Beschluss vom 19.08.2022 -
BVerwG 5 PB 17.21ECLI:DE:BVerwG:2022:190822B5PB17.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.08.2022 - 5 PB 17.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:190822B5PB17.21.0]

Beschluss

BVerwG 5 PB 17.21

  • VG Frankfurt am Main - 26.11.2018 - AZ: 23 K 3529/18.F.PV
  • VGH Kassel - 23.09.2021 - AZ: 22 A 343/19.PV

In der Personalvertretungssache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. August 2022
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms
beschlossen:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. September 2021 wird verworfen.

Gründe

1 Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

2 1. Die Rechtsbeschwerde ist nicht wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, weil die Beschwerdebegründung den Anforderungen an die Darlegung dieses Zulassungsgrundes (§ 111 Abs. 3 Satz 1 des Hessischen Personalvertretungsgesetzes - HPVG - i. V. m. § 92a Satz 2, § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) nicht genügt.

3 Grundsätzliche Bedeutung im Sinne der nach § 111 Abs. 3 Satz 1 HPVG entsprechend anwendbaren Regelung des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kommt einer Rechtsfrage nur zu, wenn mit ihr eine für die erstrebte Rechtsbeschwerdeentscheidung erhebliche Frage aufgeworfen wird, die im Interesse der Einheit und Fortbildung des Rechts der Klärung bedarf. Nach § 92a Satz 2 i. V. m. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG ist in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit darzulegen. Dieses Darlegungserfordernis setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Rechtsbeschwerdeentscheidung erheblichen Rechtsfrage sowie die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss substantiiert erläutern, dass und inwiefern die Rechtsbeschwerdeentscheidung zur Klärung einer bisher vom Bundesverwaltungsgericht nicht beantworteten, fallübergreifenden und entscheidungserheblichen Rechtsfrage führen kann (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschlüsse vom 28. Juli 2014 - 5 PB 1.14 - juris Rn. 4 und vom 25. Mai 2016 - 5 PB 21.15 - juris Rn. 10 m. w. N.). Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Beschlusses, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt. Es bedarf auch der substantiierten Auseinandersetzung mit den Gründen bereits ergangener einschlägiger Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts. Soweit sich die Vorinstanz mit der von der Beschwerde als grundsätzlich angesehenen Frage beschäftigt hat, gehört zu der erforderlichen Durchdringung des Prozessstoffes die Erörterung sämtlicher Gesichtspunkte, die im Einzelfall für die erstrebte Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtlich Bedeutung haben können. In der Begründung ist auch substantiiert aufzuzeigen, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der aufgeworfenen Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung zugrunde liegt, zu folgen ist (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 20. September 2018 - 5 PB 8.18 - juris Rn. 3 m. w. N.). Den vorgenannten Anforderungen genügt das Beschwerdevorbringen nicht.

4 a) Das gilt zunächst, soweit die Beschwerde geltend macht, grundsätzliche Bedeutung habe die "Frage der Rückwirkung der Änderung des Wortlautes des § 74 Abs. 1 HPVG durch das Zweite Verwaltungsstrukturgesetz 2004" bzw. die "Frage der Auswirkung einer gesetzlichen Änderung eines Mitbestimmungstatbestandes auf nach vorherigem Recht abgeschlossenen Dienstvereinbarungen" (Beschwerdebegründung S. 1) bzw. die "Frage, ob der Wegfall eines Mitbestimmungstatbestandes die Wirksamkeit von nach vorangegangener Rechtslage wirksamen Dienstvereinbarungen entfallen lässt" (Beschwerdebegründung S. 3). Soweit man diese Fragestellungen noch als hinreichend bestimmte Rechtsfragen ansieht, fehlt es jedenfalls an einer substantiierten Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich zur Begründung seiner Entscheidung, dass die im Streit stehende Dienstvereinbarung unwirksam sei, unter Bezugnahme auf Rechtsprechung und Literatur darauf gestützt, Dienstvereinbarungen zwischen dem Dienststellenleiter und dem Personalrat stellten im System des Hessischen Personalvertretungsgesetzes eine besondere Form der Ausübung eines gesetzlichen Mitbestimmungsrechts dar. Sie seien nach § 113 Abs. 2 Satz 1 HPVG nur zulässig, soweit dieses Gesetz Dienstvereinbarungen ausdrücklich zulasse. Das sei für die im Streit stehende Dienstvereinbarung mit der Rechtsänderung durch das Zweite Verwaltungsstrukturreformgesetz vom 20. Dezember 2004 (GVBI. I S. 506) mit Wirkung ab 1. Januar 2005 nicht mehr der Fall gewesen. Die Dienstvereinbarung mit der Pflicht zur Zahlung eines Treuegeldes könne ab diesem Zeitpunkt nicht auf einen Mitbestimmungstatbestand im Hessischen Personalvertretungsgesetz als Rechtsgrundlage für diese gestützt werden, sodass sie zu diesem Zeitpunkt ihre Gültigkeit verloren habe. Die Wirksamkeit konkreter Regelungen in einer Dienstvereinbarung hänge davon ab, dass sie sich einem Mitbestimmungstatbestand zuordnen ließen, der eine solche Regelung durch eine Dienstvereinbarung ermögliche. Dabei genüge es nicht, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses der Dienstvereinbarung ein Mitbestimmungstatbestand eröffnet gewesen sei. Vielmehr setze die (fortwährende) Wirksamkeit der Dienstvereinbarung voraus, dass der dort geregelte Gegenstand eines Mitbestimmungsrechts im beanspruchten Zeitpunkt der Wirksamkeit der Dienstvereinbarung nach wie vor Gegenstand eines personalvertretungsrechtlichen Mitbestimmungsrechts sei, das eine Regelung durch eine Dienstvereinbarung zwischen der Dienststellenleitung und dem Personalrat erst ermögliche. Mit Entfallen der Rechtsgrundlage nach dem Hessischen Personalvertretungsgesetz verliere die Dienstvereinbarung ihre Gültigkeit. Das ergebe sich aus dem Zweck und der Natur von Dienstvereinbarungen auf dem Gebiet des Personalvertretungsrechts. Der Abschluss einer Dienstvereinbarung diene dazu, die Beteiligung der Personalvertretung in einer Vielzahl von Einzelfällen mit gleichem sachlichen Gegenstand zu erübrigen und stelle sich dementsprechend als vorweggenommene Mitbestimmung dar. Soweit das Mitbestimmungsrecht entfalle, sei der Abschluss einer Dienstvereinbarung unzulässig und verlören zuvor abgeschlossene Dienstvereinbarungen mit der entsprechenden Gesetzesänderung ihre Wirksamkeit. Auf eine Rückwirkung des Zweiten Verwaltungsstrukturreformgesetzes komme es entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht entscheidungserheblich an, weil aus der Natur der Dienstvereinbarung als (vorweggenommene) personalvertretungsrechtliche Mitbestimmungsmaßnahme folge, dass diese zu jedem Zeitpunkt ihrer Anwendbarkeit von einer gültigen gesetzlichen Grundlage gedeckt sein müsse. Dabei komme es hier auch nicht darauf an, aus welchem Grund das Mitbestimmungsrecht entfallen sei.

