Beschluss vom 20.05.2020 -
BVerwG 7 B 13.19ECLI:DE:BVerwG:2020:200520B7B13.19.0

Auswirkungen einer wasserrechtlichen Planfeststellung auf Einrichtungen der Flurbereinigung

Leitsatz:

Ein Planfeststellungsverfahren, das sich auf das Gebiet eines Flurbereinigungsplans und die danach geschaffenen Einrichtungen auswirkt, unterliegt weder den Verfahrensanforderungen des § 58 Abs. 4 Satz 2 FlurbG, noch ist das geplante Vorhaben an den materiell-rechtlichen Vorgaben für die Bewertung eines Interesses am Fortbestand des flurbereinigungsrechtlichen Sonderregimes zu messen.

  • Rechtsquellen
    FlurbG § 58 Abs. 4 Satz 1 und 2
    WHG § 68 Abs. 3 Nr. 2, § 70 Abs. 1 Halbs. 2
    VwVfG § 75 Abs. 1 Satz 1 und 2
    VwGO § 86 Abs. 1, § 132 Abs. 2

  • OVG Münster - 06.06.2019 - AZ: OVG 20 D 33/18.AK

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 20.05.2020 - 7 B 13.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:200520B7B13.19.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 13.19

  • OVG Münster - 06.06.2019 - AZ: OVG 20 D 33/18.AK

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. Mai 2020
durch
den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt und Dr. Löffelbein
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. Juni 2019 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu jeweils einem Drittel. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 180 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Kläger wenden sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für den Ausbau des Gewässers G. Sie sind jeweils Eigentümer landwirtschaftlich genutzter Grundstücke, die im Wesentlichen oberhalb des geplanten Ausbauabschnittes liegen.

2 Die Kläger sind der Ansicht, das Vorhaben beseitige zu Lasten ihrer Grundstücke wesentliche Bestandteile des durch die Flurbereinigung geschaffenen Systems der Be- und Entwässerung.

3 Die G. war auf der Grundlage eines 1961 aufgestellten Flurbereinigungsplanes vertieft, begradigt und befestigt worden; Deiche, ein Pumpwerk und ein Stauwehr waren errichtet sowie ein Grabensystem angelegt worden. Die Flurbereinigung wurde mit Schlussfeststellung vom 11. November 1974 beendet.

4 Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Die in die planerische Abwägung einzustellenden Belange der Kläger seien beanstandungsfrei überwunden worden. Der Planfeststellungsbeschluss wahre ohne Abwägungsfehler das Interesse der Kläger an der Vermeidung der Überschwemmung ihrer Grundstücke bei Hochwasser und der Vernässung durch zu hoch anstehendes unterirdisches Wasser. Der durch den Flurbereinigungsplan vorgenommene Interessenausgleich werde auch hinsichtlich des der Grundstücksbewässerung dienenden Stauwehres nicht in entscheidungserheblicher Weise verkannt oder vernachlässigt.

5 Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger.

II

6 Die auf sämtliche Revisionszulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos.

7 1. Die Revision ist nicht deshalb zuzulassen, weil das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

8 Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten und deren Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 21. April 2015 - 7 B 9.14 - NVwZ-RR 2015, 566 Rn. 5 m.w.N., insoweit in Buchholz 451.222 § 3 BBodSchG Nr. 3 nicht abgedruckt). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Kläger nicht.

