlichen Vergehen mehrfach befördert worden. Ihm sei dabei in keiner Weise bedeutet worden, dass diese Bagatellstrafsachen irgendeinen dienstlichen Bezug hätten, zumal die Taten mehr als ein halbes Jahrzehnt zurück lägen und in einem Lebensalter begangen worden seien, in dem fast noch von einem jugendtypischen Verhalten ausgegangen werden könne.

III

28 1. Die Berufung des früheren Soldaten ist zulässig. Sie ist statthaft; ihre Förmlichkeiten sind gewahrt (§ 115 Abs. 1, § 116 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WDO).

29 2. Die Berufung ist ausdrücklich und nach dem maßgeblichen Inhalt der Begründung in vollem Umfang eingelegt worden. Der Senat hat daher im Rahmen der Anschuldigung (§ 123 Satz 3 i.V.m. § 107 Abs. 1 WDO) eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, diese rechtlich zu würdigen und unter Beachtung des Verschlechterungsverbotes (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 331 Abs. 1 StPO) über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.

30 3. Die Berufung ist nur in dem aus dem Tenor des Urteils ersichtlichen Umfang begründet. Die Truppendienstkammer hat den früheren Soldaten zu Recht eines Dienstvergehens für schuldig befunden und gegen ihn eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme verhängt. Soweit die Truppendienstkammer über die von ihr ausgesprochene Kürzung seiner jeweiligen Dienstbezüge um ein Zwanzigstel auf die Dauer von neun Monaten hinaus auch ein Beförderungsverbot auf die Dauer von 36 Monaten ausgesprochen hat, ist dieses allerdings aufzuheben, nachdem das Dienstverhältnis des früheren Soldaten mit Ablauf des 31. Dezember 2005 geendet hat und seitdem eine solche gerichtliche Disziplinarmaßnahme von Gesetzes wegen (§ 58 Abs. 2 WDO) nicht mehr in Betracht kommt.

31 a) Aufgrund der Einlassung des früheren Soldaten, soweit ihr gefolgt werden kann, der gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 StPO zum Gegenstand der Berufungshauptverhandlung gemachten Urkunden und Schriftstücke sowie der Aussagen der in der Berufungshauptverhandlung vernommenen Zeugen K., Kl., Ge., P., Oberstleutnant W. und Oberstabsarzt Dr. W. hat der Senat folgenden Sachverhalt festgestellt:

32 Zu Anschuldigungspunkt 1:
Die (frühere) Ehefrau des früheren Soldaten, die Zeugin K., leistete von Mai bis November 2003 im Rahmen einer besonderen Auslandsverwendung im Dienstgrad Unteroffizier Dienst bei der Truppenverwaltung des Deutschen Einsatzkontingents ... in R. (Bo.). Der frühere Soldat war ebenfalls für eine Auslandsverwendung in Bo. ab Ende August 2003 vorgesehen. Um aufgetretene eheliche Probleme besprechen und klären zu können, erhielt die Zeugin K. Sonderurlaub vom 30. Juli bis zum 6. August 2003. Nach ihrer Ankunft in De. kam es an mehreren Tagen immer wieder zu teilweise heftigen emotionsgeladenen Auseinandersetzungen und Diskussionen zwischen den Ehepartnern. Am Morgen des 4. August 2003 befanden sich die Eheleute allein in der Wohnung der Mutter des früheren Soldaten in B. Als gegen 8.00 Uhr die Mutter der Zeugin K. anrief und mitteilte, dass ihr Vorgesetzter im Einsatzland, der Zeuge (damalig) Hauptmann P., telefonisch dringend um ihre Rückmeldung gebeten habe und dass man anderenfalls aus Sorge um sie die Feldjäger alarmieren wolle, kam es erneut zu einer heftigen, zunächst verbalen Auseinandersetzung zwischen den Eheleuten, in deren Verlauf der Soldat die Zeugin K. auf ein Bett warf und ihr mehrfach mit der flachen Hand ins Gesicht schlug.

33 Am selben Tag fuhren der frühere Soldat und die Zeugin K. mit dem Pkw zurück in ihre damalige Wohnung in der ... Straße ... in K. Dort kam es erneut zu einer heftigen Auseinandersetzung. Anlass war der Eingang einer SMS-Anfrage der Mutter des im Einsatzland befindlichen Kameraden der Zeugin K., Oberfeldwebel S., auf dem Mobiltelefon der Zeugin K. Dies legte dem früheren Soldaten die Vermutung nahe, dass seine (frühere) Ehefrau Anderen „eheliche Interna“ zur Kenntnis gebracht und sich als schutzbedürftig dargestellt habe. Außerdem hatte der frühere Soldat auf einem USB-Stick der Zeugin K. gespeicherte digitale Bilder entdeckt, aufgrund der er eine intime Beziehung zwischen ihr und Oberfeldwebel S. vermutete. Im Verlaufe des dadurch ausgelösten heftigen Wortwechsels warf der frühere Soldat die Zeugin K. auf ein Bett, trat ihr mit dem unbeschuhten Fuß gegen das rechte Bein im Oberschenkelbereich und schlug ihr mehrfach mit der Hand ins Gesicht.

34 Als Folge dieser Misshandlungen erlitt die Zeugin K. schmerzhafte Hämatome sowohl am Oberschenkel als auch im Gesicht sowie eine posttraumatische Kieferklemme mit stark eingeschränkter seitlicher Mobilität des Unterkiefers, daneben Kopfschmerzen und dadurch bewirkte Übelkeit.

35 Im Gefolge der heftigen Auseinandersetzungen war der frühere Soldat sehr aufgebracht und lief zunächst in der Wohnung umher. Am Abend des 4. August 2003 nahm er größere Mengen Alkohol zu sich und fuhr anschließend kurzfristig mit seinem Pkw weg, kehrte jedoch noch in der Nacht zurück.

36 Der frühere Soldat und die Zeugin K. verbrachten den Rest des Heimaturlaubs zusammen in K. Am Abend des 5. August 2003 suchten der frühere Soldat und die Zeugin K. ihre damaligen Hausnachbarn, den Zeugen Ge. und dessen Ehefrau, auf, um sich zu verabschieden. Am frühen Morgen des 6. August 2003 brachte der frühere Soldat die Zeugin K. zum Flughafen Wu., von dem aus diese zurück nach Bo. flog.

37 Am Flughafen in Bo. wurde die Zeugin K. vom Militärpfarrer abgeholt und in die Obhut der Truppenpsychologin des Einsatzkontingents ..., der Zeugin Oberstleutnant d.R. Kl., übergeben, die ihrerseits veranlasste, dass die Zeugin K. noch am selben Abend im Feldlager Oberstabsarzt Dr. Ki. und am nächsten Tag den Zeugen Oberstabsarzt Dr. We. aufsuchte, die u.a. die vorstehend beschriebenen Verletzungen bei der Zeugin K. feststellten und attestierten.

38 Mit der Truppenpsychologin, der Zeugin Kl., führte die Zeugin K. in den Folgetagen intensive Gespräche. Das hierbei aufgrund der Angaben und in Anwesenheit der Zeugin K. von der Zeugin Kl. unter dem Datum des 7. August 2003 erstellte Gedächtnisprotokoll führte zu den disziplinaren Ermittlungen gegen den früheren Soldaten.

39 Der frühere Soldat hat bestritten, die Zeugin K., seine (frühere) Ehefrau, am 4. August 2003 in der Wohnung seiner Mutter in B. sowie nachmittags in der ehelichen Wohnung in K. in der festgestellten Art und Weise körperlich misshandelt und ihr die von Oberstabsarzt Dr. Ki. und dem Zeugen Dr. We. attestierten Verletzungen zugefügt zu haben. Er habe zwar am 4. August 2003 sowohl in der Wohnung seiner Mutter in B. als auch in der ehelichen Wohnung in K. mit der Zeugin K. heftig gestritten. Während der Streitigkeiten habe er auch laut gebrüllt und sie beschimpft (u.a. „Schlampe“). Er habe sie aber nicht körperlich attackiert, sondern sie am Morgen des 6. August 2003 „unversehrt“ am Flughafen abgesetzt. Soweit tatsächlich die nach ihrer Rückkehr in das Einsatzland von den Ärzten festgestellten Verletzungen vorgelegen hätten, müsse sich die Zeugin K. diese anderweitig zugezogen haben. Er könne sich daran erinnern, dass er am Abend vor ihrer Abreise an ihrem nackten Körper einige blaue Flecke an ihrem Oberschenkel gesehen habe; sie habe ihm erklärt, diese habe sie sich in Bo. zugezogen, als sie aus Versehen eine Tür eingetreten habe. Das Vorliegen einer ihr attestierten posttraumatischen Kieferklemme mit stark eingeschränkter seitlicher Mobilität des Unterkiefers sei auch deshalb mehr als zweifelhaft, weil die Zeugin K. nach ihren eigenen Angaben während ihres Rückfluges nach Bo. ein Baguette gegessen habe. Zudem sprächen gegen die ihm angelasteten körperlichen Attacken am 4. August 2003, dass er und die Zeugin K. jedenfalls am Tag darauf harmonisch wieder zusammengelebt, gemeinsam eingekauft, gekocht und ehelichen Beischlaf gehabt hätten. Außerdem seien die ihn belastenden Vorwürfe der Zeugin K. deshalb unglaubhaft, weil sie ihm am frühen Morgen des 6. August 2003, nachdem sie sich gegenseitig voneinander verabschiedet hätten, noch vom Flughafen Wu. aus eine SMS mit den Worten geschickt habe: „Ich liebe dich über alles.“ Ein mögliches Motiv für die ihm zugeschriebenen persönlichen Attacken könne darin liegen, dass man habe verhindern wollen, dass sein für die Zeit ab Ende August 2003 geplanter Auslandseinsatz in Bo. gemeinsam oder zeitgleich mit der Zeugin K. habe stattfinden können. Schließlich sei dieser auch durch das laufende Disziplinarverfahren vereitelt worden.

40 Dieser Einlassung vermag der Senat nicht zu folgen. Zu seiner vollen Überzeugung steht fest, dass es sich dabei um Schutzbehauptungen des früheren Soldaten handelt, die darauf ausgerichtet sind, sein Fehlverhalten zu verdecken.

