Beschluss vom 21.07.2021 -
BVerwG 1 WB 20.21ECLI:DE:BVerwG:2021:210721B1WB20.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.07.2021 - 1 WB 20.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:210721B1WB20.21.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 20.21

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke,
den ehrenamtlichen Richter Kapitän zur See Mathesius und
den ehrenamtlichen Richter Obermaat Klotz
am 21. Juli 2021 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Das Verfahren betrifft den Antrag eines Obermaats auf Übernahme in die Laufbahn der Feldwebel des allgemeinen Fachdienstes.

2 Der Antragsteller verpflichtete sich im Jahr 20... als Soldat auf Zeit für acht Jahre und trat mit dem Dienstgrad Obermaat in die Laufbahn der Unteroffiziere des allgemeinen Fachdienstes ein. Er wurde der Verwendungsreihe 5304 "..." zugeordnet und zum ... ausgebildet. Im Februar 2019 bewarb er sich um die Übernahme in die Laufbahn der Feldwebel des allgemeinen Fachdienstes in der Verwendungsreihe ... als ... Diese Bewerbung wurde von seinem früheren Disziplinarvorgesetzten unterstützt.

3 Nach positiver Durchführung des Eignungsfeststellungsverfahrens teilte Ende Juni 2020 der aktuelle Disziplinarvorgesetzte mit, dass er den Laufbahnwechsel aufgrund neuerer Erkenntnisse nicht befürworte. Der Antragsteller erfülle die fachlichen Erwartungen zwar weitestgehend durchschnittlich, zeige jedoch viel zu wenig Engagement. Seine Leistungen lägen im unteren Bereich der Vergleichsgruppe. Ein gewinnbringender Einsatz des Antragstellers im Flugbetriebsbereich sei mittelfristig nicht zu erwarten. Er sei zu sehr mit der Regelung seiner privaten Probleme beschäftigt. Daran hielt der aktuelle Disziplinarvorgesetzte nach einer Gegenvorstellung des Antragstellers fest.

4 Im Oktober 2020 teilte die Wehrdisziplinaranwaltschaft des Marinekommandos mit, dass gegen den Antragsteller wegen einer Straßenverkehrsgefährdung disziplinare Vorermittlungen geführt würden. Deswegen lehnte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr den Antrag auf Übernahme in die Feldwebellaufbahn mit Bescheid vom 28. Oktober 2020 ab. Die dagegen am 26. November 2020 erhobene Beschwerde wurde mit Entscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung vom 16. März 2021, ausgehändigt am 29. März 2021, zurückgewiesen.

5 Der Antragsteller macht mit seinem am 19. April 2021 eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung und einer ergänzenden Begründung vom 14. Juli 2021 geltend, dass seine Bewerbung um Übernahme in die Feldwebellaufbahn fast zwei Jahre verzögert worden sei. Durch diese unbegründet lange Bearbeitungszeit sei er benachteiligt worden. Angesichts der positiven Stellungnahme seines früheren Staffelchefs und der positiven Potenzialfeststellung hätte er schon früher in die Laufbahn der Feldwebel übernommen werden müssen. Er sei zwar kurzfristig nicht gewinnbringend in ... einsetzbar, werde sich aber langfristig als Unteroffizier mit Portepee bewähren. Dem Disziplinarverfahren liege ein einmaliges Geschehen zugrunde, so dass künftig kein Zweifel an seiner charakterlichen Eignung bestehen werde. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft beabsichtige auch, von einem gerichtlichen Disziplinarverfahren abzusehen.

6 Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Ablehnungsbescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 28. Oktober 2020 in der Gestalt des Beschwerdebescheids vom 16. März 2021 aufzuheben und das Bundesministerium der Verteidigung zu verpflichten, über seine Bewerbung für die Laufbahn der Feldwebel des allgemeinen Fachdienstes unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

7 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.

8 Soweit der Antragsteller eine überlange Bearbeitungsdauer moniert habe, sei der Beschwerdeteil zuständigkeitshalber an ... abgegeben und mittlerweile rechtskräftig zurückgewiesen worden. Soweit er sich gegen die Ablehnung der beantragten Übernahme in die Laufbahn der Feldwebel des allgemeinen Fachdienstes wende, sei der zulässige Antrag offensichtlich unbegründet. Die disziplinaren Vorermittlungen gegen den Antragsteller würden zum Zeitpunkt des Vorlageschreibens vom 27. April 2021 noch andauern. Dies stünde - wie in den Bescheiden ausgeführt - einer Förderung des Antragstellers weiterhin entgegen.

9 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II

10 Der zulässige Antrag ist unbegründet. Der berufliche Aufstieg eines Unteroffiziers ohne Portepee in die Laufbahn der Feldwebel des allgemeinen Fachdienstes unterliegt als förderliche Maßnahme dem Grundsatz der Verwendung des Soldaten nach Eignung, Befähigung und Leistung aus Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. September 2011 - 1 WB 48.10 - BVerwGE 140, 342 Rn. 33 und vom 30. August 2019 - 1 WB 10.19 - juris Rn. 18). Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Bundesamt für das Personalmanagement und das Bundesministerium der Verteidigung wegen des eingeleiteten Disziplinarverfahrens die persönliche, insbesondere charakterliche Eignung des Antragstellers für den Aufstieg in eine höhere Laufbahn verneint haben.

11 1. Bei der Einschätzung der Eignung eines Soldaten für eine förderliche Verwendung verfügt der Dienstherr über einen Beurteilungsspielraum, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1991 - 1 WB 68.91 - NZWehrr 1992, 118 <119 f.>), die mit der Rechtsprechung des für das Dienstrecht der Beamten zuständigen 2. Revisionssenats übereinstimmt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. September 1992 - 2 B 56.92 - juris Rn. 4 m.w.N. und vom 28. Mai 2021 - 2 VR 1.21 - juris Rn. 16), ist der Dienstherr danach berechtigt, einen Soldaten für die Dauer einer gegen ihn durchgeführten disziplinarischen Ermittlung und eines sich gegebenenfalls anschließenden förmlichen Disziplinarverfahrens von förderlichen Maßnahmen auszuschließen, bis feststeht, dass der Soldat für die weitere Förderung uneingeschränkt geeignet ist. Es ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn regelmäßig dem Soldaten das daraus resultierende Risiko auferlegt wird; denn Disziplinarverfahren beruhen in der Regel auf Umständen, die in der Person oder doch in der Sphäre des betreffenden Soldaten liegen. Dem zuständigen Vorgesetzten ist nicht zuzumuten, seinerseits ein Risiko einzugehen, einen Soldaten in seiner Laufbahn zu fördern, wenn Zweifel an dessen uneingeschränkter Förderungswürdigkeit aufgetreten sind. Der Dienstherr würde sich zudem in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setzen, wenn er einen Soldaten vor der abschließenden Klärung des disziplinarischen Vorwurfs förderte und damit die Befähigung und Eignung des Betreffenden für eine höherwertige Verwendung bejahte, obwohl er vorher mit der Einleitung disziplinarischer Ermittlungen zu erkennen gegeben hat, dass er Anlass sieht, das Verhalten des Betreffenden in seinem bisherigen Status zu beanstanden (BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2016 - 1 WDS-VR 6.16 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 86 Rn. 35).

12 2. Für eine der in der Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. März 2017 - 1 WB 34.16 - juris Rn. 38) ebenfalls anerkannten Ausnahmen von dem grundsätzlichen Ausschluss von förderlichen Maßnahmen bestehen keine Anhaltspunkte. Insbesondere behauptet der Antragsteller selbst nicht, dass der gegen ihn gerichtete disziplinare Vorwurf der schuldhaften Verursachung eines Dienstunfalls offensichtlich unberechtigt oder gar missbräuchlich wäre. Auch liegen nach der für den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung geltenden Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-1340/49 "Beförderung, Einstellung, Übernahme und Zulassung von Soldatinnen und Soldaten" keine Gründe für eine ausnahmsweise Förderung vor. Ausnahmen sind gemäß Nr. 246 Satz 3 ZDv A-1340/49 nur in Härtefällen vertretbar, wenn (kumulativ) die Soldatin oder der Soldat sich besonders bewährt hat, der bestandskräftige Abschluss eines Disziplinarverfahrens sich ohne Verschulden des Betroffenen erheblich verzögert (in der Regel nach Ablauf eines Jahres seit Aufnahme der Ermittlungen) und wenn der Tatbestand eine einmalige situationsbedingte und nicht charakterlich bedingte Verfehlung von geringer Schwere darstellt (Nr. 246 Satz 4 ZDv A-1340/49). Ein solcher Härtefall liegt hier nicht vor, weil weder eine besondere Bewährung des Antragstellers noch eine erhebliche Verzögerung der am 28. Oktober 2020 aufgenommenen disziplinaren Ermittlungen ersichtlich ist. Daher bedarf es auch hier keiner Klärung, ob bei Erfüllung der in Nr. 246 ZDv A-1340/49 vorgesehenen Härtefallvoraussetzungen zwingend von einer ausreichenden charakterlichen Eignung auszugehen wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. März 2017 - 1 WB 34.16 - juris Rn. 39 ff.).