Beschluss vom 21.02.2019 -
BVerwG 9 B 28.18ECLI:DE:BVerwG:2019:210219B9B28.18.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.02.2019 - 9 B 28.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:210219B9B28.18.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 28.18

  • OVG Lüneburg - 17.04.2018 - AZ: OVG 15 KF 9/17

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Februar 2019
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler und Dr. Dieterich
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 17. April 2018 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 21 422,60 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf sämtliche Zulassungsgründe gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

3 Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

4 a) Die Frage:
Darf bei einer vereinfachten Flurbereinigung ein Wertabzug wegen Kleinteiligkeit der eingebrachten Grundstücke auf deren Bodenwert vorgenommen werden?
stellt schon deshalb keine entscheidungsbedürftige Rechtsfrage von fallübergreifender Bedeutung dar, weil die Beschwerde die tragenden Gründe des angefochtenen Urteils nicht vollständig erfasst. Das Oberverwaltungsgericht ist - anders als von der Beschwerde angenommen - nicht davon ausgegangen, dass allein die geringe Größe der Parzellen wertmindernd zu berücksichtigen ist. Vielmehr hat es, wie auch das Waldwertgutachten, auf Erschwernisse der Bewirtschaftung und der Holzernte abgestellt, welche in der erschwerten Auffindbarkeit der Parzellen, der teilweise fehlenden Bestimmbarkeit ihrer Grenzen, der schlechten Erreichbarkeit sowie darin begründet sind, dass die Bäume bei der Holzernte in der Regel auf das Nachbargrundstück fallen.

5 Darüber hinaus sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Grundsätze der Wertermittlung im Wesentlichen geklärt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1975 - 5 B 98.72 - Buchholz 424.01 § 28 FlurbG Nr. 3 S. 2) und sind für die Bestimmung des Grundstückswertes im Übrigen die Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Das Flurbereinigungsgesetz enthält keine abschließende Regelung für die Wertermittlung. Es legt die unabdingbaren und der Disposition der Behörde entzogenen Voraussetzungen fest, die für die Beurteilung der Grundstücke der Teilnehmer nach Wertgesichtspunkten bestimmend sein sollen, schreibt aber für die Durchführung keine bestimmte technische Methode vor. Insoweit besteht innerhalb der gesetzlichen Grenzen sowie der Selbstbindung durch Verwaltungsvorschriften ein Beurteilungsspielraum. Gleichwohl hat die Behörde von den anerkannten Grundsätzen der Wertermittlung von Grundstücken auszugehen. Darüber hinaus muss die angewandte Methode rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechen und sicherstellen, dass der durch Art. 14 GG geschützte Anspruch auf eine wertgleiche Abfindung tatsächlich verwirklicht wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juni 1959 - 1 CB 27.58 - BVerwGE 8, 343 <349 f.> und vom 23. August 1962 - 1 C 130.56 - RdL 1963, 107 <107 f.>).

6 Soweit die Flurbereinigungsbehörde - wie vorliegend - den Wert des Waldbodens anhand des Verkehrswertes ermittelt, entspricht es den vorgenannten Anforderungen, wenn sie der Wertermittlung die Waldbewertungsrichtlinien des Bundes und des Landes zugrunde legt. Ungeachtet dessen, dass die zur Ermittlung des Verkehrswertes erlassenen Waldbewertungsrichtlinien des Landes Niedersachsen - WBR 2014 - (Nds. MBl. 2014 S. 38) gemäß Nr. 1 WBR 2014 u.a. von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, für die die Gutachterin D. das dem Verfahren zugrunde liegende Waldwertgutachten erstellt hat, anzuwenden sind, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass die staatlichen Richtlinien eine geeignete Bemessungsgrundlage für die Wertbestimmung bei Waldgrundstücken darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2002 - V ZR 97/01 - ZfIR 2002, 1022 <1024>). Nr. 31 WBR 2014 sieht Abschläge für eine Parzellierung und eine mangelnde Erschließung ausdrücklich vor. Auch nach Nr. 2.3.2 der Richtlinien des Bundes für die Ermittlung und Prüfung des Verkehrswertes von Waldflächen und für Nebenentschädigungen (BAnz. Nr. 168a vom 6. September 2000) sind die Erschließung, die Größe und der Arrondierungsgrad der Waldflächen wertbestimmende Faktoren.