6 Mit diesen Gründen der angefochtenen Entscheidung setzt sich die Beschwerdebegründung nicht hinreichend auseinander. Sie geht - abgesehen von dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. März 2009 - 6 PB 29.08 - weder auf die vom Verwaltungsgerichtshof für seine Ansicht angeführten Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur in genügender Weise ein, noch zeigt sie substantiiert auf, warum den tragenden Gründen des Verwaltungsgerichtshofs nicht zu folgen ist. Soweit die Beschwerde eine fehlende Auseinandersetzung der Vorinstanz mit Fragen der Rückwirkung beanstandet, wird das Argument des Verwaltungsgerichtshofs, dass es darauf wegen der Zwecksetzung der Regelung über Dienstvereinbarungen aus den näher erläuterten Gründen nicht ankomme, nicht substantiiert in Frage gestellt und auch nicht aufgezeigt, wo etwaige Rückwirkungsfragen normativ zu verankern sein sollen. Ein substantiiertes Aufzeigen, warum der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht zu folgen sein soll, liegt ferner auch insofern nicht vor, als die Beschwerde (Beschwerdebegründung S. 2 ff.) ausführt, der Verwaltungsgerichtshof unterliege "einem Zirkelschluss", es sei "zwischen einer Dienstvereinbarung, die mit normativer Wirkung Ansprüche der Arbeitnehmer gegen den Dienstherrn" schaffe, und einer "Dienstvereinbarung, die lediglich Mitbestimmungsrechte des Personalrates" regele, zu differenzieren, der Verwaltungsgerichtshof begründe seine Auffassung nicht und die Frage könne "durchaus anders beantwortet werden". Diese Argumente sind jeweils so pauschal, dass sie den Anforderungen an eine hinreichende Substantiierung und Infragestellung der Auffassung der Vorinstanz nicht annähernd genügen.

7 b) Soweit die Beschwerde (Beschwerdebegründung S. 4) die Grundsatzbedeutung der Rechtssache weiterhin mit dem Hinweis begründen möchte, bei "Fragen der Auslegung des § 74 Abs. 1 Nr. 12 und Nr. 13" HPVG handele es sich "um Fragen von grundlegender Bedeutung zu denen eine höchstrichterliche Entscheidung abschließend bisher nicht vorliegt", wird bereits das Erfordernis, eine durch die anzufechtende Entscheidung aufgeworfene Rechtsfrage konkret zu benennen (BVerwG, Beschluss vom 1. November 2016 - 5 PB 2.16 - juris Rn. 4 m. w. N.), verfehlt. Die Beschwerde formuliert insoweit keine hinreichend bestimmte Rechtsfrage, die in einem Rechtsbeschwerdeverfahren geklärt werden könnte. Im Übrigen fehlt es an jeglicher Darlegung der Klärungsfähigkeit und Klärungsbedürftigkeit der angesprochenen Fragen.

8 Wenn die Beschwerde schließlich zur Begründung einer Grundsatzbedeutung ausführt, es sei "die Frage relevant, inwieweit Einzelheiten zur Auszahlung, zu den Voraussetzungen der Bezugsberechtigung, zu Auszahlungsmodalitäten geeignet sind, den Mitbestimmungstatbestand des § 74 Abs. 1 Nr. 13 zu erfüllen" (Beschwerdebegründung S. 5), legt sie weder dar, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage bestehen soll, noch zeigt sie auch nur in annähernd hinreichender Weise auf, warum den Gründen, welche die Vorinstanz zur Auslegung dieses Mitbestimmungstatbestandes angeführt hat, nicht zu folgen sein soll.

9 2. Von einer weiteren Begründung wird nach § 111 Abs. 3 Satz 1 HPVG i. V. m. § 92a Satz 2 i. V. m. § 72a Abs. 5 Satz 5 Alt. 1 ArbGG abgesehen.