Beschluss vom 21.07.2022 -
BVerwG 1 WNB 2.22ECLI:DE:BVerwG:2022:210722B1WNB2.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.07.2022 - 1 WNB 2.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:210722B1WNB2.22.0]

Beschluss

BVerwG 1 WNB 2.22

  • TDG Nord 1. Kammer - 06.12.2021 - AZ: N 1 BLa 27/20 und N 1 RL 3/22

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
am 21. Juli 2022 beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Truppendienstgerichts ... vom 6. Dezember 2021 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Beschwerdesache (§ 22a Abs. 2 Nr. 1 WBO) sowie die gerügten Verfahrensmängel (§ 22a Abs. 2 Nr. 3 WBO) einer Verletzung der gerichtlichen Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 18 Abs. 2 Satz 1 WBO) und zur Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) sind nicht prozessordnungsgemäß dargelegt bzw. liegen nicht vor.

2 1. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Rechtsbeschwerde entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. für das Revisionsrecht der VwGO, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - Buchholz 310 § 132 Nr. 18 S. 21 f. sowie für das Rechtsbeschwerderecht der WBO, BVerwG, Beschlüsse vom 23. November 2011 - 1 WNB 5.11 - Rn. 2 und vom 12. April 2018 - 2 WNB 1.18 - juris Rn. 5, jeweils m. w. N.). Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die der - ggf. erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern mit dieser Klärung im angestrebten Rechtsbeschwerdeverfahren zu rechnen ist und hiervon eine Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus zu erwarten steht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 2017 - 8 B 16.16 - juris Rn. 16).

3 Die vom Beschwerdeführer formulierten Rechtsfragen
"wie dem Benachteiligungsverbot bei ehrenamtlicher Tätigkeit als Vertrauensperson oder Personalratsmitglied Rechnung zu tragen ist, wenn ein Soldat nicht vollständig vom Dienst freigestellt ist, sondern anlassbezogen weit überwiegend"
und
"ob die Selbstbindung des BMVg zur Behandlung teilweise freigestellter Soldaten mit einem Freistellungsanteil von drei Vierteln oder mehr verbindlich und beschwerdefähig ist"
rechtfertigen die Durchführung eines Rechtsbeschwerdeverfahrens nicht. Denn diese Fragen sind weder entscheidungserheblich noch würden sie sich in einem Rechtsbeschwerdeverfahren stellen. Nach den nicht mit durchgreifenden Rügen angegriffenen Feststellungen des Truppendienstgerichts war der Antragsteller nicht für seine Tätigkeiten nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz und dem Soldatenbeteiligungsgesetz freigestellt (Seiten 2 und 10 der Entscheidungsgründe). Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, wieso Grundsätze über die Behandlung von teilweise Freigestellten für ihn Anwendung finden sollten.

4 2. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.

5 a) Die ordnungsgemäße Darlegung einer Aufklärungsrüge setzt unter anderem die Angabe voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Truppendienstgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären und inwiefern die angegriffene Entscheidung auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. Dezember 2003 - 8 B 154.03 - NVwZ 2004, 627 <628> und vom 27. Juli 2011 - 2 WNB 3.11 - Rn. 5). Weiter muss dargelegt werden, welche konkreten Beweismittel zur Klärung der für entscheidungserheblich gehaltenen Behauptungen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis die Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte und dass entsprechende Beweisanträge im gerichtlichen Verfahren gestellt wurden oder warum sich dem Gericht die weitere Aufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14 f. m. w. N. und vom 27. Juli 2011 - 2 WNB 3.11 - Rn. 5).

6 Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das zur Entscheidung berufene Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. z. B. BVerwG, Beschlüsse vom 18. Dezember 2015 - 1 WNB 1.15 - juris Rn. 4 m. w. N. und vom 9. Mai 2017 - 1 WNB 3.16 - NZWehrr 2017, 216 Rn. 7). Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht dieser Pflicht Rechnung trägt. Es ist nicht gehalten, sich in den Gründen seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen zu befassen; insbesondere begründet Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Verfahrensbeteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen. Aus Art. 103 Abs. 1 GG ergibt sich auch keine Pflicht eines Gerichts, der von der Partei vertretenen Rechtsauffassung zu folgen (BVerwG, Beschluss vom 2. Februar 2018 - 1 WNB 6.17 - juris Rn. 9).

7 b) Eine Verletzung dieser Grundsätze ist weder substantiiert dargelegt noch liegt sie vor.

8 Soweit der Antragsteller Aufklärungsmängel und die Verletzung rechtlichen Gehörs im Zusammenhang mit der Fußnote 7 zu Nr. 101 der ZDv A-1336/1 in der Fassung vom 26. August 2021 rügt, setzt sich die Beschwerde bereits nicht damit auseinander, dass nach den Feststellungen der Vorinstanz eine Laufbahnbeurteilung vom 13. Dezember 2019 bezüglich eines nicht vom Dienst freigestellten Soldaten in Rede steht. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, wieso Regelungen für freigestellte Soldaten mit einem Freistellungsanteil von mehr als 75 % vorliegend Sachverhaltsaufklärungen veranlasst hätten. Der Antragsteller hat zudem nicht dargetan, welche Tatsachen das Truppendienstgericht hätte aufklären müssen, welche Beweismittel ihm hierfür zur Verfügung gestanden hätten und wieso sich der Vorinstanz dies auch ohne entsprechende Beweisanträge hätte aufdrängen müssen.

9 Dass die Vorinstanz den schriftsätzlichen Rechtsausführungen des Antragstellers nicht folgt, verletzt seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nicht. Sie musste auch keine Tatsachen aufklären, auf die es - von ihrem Rechtsstandpunkt aus betrachtet - nicht ankam. Ebenso wenig musste sich das Truppendienstgericht mit dem nach seiner Rechtsauffassung unerheblichen Sachvortrag des Antragstellers auseinandersetzen. Dies gilt insbesondere, soweit der Antragsteller rügt, dass das Truppendienstgericht ausgehend von seinem - aus Sicht des Antragstellers unzutreffenden Rechtsstandpunkt - Teile seines Vorbringens nicht geprüft habe.

10 Nichts Anderes gilt, soweit der Antragsteller rügt, dass wegen seiner ehrenamtlichen Tätigkeiten keine ausreichende Tatsachengrundlage für eine Beurteilung vorgelegen habe, er rechtswidrig in seinem Ehrenamt behindert, in seinem beruflichen Fortkommen geschädigt worden sei und dass ihm in der angegriffenen Beurteilung Abwesenheitszeiten aufgrund des Ehrenamtes nachteilig angerechnet bzw. benachteiligend vorgehalten worden seien. Die Beschwerdebegründung führt selbst aus, dass das Truppendienstgericht den Sachverhalt zu diesen Punkten wegen seines - aus Sicht des Antragstellers fehlerhaften - rechtlichen Ausgangspunktes nicht weiter aufgeklärt habe. Damit sind weder die Voraussetzungen einer Aufklärungsrüge noch einer Gehörsverletzung dargelegt. Mit der Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung im Einzelfall wird kein Grund dargelegt, der die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 22b Abs. 2 WBO rechtfertigt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. August 2012 - 1 WNB 4.12 - juris Rn. 7, vom 22. Juli 2014 - 2 WNB 2.14 - Rn. 4, vom 12. April 2018 - 2 WNB 1.18 - juris Rn. 6 und vom 7. Juni 2019 - 1 WNB 5.18 - juris Rn. 10). Es ist daher in diesem Kontext unerheblich, ob der Rechtsstandpunkt der Vorinstanz, der weitere Aufklärung aus deren Sicht nicht notwendig machte, fehlerhaft war.

11 Eine Gehörsverletzung liegt aus demselben Grund auch nicht darin, dass die Vorinstanz das Vorbringen aus Sicht des Antragstellers falsch gewertet oder abweichend von seinem Vortrag - aus Sicht des Antragstellers - unzutreffende rechtliche Schlüsse gezogen hat.

12 Die Kostenentscheidung beruht auf § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO in Verbindung mit § 154 Abs. 2 VwGO.