41 Nach § 261 StPO hat das Gericht (als Tatsacheninstanz) über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung zu entscheiden. Dies schließt die Möglichkeit eines anderen, auch gegenteiligen Geschehensablaufes nicht aus; denn im Bereich der vom Tatrichter zu würdigenden tatsächlichen Umstände ist der menschlichen Erkenntnis ein absolut sicheres Wissen über den Tathergang, demgegenüber andere Möglichkeiten seines Ablaufs unter allen Umständen ausscheiden müssten, verschlossen. Nach der gesetzlichen Regelung ist es allein Aufgabe des Tatrichters, ohne Bindung an feste gesetzliche Beweisregeln und nur nach seinem Gewissen verantwortlich zu prüfen und zu entscheiden, ob er die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeugen kann oder nicht. Die für die Überführung eines Angeschuldigten erforderliche (volle) persönliche Gewissheit des Tatrichters erfordert ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, demgegenüber vernünftige Zweifel nicht mehr aufkommen (vgl. Urteile vom 12. Februar 2003 - BVerwG 2 WD 8.02 - DVBl 2003, 750 und vom 3. Juli 2003 - BVerwG 1 WD 3.03 - Buchholz 235.01 § 91 WDO Nr. 1 = NZWehrr 2004, 166; BGH, Urteil vom 8. Januar 1988 - 2 StR 551/87 - NStZ 1988, 236 <237>; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. 2005, § 261 Rn. 2 m.w.N.). Zur Überführung eines Angeschuldigten ist dabei keine „mathematische“ Gewissheit erforderlich. Der Beweis muss jedoch mit lückenlosen, nachvollziehbaren logischen Argumenten geführt sein. Die Beweiswürdigung muss auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruhen und muss erschöpfend sein. Der Tatrichter ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinander zu setzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen sowie diese Tatsachen und deren Würdigung in den Urteilsgründen darzulegen. Allein damit wird die Unschuldsvermutung widerlegt (vgl. Urteile vom 12. Februar 2003 a.a.O. und vom 3. Juli 2003 a.a.O.).

42 Nach Maßgabe dieser Anforderungen hat der Senat die volle persönliche Überzeugung gewonnen, dass der frühere Soldat die festgestellten Handlungen am 4. August 2003 gegen seine (frühere) Ehefrau, die Zeugin K., begangen hat. Dies ergibt sich insbesondere aus der glaubhaften Aussage dieser Zeugin, aus den Bekundungen der Zeugen Kl., Ge., P. und Dr. We. sowie aus den vorliegenden und zum Gegenstand der Berufungshauptverhandlung gemachten ärztlichen Atteste vom 15. August 2003 (Dr. Ki.) und vom 14. September 2003 (Dr. We.).

43 Die Zeugin K. hat den in Rede stehenden Geschehensablauf in der Berufungshauptverhandlung in den entscheidungserheblichen Punkten und nach Maßgabe ihres aktuellen Erinnerungsvermögens glaubhaft und nachvollziehbar geschildert. Insbesondere war sie sich sehr sicher, dass sie am 4. August 2003 sowohl in der Wohnung in B. als auch in der ehelichen Wohnung in K. jeweils im Verlaufe einer heftigen verbalen Auseinandersetzung von dem früheren Soldaten in der festgestellten Weise körperlich attackiert wurde und hierbei die von Dr. Ki. und Dr. We. festgestellten Verletzungen erlitt.

44 Für die Glaubhaftigkeit der Bekundungen der Zeugin K. zum Kerngeschehen am 4. August 2003, d.h. zum Verhalten des früheren Soldaten ihr gegenüber in der Wohnung seiner Mutter in B. und in der ehelichen Wohnung in K. spricht bereits der authentische Detailreichtum ihrer Aussagen. Ausgehend von der am Morgen des 4. August 2003 gegen 8.00 Uhr per Telekommunikation eingegangenen Mitteilung der Mutter der Zeugin K. über einen Anruf des Zeugen P., des damaligen Vorgesetzten der Zeugin im Einsatzland, hat die Zeugin nachvollziehbar und folgerichtig den Gang der Ereignisse geschildert. Ihre Darlegungen waren anschaulich konkret, farbig und lebendig. Dies ist insbesondere in ihrer detailgenauen und in sich stimmigen Schilderung zum Ausdruck gekommen, wie sich die Wut des früheren Soldaten nach ihrem erfolgten telefonischen Rückruf bei Hauptmann P. aufbaute und entwickelte, bis es zu einem „vulkanartigen“ Ausbruch kam, in dessen Verlauf der frühere Soldat „ausrastete“, die Zeugin auf ein Bett warf und ihr mit der Hand ins Gesicht schlug sowie anschließend in die Küche lief und von dort zurückkehrend mit einem Messer in der Hand mit Suizid drohte. Dabei hat sich die Zeugin auch genau daran zu erinnern vermocht, dass im Gefolge der damit einhergehenden lautstarken und heftigen verbalen Auseinandersetzungen an der Wohnung vorbeigehende Passanten auf das Gebrüll des früheren Soldaten und die Schreie der Zeugin aufmerksam wurden und durch Zuruf anfragten, ob sie die Polizei verständigen sollten. Dies deckt sich insoweit mit der Einlassung des früheren Soldaten, der in der Berufungshauptverhandlung bestätigt hat, dass bei dem Streit in der B.er Wohnung „alles drunter und drüber“ gegangen sei und dass zufällig vorbeigehende Passanten darauf aufmerksam geworden seien. Detailgenau waren auch die Schilderungen der Zeugin zur anschließenden raschen Abreise aus B., zum Verlauf der Autofahrt nach K. mit einem Zwischenstopp an einer Raststätte, um Kopfschmerztabletten für die Zeugin zu holen, sowie zum weiteren Ablauf der Ereignisse an jenem Tag in der K.er Wohnung. Insbesondere hat sie im Einzelnen konkret und nachvollziehbar geschildert, wie sich nach der Abfrage einer auf ihrem Mobiltelefon eingegangenen SMS erneut eine lautstarke verbale Auseinandersetzung entwickelte, wozu maßgeblich auch der Umstand beigetragen hatte, dass der frühere Soldat auf dem USB-Stick der Zeugin digital gespeicherte Bilder entdeckt hatte, die ihm eine intime Beziehung zwischen ihr und Oberfeldwebel S. nahe legten. Die Zeugin hat auch detailreich die in der K.er Wohnung sodann erfolgten körperlichen Attacken des früheren Soldaten plastisch geschildert. Dieser habe sie „aufs Bett geschmissen“ und sie „wie einen Fußball getreten“. Sein Kopf sei hochrot gewesen. Er habe sich dann auf das Bett gestellt und ihr mit voller Wucht auf den Oberschenkel getreten. Als sie versucht habe zu fliehen, habe er ihr den Weg versperrt und ihr mit der Hand ins Gesicht geschlagen.

45 Für die Glaubhaftigkeit der den früheren Soldaten belastenden Kernaussagen der Zeugin K. sprechen ferner auch die Konstanz und Widerspruchsfreiheit ihres Aussageverhaltens. Sowohl in ihrem von der Zeugin Kl. unter dem 7. August 2003 aufgenommenen Gedächtnisprotokoll, das vom Senat in die Berufungshauptverhandlung eingeführt worden ist, als auch bei ihren späteren Vernehmungen hat sie das von Anschuldigungspunkt 1 erfasste Fehlverhalten des früheren Soldaten vom 4. August 2003 im Kern gleich bleibend geschildert. Inhaltliche Widersprüche sind insoweit nicht erkennbar. Ihre tatzeitnächste Schilderung der Vorfälle, die im „Gedächtnisprotokoll“ vom 7. August 2003 festgehalten wurden, hat sie sowohl vor der Truppendienstkammer als auch in der Berufungshauptverhandlung im Kern bestätigt, ohne dass dabei - unter Berücksichtigung des eingetretenen Zeitablaufs und der dadurch naturgemäß bewirkten Gedächtnislücken - wesentliche Abweichungen oder Ungereimtheiten zu Tage getreten sind. Soweit sich die Zeugin in der Berufungshauptverhandlung zunächst an Details zum Handlungsablauf und an Einzeläußerungen nicht mehr hat erinnern können, hat sie diese Gedächtnislücken jedoch auf Vorhalt ihrer früheren Aussagen glaubhaft schließen können. Dabei ist deutlich geworden, dass ihr die damalige Situation und die Vorfälle vom 4. August 2003 lebendig vor Augen standen und dass sie, erneut konfrontiert mit den Ereignissen, sich auch - durchweg glaubhaft - an weitere, ihr zunächst nicht mehr präsente Einzelheiten hat erinnern können. Sie hat diese in der Berufungshauptverhandlung dann ohne ZöGe. und Unsicherheiten mitgeteilt, ohne dass sich dabei auch nur ein Anhaltspunkt dafür ergeben hätte, dass sie von ihr erfunden worden sind. Zusammenfassend betrachtet fügen sich die verschiedenen Details ihrer Aussagen zu einem stimmigen einheitlichen Ganzen zusammen.

46 Das Aussageverhalten der Zeugin K. war auch frei von sprachlichen oder inhaltlichen Strukturbrüchen, die auf unwahre Bekundungen hindeuten könnten. Bei der Beantwortung an sie gestellter Fragen ist sie zu keinem Zeitpunkt ausgewichen oder in bloße Andeutungen oder leere Redensarten geflüchtet. Verbleibende Erinnerungslücken hat sie offen eingeräumt. Einwänden hat sie sich gestellt. Sie ist hierauf nach Maßgabe ihres Erinnerungsvermögens konkret und nachvollziehbar eingegangen. Dabei hat sie sich auch offen zu Umständen geäußert, die sie dem Risiko aussetzten, dass ihre Persönlichkeit in einem eher ungünstigen Licht erscheinen konnte. So hat sie ohne Umschweife ihr relativ schwach ausgeprägtes Selbstwertgefühl, ihre Unsicherheit und ihre Schwierigkeiten geschildert, mit ihrer Angst umzugehen und z.B. rational an sich gebotene Schritte effektiv zu unternehmen, um sich den Attacken des früheren Soldaten zu entziehen und erforderliche Hilfe von Dritten zu erhalten. Hinsichtlich der Schilderung des von Anschuldigungspunkt 1 erfassten Kerngeschehens vom 4. August 2003 war an keiner Stelle erkennbar, dass sie ihre Aussagebereitschaft davon abhängig machte, ob ihr die jeweiligen Bekundungen für sie selbst oder für andere eher vorteilhaft oder eher nachteilig erschienen.

47 Die von der Zeugin in ihren Aussagen dem früheren Soldaten angelasteten Handlungen fügen sich dabei homogen in das Bild ein, das sie von seinem Charakter und seinem Vorverhalten ebenfalls detailreich und plastisch dem Senat vermittelt hat. Sie hat dies an Hand einzelner konkreter Beispiele illustriert. So hat sie davon berichtet, dass sie bereits zuvor mehrfach „wegen Lappalien“ körperlich von ihm attackiert worden sei. So sei er z.B. einmal während des Frühstücks „explodiert“, da er sich heftig darüber geärgert habe, dass sie, die Zeugin, ein Frühstücksei „nicht richtig gekocht“ habe. Er sei aus dem Stand heraus „ausgeflippt“, habe sie gewürgt und geschlagen. Ein anders Mal habe er ihr morgens heftige Vorwürfe gemacht und sei wiederum „explodiert“, weil sie nachts - aufgrund einer Allergie (Asthma und Heuschnupfen) - während der Pollenflugzeit oft gehustet habe, sodass er „nicht richtig“ habe schlafen können. Der frühere Soldat ist diesen in seiner Gegenwart in der Berufungshauptverhandlung erfolgten Bekundungen der Zeugin K. weder mit Worten noch durch nonverbale Reaktionen entgegengetreten. Dabei hat er dem Senat den Eindruck vermittelt, dass er insoweit auf jeden Protest und jeden Widerspruch verzichtet hat, um eine weitere Vertiefung dieser für ihn augenscheinlich peinlichen Enthüllungen der Zeugin K. in der Berufungshauptverhandlung zu vermeiden.