9 1.1 Die von den Klägern zur Darlegung einer Divergenz zitierte Passage aus den Entscheidungsgründen des Urteils des Oberverwaltungsgerichts
"Durch den Planfeststellungsbeschluss wird nicht der Flurbereinigungsplan geändert, sondern werden die räumlichen Gegebenheiten verändert, die in dem durch die Schlussfeststellung abgeschlossenen Flurbereinigungsverfahren (§ 149 FlurbG) geschaffen worden sind. Der Sache nach wird der Flurbereinigungsplan nach Beendigung des Flurbereinigungsverfahrens inhaltlich teilweise durch den Planfeststellungsbeschluss überholt. Das unterfällt, was die auf der Grundlage des Flurbereinigungsplans entstandenen örtlichen Verhältnisse angeht, den einschlägigen Regelungen des jeweiligen Fachrechts, hier also des Wasserhaushaltsrechts."
enthält keinen abstrakten, der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts widersprechenden Rechtssatz. Das Oberverwaltungsgericht geht davon aus, dass als Ergebnis der Planfeststellung auch die tatsächlichen Verhältnisse, wie sie durch das Flurbereinigungsverfahren geschaffen worden sind, verändert werden können. Das steht nicht im Widerspruch zu den vom Oberverwaltungsgericht zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, auf die auch die Kläger Bezug nehmen. Das Bundesverwaltungsgericht führt darin aus, dass das Ergebnis des Flurbereinigungsplans und damit die darin neu geordneten Grundstücks- und die vorhandenen tatsächlichen Verhältnisse dem Planfeststellungsverfahren zugrunde zu legen sind (Beschlüsse vom 2. September 2010 - 9 B 11.10 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 211 Rn. 22 und vom 13. März 2015 - 7 B 16.14 - Buchholz 445.5 § 7 WaStrG Nr. 2 Rn. 28). Entgegen der Auffassung der Kläger ist diese Aussage nicht so zu verstehen, dass die tatsächlichen Verhältnisse nach dem Flurbereinigungsplan der Planfeststellung vorgegeben und durch diese nicht - jedenfalls nicht im Sinne einer Verschlechterung einer vorteilhaften Situation - überwindbar sind. Vielmehr sind die gegebenen Verhältnisse nicht dem Planfeststellungsbeschluss, sondern dem Planfeststellungsverfahren zugrunde zu legen und demnach gegebenenfalls bei der gebotenen planerischen Abwägung zu berücksichtigen. Auf dieser Grundlage sind die durch das Planvorhaben verursachten Probleme im Planfeststellungsbeschluss zu bewältigen (BVerwG, Beschluss vom 13. März 2015 a.a.O. Rn. 28).

10 1.2 Mit dem Rechtssatz, wonach Festsetzungen im Flurbereinigungsplan nur dann die Wirkungen nach § 58 Abs. 4 FlurbG entfalten, wenn sie im Plan selbst als solche festgelegt/bezeichnet sind, weicht das Oberverwaltungsgericht auch nicht vom Urteil vom 18. November 2002 - 9 CN 1.02 - (BVerwGE 117, 209) ab. Das Bundesverwaltungsgericht führt - wie von den Klägern zitiert - unter Wiederholung des Gesetzeswortlauts zwar aus, dass die im gemeinschaftlichen Interesse der Beteiligten oder im öffentlichen Interesse getroffenen Festsetzungen des Flurbereinigungsplans nach § 58 Abs. 4 Satz 1 FlurbG die Wirkung von Gemeindesatzungen haben (BVerwG, Urteil vom 18. November 2002 a.a.O. <214>). Dieser Formulierung ist indessen keine Aussage dazu zu entnehmen, ob der mit der getroffenen Festsetzung verbundene besondere Schutz einer ausdrücklichen Verlautbarung im Flurbereinigungsplan bedarf oder nicht. Ob die in den folgenden Ausführungen enthaltene Betonung der von der Flurbereinigungsbehörde mit den Festsetzungen verfolgten Belangen für das Erfordernis einer solchen Verlautbarung spricht (siehe BVerwG, Urteil vom 18. November 2002 a.a.O. <214 f.>), kann dahinstehen. Denn für das Bundesverwaltungsgericht bestand ersichtlich keine Notwendigkeit, sich insoweit festzulegen; nach den im Sachverhalt wiedergegebenen Feststellungen war nämlich im Flurbereinigungsplan Teil II unter Abschnitt O ausdrücklich festgehalten, dass die Festsetzungen in den Abschnitten M und N - darunter auch die im Verfahren maßgebliche - nach § 58 Abs. 4 FlurbG die Wirkung von Gemeindesatzungen haben (BVerwG, Urteil vom 18. November 2002 - 9 CN 1.02 - juris Rn. 17 f., insoweit in BVerwGE 117, 209 nicht abgedruckt).

11 2. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

12 Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt, also näher ausgeführt werden, dass und inwiefern diese Voraussetzungen vorliegen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> und vom 24. Januar 2020 - 10 B 17.19 - juris Rn. 5 m.w.N.). Dem wird das Vorbringen der Kläger nicht gerecht.