7 Im Übrigen können nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch dann, wenn die Wertermittlung nicht anhand des Verkehrs-, sondern des Nutzwertes erfolgt (vgl. zur diesbezüglichen Berechnung des Waldbodenwertes Eggers, RdL 1961, 113 <114>), die Benutzungs- und Verwertungsmöglichkeiten des Grundstücks Berücksichtigung finden (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Februar 1963 - 1 C 56.61 - Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 14 S. 1 ff.; Beschlüsse vom 4. Februar 1991 - 5 B 91.90 - Buchholz 424.01 § 28 FlurbG Nr. 7 S. 2 f. und vom 29. Mai 1991 - 5 B 27.91 - Buchholz 424.01 § 28 FlurbG Nr. 8 S. 6).

8 Einen darüber hinausgehenden rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.

9 b) Die Frage:
Handelt es sich um eine rechtmäßige Wertermittlung, auch wenn die Flurbereinigungsbehörde dem Vorstand der Teilnehmergemeinschaft keine Möglichkeit gegeben hat, an der Wertermittlung vor Ort teilzunehmen?
rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.

10 Gemäß § 31 Abs. 1 FlurbG soll der Vorstand der Teilnehmergemeinschaft der Wertermittlung beiwohnen, die unter Leitung der Flurbereinigungsbehörde durch einen von dieser - nach Anhörung des Vorstands - ausgewählten landwirtschaftlichen Sachverständigen vorgenommen wird. Zwingend vorgeschrieben ist danach nur die Anhörung des Vorstands vor der Auswahl der Sachverständigen, wohingegen seine Teilnahme an der Wertermittlung lediglich als Soll-Vorschrift ausgestaltet ist. Diese dient der Aktivierung der Mitarbeit sowie der Stärkung des Vertrauens der Teilnehmergemeinschaft hinsichtlich der Wertermittlung (vgl. BT-Drs. 1/3385 S. 36 f.). Die Regelung gestattet, wie alle Soll-Vorschriften, eine Abweichung in Ausnahmefällen, in denen das Festhalten an der gesetzlichen Regel auch unter Berücksichtigung des Willens des Gesetzgebers nicht gerechtfertigt bzw. nicht erforderlich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2013 - 2 C 68.11 - BVerwGE 146, 347 Rn. 36). Ob und inwiefern diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist eine Frage des Einzelfalls und einer grundsätzlichen Entscheidung nicht zugänglich. Insoweit klärungsbedürftige Fragen zeigt auch die Beschwerde nicht auf. Ihr geht es in der Sache vielmehr lediglich darum, ob der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist, obwohl der Vorstand der Teilnehmergemeinschaft nicht zu Ortsterminen im Rahmen der Wertermittlung hinzugezogen wurde.

11 c) Die Frage:
Führt eine vor dem Anordnungsbeschluss gemachte Zusage der Flurbereinigungsbehörde gegenüber einem Träger hinsichtlich der Grunderwerbskosten zur Rechtswidrigkeit der Wertermittlung?
begründet schließlich schon deshalb keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, weil sich das angefochtene Urteil hierzu nicht verhält. Es hat die Entscheidungserheblichkeit einer etwaigen vorherigen Zusage mit der Begründung verneint, diese könne - da sie allein das behördliche Verhalten vor Erlass des Einleitungsbeschlusses betreffe - keinen schwerwiegenden Fehler begründen, der zu dessen Nichtigkeit führe. Auch der Kläger hatte in seiner Klagebegründung vom 1. November 2017 die (vermeintliche) Vorfestlegung als Grund für die Nichtigkeit des Einleitungsbeschlusses angeführt. Auf etwaige Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Wertermittlung hingegen geht das Urteil nicht ein, ohne dass der Kläger dies mit einer Verfahrensrüge angegriffen hat. Eine Rechtsfrage, die sich für die Vorinstanz nicht gestellt hat oder auf die diese nicht entscheidend abgehoben hat, kann jedoch grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 5. Oktober 2009 - 6 B 17.09 - Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 4 Rn. 7 und vom 6. Mai 2010 - 6 B 73.09 - juris Rn. 4). Hieraus folgt zugleich, dass in der Vorinstanz die beantragte Sachverhaltsaufklärung nicht deswegen unterblieben ist, weil das Tatsachengericht die als rechtsgrundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage anders als der Beschwerdeführer beantwortet und deswegen die Beweisaufnahme als nicht entscheidungserheblich abgelehnt hat. Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. März 2000 - 8 B 287.99 - (Buchholz 428 § 30a VermG Nr. 14 S. 20), auf den sich der Kläger beruft, steht daher schon deshalb der Anwendung des vorgenannten Grundsatzes nicht entgegen.

12 2. Die Revision ist nicht deshalb zuzulassen, weil das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

13 Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Der von der Beschwerde angegriffene Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts:
"[W]er trotz fehlerhafter öffentlicher Bekanntmachung des entscheidenden Teils eines Einleitungsbeschlusses auf andere Weise sicher Kenntnis vom Ergehen des Beschlusses und seines Betroffenseins hiervon erlangt, muss sich so behandeln lassen, als sei der Beschluss wirksam öffentlich bekannt gemacht worden."
weicht nicht von dem von ihr benannten Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts in dessen Urteil vom 28. Oktober 1982 - 5 C 46.81 - (Buchholz 424.01 § 110 FlurbG Nr. 4 S. 6):
"[W]er trotz unvollständiger öffentlicher Bekanntmachung des entscheidenden Teils des Flurbereinigungsbeschlusses auf andere Weise sicher Kenntnis vom Ergehen des Anordnungsbeschlusses und seines Betroffenseins hiervon erlangt, kann sich nicht auf [die] fehlerhafte Bekanntgabe des Verwaltungsakts berufen."
ab. Entgegen der Annahme des Klägers kam dem Umstand, wie der Betroffene Kenntnis von dem Beschluss erlangt hat, in der vorgenannten Entscheidung keine entscheidungstragende Bedeutung zu. Insbesondere hat das Bundesverwaltungsgericht sein Urteil nicht darauf gestützt, dass der Beschluss in zumindest einer Gemeinde ordnungsgemäß bekannt gemacht worden sein muss. Maßgeblich ist vielmehr allein, dass bzw. ob der Betroffene auf andere Weise sichere Kenntnis vom Ergehen des Einleitungsbeschlusses und seiner Betroffenheit erlangt hat. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, eine solche sichere Kenntniserlangung sei vorliegend mit der Übersendung des Schreibens des Beklagten vom 21. Dezember 2015 erfolgt, führt daher auf keine Divergenz.

14 3. Die Revision ist schließlich nicht deshalb zuzulassen, weil ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

15 a) Das Vorbringen des Klägers, das Oberverwaltungsgericht habe die Anwendbarkeit der Waldbodenrichtwerte auf die zu bewertenden Flurstücke nicht geprüft, führt nicht auf eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO).

16 Für die ordnungsgemäße Begründung einer Rüge mangelhafter Sachaufklärung muss u.a. dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände und mit welchen Mitteln ein zusätzlicher Aufklärungsbedarf bestanden hat, ferner, dass auf die unterbliebene Sachverhaltsaufklärung hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. Urteil vom 21. Juni 2006 - 6 C 19.06 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 264 Rn. 25 m.w.N.). Im Flurbereinigungsverfahren ist dabei zu berücksichtigen, dass durch die gemäß § 139 FlurbG vorgeschriebene besondere Besetzung des Flurbereinigungsgerichts eine sachverständige Würdigung der im Rahmen der Flurbereinigung zu beurteilenden Sachverhalte regelmäßig gewährleistet ist. Die eigene Sachkunde des Flurbereinigungsgerichts muss im "Normalfall", d.h. bei Sachverhalten, mit denen das Flurbereinigungsgericht regelmäßig befasst ist, nicht besonders begründet werden. Mit Blick auf die besondere Sachkunde des Flurbereinigungsgerichts kommt ein Verstoß gegen dessen Aufklärungspflicht hiernach nur dann in Betracht, wenn die Beurteilung der in Rede stehenden fachlichen Fragen durch das Flurbereinigungsgericht gravierende Mängel aufweist, etwa wenn sie von unzutreffenden Tatsachen ausgeht, in sich widersprüchlich oder aktenwidrig ist oder ohne die notwendige Kenntnis der örtlichen Verhältnisse vorgenommen wurde, mithin wenn sie schlechterdings unvertretbar ist (BVerwG, Beschlüsse vom 4. November 2010 - 9 B 85.09 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 376 Rn. 5, vom 20. Oktober 2011 - 9 B 15.11 - juris Rn. 6 m.w.N. und vom 15. Mai 2014 - 9 B 14.14 - juris Rn. 6).

17 Derartige Mängel zeigt die Beschwerde nicht auf. Das Oberverwaltungsgericht hat die Annahmen und Feststellungen des Waldwertgutachtens umfassend geprüft und hierzu die Gutachterin D. als sachverständige Zeugin vernommen. Der Kläger hingegen hat ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 17. April 2018 ausdrücklich auf eine Vernehmung des von ihm benannten Sachverständigen S. als Zeugen verzichtet; dieser hatte gleichwohl die Gelegenheit, in der mündlichen Verhandlung als Beistand des Klägers in Ergänzung seines Gutachtens vom 28. Oktober 2017 zu den aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen. Das Oberverwaltungsgericht hat sich auch mit dessen Ausführungen befasst und sich ihnen ausdrücklich insoweit angeschlossen, als es gemäß § 144 Satz 1 Alt. 1 FlurbG den Bodenwert auf 0,45 €/m² angehoben hat. Im Übrigen hat es seinem Urteil die wesentlichen Grundannahmen des Waldwertgutachtens der Landwirtschaftskammer zugrunde gelegt. Insbesondere ist es den Ausführungen der Gutachterin D. dahingehend gefolgt, dass vorliegend eine - nach Nr. 15 WBR 2014 vorrangige - Herleitung des Waldbodenverkehrswertes aus den Waldbodenpreisen, die bei Verkäufen ähnlicher Waldflächen erzielt wurden, mangels aussagekräftiger, repräsentativer Kaufpreissammlungen nicht möglich war. Eine Bestätigung dieser Angaben hat das Gericht verschiedenen regionalen und landesweiten Grundstücksmarktberichten entnommen.

18 Mit dieser ausführlichen Begründung setzt sich die Beschwerde nicht auseinander. Sie benennt stattdessen lediglich einzelne Verkaufspreise in Neustadt am Rübenberge sowie in Garbsen. Dies steht der sachverständig unterlegten Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, es fehle an einer aussagekräftigen, repräsentativen Kaufpreissammlung, nicht entgegen.

19 b) Ein Verfahrensmangel liegt auch nicht insoweit vor, als sich der Kläger auf eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör beruft.

20 Der Grundsatz rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verlangt vom Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht ist aber weder gehalten, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen, noch muss es das gesamte Vorbringen in den Entscheidungsgründen wiedergeben und zu jedem einzelnen Gesichtspunkt Stellung nehmen (stRspr, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Juli 2018 - 1 BvR 682/12 - NVwZ 2018, 1561 Rn. 19; BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2006 - 6 C 19.06 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 264 Rn. 30 m.w.N.). Den Einwand des Klägers, der - nach Ablauf der Klagefrist nicht mehr anfechtbare - Einleitungsbeschluss sei nichtig, weil die Flurbereinigung allein dem Ziel gedient habe, kostengünstig Flächen für das sogenannte Life+-Projekt zu erwerben, hat das Oberverwaltungsgericht nicht nur im Tatbestand wiedergegeben, sondern in den Entscheidungsgründen über zwei Seiten beschieden. Dass es dem Vorbringen des Klägers nicht gefolgt ist, sondern die Rechtswidrigkeit des Einleitungsbeschlusses mit der Begründung offen gelassen hat, dessen etwaige Fehlerhaftigkeit sei jedenfalls nicht offensichtlich und könne schon deshalb gemäß § 44 Abs. 1 VwVfG keine Nichtigkeit begründen, verletzt den Kläger nicht in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör.

21 c) Die Revision ist schließlich auch nicht insoweit wegen eines entscheidungserheblichen Verfahrensmangels zuzulassen, weil das Oberverwaltungsgericht den Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz nicht beigeladen, gleichwohl jedoch den Waldbodenbasiswert um 0,05 €/m² heraufgesetzt hat. Ungeachtet § 138 Nr. 3 VwGO kann nur ein Verfahrensfehler zu Lasten des Rechtsmittelführers die Zulassung der Revision rechtfertigen.