48 Für die Glaubhaftigkeit der den früheren Soldaten belastenden Kernaussagen der Zeugin K. spricht des Weiteren auch die individuelle Prägung ihrer Aussagen. Während ihrer Schilderung insbesondere der Vorgänge vom 4. August 2003 hat sie ständig mit Tränen gerungen. Ihre Körperhaltung und ihre Stimme haben dabei deutlich gemacht, dass sie noch heute unter jenen Vorfällen in starkem Maße leidet und diese emotional nicht überwunden hat. Anhaltspunkte dafür, dass sie insoweit etwas vorgespiegelt hätte, sind für den Senat nicht ersichtlich geworden. Vielmehr hat die Zeugin K. den nachvollziehbaren und glaubhaften Eindruck vermittelt, dass sie sich während der beiden Vorfälle vom 4. August 2003 in der B.er und in der K.er Wohnung angesichts des Verhaltens des aggressiven früheren Soldaten tatsächlich in großer Angst befand. Ihre Einschüchterung war erkennbar so stark, dass sie es nicht einmal wagte, vorbeigehende Passanten oder Nachbarn, die aufgrund des hohen Lärmniveaus auf die Auseinandersetzungen aufmerksam geworden waren, um Hilfe zu bitten. Soweit der frühere Soldat aus den unterbliebenen Hilferufen an Dritte dem Senat die Schlussfolgerung nahe gelegt hat, die Zeugin könne schon deshalb nicht so verängstigt gewesen sein, vermag dies der Senat nicht nachzuvollziehen. Während die Zeugin ihre damalige psychische Situation in enger Verknüpfung mit dem Ablauf der Ereignisse detailreich und plastisch bekundet hat, hat sich der frühere Soldat insoweit auf pauschale und unkonkrete Einwände gegen ihre Glaubwürdigkeit beschränkt. Er hat insbesondere davon Abstand genommen, den von großer individueller Betroffenheit geprägten Schilderungen der Zeugin K. über den Ablauf der Auseinandersetzungen und die Gründe ihrer geschilderten Angstreaktionen mit konkreten und nachvollziehbaren Einwänden entgegenzutreten. Da er während der in Rede stehenden Vorfälle vom 4. August 2003 jeweils persönlich zugegen und in sie unmittelbar involviert war, hätte es nahe gelegen, falls tatsächlich bestimmte Anhaltspunkte darauf hingedeutet haben sollten, dass die Zeugin K. etwas vorzuspiegeln versuchte, diese dem Senat konkret mitzuteilen. Genau dies hat er aber nicht getan.

49 Das Aussageverhalten der Zeugin K. zeigte auch keinerlei „Belastungseifer“. Es war dadurch geprägt, dass sie ersichtlich durchweg um wahrheitsgemäße Aussagen bemüht war. Es haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die inhaltliche Richtigkeit ihrer Bekundungen durch persönliche Wut oder nachhaltigen Zorn auf den früheren Soldaten beeinträchtigt war. Bei aller starken emotionalen Betroffenheit war sie in der Berufungshauptverhandlung durchweg bemüht, ihrem früheren Ehemann nicht feindselig gegenüberzutreten oder ihn „in Grund und Boden zu verdammen“. Dazu passt auch, dass das vorliegende gerichtliche Disziplinarverfahren nicht von ihr persönlich initiiert wurde. Vielmehr wurde es nach ihrer am 6. August 2003 erfolgten Rückkehr an ihren damaligen Einsatzort R. im Gefolge der von der Truppenpsychologin, der Truppenärztin und dem Truppenzahnarzt durchgeführten Untersuchungen von den zuständigen Vorgesetzten in Gang gesetzt.

50 Für die Glaubhaftigkeit der den früheren Soldaten belastenden Kernaussagen der Zeugin K. sprechen schließlich auch die vorliegenden und zum Gegenstand der Berufungshauptverhandlung gemachten ärztlichen und zahnärztlichen Atteste über die unmittelbar nach der Rückkehr nach R. festgestellten Verletzungen sowie ferner die Aussagen der Zeugen Kl., Dr. We., P. und Ge.

51 Der Zeuge Dr. We. hat in der Berufungshauptverhandlung die inhaltliche Richtigkeit seines zahnärztlichen Befundberichtes vom 14. September 2003 nachdrücklich bestätigt. Diesem Bericht zufolge hatte sich die Zeugin K. am 7. August 2003 zur zahnärztlichen Befunderhebung in der Zahnarztgruppe R. vorgestellt und dabei angegeben, dass sie am 4. August 2003 Schläge auf die linke und rechte Gesichtshälfte erhalten hatte und deshalb unter Schmerzen in der Schläfen- und Wangenregion litt, die bis zur Untersuchung am 7. August 2003 anhielten. Der Zeuge Dr. We. hat seine damalige Diagnose ausdrücklich bekräftigt („Posttraumatische Kieferklemme mit stark eingeschränkter seitlicher Mobilität des Unterkiefers aufgrund entzündlicher Infiltration der Kaumuskulatur bedingt durch die einwirkende stumpfe Gewalt“). In der Berufungshauptverhandlung hat er ergänzend ausgeführt, nach seinem damaligen Untersuchungsbefund sei davon auszugehen, dass die Zeugin K. die von ihm festgestellten Verletzungen in einem davor liegenden Zeitraum von bis zu sieben Tagen erlitten habe. Die Angaben der Zeugin K., die Schläge seien am 4. August 2003 erfolgt, halte er deshalb nach wie vor für plausibel und glaubhaft. Konkrete Anhaltspunkte für einen von der Zeugin K. vorgetäuschten Geschehensablauf seien für ihn weder damals noch heute ersichtlich. Der Zeuge Dr. We. hat auch nachvollziehbar und glaubhaft bekundet, dass es für die Zeugin K. bei ihrem am 6. August 2003 erfolgten Rückflug nach R. zwar schwierig gewesen sein dürfte, ein - von ihr erwähntes - Baguette zu essen. Ausgeschlossen gewesen sei dies jedoch nicht, insbesondere wenn die Zeugin wegen starken Hungers ihre Schmerzempfindungen beim Kauen und Schlucken hingenommen bzw. unterdrückt habe. Insgesamt hat der Senat keine Veranlassung gehabt, an der inhaltlichen Richtigkeit der in sich stimmigen und in jeder Hinsicht nachvollziehbaren Aussage des (sachverständigen) Zeugen Dr. We. zu zweifeln.

52 In der Berufungshauptverhandlung sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich geworden, dass die von der Truppenärztin Dr. Ki. unter dem 15. August 2003 aufgrund ihrer am 6. August 2003 erfolgten körperlichen Untersuchung der Zeugin K. attestierten Befunde unrichtig wären. Dr. Ki. hat als Zeugin vor dem Truppendienstgericht die Richtigkeit ihres Befundberichtes ausdrücklich bestätigt. Konkrete inhaltliche Einwände gegen diese Befunde sind in der Verhandlung vor dem Truppendienstgericht von den Verfahrensbeteiligten nicht erhoben worden. Soweit der frühere Soldat in seinem Berufungsschriftsatz und in der Berufungshauptverhandlung ausgeführt hat, er könne sich nicht erklären, woher die bei der Zeugin K. festgestellten Verletzungen herrühren sollten, wird dadurch die inhaltliche Richtigkeit der Befunde nicht erschüttert. Auch er hat den Ärzten keine Fehldiagnose unterstellt. Seine Mutmaßungen über anderweitige Ursachen der festgestellten Verletzungen vermögen an ihrer Faktizität nichts zu ändern. Anhaltspunkte dafür, dass die Zeugin K. nicht am 4. August 2003 durch die körperlichen Attacken des früheren Soldaten, sondern durch - vom früheren Soldaten unterstellte - anderweitige Fremdeinwirkungen oder von eigener Hand in der Zeit zwischen ihrem Abflug am Morgen des 6. August 2003 und ihrer wenige Stunden danach erfolgten Ankunft in R. oder gar vor Beginn ihres Sonderurlaubs (31. Juli 2003) erlitten haben könnte, sind schlechterdings nicht erkennbar. Soweit der frühere Soldat am 5. August 2003 nachts am nackten Körper der Zeugin K. (ältere) Hämatome gesehen haben will, die aus einem Fußtritt gegen eine Tür entstanden sein sollen, vermag dies - die Wahrheit seiner diesbezüglichen Einlassung unterstellt - nicht die Faktizität der von Dr. Ki. und Dr. Weinmann am 6./7. August 2003 diagnostizierten akuten Verletzungen im Oberschenkel- und Gesichtsbereich der Zeugin K. in Frage zu stellen oder gar zu widerlegen.

53 Für die Richtigkeit der am 6. und 7. August 2003 getroffenen ärztlichen und zahnärztlichen Befunde sprechen auch die Bekundungen der Zeugin Kl., die kurze Zeit nach der am 6. August 2003 erfolgten Rückkehr der Zeugin K. nach R. in ihrer Eigenschaft als Truppenpsychologin mehrtätige eingehende Explorationsgespräche mit ihr führte und ihre, der Zeugin K., Angaben in der bereits vorerwähnten Niederschrift („Gedächtnisprotokoll“) vom 7. August 2003 festhielt. Die Zeugin Kl. hat gegenüber dem Senat ausdrücklich bestätigt und detailreich geschildert, dass die Zeugin K. damals auch ihr gegenüber von starken Schmerzen im Gesichts- und Kieferbereich geklagt und angegeben hatte, ihre Verletzungen seien auf die nur wenige Tage zurückliegenden körperlichen Attacken des früheren Soldaten zurückzuführen. Die Zeugin K. habe damals auf sie einen sehr verängstigten Eindruck gemacht. Sie habe nicht essen wollen und über Appetitlosigkeit geklagt. Erst nach ca. einer Woche sei die Zeugin K. wieder „einigermaßen stabilisiert“ gewesen. Die Zeugin K. habe damals nur ca. 50 kg Körpergewicht gehabt. Ihre Köpersprache und ihr Erscheinungsbild seien besonders auffällig gewesen und hätten ein deutliches Bild von ihrem damaligen körperlichen und seelischen Zustand gezeichnet. In ihrer gebückten und geduckten Körperhaltung seien ihr sehr verängstigter Gemütszustand und ihr erheblich beeinträchtigtes Selbstwertgefühl augenscheinlich zum Ausdruck gekommen. Ihr, der Zeugin Kl., stehe dies noch bildlich vor Augen. Die Zeugin K. habe während der Explorationsgespräche sehr oft geweint und teilweise schwer geatmet. Sie sei sehr blass gewesen. Aufgrund der glaubhaften Angaben der Zeugin K. sei es für sie, die Zeugin Kl., klar erkennbar geworden, dass diese im Übrigen bereits lange vor dem 4. August 2003 unter den Auseinandersetzungen mit dem früheren Soldaten und an der sehr angespannten ehelichen Situation stark gelitten habe. Bezeichnend dafür sei, dass sich die Zeugin K. im September 2002 freiwillig für einen Auslandseinsatz gemeldet habe, den sie dann auch im Mai 2003 angetreten habe, um den ständigen Auseinandersetzungen und dem psychischen Druck ihres (früheren) Ehemannes für einige Zeit zu entgehen. Dass die Zeugin K. sich am 4. August 2003 nach den körperlichen Attacken in der Wohnung in B. nicht sofort dem Zugriff des früheren Soldaten entzogen und nicht wirksam um Hilfe bei Dritten nachgesucht habe und dass sie darüber hinaus sogar noch mit dem früheren Soldaten in die Wohnung nach K. zurückgefahren sei, wo es dann erneut zu körperlichen Angriffen auf sie kam, hat die (sachverständige) Zeugin Kl. als Truppenpsychologin nachvollziehbar und überzeugend auf das spezifische Dominanz- bzw. Abhängigkeitsverhältnis zwischen den (früheren) Eheleuten zurückgeführt. Die Dominanz des früheren Soldaten sei im Verhältnis zur Zeugin K. so stark gewesen, dass diese sich dem letztlich nicht wirksam habe entziehen können. Der Zeugin K. habe es sowohl an dem erforderlichen Selbstwertgefühl als auch an der notwendigen Kraft gefehlt, um sich dem unangemessenen und letztlich gewalttätigen Verhalten ihres (früheren) Ehemannes zu widersetzen. Verstärkt worden sei diese für die Zeugin K. äußerst prekäre Situation dadurch, dass es ihr auch an dem notwendigen „psychischen Hinterland“ gefehlt habe. Denn sie habe damals kaum Freunde gehabt. Bei ihren eigenen Eltern habe sie wenig Verständnis und Unterstützung gefunden. Durch ihre Angst sei die Zeugin K. in und nach den heftigen Auseinandersetzungen namentlich am 4. August 2003 so blockiert gewesen, dass sie praktisch handlungsunfähig oder nur zu Pseudohandlungen in der Lage gewesen sei. Sie habe sich deshalb, um sich weiteren Attacken durch den früheren Soldaten zu entziehen, darauf beschränkt, bei diesem den Eindruck zu erwecken und zu „stabilisieren“, die Situation habe sich „wieder normalisiert“, sodass er sich nicht weiter „aufzuregen“ brauche. Nur so sei letztlich zu erklären, dass der frühere Soldat nach den Vorfällen vom 4. August 2003 am Folgetag subjektiv den Eindruck habe gewinnen können, es sei „alles wieder in Ordnung“. Soweit die Zeugin K. ausweislich der Einlassung des früheren Soldaten am Morgen des 6. August 2003 nach der am Flughafen erfolgten Verabschiedung an diesen eine SMS („Ich liebe dich über alles“) geschickt habe, sei darin erkennbar vor allem „eine Art Schutzmechanismus“ zu sehen. Nach der Verabschiedung von dem früheren Soldaten habe sie sich in einer gewissen „Sicherheit“ gefühlt. Sie sei subjektiv darauf aus gewesen, ihn (per SMS-Botschaft) zu beruhigen, um ihrerseits nunmehr in Ruhe gelassen zu werden. Zudem habe sich in ihrem objektiv sicher ungewöhnlichen, subjektiv jedoch durchaus nachvollziehbaren Agieren ihre damalige große innere Unsicherheit und Unstabilität widergespiegelt. Angesichts der extremen psychischen Situation der Zeugin K. nach den am 4. August 2003 auf sie erfolgten körperlichen Attacken ihres (früheren) Ehemannes, der damals von ihr als besonders bedrohlich erlebten Dominanz und ihrer damit vor dem Hintergrund ihres schwach ausgeprägten Selbstwertgefühls korrespondierenden Abhängigkeit sei bei ihr offenkundig „alles hoch und runter“ gegangen, sodass sie zu einem strukturierten und rationalen Verhalten kaum mehr in der Lage gewesen sei. Dementsprechend habe sich die Zeugin K. z.B. einerseits bereits vor ihrer am 6. August 2003 erfolgten Rückreise nach R. dazu entschlossen, sich von dem früheren Soldaten scheiden zu lassen. Andererseits habe sie in den Explorationsgesprächen wiederum angegeben, sie habe ihre Scheidungsklage schon wieder zurückgezogen. Ein solch wechselhaftes und widersprüchliches Verhalten sei damals für sie signifikant und typisch gewesen. Sie habe nicht mehr „ein und aus gewusst“. Auf ihren, der Zeugin Kl., Ratschlag („Mädel denk mal daran, dich unter Umständen von deinem Mann zu trennen“) habe die Zeugin K. sich ihrer Situation zunehmend realistischer gestellt und in der Folgezeit dann auch insoweit eine klare Entscheidung getroffen, sodass sie zwischenzeitlich geschieden sei.

54 Der Senat ist dieser von der Zeugin Kl. nachvollziehbar und überzeugend vorgetragenen sachverständigen Darlegung und Einschätzung des damaligen psychischen Zustandes der Zeugin K. gefolgt. Die Zeugin Kl. verfügt als Truppenpsychologin mit fast 20-jähriger Berufserfahrung ersichtlich über die erforderliche Sachkunde, die sie im Rahmen ihrer Vernehmung eindrücklich unter Beweis gestellt hat. Von den Beteiligten sind daran keine Zweifel erhoben worden. Die (sachverständige) Zeugin hat die empirischen Grundlagen ihrer Beurteilung nachvollziehbar dargelegt. Ihre psychologische Beurteilung der Zeugin K. gründet auf eingehenden zeitnahen Explorationsgesprächen, die nach der am 6. August 2003 erfolgten Rückkehr der Zeugin K. nach R. mehrere Tage in Anspruch nahmen. Die von der Zeugin Kl. aus den erhobenen Befunden gezogenen Schlussfolgerungen, die sie in der Berufungshauptverhandlung nachvollziehbar und überzeugend dargelegt hat, sind widerspruchsfrei. Anhaltspunkte dafür, dass die Zeugin Kl. bei ihrer psychologischen Beurteilung von sachfremden Erwägungen beeinflusst war oder in einem persönlichen Verhältnis zu der Zeugin K. stand, die Zweifel an ihrer Unparteilichkeit und Unbefangenheit hätten begründen können, sind nicht ersichtlich. Auch der frühere Soldat hat solche Zweifel nicht erhoben.

55 Entgegen der Auffassung des früheren Soldaten ergeben sich auch aus den Bekundungen des Zeugen Ge. keine durchgreifenden Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Kernaussagen der Zeugin K.. Der Zeuge Ge. hat vielmehr in der Berufungshauptverhandlung ebenfalls ausdrücklich bestätigt, dass es am Abend des 4. August 2003 zwischen dem früheren Soldaten und der Zeugin K. zu heftigen lautstarken Auseinandersetzungen in deren Wohnung kam. Der frühere Soldat habe gebrüllt und seine Stimme sei sehr aggressiv gewesen. Die Zeugin K. sei demgegenüber bemüht gewesen, ihn zu besänftigen. Der Streit zwischen den (früheren) Eheleuten habe etwa eine halbe Stunde gedauert und ein deutlich erkennbar „hohes Konfliktniveau“ aufgewiesen. Allerdings habe er aus dem Streit nicht heraushören können, ob der frühere Soldat die Zeugin K. auch körperlich attackiert und geschlagen habe. Er könne dies aber - auch wenn er keine Hilfeschreie der Zeugin K. gehört habe - nicht ausschließen. Aus dem Nichtwahrnehmen oder Fehlen von Hilfeschreien der Zeugin K. kann nicht geschlossen werden, die Bekundungen der Zeugin K. seien unwahr. Denn der Zeuge Ge. und seine Ehefrau waren keine unmittelbaren Tatzeugen. Sie hatten keinen unmittelbaren (optischen) Einblick in das Geschehen, das in dem (Nachbar-)Haus der Eheleute Taust ablief. Auch ihre akustische Wahrnehmung der Vorgänge war nur eingeschränkt. Zusätzlich ist dabei zu berücksichtigen, dass die Zeugin K. in ihrem eingeschüchterten und stark verängstigten psychischen Zustand nicht in der Lage war, sich wirksam lautstark zu wehren und insbesondere bei Dritten um Hilfe nachzusuchen. Vielmehr war sie nachhaltig gerade darum bemüht, den früheren Soldaten zu besänftigen und nicht zu provozieren, um Schlimmeres zu verhindern.

56 Auch der Umstand, dass der Zeuge Ge. am Vorabend des Rückfluges der Zeugin K. bei einem Verabschiedungsgespräch keine Verletzungen in ihrem Gesicht und an ihren Armen wahrgenommen hatte, spricht nicht gegen die Glaubhaftigkeit der Kernaussagen der Zeugin K.. Zum einen dauerte dieses Gespräch nur ca. 20 Minuten und ermöglichte so nur eine eher flüchtige Konversation. Wie der Zeuge Ge. ausdrücklich bestätigt hat, hat sich die Zeugin K. während dieses Kurzbesuches im Hause Ge. kaum geäußert und im Zusammenhang mit den Streitigkeiten vom Vortage auf Befragen sinngemäß lediglich erklärt, „es“ sei „alles in Ordnung“. Angesichts dessen ist es nachvollziehbar, dass dem Zeugen Ge. und seiner Ehefrau die am nächsten und übernächsten Tag ärztlicherseits festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Zeugin nicht auffielen.

57 Auch die Bekundungen des Zeugen P. sprechen nicht gegen die Glaubhaftigkeit der Kernaussagen der Zeugin K. Der Zeuge P. hat in der Berufungshauptverhandlung - ebenso wie zuvor bei der Truppendienstkammer - ausdrücklich bestätigt, dass er am 4. August 2003 bei der Mutter der Zeugin K. angerufen und um Rückruf der Zeugin K. gebeten hatte, weil er sich angesichts der ihm bekannten Eheprobleme der Zeugin um sie Sorgen machte und eventuell die Feldjäger einschalten wollte. Ferner hat er bestätigt, dass die Zeugin K. ihn kurze Zeit darauf am Morgen oder Vormittag des 4. August 2003 angerufen und ihm beschwichtigend erklärt habe, „dass alles in Ordnung“ sei. Nach ihrer Rückkehr nach R. habe er, als er sie das erste Mal wieder gesehen habe, Verletzungen in ihrem Gesicht und im Mundbereich festgestellt. Die Zeugin K. habe einen „verstörten Eindruck“ gemacht. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Bekundungen des Zeugen P. unglaubhaft wären, sind für den Senat zu keinem Zeitpunkt ersichtlich geworden. Sie waren in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Der Senat zweifelt auch nicht an der Glaubwürdigkeit des Zeugen. Als damaliger Vorgesetzter der Zeugin K. war der Zeuge P. im Einsatzland erkennbar darum bemüht, seiner Fürsorgepflicht ihr gegenüber gerecht zu werden und sie vor Schaden auch im privaten Bereich zu schützen. Es liegen dabei keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass sein Aussageverhalten von einer besonderen persönlichen Nähe zur Zeugin K. überlagert oder sonst von unsachlichen Erwägungen beeinflusst worden ist. Gegenteiliges haben auch die Verfahrensbeteiligten nicht dargetan.

58 Soweit der frühere Soldat die Glaubhaftigkeit der Bekundungen der Zeugin K. sowie ihre persönliche oder allgemeine Glaubwürdigkeit durch den Hinweis auf ihre intimen Beziehungen mit dem Oberfeldwebel S. in Zweifel gezogen hat, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Zeugin hat wiederholt bekundet, Oberfeldwebel S. habe seit Beginn ihres Auslandsaufenthaltes zu ihrem persönlichen Arbeitsumfeld gehört. Er sei allmählich zu einer Vertrauensperson für sie geworden, mit dem sie unter anderem auch über ihre Eheprobleme und ihre daraus resultierenden persönlichen Schwierigkeiten gesprochen habe. Außerdem hat sie eingeräumt, dass sich daraus in der Zwischenzeit eine enge Beziehung entwickelt habe und dass Oberfeldwebel S. und sie ein im Juli 2004 geborenes gemeinsames Kind hätten. Sie hat jedoch nachdrücklich darauf bestanden, dass sie - wie auch bei früheren Vernehmungen von ihr stets hervorgehoben - während ihres gesamten bis Mitte November 2003 dauernden Auslandseinsatzes keine „intimen Beziehungen“ mit Oberfeldwebel S. gehabt habe. Letzteres sei erst nach ihrer Rückkehr der Fall gewesen. Der Senat kann offen lassen, ob die Zeugin K. hinsichtlich ihrer persönlichen Beziehungen zu Oberfeldwebel S. in jeder Hinsicht die volle Wahrheit gesagt hat. Es ist nicht Aufgabe des vorliegenden gerichtlichen Disziplinarverfahrens, die näheren Umstände der Zeugung des von der Zeugin K. geborenen Kindes und sonstige Umstände ihres Privatlebens aufzuklären. Dies verbietet schon ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, weil die Klärung nicht erforderlich ist. Selbst wenn nämlich die Zeugin K. intime Beziehungen mit dem Oberfeldwebel S. bereits vor dem von ihr genannten Zeitpunkt gehabt haben sollte, würde dies nichts an den am 4. August 2003 erfolgten körperlichen Attacken des früheren Soldaten gegen die Zeugin K. ändern, die dem früheren Soldaten im vorliegenden gerichtlichen Disziplinarverfahren zur Last gelegt worden sind.

59 Insgesamt ist deshalb der Senat zu der sicheren Gewissheit gelangt, dass der frühere Soldat das ihm in Anschuldigungspunkt 1 zur Last gelegte Fehlverhalten am 4. August 2003 gegenüber der Zeugin K. begangen hat.

60 Zu Anschuldigungspunkt 2:
Am 9. Dezember 2000 entwendete der frühere Soldat - wie angeschuldigt - gegen 11.50 Uhr in den Geschäftsräumen der Firma S. in B., eine DVD zum Preis vom 59,99 DM.

61 Der Soldat hat diesen Warenhausdiebstahl zugegeben und eingeräumt, er habe „Mist gebaut“. Den Vermögensschaden habe er inzwischen ausgeglichen. Der Senat hat keine Veranlassung, an der inhaltlichen Richtigkeit des Geständnisses des früheren Soldaten zu zweifeln, zumal dieser den denselben Sachverhalt betreffenden ergangenen Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 14. Juni 2001 - 279 Cs 423/01 - wegen Diebstahls (Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 30 DM) hingenommen und dagegen keine Rechtsmittel eingelegt hatte.

62 Zu Anschuldigungspunkt 3:
Der Senat hat aufgrund der in der Berufungshauptverhandlung im Rahmen der Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen nicht die gemäß § 91 Abs. 1 WDO i.V.m. § 261 StPO erforderliche Überzeugung gewinnen können, dass der Soldat das ihm in der Anschuldigungsschrift unter Punkt 3 vorgeworfene Fehlverhalten begangen hat. Der frühere Soldat ist deshalb insoweit freizustellen.

63 Der - wegen Nichteinhaltung der Einspruchsfrist - rechtskräftige Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 28. Februar 2001 - 285B Cs 161/01 - vermag in tatsächlicher Hinsicht für den Senat keine rechtliche Bindungswirkung zu begründen. Denn nur eine durch strafrichterliches Urteil, nicht aber eine durch Strafbefehl erfolgte Verurteilung begründet die Bindungen nach § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO (stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 11. Juli 2002 - BVerwG 2 WD 3.02 -, vom 1. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 34.02 - BVerwGE 118, 262 <263 ff.> und vom 27. April 2004 - BVerwG 2 WD 4.04 - BVerwGE 120, 350 = Buchholz 262.1 § 5 ATGV Nr. 2).

64 Der frühere Soldat hat das ihm zur Last gelegte Fehlverhalten im vorliegenden Verfahren ausdrücklich und nachhaltig bestritten. Diese Einlassung hat ihm nicht widerlegt werden können.

65 Der Senat hat nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen können, dass der frühere Soldat am 23. März 2000 gegen 22.15 Uhr mit einem Zug der Deutschen Bahn AG (MVV M.) von M. nach F. fuhr, ohne im Besitz eines gültigen Fahrausweises zu sein.

66 Zwar sprechen, worauf die Truppendienstkammer in ihrem Urteil zutreffend hingewiesen hat, durchaus einige Umstände dafür, dass es sich bei der Einlassung des früheren Soldaten um eine Schutzbehauptung handelt. Denn zum einen war er zu dem Zeitpunkt, als die vermeintlich unbekannte Person mit seinem alten, auf seinen früheren Namen „...“ ausgestellten Personalausweis in einem Zug der Deutschen Bahn AG (MVV M.) auf der Fahrt von M. nach F. aufgegriffen wurde, Teilnehmer eines dienstlichen Lehrgangs in der Nähe von M. in F. Außerdem wurde dem S-Bahn-Prüfbediensteten bei der Kontrolle am 23. März 2000 ein Berechtigungsausweis vorgelegt, der für eine Person ausgestellt worden war, die in Be., also in der Nähe des damaligen Dienstortes Le. des früheren Soldaten, ihren Dienstort hatte. Es lässt sich jedoch nicht ausschließen, dass die in dem S-Bahn-Zug des MVV M. am 23. März 2000 aufgegriffene Person dennoch nicht mit dem früheren Soldaten identisch war, sondern sich lediglich den Besitz an dem alten Personalausweis des früheren Soldaten verschafft hatte. Der frühere Soldat hat sich in der Berufungshauptverhandlung - unwiderlegt - dahin eingelassen, er habe während des Lehrgangs (vom 10. Januar bis 31. März 2000 in F.) zu keinem Zeitpunkt Züge im MVV-Bereich benutzt. Er habe einen privaten Pkw zur Verfügung gehabt, den er bei Fahrten zwischen F. und M. stets in Anspruch genommen habe. Es ist auch nicht mit Gewissheit auszuschließen, dass ihm tatsächlich vor dem 23. März 2000 dieser Ausweis abhanden gekommen war. Das wird nicht dadurch widerlegt, dass der frühere Soldat hinsichtlich seines alten Personalausweises offenbar zunächst keine Verlustanzeige abgegeben hatte. Auch aus dem Umstand, dass bei der Kontrolle im S-Bahn-Zug des MVV M. am 23. März 2000 dem Prüfdienst von der kontrollierten Person ein in Be. ausgestellter - auf einen anderen Namen lautender - Berechtigungsausweis vorgelegt wurde, ergibt sich nicht mit der notwendigen Gewissheit, dass dies durch den früheren Soldaten geschah. Denn die wahre Identität der kontrollierten Person steht nicht fest. Weitere Beweismittel zur Überführung des Täters sind nicht ersichtlich. Eine namentliche Feststellung des am 23. März 2000 in dem betreffenden S-Bahn-Zug kontrollierenden Prüfpersonals zum Zwecke einer Gegenüberstellung kommt jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt - mehr als sechs Jahre nach dem Ereignis - nicht mehr in Betracht. Im Strafverfahren vor dem Amtsgericht Tiergarten wurde diese Möglichkeit bereits in Erwägung gezogen, jedoch als letztlich aussichtslos nicht realisiert.

67 Bei dieser Beweislage hat deshalb auch der Bundeswehrdisziplinaranwalt in der Berufungshauptverhandlung zu Recht eine Freistellung des früheren Soldaten von dem in Anschuldigungspunkt 3 erhobenen Vorwurf beantragt.

68 b) Mit seinem zu Anschuldigungspunkt 1 festgestellten Fehlverhalten gegenüber der Zeugin K., seiner (früheren) Ehefrau, hat der frühere Soldat vorsätzlich seine Dienstpflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 2 SG verletzt. Danach hat sich ein Soldat außer Dienst außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er das Ansehen der Bundeswehr oder die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt. Ein Soldat muss sein Verhalten so einrichten, dass ein vernünftiger, objektiv wertender Dritter, wenn er davon Kenntnis haben würde, in dem zu beurteilenden Verhalten keine ernsthafte Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit des Soldaten sehen würde (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 10. Oktober 1989 - BVerwG 2 WDB 4.89 - BVerwGE 86, 188 <198>). Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine solche Beeinträchtigung auch tatsächlich eingetreten ist. Es genügt, wenn das Verhalten des Soldaten dazu geeignet war. Denn die Vorschrift stellt - ebenso wie § 17 Abs. 2 Satz 1 SG - allein auf das Verhalten des Soldaten ab (stRspr, dazu u.a. Beschluss vom 12. Oktober 1993 - BVerwG 2 WDB 15.92 - BVerwGE 103, 112 = NZWehrr 1994, 27 m.w.N.; sowie Urteile vom 2. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 42.02 - und vom 17. Februar 2004 - BVerwG 2 WD 15.03 - NVwZ-RR 2006, 553 = DÖV 2005, 344 <insoweit nicht veröffentlicht>). Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten können durch sein außerdienstliches Verhalten schon dann Schaden nehmen, wenn dieses Zweifel an seiner persönlichen Redlichkeit und Zuverlässigkeit weckt oder seine Eignung für die jeweilige dienstliche Verwendung in Frage stellt (vgl. u.a. Urteile vom 2. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 42.02 - und vom 17. Februar 2004 a.a.O.).

69 Ob die weitgehende Fassung des § 17 Abs. 2 Satz 2 SG unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten in jeder Hinsicht zweifelsfrei ist, bedarf im vorliegenden Fall keiner abschließenden Prüfung und Entscheidung. Denn eine Dienstpflicht, außerhalb des Dienstes jedenfalls keine mit Freiheitsstrafe bedrohten Straftaten zu begehen, begegnet aus der Sicht des Bestimmtheitsgebotes keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. dazu u.a. Urteile vom 1. Juli 1992 - BVerwG 2 WD 14.92 - BVerwGE 93, 269 <274> = NZWehrr 1999, 72 und vom 3. April 2003 - BVerwG 2 WD 46.02 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 3 = NZWehrr 2003, 259 <insoweit nicht veröffentlicht>; BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1969 - 2 BvR 518/66 - BVerfGE 26, 186 <204>). Die allgemeine Gesetzestreue eines Beamten - und nichts anders gilt für Soldaten - ist eine wesentliche Grundlage des öffentlichen Dienstes, dessen Angehörigen nach Art. 33 Abs. 4 GG die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse obliegt. Deshalb ist ein - auch außerdienstlicher - Verstoß jedenfalls gegen Strafrechtsnormen, die wichtige Gemeinschaftsinteressen schützen, allgemein geeignet, das Vertrauen in eine ordnungsgemäße Dienstausübung zu erschüttern (stRspr, Urteile vom 3. April 2003 a.a.O. und vom 25. November 2003 - BVerwG 2 WD 16.03 -; vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Juni 2002 - 2 BvR 2257/96 - DÖD 2003, 37).

70 Der frühere Soldat hat mit seinem zu Anschuldigungspunkt 1 festgestellten Fehlverhalten eine andere Person - seine (frühere) Ehefrau - vorsätzlich körperlich misshandelt und an ihrer Gesundheit beschädigt. Er hat damit den Tatbestand des § 223 StGB durch zwei selbständige Handlungen verwirklicht und somit kriminelles Unrecht begangen. § 223 StGB bedroht eine solche Tat u.a. mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Vorgesetzte und andere Kameraden des zur Tatzeit noch aktiven früheren Soldaten konnten - bei der gebotenen objektiven Betrachtung - diesem in Kenntnis der am 4. August 2003 begangenen vorsätzlichen Straftaten seitdem nicht mehr dasselbe Maß an Vertrauen entgegenbringen, das sie ihm zuvor hatten zukommen lassen. Der frühere Soldat war trotz aller für ihn durch die Telefonate und die Erklärungen seiner (früherren) Ehefrau deutlich erkennbar gewordenen Bemühungen von Vorgesetzten und Kameraden, sie vor diesen befürchteten körperlichen Übergriffen zu schützen, nicht bereit, von seinem brutalen Vorgehen abzulassen. Damit diskreditierte er sich selbst in hohem Maße und begründete nachhaltig Zweifel an seiner persönlichen Redlichkeit und Zuverlässigkeit gerade auch im Umgang mit Vorgesetzten und Kameraden. Dies belegen nicht zuletzt auch die - von dem früheren Soldaten in der Berufungshauptverhandlung selbst geschilderten - Reaktionen seines damaligen Disziplinarvorgesetzten sowie nach dem Bekanntwerden seines Fehlverhaltens diejenigen der Vorgesetzten und Kameraden der Zeugin K..

71 Zugleich hat der frühere Soldat mit seinem von Anschuldigungspunkt 1 erfassten Fehlverhalten auch gegen seine Pflicht verstoßen, die Würde, die Ehre und die Rechte einer Kameradin zu achten (§ 12 Satz 2 SG), indem er seine (frühere) Ehefrau, die zum Zeitpunkt der Taten im Dienstgrad eines Unteroffiziers stand, körperlich misshandelte und an ihrer Gesundheit beschädigte.

72 Auch sein von Anschuldigungspunkt 2 erfasstes Fehlverhalten war kriminelles Unrecht und stellte eine Verletzung seiner Dienstpflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 2 SG dar. Denn (auch) dadurch wurden bei der gebotenen objektivierten Betrachtung ernsthafte Zweifel an seiner persönlichen Zuverlässigkeit und Gesetzestreue begründet. Wer als Soldat im außerdienstlichen Bereich aus eigennützigen Beweggründen nachweislich einen Diebstahl begeht, gibt zu erkennen, dass er die Vermögens- und Eigentumsrechte anderer nicht in der gebotenen Weise achtet. Eine solche Verhaltensdisposition ist auch von Relevanz für seine dienstliche Verwendbarkeit.

73 Der frühere Soldat hat damit ein Dienstvergehen im Sinne des § 23 Abs. 1 SG begangen.

74 c) Nachdem das Dienstverhältnis des früheren Soldaten mit Ablauf des 31. Dezember 2005 geendet hat, ist das von der Truppendienstkammer verhängte Beförderungsverbot aufzuheben. Denn nach § 58 Abs. 2 WDO können gegen frühere Soldaten, die gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 WDO als Soldaten im Ruhestand gelten, nur die in der Vorschrift abschließend aufgeführten Disziplinarmaßnahmen verhängt werden. Dazu gehört nicht die Verhängung eines Beförderungsverbotes. Der frühere Soldat zählt zu der von § 1 Abs. 3 WDO erfassten Personengruppe, weil er keinen Anspruch auf Ruhegehalt, jedoch einen sonstigen Anspruch auf Dienstzeitversorgung oder auf Berufsförderung hat. Zur Dienstzeitversorgung eines Soldaten auf Zeit gehören unter anderem die Übergangsgebührnisse (§ 11 SVG) und die Übergangsbeihilfe (§§ 12, 13 SVG). Diese Ansprüche sind beim früheren Soldaten noch nicht erloschen, weil die Leistungen, die gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 WDO als Ruhegehalt gelten, noch nicht vollständig ausgezahlt worden sind.

75 d) Der Senat ist aufgrund der getroffenen Feststellungen und angesichts des vom früheren Soldaten gewonnenen persönlichen Eindrucks zu der Überzeugung gelangt, dass jedenfalls die von der Truppendienstkammer verhängte Kürzung der jeweiligen Dienstbezüge bzw. Übergangsgebührnisse (§ 135 Abs. 2 Satz 2 WDO) um ein Zwanzigstel auf die Dauer von neun Monaten als Disziplinarmaßnahme geboten und unverzichtbar ist. Einer schwereren Disziplinarmaßnahme steht, weil allein der frühere Soldat Berufung eingelegt hat, das Verschlechterungsverbot (§ 331 Abs. 1 StPO i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO) entgegen.

76 Nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO sind bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

77 aa) Die Eigenart und Schwere eines Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlung, mithin also nach der Bedeutung der verletzten Pflichten. Danach wiegt das in Rede stehende Dienstvergehen, dessen Schwerpunkt eindeutig in dem von Anschuldigungspunkt 1 erfassten Fehlverhalten liegt, schwer. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der frühere Soldat kriminelles Unrecht begangen hat. Der Umstand, dass es zu keiner Anklageerhebung und keiner strafgerichtlichen Verurteilung gekommen ist, ändert daran nichts. Denn der frühere Soldat hat mit seinem Fehlverhalten am 4. August 2003 zu Lasten seiner (früheren) Ehefrau den Tatbestand des § 223 StGB erfüllt. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes oder eines Schuldausschließungsgrundes sind nicht ersichtlich.

78 Das Gewicht seines Fehlverhaltens vom 4. August 2003 wird dadurch erhöht, dass der frühere Soldat nicht nur einmal, sondern durch zwei selbständige Handlungen (in B. und in K.) seine (frühere) Ehefrau körperlich misshandelte und an ihrer Gesundheit schädigte. Durch die wiederholten, mit nicht unerheblicher Brutalität verübten Körperverletzungen hat der frühere Soldat gezeigt, dass er nicht die Gewähr bietet, die körperliche Unversehrtheit und die Würde sogar ihm nahe stehender Mitmenschen im privaten Bereich auch dann uneingeschränkt zu achten und zu respektieren, wenn er Anlass zu haben glaubt, sich über deren Verhalten zu ärGe. oder sich von ihnen enttäuscht zu sehen.

79 Zu Recht hat die Truppendienstkammer darauf hingewiesen, dass an dieser Bewertung auch der Umstand nichts zu ändern vermag, dass der frühere Soldat die Körperverletzungen im Rahmen einer innerehelichen Auseinandersetzung verübte. Wenn ein Soldat im Rahmen einer privaten Auseinandersetzung derart die Selbstbeherrschung verliert, dass er unkontrolliert auf einen anderen - ihm nahe stehenden - Menschen einschlägt, lässt ein solches Verhalten auch Rückschlüsse auf Verhaltensweisen in dienstlichen Angelegenheiten zu. Gerade im militärischen Bereich sind Situationen denkbar, in denen ein Soldat kurzfristig mit völlig veränderten Rahmenbedingungen konfrontiert wird und in denen er insbesondere als Vorgesetzter an diese mit größtmöglicher Ruhe und Selbstbeherrschung sowie der Bereitschaft herangehen muss, Rechte anderer zu achten und diese nicht zu verletzen.

80 Auch das von Anschuldigungspunkt 2 erfasste außerdienstliche Fehlverhalten des früheren Soldaten wiegt nicht leicht. Er wurde deshalb wegen des in einem Warenhaus erfolgten Diebstahls einer DVD im Wert von 59,99 DM auch vom Amtsgericht Tiergarten durch Strafbefehl vom 14. Juni 2001 zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 30 DM verurteilt.

81 Zu Lasten des früheren Soldaten fällt ferner ins Gewicht, dass er Vorgesetzter war bzw. aufgrund seines Dienstgrades Vorgesetztenfunktionen ausüben konnte. Er hat mit seinem Fehlverhalten entgegen § 10 Abs. 1 SG in seiner Haltung und Pflichterfüllung ein denkbar schlechtes Beispiel gegeben.

82 Auch die Verletzung der Kameradschaftspflicht (§ 12 Satz 2 SG) gegenüber seiner damals im Dienst der Bundeswehr stehenden (früheren) Ehefrau wiegt nicht leicht. Denn der Zusammenhalt der Bundeswehr beruht gemäß § 12 Satz 1 SG wesentlich auf Kameradschaft. Die dienstlichen Aufgaben erfordern im Frieden und in noch höherem Maße im Einsatzfall das gegenseitige Vertrauen der Soldaten und das Bewusstsein, sich jederzeit aufeinander verlassen zu können. Damit unvereinbar ist es, eine Kameradin in ihrer körperlichen Integrität und in ihrer Würde zu verletzen.

83 bb) Die Auswirkungen des Dienstvergehens des früheren Soldaten waren erheblich. Die Zeugin K. erlitt durch die festgestellten körperlichen Attacken erhebliche Schmerzen psychischer und körperlicher Art. Ihre seelische Stabilität wurde ausweislich der von der Truppenpsychologin erstellten Diagnose stark erschüttert. Die erlittenen Demütigungen beeinträchtigen die Zeugin K. bis zum heutigen Tage. Nach den nachvollziehbaren Bekundungen der Zeugin Kl. wird es noch Jahre dauern, bis die Zeugin K. die Vorfälle vollständig verarbeitet und überwunden haben wird.

84 Zu Lasten des früheren Soldaten fallen auch die negativen Auswirkungen seines Dienstvergehens für die Personalplanung ins Gewicht. Wegen seiner schuldhaften Pflichtverletzungen musste davon Abstand genommen werden, ihn in dem bereits eingeplanten Auslandseinsatz zu verwenden.

85 cc) Der frühere Soldat hat insbesondere bei seinem von Anschuldigungspunkt 1 erfassten Fehlverhalten ein erhebliches Maß an Schuld auf sich geladen. Er handelte - ebenso wie bei dem von Anschuldigungspunkt 2 erfassten Diebstahl - jeweils vorsätzlich.

86 Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er zum Zeitpunkt des Dienstvergehens in seiner Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB eingeschränkt oder gar im Sinne des § 20 StGB schuldunfähig war, sind nicht ersichtlich.

87 Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des früheren Soldaten mindern würden, liegen ebenfalls nicht vor.

88 Sie sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Urteile vom 17. Oktober 2002 - BVerwG 2 WD 14.02 - Buchholz 236.1 § 12 SG Nr. 19 = NZWehrr 2003, 127, vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 - BVerwGE 118, 161 = Buchholz 235.01 § 107 WDO 2002 Nr. 1 <insoweit nicht veröffentlicht> m.w.N. und vom 22. März 2006 - BVerwG 2 WD 7.05 -) nur dann gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Als solche Besonderheiten sind beispielsweise ein Handeln in einer ausweglos erscheinenden, unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage, die auf andere Weise nicht zu beheben war, ein Handeln unter schockartig ausgelöstem psychischen Zwang oder unter Umständen anerkannt worden, die es als unbedachte, im Grunde persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten erscheinen lassen, sowie ein Handeln in einer körperlichen oder seelischen Ausnahmesituation (stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 16. Oktober 2002 - BVerwG 2 WD 23.01 , 32.02 - BVerwGE 117, 117 <123> = Buchholz 236.1 § 13 SG Nr. 9, vom 13. März 2003 - BVerwG 1 WD 4.03 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 2 und vom 22. März 2006 - BVerwG 2 WD 7.05 - m.w.N.). Das Vorliegen solcher Milderungsgründe in den Umständen der Tat ist nicht ersichtlich.

89 Insbesondere der Milderungsgrund einer unbedachten persönlichkeitsfremden Augenblickstat ist nicht erkennbar. Dabei kann dahinstehen, ob der frühere Soldat das Dienstvergehen in einem Zustand beging, in dem er die rechtlichen und tatsächlichen Folgen seines Verhaltens nicht bedachte. Denn dieser Milderungsgrund greift schon deshalb nicht ein, weil der Soldat jedenfalls zum Tatzeitpunkt nicht tadelfrei war. Vor der von Anschuldigungspunkt 1 erfassten Pflichtverletzung (Körperverletzungen vom 4. August 2003) war er bereits durch Strafbefehle des Amtsgerichts Tiergarten vom 23. April 1997, 30. April 1998 und 14. Juni 2001 zu Geldstrafen wegen versuchter Nötigung und Beleidigung, wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis sowie wegen Diebstahls rechtskräftig bestraft worden. Daran ändert auch nichts, dass diese Eintragungen im Zentralregister ausweislich der jüngsten Auskunft vom 22. Juni 2006 zwischenzeitlich nicht mehr aufgeführt sind.

90 dd) Das von Anschuldigungspunkt 1 erfasste Fehlverhalten beruhte nach den vom Senat getroffenen Feststellungen maßgeblich darauf, dass der frühere Soldat es aufgrund seines dominanten Gebarens nicht hinnehmen wollte, wenn Vorgesetzte und Kameraden der Zeugin K. sich um deren körperliches und seelisches Wohlbefinden Sorgen machten und sich für sie einsetzten. Er sah darin eine Verletzung seines alleinigen „Zuständigkeitsbereichs“. Zudem mangelte es ihm an hinreichender Achtung der persönlichen und körperlichen Integrität sowie der persönlichen Autonomie seiner (früheren) Ehefrau. Er wähnte sich in einer Position, seine spezifischen Vorstellungen von ehelichem Zusammenleben notfalls mit Gewalt durchsetzen zu können. Hinzu kam eine starke Eifersucht, die beim früheren Soldaten durch die bereits damals bestehenden persönlichen Kontakte der Zeugin K. zu Oberfeldwebel S. und insbesondere durch die auf ihrem USB-Stick befindlichen digitalen Bilder ausgelöst wurde. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die körperlichen Attacken des früheren Soldaten gegen seine (frühere) Ehefrau am 4. August 2003 in einer emotional sehr angespannten Atmosphäre stattfanden, in der dieser augenscheinlich nicht bereit war, sich zu beherrschen. Der frühere Soldat war zudem durch die erklärte Trennungsabsicht seiner (früheren) Ehefrau sehr erregt und psychisch belastet, wobei allerdings wiederum nicht verkannt werden darf, dass er durch sein Vorverhalten zum Entstehen dieser Situation nicht unwesentlich beigetragen hatte.

91 ee) Hinsichtlich der Persönlichkeit und der bisherigen Führung des früheren Soldaten ist - über das vorstehend in anderem Zusammenhang insoweit Festgestellte hinaus - zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass ihm in der planmäßigen Beurteilung vom 16. November 2001 im Wesentlichen überdurchschnittliche dienstliche Leistungen und eine deutliche Bereitschaft zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner soldatischen Pflichten attestiert wurden. Auch die in der Sonderbeurteilung vom 22. Juni 2005 erfolgte Bewertung seiner dienstlichen Leistungen sowie seiner Eignung und Befähigung war durchaus ansprechend. In beiden Beurteilungen wurde seine Förderungsfähigkeit bejaht.

92 Allerdings hat Oberstleutnant G. als Beauftragter des damaligen Disziplinarvorgesetzten in der Hauptverhandlung vor der Truppendienstkammer am 12. April 2005 zum Ausdruck gebracht, es sei im Laufe der Zeit erkennbar geworden, dass das formelle und korrekte Auftreten des früheren Soldaten „gestellt“ gewesen sei. Die „Arbeitsqualität“ habe mit der Zunahme seiner privaten Probleme nachgelassen, sodass er im dienstlichen Bereich „nicht mehr alle Dinge“ ordnungsgemäß habe regeln können. Darauf habe man im Dienst Rücksicht nehmen müssen. Zudem sei der frühere Soldat mit der Zeit immer verschlossener geworden. Seine Ausfallzeiten hätten sich im Jahre 2004 gehäuft. Diese von dem Zeugen geschilderte Entwicklung lässt erkennen, dass der frühere Soldat mit den auch aus den Auseinandersetzungen mit seiner (früheren) Ehefrau resultierenden Schwierigkeiten und persönlichen Problemen in der Folgezeit letztlich nicht fertig geworden ist. Dies ist auch vom Zeugen Oberstleutnant W., dem letzten Disziplinarvorgesetzten des früheren Soldaten, in der Berufungshauptverhandlung bestätigt worden. Er hat darauf hingewiesen, dass die dienstlichen Leistungen des früheren Soldaten in den letzten Jahren ständig nachgelassen hätten. Der frühere Soldat sei offenbar „frustriert“ gewesen. Dafür habe er aber vor allem Andere verantwortlich gemacht. Nachdem dann im März 2005 noch ein Antrag auf Auslandsverwendung abgelehnt worden sei, sei seine Motivation im Dienst noch weiter gesunken. Wie der frühere Soldat in seinem Berufungsschriftsatz und in der Berufungshauptverhandlung zudem selbst dargelegt hat, stürzte er im Verlaufe dieser Entwicklung in eine „tiefe Lebenskrise“, die über Monate hinweg eine psychiatrische Behandlung erforderlich machte. Zwischenzeitlich ist es dem früheren Soldaten aber offenbar gelungen, einen persönlichen und beruflichen „Neuanfang“ zu finden. Seine Zukunft sieht er dabei außerhalb Deutschlands. Er hofft, sich in Ö. eine neue berufliche Existenz schaffen zu können. Nach seinen Angaben sind die Voraussetzungen dafür günstig. Er hat eine neue Lebensgefährtin gefunden, mit der er in W. zusammenlebt. Die Aufnahme einer neuen Erwerbstätigkeit als Systemingenieur steht in Kürze bevor.

93 ff) Bei Abwägung aller für und gegen den früheren Soldaten sprechenden Umstände kommt eine mildere Disziplinarmaßnahme als die von der Truppendienstkammer verhängte Kürzung seiner jeweiligen Dienstbezüge um ein Zwanzigstel auf die Dauer von neun Monaten nicht in Betracht.

94 Der Umstand, dass der frühere Soldat mit Ablauf des 31. Dezember 2005 aus dem Dienst der Bundeswehr ausgeschieden ist, steht der Verhängung der Disziplinarmaßnahme in Gestalt der Kürzung der jeweiligen Dienstbezüge nicht entgegen.

95 Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 WDO kommt zwar im Falle einer bereits unanfechtbar verhängten Strafe durch ein (Straf-)Gericht wegen desselben Sachverhalts eine Kürzung des Ruhegehalts und damit gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 67 WDO der monatlichen Übergangsgebührnisse bzw. der Übergangsbeihilfe nur noch dann in Betracht, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um die militärische Ordnung aufrecht zu erhalten oder wenn durch das Fehlverhalten das Ansehen der Bundeswehr ernsthaft (konkret) beeinträchtigt wurde. Das Verhängungsverbot des § 16 Abs. 1 Nr. 2 WDO greift jedoch nur hinsichtlich des von Anschuldigungspunkt 2, nicht aber hinsichtlich des von Anschuldigungspunkt 1 erfassten Fehlverhaltens des früheren Soldaten.

96 § 16 Abs. 1 WDO macht schon nach seinem Wortlaut die Rechtsfolge eines disziplinarrechtlichen Verhängungsverbotes allein von einer „wegen desselben Sachverhalts“ zuvor erfolgten strafgerichtlichen Verurteilung oder - hier nicht einschlägig - einer nach den genannten Vorschriften der Strafprozessordnung erfolgten Einstellung des betreffenden strafgerichtlichen Verfahrens abhängig. Fehlt es daran, greift das Verhängungsverbot für das gerichtliche Disziplinarverfahren nicht. Die strafgerichtliche Strafe (oder Einstellung) muss mithin denselben Sachverhalt betreffen, der auch der disziplinarrechtlichen Beurteilung zugrunde liegt. Derselbe Sachverhalt liegt vor, wenn es sich um denselben historischen Geschehensablauf handelt. Der Begriff „Sachverhalt“ ist insoweit weder auf den Tatbestand einer Dienstpflichtverletzung noch auf einen strafrechtlichen Tatbestand beschränkt.

97 Diese Auslegung entspricht auch dem erkennbaren Zweck der Vorschrift. Sie ist kein Anwendungsfall des Verbots der Doppelbestrafung nach Art. 103 Abs. 3 GG, sondern ein vom Zweck des Disziplinarrechts abgeleitetes Verhängungsverbot, das rechtsdogmatisch auf das rechtsstaatliche Gebot der Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck zurückzuführen ist (vgl. dazu die Einzelnachweise zur stRspr bei Dau, WDO, 4. Aufl. 2002, § 16 Rn. 1). Bei ihrer Konzeption ging der Gesetzgeber ursprünglich von der Überlegung aus, dass es bei einer strafgerichtlichen Verurteilung wegen einer Tat, die zugleich ein Dienstvergehen darstellt, nicht stets notwendig ist, noch zusätzlich eine Disziplinarmaßnahme zu verhängen (vgl. dazu u.a. Dau, a.a.O., § 16 Rn. 1 m.w.N.). Die strafgerichtliche Verurteilung wurde unter bestimmten Voraussetzungen als Pflichtenmahnung als ausreichend erachtet, soweit nicht eine zusätzliche Disziplinarmaßnahme gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 WDO erforderlich war, um die militärische Ordnung aufrecht zu erhalten oder wenn durch das Fehlverhalten das Ansehen der Bundeswehr ernsthaft beeinträchtigt wurde. Fehlt es hinsichtlich eines in Rede stehenden Fehlverhaltens eines Soldaten („wegen desselben Sachverhalts“) an einer darauf bezogenen unanfechtbaren Verhängung einer Strafe und ist insoweit auch keine Einstellung eines gerichtlichen Verfahrens nach § 153a Abs. 1 Satz 5 oder Abs. 2 Satz 2 StPO erfolgt, ist damit das in § 16 Abs. 1 Nr. 2 WDO normierte Verhängungsverbot nicht einschlägig.

98 Gegenteiliges folgt auch nicht im Wege der systematischen Auslegung aus der Vorschrift des § 44 Abs. 1 Satz 2 WDO. Nach dieser Vorschrift ist jeder Disziplinarvorgesetzte befugt, einen Antrag auf Herabsetzung einer verhängten Disziplinarmaßnahme zu stellen, wenn bei mehreren Pflichtverletzungen, die (gemäß § 18 Abs. 2 WDO) als ein Dienstvergehen geahndet worden sind, bei einer die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 WDO vorliegen. Danach muss der Disziplinarvorgesetzte den Antrag auf Herabsetzung der Disziplinarmaßnahme, über den nach § 45 Abs. 1 WDO das zuständige Wehrdienstgericht entscheidet, stellen, wenn er den Soldaten im Hinblick auf diese Pflichtwidrigkeit für unschuldig hält oder der Auffassung ist, die Schuld könne ihm nicht nachgewiesen werden (Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1); dagegen steht ein solcher Antrag in seinem pflichtgemäßen Ermessen (Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2), wenn eine Pflichtwidrigkeit mit einer Strafe geahndet worden ist und eine disziplinare Ahndung an § 16 Abs. 1 WDO ausgerichtet unzulässig war (vgl. Dau, a.a.O., § 44 Rn. 14 m.w.N.). Die Regelung des § 44 Abs. 1 Satz 2 WDO enthält somit keine eigenständige Definition des Regelungsgehalts des § 16 Abs. 1 Nr. 2 WDO, sondern setzt diesen voraus, der mithin eigenständig zu ermitteln ist.

99 Im Übrigen sieht die - ohnehin nicht für das gerichtliche Disziplinarverfahren geltende - Regelung des § 44 Abs. 1 Satz 2 WDO für den Fall, dass bei der Verhängung einer (einfachen) Disziplinarmaßnahme gegen einen Soldaten oder früheren Soldaten ein Verstoß gegen § 16 Abs. 1 WDO erfolgt ist, weil eine Pflichtwidrigkeit aus der disziplinaren Bewertung auszuscheiden war, keineswegs zwingend vor, dass die Disziplinarmaßnahme im Verfahren nach §§ 44, 45 WDO herabgesetzt werden muss; sie eröffnet lediglich die Möglichkeit einer entsprechenden Ermessensentscheidung. Ihr geht es um die Ausscheidbarkeit einzelner Pflichtverletzungen zum Schutz gegen doppelte Sanktionen. Scheidet eine Pflichtverletzung aus der disziplinaren Bewertung aus, kann die Disziplinarmaßnahme herabgesetzt werden, sie muss es aber nicht, wenn das Dienstvergehen im Übrigen die Disziplinarmaßnahme trägt (so auch Dau, a.a.O., § 44 Rn. 14 m.w.N.).

100 Mithin lässt sich der Vorschrift des § 44 Abs. 1 Satz 2 WDO gerade nicht entnehmen, dass ein Fall „desselben Sachverhalts“ im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 2 WDO bereits dann vorliegt und das Verhängungsverbot eingreift, wenn sich das Dienstvergehen aus verschiedenen Pflichtverletzungen zusammensetzt, von denen eine oder mehrere - jedoch nicht alle - durch eine rechtskräftige Strafe geahndet worden sind (so im Ergebnis auch Urteile vom 2. Oktober 1975 - BVerwG 2 WD 41.75 - BVerwGE 53, 68 = NZWehrr 1976, 67, 68 und vom 9. Mai 1978 - BVerwG 2 WD 56.77 - zur früheren Regelung in § 8 Satz 1 und § 40 Abs. 1 Satz 2 WDO).

101 Gegenteiliges ergibt sich zudem weder aus der in § 18 Abs. 2 WDO verankerten Regelung, wonach mehrere Pflichtverletzungen eines Soldaten oder früheren Soldaten, über die gleichzeitig entschieden werden kann, als ein Dienstvergehen zu ahnden sind, noch aus der in § 23 Abs. 1 SG verankerten „Einheit des Dienstvergehens“. Danach ist das Urteil darüber, ob und wie ein Soldat oder früherer Soldat, der in mehrfacher Weise gegen seine Pflichten verstoßen hat, disziplinar zu maßregeln ist, nicht jeder einzelnen Pflichtverletzung zu entnehmen. Vielmehr ist auf die Summierung aller Pflichtverletzungen abzustellen, soweit Entscheidungsreife vorliegt (vgl. u.a. Urteil vom 12. Juli 1974 - BVerwG 2 WD 8, 9.74 - BVerwGE 46, 280 <283> = NZWehrr 1974, 235 - zur früheren Regelung in § 10 Abs. 2 WDO; Dau, a.a.O., § 18 Rn. 12 m.w.N.). Ist „wegen desselben Sachverhalts“ bereits eine rechtskräftige Strafe verhängt worden und greift demzufolge insoweit im Einzelfall das Verhängungsverbot des § 16 Abs. 1 Nr. 2 WDO ein, darf in die „Summierung aller Pflichtverletzungen“ lediglich diejenige Pflichtverletzung nicht einbezogen werden, der ein von der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung erfasster Sachverhalt zugrunde liegt. Die Vorschriften des § 18 Abs. 2 WDO und § 23 Abs. 1 SG erfordern dagegen nicht, auch den von der strafgerichtlichen Verurteilung nicht erfassten Sachverhalt bei der disziplinargerichtlichen Beurteilung außer Betracht zu lassen.

102 Damit dürfen der von Anschuldigungspunkt 2 erfasste Sachverhalt und das insoweit in Rede stehende Fehlverhalten des früheren Soldaten bei der Bemessung der gerichtlichen Disziplinarmaßnahme, sofern eine Kürzung der Dienstbezüge in Betracht kommt, nicht berücksichtigt werden. Denn insoweit wurde durch das Amtsgericht Tiergarten mit dem rechtskräftigen Strafbefehl vom 14. Juni 2001 bereits eine Geldstrafe verhängt. Eine weitere Ahndung (im Rahmen des gerichtlichen Disziplinarverfahrens) wäre nur bei Vorliegen der besonderen Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 2 WDO („um die militärische Ordnung aufrecht zu erhalten oder wenn durch das Fehlverhalten das Ansehen der Bundeswehr ernsthaft beeinträchtigt wurde“) möglich.

103 Dagegen dürfen und müssen der von Anschuldigungspunkt 1 erfasste Sachverhalt und damit das insoweit festgestellte Fehlverhalten bei der Maßnahmebemessung Berücksichtigung finden. Denn es liegt insoweit weder eine unanfechtbare Bestrafung durch ein (Straf-)Gericht noch eine Einstellung nach § 153a Abs. 1 Satz 5 oder Abs. 2 Satz 2 StPO vor.

104 Auf die von der Truppendienstkammer vorgenommene Kürzung der jeweiligen Dienstbezüge des früheren Soldaten kann auch von der Sache her nicht verzichtet werden. Angesichts der erheblichen Auswirkungen seines Dienstvergehens sowie seiner strafrechtlichen Vorbelastungen bedarf es - auch aus generalpräventiven Gründen - einer für ihn spürbaren und nachdrücklichen Pflichtenmahnung. Dies gilt umso mehr, als er trotz erdrückender Beweislage bis zum Ende der Berufungshauptverhandlung nicht bereit war, sein nachhaltiges Leugnen der von Anschuldigungspunkt 1 erfassten kriminellen Handlungen aufzugeben und erkennen zu lassen, dass er die notwendigen Konsequenzen aus seinen Pflichtverletzungen gezogen hat. Er ist konstant uneinsichtig geblieben und hat damit zugleich auch das Opfer seines schwerwiegenden Fehlverhaltens, seine (frühere) Ehefrau, durchgängig bis zum Ende des Verfahrens zumindest konkludent weiterhin der Unwahrheit bezichtigt. Von der unter diesen Umständen notwendigen nachhaltigen Pflichtenmahnung darf nicht deshalb abgesehen werden, weil der frühere Soldat zwischenzeitlich aus dem Dienst der Bundeswehr ausgeschieden ist. Bei jedem Soldaten muss - zumal wenn er, wie vorliegend, im Tatzeitraum militärischer Vorgesetzter war - gerade auch im außerdienstlichen Bereich uneingeschränkt gewährleistet sein, dass er von kriminellen Gewalttätigkeiten gegenüber anderen Personen Abstand nimmt und sich rechtstreu verhält. Das Disziplinarrecht, das darauf ausgerichtet ist, einen geordneten und integren Dienstbetrieb aufrecht zu erhalten oder wieder herzustellen (stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 2. Juli 1997 - BVerwG 2 WD 12.97 -, vom 13. Juli 1999 - BVerwG 2 WD 4.99 - Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 30, vom 21. Juni 2000 - BVerwG 2 WD 19.00 - Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 37 = NZWehrr 2001, 33 = ZBR 2001, 53 und vom 28. Oktober 2003 - BVerwG 2 WD 8.03 -), muss dazu mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln beitragen. Jeder Eindruck einer Bagatellisierung des in Rede stehenden Fehlverhaltens muss - gerade auch aus generalpräventiven Gründen - vermieden werden, zumal der frühere Soldat noch Übergangsgebührnisse in Höhe von monatlich 1 366,56 € netto von seinem Dienstherrn bezieht.

105 5. Zwar hatte die Berufung des früheren Soldaten aus den dargelegten Gründen insoweit teilweise Erfolg, als das von der Truppendienstkammer verhängte Beförderungsverbot wegen der zwischenzeitlich mit Ablauf des 31. Dezember 2005 eingetretenen Beendigung seines Dienstverhältnisses aufzuheben war. Es entsprach jedoch der Billigkeit, dem früheren Soldaten auch insoweit die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen (§ 139 Abs. 3 WDO), zumal sein - hinsichtlich des Beförderungsverbotes - teilweises Obsiegen für ihn nach seinem Ausscheiden ohnehin keine praktische Bedeutung mehr hat. Die vorzunehmende Abänderung des erstinstanzlichen Urteils resultiert allein aus der durch das eingetretene Dienstzeitende bewirkten Veränderung im dienstlichen Status des früheren Soldaten.

106 Dementsprechend sieht der Senat gemäß § 140 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 139 Abs. 3 WDO auch davon ab, den Bund zur Erstattung eines Teils der dem früheren Soldaten erwachsenen notwendigen Auslagen zu verpflichten.