13 2.1 Die von den Klägern ausdrücklich als rechtsgrundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage nach dem "Verhältnis zwischen den Festsetzungen des Flurbereinigungsplans und dem Anwendungsbereich der Fachgesetze" ist zwar zu weit und zu unbestimmt formuliert, als dass sie zur Zulassung der Revision führen könnte. Die Frage ist jedoch vor dem Hintergrund der Darlegungen der Kläger zur Divergenzrüge in der Weise konkretisiert zu fassen, dass sie sich auf den Umfang der inhaltlichen Bindungen des wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahrens durch den Betroffenen begünstigende Festsetzungen in einem Flurbereinigungsplan bezieht. Auch die so verstandene Frage rechtfertigt indessen die Revisionszulassung nicht. Sie lässt sich auf der Grundlage vorhandener Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesauslegung beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

14 Nach § 68 Abs. 3 Nr. 2 WHG darf der Plan nur festgestellt werden, wenn andere Anforderungen nach diesem Gesetz oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfüllt werden. § 58 Abs. 4 FlurbG zählt nicht zu diesen Bestimmungen, die, falls sie nicht eingehalten werden, eine zwingende rechtliche Schranke für das beantragte Vorhaben bilden. Ein Planfeststellungsverfahren, das sich auf das Gebiet eines Flurbereinigungsplans und die danach geschaffenen Einrichtungen auswirkt, unterliegt weder den Verfahrensanforderungen des § 58 Abs. 4 Satz 2 FlurbG, noch ist das geplante Vorhaben an den in der Rechtsprechung herausgearbeiteten materiell-rechtlichen Vorgaben für die Bewertung eines Interesses am Fortbestand des flurbereinigungsrechtlichen Sonderregimes zu messen.

15 Die Verfahrensanforderungen des § 58 Abs. 4 FlurbG sind - auch ungeachtet der formellen Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses (§ 70 Abs. 1 Halbs. 2 WHG i.V.m. § 75 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG) - nicht einzuhalten, weil die Planfeststellung nicht auf eine Änderung des Flurbereinigungsplans abzielt. Nur insoweit ist im Interesse der Nachhaltigkeit der Flurbereinigung bei Vorliegen der Voraussetzung des § 58 Abs. 4 Satz 1 FlurbG die Rechtsform einer gemeindlichen (Änderungs-)Satzung und die Zustimmung der Gemeindeaufsichtsbehörde vorgesehen. Der Flurbereinigungsplan, der als Allgemeinverfügung ergeht (BVerwG, Urteil vom 20. Mai 1998 - 11 C 7.97 - Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 78 S. 12), soll im Interesse seiner Nachhaltigkeit nur unter erschwerten Voraussetzungen geändert werden können (BVerwG, Urteil vom 18. November 2002 - 9 CN 1.02 - BVerwGE 117, 209 <214 ff.>). Davon unberührt bleibt aber die Bewältigung solcher Problemstellungen und Nutzungskonflikte, die sich durch ein neues planfeststellungsbedürftiges Vorhaben ergeben. Das Planfeststellungsverfahren findet die durch den Flurbereinigungsplan gestalteten Verhältnisse vor und muss auch diese in seine Abwägung einbeziehen (BVerwG, Beschluss vom 13. März 2015 - 7 B 16.14 - Buchholz 445.5 § 7 WaStrG Nr. 2 Rn. 28). Angesichts der neuen Situation können der Flurbereinigungsplan und die dort auch im individuellen Interesse getroffenen Festsetzungen nicht das diesen im Rahmen einer Entscheidung nach § 58 Abs. 4 Satz 2 FlurbG zukommende überragende Gewicht (siehe dazu BVerwG, Urteil vom 18. November 2002 a.a.O. <217>) beanspruchen. Wenn dem von den Festsetzungen des Flurbereinigungsplans Begünstigten somit grundsätzlich die gleiche verfahrens- und materiell-rechtliche Stellung wie anderen vom Planvorhaben Betroffenen zugewiesen wird, liegt darin kein Verstoß gegen verfassungsrechtliche Garantien. Der vom Flurbereinigungsplan Begünstigte hat diese Position zwar wegen des Landabzugs nach § 47 Abs. 1 FlurbG nicht unentgeltlich erworben (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 2002 a.a.O. <213>); in dieser Hinsicht unterscheidet er sich jedoch nicht grundsätzlich von anderen Betroffenen, die sich ebenfalls auf privatnützige Rechtspositionen berufen können. Die in dieser Weise geschützten Interessen und Belange müssen als solche jeweils mit ihrem besonderen Gewicht in die planerische Abwägung eingestellt werden, was das Oberverwaltungsgericht im Übrigen nicht verkannt hat.