22 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 39 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Beschluss vom 29.08.2019 -
BVerwG 9 B 21.19ECLI:DE:BVerwG:2019:290819B9B21.19.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.08.2019 - 9 B 21.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:290819B9B21.19.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 21.19

  • OVG Lüneburg - 17.04.2018 - AZ: OVG 15 KF 9/17

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. August 2019
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler und Dr. Dieterich
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des Senats vom 21. Februar 2019 - BVerwG 9 B 28.18 - wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1 Die fristgerecht erhobene Anhörungsrüge ist unbegründet. Der Senat hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

2 Der Grundsatz rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verlangt vom Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Er verpflichtet das Gericht indes weder, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen, noch das gesamte Vorbringen in den Entscheidungsgründen wiederzugeben und zu jedem einzelnen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen. Es muss vielmehr nur das für die Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung wesentliche Vorbringen verarbeiten, soweit es für die gerichtliche Entscheidungsfindung erheblich ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Juli 2018 - 1 BvR 682/12 - NVwZ 2018, 1561 Rn. 19; BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 1999 - 9 B 797.98 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4 S. 3).

3 Danach hat der Senat das rechtliche Gehör des Klägers nicht dadurch verletzt, dass er nicht auf dessen Vortrag zur Bedeutung der Teilnahme des Vorstands der Teilnehmergemeinschaft an der Wertermittlung eingegangen ist. Hierauf kam es, wie in dem angefochtenen Beschluss dargelegt, für die Entscheidung über die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht an. Denn die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Wertermittlung maßgebliche Frage, ob auf eine Beteiligung verzichtet werden kann, ist eine solche des Einzelfalls und damit keiner grundsätzlichen Klärung zugänglich.

4 Der weitere Einwand, der Senat habe den Vortrag des Klägers nicht ausreichend berücksichtigt, eine vor dem Anordnungsbeschluss gemachte Zusage der Flurbereinigungsbehörde habe zur Rechtswidrigkeit der Wertermittlung geführt, ist ebenfalls unbegründet. Er verkennt, dass das Oberverwaltungsgericht einer etwaigen Zusage der Flurbereinigungsbehörde rechtliche Bedeutung allein hinsichtlich des Einleitungsbeschlusses beigemessen hat; auch die Klagebegründung hatte die (vermeintliche) Vorfestlegung als Grund für dessen Nichtigkeit angeführt. Angesichts dessen, dass das Flurbereinigungsverfahren aus drei gesondert anzufechtenden Teilentscheidungen - Einleitungsbeschluss (§ 4 FlurbG), Wertermittlung (§§ 27 ff. FlurbG) und Flurbereinigungsplan (§§ 56 ff. FlurbG) - besteht und eine unanfechtbar gewordene Teilentscheidung hinsichtlich des durch sie geregelten Rechtsbereichs in einem späteren Rechtsschutzverfahren nicht mehr überprüft werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2014 - 9 C 11.13 - BVerwGE 151, 89 Rn. 13), hätte danach eine unzulässige Zusage allenfalls dann für die Rechtmäßigkeit der Wertermittlung von Bedeutung sein können, wenn sie nicht nur zur Rechtswidrigkeit, sondern zur Nichtigkeit des andernfalls bestandskräftigen Einleitungsbeschlusses geführt hätte. Dies hat das Oberverwaltungsgericht mit der Begründung verneint, ein etwaiger Fehler sei jedenfalls nicht besonders schwerwiegend im Sinne von § 1 NVwVfG i.V.m. § 44 Abs. 1 VwVfG. Die Frage, ob sich eine Zusage auch hiervon unabhängig auf die Rechtmäßigkeit der Wertermittlung auswirkt, war hingegen nicht Gegenstand des Urteils. Sie kann daher nicht die Zulassung der Revision rechtfertigen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 5. Oktober 2009 - 6 B 17.09 - Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 4 Rn. 7 und vom 6. Mai 2010 - 6 B 73.09 - juris Rn. 4).

5 Soweit der Kläger in seiner Beschwerde gerügt hat, das Oberverwaltungsgericht habe seine Aufklärungspflicht verletzt, weil es weder gemäß der niedersächsischen Waldbewertungsrichtlinie die Anwendbarkeit von Waldbodenrichtwerten für das Bewertungsobjekt geprüft noch - wie in der Waldwertermittlungsrichtlinie des Bundes empfohlen - den Waldbodenverkehrswert anhand des landwirtschaftlichen Bodenwertes ermittelt habe, hat der Senat dieses Vorbringen in seinem Beschluss berücksichtigt. Er hat es jedoch zurückgewiesen, weil sich der Kläger nicht mit der ausführlichen Begründung des Urteils, insbesondere zum Fehlen verwertbarer Kaufpreissammlungen, auseinandergesetzt hat. Ein Gehörsverstoß liegt danach nicht vor. Zugleich liegt hierin kein Widerspruch zu der weiteren Feststellung des Senatsbeschlusses, wonach staatliche Richtlinien eine geeignete Bemessungsgrundlage für die Wertbestimmung von Waldgrundstücken darstellen.

6 Der Einwand, der Senat sei nicht auf die Ausführungen des Klägers bezüglich der Parallelen des vorliegenden Falls zum sogenannten Boxbergurteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 24. März 1987 - 1 BvR 1046/85 - BVerfGE 74, 264) eingegangen, begründet ebenfalls keinen Gehörsverstoß. Die Kritik des Klägers, der Senat habe die Rüge der Landbeschaffungsmaßnahme mit Ausführungen zur Nichtigkeit beschieden, lässt die vorbezeichnete Mehrstufigkeit des Flurbereinigungsverfahrens sowie den Umstand unberücksichtigt, dass sich die Klage vorliegend, anders als im vorgenannten Urteil des Bundesverfassungsgerichts, nicht gegen die Anordnung der Flurbereinigung, sondern gegen die Wertermittlung richtet. Ihr hätte daher nicht schon eine Rechtswidrigkeit des Einleitungsbeschlusses, sondern nur dessen - von der Vorinstanz indes verneinte - Nichtigkeit zum Erfolg verhelfen können. Der weitere Einwand des Klägers, der Senat habe eine Gehörsverletzung des Oberverwaltungsgerichts mit der Begründung verneint, dieses habe den Einwand der Landbeschaffung auf zwei Seiten beschieden, obwohl sich in dem Urteil kein einziger Satz hierzu finde, ist gleichfalls unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat sich von Seite 14, 4. Absatz, bis Seite 16, 1. Absatz des Urteilsabdrucks (OVG Lüneburg, Urteil vom 17. April 2018 - 15 KF 9/17 - juris) mit dem Vorwurf der unzulässigen Landbeschaffung - wenngleich nicht mit dem vom Kläger erstrebten Ergebnis - befasst.

7 Der Senat hat des Weiteren die klägerische Rüge einer fehlenden Beiladung des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz mit der Begründung zurückgewiesen, nur ein Verfahrensfehler zu Lasten des Rechtsmittelführers könne die Zulassung der Revision rechtfertigen. Dass der Kläger dies für unzutreffend erachtet, führt auf keine Verletzung seines rechtlichen Gehörs.

8 Schließlich geht der Einwand fehl, der Senat habe - zu Unrecht - darauf abgestellt, der Kläger habe selbständig tragende Teile der Urteilsbegründung nicht angegriffen. Der angefochtene Beschluss führt vielmehr aus, dass der Kläger seiner Grundsatzrüge die unzutreffende Annahme zugrunde gelegt hat, das Oberverwaltungsgericht habe einen Abschlag bei der Wertermittlung allein aufgrund einer starken Parzellierung für gerechtfertigt erachtet. Vielmehr hat das Gericht auf Erschwernisse der Bewirtschaftung und der Holzernte abgestellt, welche in der erschwerten Auffindbarkeit der Parzellen, der teilweise fehlenden Bestimmbarkeit ihrer Grenzen, der schlechten Erreichbarkeit sowie darin begründet sind, dass die Bäume bei der Holzernte in der Regel auf das Nachbargrundstück fallen. Dessen ungeachtet hat der Senat in der Sache ausgeführt, dass auch nach den Richtlinien des Landes Niedersachsen und des Bundes die Parzellierung bzw. Größe des Grundstücks sowie seine Erschließung bei der Wertbestimmung zu berücksichtigen sind. Ein Gehörsverstoß liegt daher auch insoweit nicht vor.

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil sich die Gerichtsgebühr aus Nr. 5400 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz ergibt.