Urteil vom 21.02.2019 -
BVerwG 2 C 50.16ECLI:DE:BVerwG:2019:210219U2C50.16.0
Zeitnahe Geltendmachung des Anspruchs auf amtsangemessene Alimentation; Auslegung von Erklärungen
Leitsätze:
1. Es gibt keine Auslegungsregel, wonach die Beanstandung einer Vorschrift, die zu einer Kürzung der Dienstbezüge führt, mit dem Ziel, die Fortzahlung der Dienstbezüge nach den bisherigen Vorschriften zu erreichen, zugleich das Begehren enthält festzustellen, dass die Alimentation verfassungswidrig zu niedrig bemessen ist.
2. Ob ein Feststellungsbegehren als nachrangiges Begehren in einem Leistungsbegehren enthalten ist, ist nach dem im Einzelfall erkennbar verfolgten und geltend gemachten Rechtsschutzziel zu ermitteln.
3. Bei der Ermittlung des Rechtsschutzziels verlässt eine Auslegung den Rahmen des nach § 133 BGB Vertretbaren, wenn sie Erklärungen einen Inhalt - sei er auch förderlich - beimisst, für den es nach dem geäußerten Willen des Erklärenden und den sonstigen Umständen aus der Sicht eines objektiven Empfängers keinen Anhalt gibt.
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Rechtsquellen
GG Art. 33 Abs. 5 BRRG § 126 Abs. 3 BGB § 133 -
Instanzenzug
VG Köln - 07.12.2006 - AZ: 15 K 2247/05
OVG Münster - 03.09.2009 - AZ: OVG 1 A 281/07
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Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 21.02.2019 - 2 C 50.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:210219U2C50.16.0]
Urteil
BVerwG 2 C 50.16
- VG Köln - 07.12.2006 - AZ: 15 K 2247/05
- OVG Münster - 03.09.2009 - AZ: OVG 1 A 281/07
In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 21. Februar 2019
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung
und Dollinger sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel
für Recht erkannt:
- Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 3. September 2009 wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe
I
1 Der Kläger beansprucht die Feststellung, dass sein versorgungsrechtliches Nettoeinkommen im Jahr 2004 verfassungswidrig zu niedrig bemessen war.
2 Der Kläger, zuletzt im Amt eines Regierungsdirektors (Besoldungsgruppe A 15 BBesO), ist seit Mai 2004 Ruhestandsbeamter des Bundes.
3 Der Kläger bezog bis einschließlich des Jahres 2003 eine jährliche Sonderzuwendung nach dem Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung (Sonderzuwendungsgesetz - SZG) vom 15. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3642), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 16. Februar 2002 (BGBl. I S. 686). Durch Art. 18 Abs. 1 des Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 2003/2004 sowie zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004 - BBVAnpG 2003/2004) vom 10. September 2003 (BGBl. I S. 1798) wurde dieses Gesetz aufgehoben. Die jährliche Sonderzuwendung von bis dahin 84,29 v.H. der Versorgungsbezüge im Monat Dezember wurde im Jahr 2004 durch §§ 4 und 4a des Bundessonderzahlungsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur wirkungsgleichen Übertragung von Regelungen der sozialen Pflegeversicherung in das Dienstrecht und zur Änderung sonstiger dienstrechtlicher Vorschriften vom 4. November 2004 (BGBl. I S. 2686), berichtigt durch Art. 6 des Gesetzes zur Regelung der Versorgung bei besonderen Auslandsverwendungen vom 21. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3592) - BSZG 2004 -, auf 4,17 v.H. der Jahresversorgungsbezüge abgesenkt sowie um einen der Hälfte des Beitrags zur gesetzlichen Pflegeversicherung entsprechenden weiteren Anteil gemindert.
4 Auf dieser Grundlage erhielt der Kläger im Dezember 2004 ausweislich der Bezügemitteilung eine jährliche Sonderzahlung in Höhe von 961,35 €. Dagegen erhob er mit Schreiben vom 1. Dezember 2004 Widerspruch. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Die Bezügemitteilung sei weder vollständig erläutert noch seien die Bezüge korrekt berechnet. Unter Hinweis auf eine als Anlage beigefügte eigene Berechnung machte er bezogen auf die ihm als Versorgungsempfänger zustehende Sonderzahlung einen Fehlbetrag in Höhe von 259,16 € geltend.
5 Daraufhin teilte die Beklagte mit, dass der von der jährlichen Sonderzahlung für Pflegeleistungen vorgenommene Abzug in Höhe von 259,16 € in der Bezügemitteilung nicht gesondert ausgewiesen, aber rechnerisch berücksichtigt worden sei. Auf die Anfrage, ob das Widerspruchsverfahren fortgeführt werde, bat der Kläger mit Schreiben vom 14. Dezember 2004, ihm Frist zur Stellungnahme bis Anfang Februar 2005 zu gewähren.
6 In der Bezügemitteilung für den Monat Januar 2005 korrigierte die Beklagte den von der jährlichen Sonderzahlung für Pflegeleistungen in Abzug zu bringenden Betrag auf 237,15 € und zahlte einen Betrag in Höhe von 22,02 € nach.
7 Mit Schreiben vom 2. Februar 2005 hielt der Kläger seinen Widerspruch mit der Begründung aufrecht, die Absenkung der jährlichen Sonderzahlung durch das Bundessonderzahlungsgesetz sei verfassungswidrig.
8 Im März 2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
9 Der mit dem Hauptantrag weiterverfolgte Anspruch auf Fortzahlung der unverminderten Sonderzuwendung nach dem Sonderzuwendungsgesetz im Jahr 2004 unter Anrechnung geleisteter Zahlungen sei nicht gegeben. Die Absenkung der jährlichen Sonderzahlung durch das Bundessonderzahlungsgesetz begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der erstmals im Berufungsverfahren hilfsweise gestellte Antrag des Klägers, festzustellen, dass sein versorgungsrechtliches Nettoeinkommen im Jahr 2004 verfassungswidrig zu niedrig bemessen gewesen sei, sei zulässig, aber unbegründet. Der Kläger habe mit seinem Widerspruch im Dezember 2004 die "Problematik der amtsangemessenen Alimentation insgesamt aufgeworfen" und damit auch seinen Anspruch im Haushaltsjahr 2004 rechtzeitig angemeldet. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass ein Begehren, das sich unmittelbar auf die Auszahlung einer höheren als der gesetzlich vorgesehenen Besoldung oder Versorgung richte, im Regelfall zugleich das Verlangen nach einer Feststellung umfasse, das Nettoeinkommen sei verfassungswidrig zu niedrig bemessen. Das versorgungsrechtliche Nettoeinkommen des Klägers im Jahr 2004 genüge aber den Anforderungen des Alimentationsprinzips.
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Hiergegen hat der Kläger die vom Senat teilweise zugelassene Revision eingelegt, mit der er beantragt,
festzustellen, dass das versorgungsrechtliche Nettoeinkommen des Klägers im Jahr 2004 verfassungswidrig zu niedrig bemessen war, und das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 3. September 2009 aufzuheben, soweit es dem entgegensteht.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
12 Das mit Beschluss des Senats vom 6. Juni 2012 - 2 C 47.10 - ruhend gestellte Verfahren ist von den Beteiligten im Oktober 2016 wieder aufgenommen worden.
II
13 Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsurteil verletzt zwar revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), nämlich § 133 BGB (1). Es stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO) (2).
14 1. Das Berufungsurteil wird von den Annahmen getragen, dass der Kläger seine Unteralimentation für das Jahr 2004 mit seinem Widerspruch im Dezember 2004 geltend gemacht und seinen Alimentationsanspruch im laufenden Haushaltsjahr auch rechtzeitig angemeldet habe. Diesen Annahmen liegt eine rechtsfehlerhafte Auslegung des Widerspruchs des Klägers vom 1. Dezember 2004 und seines Schreibens vom 14. Dezember 2004 zugrunde. Sie genügt nicht den sich aus § 133 BGB ergebenden Anforderungen.
15 Die Ermittlung des Inhalts von Erklärungen im Wege der Auslegung gilt revisionsrechtlich als Tatsachenfeststellung i.S.d. § 137 Abs. 2 VwGO. Daher ist das Bundesverwaltungsgericht an den vom Tatsachengericht festgestellten Erklärungsinhalt gebunden, wenn dieses Gericht sein Ergebnis rechtsfehlerfrei begründet hat. Die Bindung tritt aber nicht ein, wenn die Auslegung auf einer unvollständigen Würdigung der festgestellten Tatsachen, einem Rechtsirrtum, einem Verstoß gegen eine Auslegungsregel oder einem Verstoß gegen einen allgemeinen Erfahrungssatz oder ein Denkgesetz beruht. In diesem Rahmen unterliegt eine vorinstanzliche Auslegung von Willenserklärungen der revisionsgerichtlichen Nachprüfung und ist dem Revisionsgericht eine eigene Auslegung nicht verwehrt, soweit es sich dabei nicht um die Ermittlung bisher nicht festgestellter tatsächlicher Umstände handelt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 1. Dezember 1989 - 8 C 17.87 - BVerwGE 84, 157 <161 f.>, vom 5. November 2009 - 4 C 3.09 - BVerwGE 135, 209 Rn. 18, vom 17. Juni 2010 - 2 C 86.08 - BVerwGE 137, 138 Rn. 14, vom 30. Oktober 2013 - 2 C 23.12 - BVerwGE 148, 217 Rn. 14 und vom 30. April 2014 - 2 C 65.11 - Buchholz 237.8 § 59 RhPLBG Nr. 1 Rn. 16).
16 Nach der Auslegungsregel des § 133 BGB, die auch auf öffentlich-rechtliche Erklärungen Anwendung findet, ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Es kommt darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtung zu verstehen ist. Maßgebend ist der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er sich dem Empfänger nach dem Wortlaut der Erklärung und den sonstigen Umständen darstellt, die der Empfänger bei Zugang der Erklärung erkennen kann. Dieser hat in den Blick zu nehmen, welchen Zweck der Erklärende verfolgt (stRspr, BVerwG, Urteile vom 15. September 2010 - 8 C 21.09 - BVerwGE 138, 1 Rn. 36 und vom 30. Oktober 2013 - 2 C 23.12 - BVerwGE 148, 217 Rn. 15).
17 § 133 BGB gibt eine Auslegung vor, die - im Rahmen des für den Erklärungsempfänger Erkennbaren - den mit der Erklärung angestrebten Erfolg herbeiführt und die Erklärung nicht sinnlos macht (BGH, Urteile vom 23. Januar 1997 - IX ZR 69/96 - BGHZ 134, 325 <329> und vom 7. März 2005 - II ZR 194/03 - NJW 2005, 2618 <2619>). Dies gilt insbesondere für die Ermittlung des Inhalts von Erklärungen Privater gegenüber Behörden. Diese dürfen bei der Auslegung die erkennbare Interessenlage des Erklärenden nicht außer Acht lassen. Legt der Private erkennbar einen Rechtsbehelf ein, darf die Behörde der Erklärung keinen Inhalt geben, der die Rechtsverfolgung erschwert oder gar ausschließt, wenn nach den erkennbaren Umständen auch eine günstigere Auslegung möglich ist (BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - 2 C 23.12 - BVerwGE 148, 217 Rn. 16 m.w.N.). Die Auslegung verlässt dabei den Rahmen des nach § 133 BGB Vertretbaren, wenn sie der Erklärung einen Inhalt - sei er auch förderlich - beimisst, für den es nach dem geäußerten Willen des Erklärenden und den sonstigen Umständen aus der Sicht eines objektiven Empfängers keinen Anhalt gibt.
18 Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der Erklärungen des Klägers im Dezember 2004 genügt diesen sich aus § 133 BGB ergebenden Anforderungen nicht.
19 Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe im Dezember 2004 im Widerspruchsverfahren nicht bloß die Gewährung einer Sonderzuwendung in bisheriger Höhe begehrt, sondern "in diesem Zusammenhang die Thematik der insgesamt zu niedrigen Alimentation hinreichend aufgeworfen" und damit auch eine verfassungswidrige Unteralimentation für das Haushaltsjahr 2004 geltend gemacht, kann nicht auf den Widerspruch des Klägers vom 1. Dezember 2004 gestützt werden. Dem Wortlaut und Sinnzusammenhang nach wendet sich der Kläger mit seinem Widerspruch allein gegen die rechnerische Ermittlung der jährlichen Sonderzahlung und rügt in Anwendung der nicht bestrittenen Rechtsvorgaben bloße Berechnungsfehler. Unter Beifügung einer eigenen Berechnung als Anlage macht er einen rechnerischen Fehlbetrag bei der Ermittlung der auf die Versorgungsbezüge entfallenden Sonderzahlung geltend und bittet um Aufklärung sowie im Übrigen um Erläuterung, aus welchen Gründen die Sonderzahlung unter Vorbehalt gezahlt worden sei. Dass seine Versorgung im Allgemeinen insgesamt zu niedrig bemessen sei, behauptet er weder ausdrücklich noch der Sache nach.
20 Für die vom Berufungsgericht für zutreffend gehaltene Auslegung findet sich auch in dem Schreiben des Klägers vom 14. Dezember 2004 kein Anhaltspunkt. Es geht seinem Erklärungsgehalt nach nicht über ein Fristverlängerungsgesuch und dessen Begründung hinaus. Als Grund für die Bitte um Fristaufschub gab der Kläger an, die Gesetzesbegründungen zur Kürzung der jährlichen Sonderzahlung einsehen zu wollen. Ein über das Anliegen, sich informieren zu wollen, hinausgehendes Verlangen lässt sich dem Schreiben nicht entnehmen.
21 Ebenso wenig hat der Kläger in seiner weiteren Widerspruchsbegründung - ungeachtet dessen, dass sie erst im Februar 2005 bei der Beklagten eingegangen ist - zum Ausdruck gebracht, dass es ihm auch darum geht, sein allgemeines Alimentationsniveau als zu niedrig zu beanstanden. Seine Widerspruchsbegründung zielt auf die Weitergewährung der Sonderzuwendung in unverminderter Höhe nach dem Sonderzuwendungsgesetz mit der Begründung, dass die Absenkung der jährlichen Sonderzahlung durch das Bundessonderzahlungsgesetz verfassungswidrig sei.
22 Soweit sich das Berufungsgericht auf einen Grundsatz beruft, wonach ein Begehren, das sich unmittelbar auf (Fort-)Zahlung einer höheren als der gesetzlich vorgesehenen Besoldung oder Versorgung richtet, regelmäßig zugleich das Begehren nach der Feststellung umfasse, das Nettoeinkommen sei verfassungswidrig zu niedrig bemessen, vermag dies die von ihm angenommene Auslegung nicht zu tragen. Eine solche Auslegungsregel gibt es nicht. Ob und welches Feststellungsbegehren als nachrangiges Begehren in einem Leistungsbegehren enthalten ist, ist nach dem im jeweiligen Einzelfall erkennbar verfolgten und geltend gemachten Rechtsschutzziel zu beurteilen. Soweit das Berufungsgericht meint, seine Auffassung entspreche der von ihm angeführten Rechtsprechung des Senats in den Urteilen vom 20. Juni 1996 - 2 C 7.95 - (Buchholz 240 § 2 BBesG Nr. 8 S. 4) und vom 28. April 2005 - 2 C 1.04 - (BVerwGE 123, 308 <312>), beruht dies auf einem Irrtum. Beide Urteile verhalten sich nicht zu der vom Berufungsgericht angenommenen Auslegungsregel, sondern haben das jeweils im Einzelfall geltend gemachte Rechtsschutzbegehren in den Blick genommen und ausgelegt.
23 Das vorliegend vom Kläger im Verwaltungsverfahren verfolgte Rechtsschutzziel, die Sonderzuwendung in ungekürzter Höhe nach dem Sonderzuwendungsgesetz weiter zu erhalten und damit dieser Zahlung entgegenstehende Hindernisse aus dem Weg zu räumen, hätte mit der Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Regelungen der §§ 4 und 4a BSZG 2004 und deren Nichtigerklärung erreicht werden können. Die Regelungen haben zur Kürzung der jährlichen Sonderzahlung geführt und die weitere Anwendung des Sonderzuwendungsgesetzes gesperrt (vgl. Art. 18 Abs. 2 BBVAnpG 2003/2004). Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Regelungen der §§ 4 und 4a BSZG 2004 hätte das Ziel der (Fort-)Zahlung der Sonderzuwendung in bisheriger Höhe unterstützt. Ein darauf gerichtetes Begehren war in dem Leistungsbegehren auch ohne seine ausdrückliche Benennung konkludent enthalten.
24 Dies gilt nicht für das Begehren festzustellen, dass (jedenfalls) die Alimentation verfassungswidrig zu niedrig bemessen sei. Die Beanstandung einer Vorschrift, die zu einer Kürzung der Dienstbezüge führt, mit dem Ziel, die Fortzahlung der Dienstbezüge nach den bisherigen Vorschriften zu erreichen, enthält nicht zugleich das Begehren festzustellen, dass die Alimentation verfassungswidrig zu niedrig bemessen sei. Damit würde ein anderer Streitgegenstand zur Nachprüfung gestellt. Neben der angestrebten Rechtsfolge ist auch der Sachverhalt, aus dem sich diese Rechtsfolge ergeben soll, für den Streitgegenstand bestimmend (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Mai 1994 - 9 C 501.93 - BVerwGE 96, 24 <25>). Der Streitgegenstand eines auf - unvermindert - höhere Zahlung gerichteten Leistungsbegehrens und die damit begehrte Feststellung, die Kürzung der Zahlung aufgrund eines speziellen Gesetzes sei verfassungswidrig, ist ein anderer als die Rechtsbehauptung, das allgemeine Alimentationsniveau sei zu niedrig. Letztere erfordert eine umfassende Prüfung und Aufklärung, die nicht nur das unmittelbare, die Kürzung regelnde Besoldungsgesetz in den Blick nimmt, sondern auch sonstige Gesetze (etwa das Einkommensteuergesetz) und dienstrechtliche Nebengesetze (wie Beihilfegewährung in Krankheitsfällen, Zulagen, Vergütungen usw.), die Einfluss auf das allgemeine Alimentationsniveau haben.
25 Ein Verwaltungs- oder Vorverfahren, das der Frage nach der Amtsangemessenheit der Alimentation nachgehen muss, ist nicht bereits in Gang gesetzt, wenn der Beamte die Anwendung einer bestimmten Vorschrift beanstandet, die zu Leistungseinbußen führt (BVerwG, Beschluss vom 15. April 2010 - 2 B 81.09 - USK 2010, 144 = juris Rn. 6 zur selben Fallkonstellation; vgl. auch Urteil vom 28. Mai 2009 - 2 C 23.07 - Buchholz 11 Art. 57 GG Nr. 1 Rn. 41; s. im Fall der Kürzung von Beihilfe: Urteile vom 20. März 2008 - 2 C 49.07 - BVerwGE 131, 20 Rn. 34 und vom 30. April 2009 - 2 C 127.07 - Buchholz 270 § 12 BhV Nr. 3 Rn. 10).
26 Dieses Verständnis hätte die Rechtsverfolgung im vorliegenden Fall nicht von vornherein sinn- und zwecklos gemacht. Die Frage, ob die bis zum Jahr 2003 gewährte Sonderzuwendung nach dem Sonderzuwendungsgesetz ohne Kürzung in unverminderter Höhe weiter zu gewähren ist, die inzident die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Kürzung der jährlichen Sonderzahlungen durch die jeweiligen Sonderzahlungsgesetze des Bundes und der Länder erforderte, ist erst durch das Urteil des Senats vom 28. Mai 2009 - 2 C 23.07 - (Buchholz 11 Art. 57 GG Nr. 1 zum BSZG-LSA) geklärt worden.
27 Damit sind auch keine überhöhten Anforderungen an die Geltendmachung des Alimentationsanspruchs aufgestellt, die dem Beamten die Rechtsverfolgung erschweren oder ihn sonst übermäßig belasten. Für die Geltendmachung des Anspruchs genügt es, dass der Beamte zum Ausdruck bringt, sich mit der Höhe seiner Besoldung oder Versorgung insgesamt nicht mehr zufrieden zu geben. So hätte es im vorliegenden Fall ausgereicht, wenn der Kläger - so wie später im gerichtlichen Verfahren - im Jahr 2004 erklärt hätte, dass er für den Fall einer zulässigen Kürzung der jährlichen Sonderzahlung jedenfalls die danach verbleibende Gesamthöhe seiner Versorgungsbezüge für zu niedrig halte, weil sie ihm und seiner Familie keinen angemessenen Lebensstandard mehr ermögliche und sie sich in ihrer Lebensführung einschränken müssten. Ein solches Vorbringen wäre ihm auch als juristischen Laien möglich gewesen. Rechtskenntnisse sind dafür nicht erforderlich.
28 2. Die Revision ist ungeachtet der vorliegenden Verletzung revisiblen Rechts zurückzuweisen, weil sich das angefochtene Urteil aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO).
29 Der im Revisionsverfahren allein noch anhängige Antrag des Klägers festzustellen, dass sein versorgungsrechtliches Nettoeinkommen im Jahr 2004 verfassungswidrig zu niedrig bemessen war, ist zwar zulässig, aber unbegründet.
30 Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht nicht das Erfordernis der erfolglosen Durchführung eines Widerspruchsverfahrens gemäß des hier maßgebenden § 126 Abs. 3 des Beamtenrechtsrahmengesetzes - BRRG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2138) entgegen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung aus Gründen der Prozessökonomie ein Vorverfahren für entbehrlich gehalten, wenn sich der Beklagte auf die Klage einlässt und deren Abweisung beantragt oder wenn der Zweck des Vorverfahrens ohnehin nicht mehr erreicht werden kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Oktober 1980 - 2 A 4.78 - Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 14 S. 3 f.; vom 15. September 2010 - 8 C 21.09 - BVerwGE 138, 1 Rn. 24 ff. und vom 30. Oktober 2013 - 2 C 23.12 - BVerwGE 148, 217 Rn. 35 ff.). Danach war das Widerspruchsverfahren im vorliegenden Fall ausnahmsweise entbehrlich. Die Beklagte hat sich auf den erstmals im Berufungsverfahren hilfsweise gestellten Feststellungsantrag des Klägers sachlich eingelassen und dessen Abweisung beantragt. Es ist deshalb nicht zu erwarten, dass ein gegen die unzureichende Alimentation gerichteter Widerspruch des Klägers zum Erfolg geführt hätte.
31 Der Kläger hat aber keinen Anspruch auf die Feststellung, dass sein versorgungsrechtliches Nettoeinkommen im Jahr 2004 verfassungswidrig zu niedrig bemessen war.
32 Der Kläger hat die - ausschließlich - für das Jahr 2004 behauptete unzureichende Alimentation entgegen der ihm aus den Besonderheiten des Beamtenverhältnisses ergebenden Verpflichtung nicht zeitnah, d. h. nicht in dem entsprechenden Haushaltsjahr 2004 geltend gemacht.
33 Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bedürfen Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, einer vorherigen Geltendmachung (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - Buchholz 240 § 53 BBesG Nr. 3 Rn. 21). Der Beamte muss kundtun, wenn er sich mit der gesetzlich vorgesehenen Alimentation nicht zufrieden geben will (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2011 - 2 C 40.10 - USK 2011, 147 = juris Rn. 7), und dies zeitnah. Er muss den Einwand der unzureichenden Alimentation in dem Haushaltsjahr geltend machen, für das er eine höhere Besoldung oder Versorgung begehrt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 9).
34 Zwar darf der Gesetzgeber - auch für die Vergangenheit - eine mit der Verfassung unvereinbare Rechtslage nicht fortbestehen lassen; er ist verpflichtet rückwirkend, bezogen auf den in der gerichtlichen Feststellung genannten Zeitpunkt, die Rechtslage verfassungsgemäß umzugestalten (vgl. BVerfG, Urteile vom 14. Juli 1986 - 2 BvE 2/84, 2 BvR 442/84 - BVerfGE 73, 40 <101>, vom 6. März 2002 - 2 BvL 17/99 - BVerfGE 105, 73 <134> und vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 - NVwZ 2012, S. 357 <365>; Beschluss vom 19. Juni 2012 - 2 BvR 1397/09 - BVerfGE 131, 239 <265 f.>).
35 Ausnahmen von der rückwirkenden Regelungspflicht hat das Bundesverfassungsgericht aber im Interesse verlässlicher Finanz- und Haushaltsplanung bei haushaltswirtschaftlich bedeutsamen Normen anerkannt. Gerade im Bereich der Beamtenalimentation ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die im Beamtenverhältnis bestehende Pflicht zu gegenseitiger Rücksichtnahme zwischen Beamten und Dienstherrn sowie der Umstand, dass die Alimentation des Beamten der Sache nach die Befriedigung eines gegenwärtigen Bedarfs aus gegenwärtig zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln darstellt, dagegen sprechen, den Dienstherrn ohne jede Einschränkung in Bezug auf den Kreis der betroffenen Beamten zu rückwirkenden Erhöhungen der Besoldung und Versorgung zu verpflichten. Im Bereich der Beamtenbesoldung und -versorgung kann eine rückwirkende Heilung von Verfassungsverstößen sich deswegen personell auf diejenigen Beamten beschränken, die den ihnen von Verfassungs wegen zustehenden Alimentationsanspruch geltend gemacht haben, ohne dass über ihren Anspruch schon abschließend entschieden wurde, und sachlich auf den Zeitpunkt des laufenden Haushaltsjahres, in dem der Beamte seine Unteralimentierung gegenüber dem Dienstherrn erstmals geltend gemacht hat (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerfGE 81, 363 <384 f.>, vom 24. November 1998 - 2 BvL 26/91 u.a. - BVerfGE 99, 300 <330 f.> und vom 19. Juni 2012 - 2 BvR 1397/09 - BVerfGE 131, 239 <266>, Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 u. a. - BVerfGE 139, 64 <148>, Beschluss vom 17. November 2015 - 2 BvL 19/09 u. a. - BVerfGE 140, 240 <316>; BVerwG, Urteile vom 13. November 2008 - 2 C 16.07 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 101 Rn. 10 ff., vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 9 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - Buchholz 240 § 53 BBesG Nr. 3 Rn. 21).
36 Der Kläger ist der Verpflichtung, die behauptete Unteralimentation im Jahr 2004 im laufenden Haushaltsjahr 2004 geltend zu machen, nicht nachgekommen. Wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, lässt sich weder seinem Widerspruch vom 1. Dezember 2004 noch seinem Schreiben vom 14. Dezember 2004 ein Begehren entnehmen, das auf Feststellung einer nicht mehr amtsangemessenen Versorgung gerichtet ist. In keinem der beiden Schreiben hat er beanstandet, dass (jedenfalls auch) seine Versorgung im Jahr 2004 insgesamt zu niedrig gewesen sei.
37 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.