16 2.2 Nach den vorstehenden Ausführungen sind die des Weiteren auf die Auslegung des § 58 Abs. 4 FlurbG bezogenen Fragen nicht entscheidungserheblich.

17 3. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

18 Die Kläger stützen ihre Verfahrensrüge darauf, dass es das Oberverwaltungsgericht vorliegend unterlassen habe, ein Sachverständigengutachten zur Sanierungsfähigkeit der bestehenden Deiche einzuholen.

19 Der von den Klägern gerügte Verstoß gegen die Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) ist auf der Grundlage dieses Vortrages schon im Ansatz nicht erkennbar. Ungeachtet dessen ergibt sich aus den Darlegungen der Kläger jedoch auch kein Verstoß gegen die - der Sache nach angesprochene - gerichtliche Pflicht zur Aufklärung des Sachverhaltes von Amts wegen (vgl. § 86 Abs. 1 VwGO).

20 Eine Aufklärungsrüge erfordert die substantiierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunktes des Tatsachengerichtes aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer dem Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte führen können. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, durch einen unbedingten Beweisantrag oder jedenfalls eine sonstige Beweisanregung hingewirkt worden ist und die Ablehnung der Beweiserhebung im Prozessrecht keine Stütze findet, oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 2018 - 7 B 15.17 - Buchholz 451.224 § 26 KrWG Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.).

21 Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht haben es die Kläger unterlassen, auf die Erhebung eines Sachverständigenbeweises insbesondere durch einen förmlichen Beweisantrag hinzuwirken. Ein nach Darstellung der Kläger in der mündlichen Verhandlung gegebener allgemeiner Hinweis darauf, dass die Deiche ohne Sachverständigenhilfe nicht zu beurteilen seien, stellt kein hinreichend konkretes Hinwirken auf eine weitere Sachverhaltsaufklärung dar. Dass sich weitere Ermittlungen für die Vorinstanz hätten aufdrängen müssen, ist - auch mit Blick auf das vom Oberverwaltungsgericht festgestellte, bereits im Jahr 2003 bestehende Einvernehmen über die Erforderlichkeit von Maßnahmen zum Hochwasserschutz - ebenfalls nicht zu erkennen.

22 Aus dem von den Klägern vorgelegten Schreiben der Bezirksregierung A. vom 17. Dezember 2019 ergibt sich nichts Anderes. Abgesehen davon, dass das Schreiben erst nach Erlass des Berufungsurteiles verfasst worden ist und somit in die tatrichterliche Würdigung nicht einbezogen werden konnte, enthält das Schreiben auch der Sache nach keinerlei Anhaltspunkte zur Sanierungsfähigkeit der bestehenden Deiche.

23 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und § 39 Abs. 1 GKG.

Beschluss vom 31.07.2020 -
BVerwG 7 B 12.20ECLI:DE:BVerwG:2020:310720B7B12.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 31.07.2020 - 7 B 12.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:310720B7B12.20.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 12.20

  • OVG Münster - 06.06.2019 - AZ: OVG 20 D 33/18.AK

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 31. Juli 2020
durch
den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt und Dr. Löffelbein
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Kläger gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Mai 2020 - 7 B 13.19 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Rügeverfahrens zu jeweils einem Drittel.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO ist unbegründet. Der Senat hat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör nicht verletzt.

2 Die Kläger rügen, der Senat habe überraschend entschieden, dass die Verfahrensanforderungen des § 58 Abs. 4 FlurbG nur dann einzuhalten seien, wenn die Planfeststellung auf eine Änderung des Flurbereinigungsplans abziele. Damit ist ein Gehörsverstoß nicht dargetan. Es kommt zwar im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags gleich, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis eine Rechtsauffassung vertritt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188 <190> und BVerwG, Beschluss vom 14. Oktober 2004 - 6 B 6.04 - juris Rn. 88ff.). Hier übersehen die Kläger indes, dass die im Beschluss vom 20. Mai 2020 vom Senat vertretene Rechtsauffassung keineswegs "von niemanden sonst so gesehen worden" ist, sondern der durch die entsprechenden Zitate belegten ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entspricht, wonach das Ergebnis eines durch Schlussfeststellung der Flurbereinigungsbehörde abgeschlossenen Flurbereinigungsverfahrens der Planfeststellung zugrunde zu legen ist und sich auch unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit der Neuordnung des Flurbereinigungsgebiets keine zeitlich unbeschränkte Garantie der konkreten durch das Flurbereinigungsrecht erlangten Erschließungs- und Entfernungsvorteile begründen lässt. Die Nachweise für diese Rechtsprechung finden sich bereits teilweise in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts, das ebenfalls davon ausgegangen ist, dass der Flurbereinigungsplan inhaltlich durch den Planfeststellungsbeschluss überholt wird und hieran auch § 58 Abs. 4 FlurbG nichts ändert (UA S. 14 f.).

3 Soweit die Kläger weiter bemängeln, der Senat hätte klären müssen, wie die Diskussion über die Standfestigkeit der Deiche und die Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens über diese Frage in der mündlichen Verhandlung gelaufen sei, rügen sie der Sache nach eine Verletzung der gerichtlichen Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 VwGO). Hierauf kann die Gehörsrüge nicht gestützt werden. Im Übrigen übersehen die Kläger, dass die von ihnen behauptete deutlich erkennbare Abneigung des Vorsitzenden, ein Sachverständigengutachten einzuholen, gerade nicht bedeuten konnte, auf einen förmlichen Beweisantrag nach § 86 Abs. 2 VwGO zu verzichten. Durch einen solchen Antrag hätten sie das Gericht gezwungen, in der mündlichen Verhandlung durch Gerichtsbeschluss zu entscheiden. Bei einer Ablehnung des Beweisantrags hätten es die Kläger in der Hand gehabt, einen weiteren Beweisantrag zu stellen und die Ablehnungsgründe im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde auf ihre Tragfähigkeit überprüfen zu lassen. Von einer bloßen Förmelei kann daher in Bezug auf das Verlangen nach Stellung eines Beweisantrags nach § 86 Abs. 2 VwGO nicht die Rede sein.

4 Die weitere Rüge der Kläger, dem Schreiben der Bezirksregierung A. vom 17. Dezember 2019 sowie ihren Schriftsätzen vom 28. Januar 2020 und 6. Mai 2020 sei auch zu entnehmen gewesen, dass die Berechnung des Hochwassers HW 100 offenbar falsch gewesen und deshalb zu Unrecht von einer Überspülung der Deiche ausgegangen worden sei, vermag einen Gehörsverstoß ebenfalls nicht zu begründen. Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 20. Mai 2020 darauf hingewiesen, dass das Schreiben vom 17. Dezember 2019 - wie auch die späteren Schreiben - nach Erlass des Berufungsurteils verfasst worden sind und damit nachträgliche Erkenntnisse darstellen, die das Berufungsgericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht berücksichtigen konnte. Auf diesen Zeitpunkt kommt es jedoch für die Beurteilung an, ob das Berufungsgericht gegen seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen hat. Darüber hinaus werden in dem Schreiben der Bezirksregierung A. vom 17. Dezember 2019 mit keinem Wort Zweifel an der Richtigkeit der Berechnung des HW 100 geäußert. Das HW 100 wird in dem gesamten Schreiben - worauf der Beklagte im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 14. April 2020 ausdrücklich hingewiesen hat - nicht einmal erwähnt. Dass auch aufgrund von Einwendungen Betroffener die hydraulischen Berechnungen überprüft werden sollen, lässt ebenfalls nicht den Schluss zu, dass Zweifel hinsichtlich des Bemessungshochwassers HW 100 bestanden.

5 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO. Die Gerichtsgebühr ergibt sich unmittelbar aus Nr. 5400 KV GKG; einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht.