Beschluss vom 14.11.2005 -
BVerwG 5 PKH 31.05ECLI:DE:BVerwG:2005:141105B5PKH31.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.11.2005 - 5 PKH 31.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:141105B5PKH31.05.0]

Beschluss

BVerwG 5 PKH 31.05

  • VGH Baden-Württemberg - 30.05.2005 - AZ: VGH 13 S 2125/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. November 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S ä c k e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht S c h m i d t und Dr. F r a n k e
beschlossen:

Der Antrag der Klägerin, ihr für die Revision gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 30. Mai 2005 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe

1 Der Klägerin kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, weil sie Angaben über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht ausreichend glaubhaft gemacht und die Fragen der Verfügung des Gerichts vom 12. September 2005 nicht bzw. ungenügend beantwortet hat (§ 166 VwGO, § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO). Es fehlen weiterhin Angaben zu Adresse und Wert der Immobilien, zum Ende der Vermietung des 4-Zimmer-Appartments und zur Anzahl der Immobilien.

Urteil vom 21.11.2006 -
BVerwG 5 C 19.05ECLI:DE:BVerwG:2006:211106U5C19.05.0

Leitsatz:

Eine Person, die als Volljährige von einem Vertriebenen vor dem Verlassen der Aussiedlungsgebiete adoptiert worden ist, erwirbt dadurch nicht die Abkömmlingseigenschaft im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG und daher nicht nach § 40a Satz 1 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit.

Urteil

BVerwG 5 C 19.05

  • VGH Mannheim - 30.05.2005 - AZ: VGH 13 S 2125/03 -
  • VGH Baden-Württemberg - 30.05.2005 - AZ: VGH 13 S 2125/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. November 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Säcker
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt, Dr. Franke, Dr. Brunn und Prof. Dr. Berlit
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

  1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 30. Mai 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Die am 25. Februar 1932 in Cluj N. (Rumänien) als Tochter rumänischer Staatsangehöriger geborene Klägerin ist im Alter von 55 Jahren gemäß Adoptionsurkunde des dortigen Volksrates vom 22. September 1987 von Frau Magdalena M. als Kind angenommen worden. Am 7. Juli 1988 ist sie zusammen mit ihrer damals 74-jährigen Adoptivmutter zu Besuchszwecken in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und in der Folge mit ihr im Bundesgebiet verblieben. Die Adoptivmutter der Klägerin ist von der Beklagten mit Bescheid vom 14. Juni 1989 als Vertriebene anerkannt worden; die von der Klägerin unter Hinweis auf die deutsche Volkszugehörigkeit ihrer Adoptivmutter ebenfalls beantragte Anerkennung als Vertriebene wurde von der Beklagten mit der Begründung abgelehnt, dass sie rumänische, nicht aber deutsche Volkszugehörige sei (Bescheid vom 26. Juni 1990). Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg.

2 Zur Durchführung des Vertriebenenausweisverfahrens erhielt die Klägerin erstmals am 14. Juli 1988 eine Duldung; wegen der Pflegebedürftigkeit ihrer Adoptivmutter wurde ihr am 22. Mai 1990 von der Beklagten eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, die zuletzt bis zum 2. Juli 2002 verlängert worden ist. Nach dem Tod ihrer Adoptivmutter am 6. August 2000 ist die Klägerin am 31. August 2000 aus F. abgereist und hält sich seitdem wieder in Cluj N. in Rumänien auf.

3 Der von der Klägerin im Oktober 1999 gestellte Antrag auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises gemäß § 40a StAG ist von der Beklagten mit der Begründung abgelehnt worden, die Klägerin sei nicht Statusdeutsche im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG, da sie von ihrer Adoptivmutter erst als Volljährige adoptiert worden sei. Adoptivkinder könnten gemäß § 7 Abs. 2 BVFG nur dann als Abkömmlinge behandelt werden, wenn der Annahmeantrag vor Vollendung des 18.  Lebensjahres gestellt worden sei; diese Grundsätze müssten auch bei der Beurteilung der Eigenschaft als Abkömmling im Sinne von Art. 116 GG gelten.

4 Die hiergegen erhobene Klage blieb in beiden Instanzen erfolglos. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Klägerin im Wesentlichen mit folgender Begründung zurückgewiesen: Die im Jahre 1987 noch in Rumänien erfolgte Adoption könne ihr die Rechtsstellung eines Abkömmlings ihrer als Vertriebene anerkannten Adoptivmutter nicht vermitteln. Die grammatische Auslegung des Begriffs „Abkömmling“ in Art. 116 Abs. 1 GG deute zunächst darauf hin, dass hierunter nur leibliche Kinder, Enkel etc. zu verstehen seien; um auch Adoptivkinder als Abkömmlinge auffassen zu können, sei die Existenz eines entsprechenden Adoptionsrechts notwendig. Dies zeige, dass die Auslegung des Abkömmlingsbegriffs nicht auf rein verfassungsrechtlicher Ebene gelöst vom einfachen Recht erfolgen könne. Aus systematischen und teleologischen Gesichtspunkten müsse bei der Abkömmlingseigenschaft im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG zwischen der Minderjährigen- und der Erwachsenenadoption differenziert werden. Schon im Bürgerlichen Gesetzbuch sei die Erwachsenenadoption gemäß § 1767 BGB nur unter besonderen Voraussetzungen möglich und vermittle grundsätzlich nicht dieselben Wirkungen wie bei einer Minderjährigenadoption (§ 1770 BGB). Im Ausländerrecht entfalte die Erwachsenenadoption aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen nur im Falle einer Beistandsgemeinschaft zwischen dem Erwachsenen und seinen Adoptiveltern, und im Staatsangehörigkeitsrecht differenziere § 6 StAG zwischen der Minderjährigen- und der Erwachsenenadoption, wobei allein die Adoption eines Minderjährigen durch einen deutschen Staatsangehörigen zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit führe. An der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift bestünden keine Zweifel, insbesondere liege kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Offenbar sei es dem Gesetzgeber ein Anliegen gewesen, jeden Anreiz für einen Missbrauch der Erwachsenenadoption zu vermeiden. Gerade diese Zweckrichtung spreche gegen eine generelle Zuerkennung der Abkömmlingseigenschaft im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG im Wege einer Erwachsenenadoption. Die Anwendung des Abkömmlingsbegriffs im Fall der Erwachsenenadoption würde auch zu einer fragwürdigen Ungleichbehandlung zwischen statusdeutschen Adoptiveltern und Adoptiveltern mit deutscher Staatsangehörigkeit führen, da § 6 StAG nicht danach unterscheide, ob die Adoption im Inland oder im Ausland erfolgt sei. Wenn Eltern deutscher Staatsangehörigkeit im Ausland einen Erwachsenen adoptierten, habe dies für diesen keinen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit zur Folge. Es könne nicht angenommen werden, dass die Statusdeutscheneigenschaft eine stärkere staatsangehörigkeitsrechtliche Wirkung entfalte als die deutsche Staatsbürgerschaft. Da der Zweck der Einbeziehung der Abkömmlinge in Art. 116 Abs. 1 GG gerade darin liege, dass sie ebenfalls im Ausland dem Vertreibungsdruck ausgesetzt gewesen seien, werde man zumindest verlangen müssen, dass der Adoptierte schon vor der Adoption seine kulturelle Prägung durch die volksdeutsche Familie erfahren habe und auch im Vertreibungsgebiet als Teil dieser Familie angesehen und deshalb wie ein deutscher Volkszugehöriger behandelt worden sei. Davon könne im Falle der Klägerin nicht ausgegangen werden, die nach den Feststellungen im Vertriebenenausweisverfahren rumänische Volkszugehörige sei, die sich bis zum 17. Lebensjahr überwiegend bei ihrer Familie aufgehalten und dann einen rumänischen Staatsangehörigen geheiratet habe. Die Adoption im Alter von 55 Jahren - weniger als ein Jahr vor der Ausreise nach Deutschland - lasse die Annahme nicht als fern liegend erscheinen, dass sie auch zu dem Zweck erfolgt sei, die Einbeziehung der Klägerin in das Vertriebenenausweisverfahren zu ermöglichen. Schließlich habe die Klägerin die Statusdeutscheneigenschaft auch nicht derivativ erworben. Eine analoge Anwendung des § 6 StAG auf Fälle der Adoption durch Statusdeutsche würde gerade im Falle der Klägerin nicht zum derivativen Erwerb dieser Rechtsstellung führen, da sie bei der Adoption bereits 55 Jahre alt gewesen sei. Danach könne dahingestellt bleiben, ob die Klägerin in Deutschland als Abkömmling Aufnahme gefunden habe; der Aufenthalt sei ihr nämlich nach ihrem erfolglosen Vertriebenenausweisverfahren lediglich auf ausländerrechtlicher Grundlage erlaubt worden.

5 Mit der hiergegen eingelegten Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des Art. 116 Abs. 1 GG und des § 40a StAG sowie der Art. 3 und 2 GG und macht geltend, sie habe seit ihrer Kindheit im Haus der Adoptivmutter gelebt und sei von dieser erzogen worden; die Adoption sei erfolgt, um das faktisch bestehende Eltern-Kind-Verhältnis auch formell zu besiegeln.

6 Die Beklagte und die Vertreterin des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützen das angefochtene Urteil.

II

7 Die Revision der Klägerin, über die das Bundesverwaltungsgericht im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das Berufungsgericht hat der im Jahre 1987 in Rumänien erfolgten Adoption der damals 55-jährigen Klägerin zu Recht die Wirkung abgesprochen, ihr nach erfolgter Einreise in die Bundesrepublik Deutschland und Aufnahme der Adoptivmutter als Vertriebener die Eigenschaft als „Abkömmling“ im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG und damit als sogenannte Statusdeutsche zu vermitteln, und im Einklang mit Bundesrecht (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) einen Staatsangehörigkeitserwerb der Klägerin auf der Grundlage des § 40a Satz 1 StAG verneint.

8 Nach § 40a Satz 1 StAG hat, „Wer am 1. August 1999 Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ist, ohne die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen“, an diesem Tag die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Die für Spätaussiedler sowie deren nichtdeutschen Ehegatten und Abkömmlinge bestehende weitere Voraussetzung gemäß Satz 2 der Bestimmung, dass vor diesem Zeitpunkt eine Bescheinigung gemäß § 15 Abs. 1 oder 2 BVFG erteilt worden ist, ist vorliegend ohne Bedeutung, da die Klägerin und ihre Adoptivmutter das Aussiedlungsgebiet nicht nach dem 31. Dezember 1992 verlassen haben, sondern bereits im Jahre 1988 aus Rumänien in die Bundesrepublik Deutschland gekommen sind.

9 Die Klägerin ist, wie die Vorinstanz zu Recht festgestellt hat, am 1. August 1999 nicht Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG gewesen, denn sie hatte nicht „als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden“. Nach dem - für die Klägerin erfolglosen - Abschluss des Verfahrens auf Erteilung eines Vertriebenenausweises steht rechtskräftig fest, dass sie nicht selbst Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit ist; sie könnte daher - abgesehen vom zusätzlichen Erfordernis des Aufnahme-gefunden-Habens - die Eigenschaft als sogenannte Statusdeutsche nur erworben haben, wenn die im Jahre 1987 in Rumänien erfolgte Adoption ihr die Abkömmlingseigenschaft vermittelt hat. Dies ist nicht der Fall.

10 Die Auslegung des Begriffs des „Abkömmlings“ im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG muss dem auf die Sicherung der Familieneinheit gerichteten Zweck der Bestimmung (s. Urteil vom 12. Mai 1992 - BVerwG 1 C 54.89 - BVerwGE 90, 173 <176>) Rechnung tragen, der dem aus Art. 116 Abs. 1 GG Berechtigten nicht der Alternative ausgesetzt wissen will, auf seine Rechte verzichten oder engste Familienangehörige zurücklassen zu müssen. Sie muss ferner berücksichtigen, dass sich bei einer Aufnahme im Bundesgebiet aus der Stellung als Abkömmling auch statusrechtliche Konsequenzen ergeben, die zwar nicht von Verfassungs wegen unmittelbar zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit führen, aber einen dieser angenäherten Status verleihen. Während bei der Auslegung des in Art. 116 Satz 1 GG nicht näher präzisierten, aber ausfüllungsbedürftigen Begriffs des „Abkömmlings“ zunächst eine biologische Sichtweise vorherrschend gewesen ist (vgl. etwa die Nachweise bei Makarov/v. Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, 3. Aufl., Stand Dezember 2005, Art. 116 GG Rn. 44) und auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für den Begriff des „Abkömmlings“ in Art. 116 Abs. 1 GG wie für den der „Abstammung“ in Art. 3 Abs. 3 GG von natürlichen biologischen Beziehungen ausgeht (vgl. Beschluss vom 22. Januar 1959 - 1 BvR 154/55 - BVerfGE 9, 124 <128>: der Begriff „Abstammung“ bezeichne „vornehmlich die natürliche, biologische Beziehung eines Menschen zu seinen Vorfahren“; Beschluss vom 21. Mai 1974 - 1 BvL 22/71 und 21/72 - BVerfGE 37, 217 <252>: der Status als „Abkömmling“ werde „ohne Differenzierung nach dem Geschlecht in gleicher Weise durch die Abstammung von einem Mann wie von einer Frau deutscher Volkszugehörigkeit vermittelt“), bejaht der aktuelle Stand der Kommentierung die Möglichkeit, neben leiblich-biologischen Abstammungsverhältnissen von Kindern und Kindeskindern auch rein rechtlich begründete Kindschaftsverhältnisse unter den Abkömmlingsbegriff zu subsumieren, was - neben dem hier nicht zu erörternden Institut der Anerkennung der Vaterschaft - grundsätzlich auch die Einbeziehung von Adoptivkindern in den Abkömmlingsbegriff ermöglichte (vgl. Kokott, in: Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 116 Rn. 9, 10; Makarov/v. Mangoldt, a.a.O.; Masing, in: v. Mangoldt/
Klein/Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 116 Rn. 129; Renner, in: Hailbronner/
Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl., Art. 116, Rn. 67; Rennert, in: Umbach/Clemens, GG, II, 2002, Art. 116 Rn. 25; Vedder, in: v. Münch/Kunig, GG, III, 5. Aufl. 2003, Art. 116 Rn. 45 f.). Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in seiner bisherigen Rechtsprechung zum Abkömmlingsbegriff des Art. 116 Abs. 1 GG (vgl. Urteil vom 12. Mai 1992 - 1 C 54.89 - BVerwGE 90, 173) mit Fragen der Adoption, insbesondere der Erwachsenenadoption, und ihren Auswirkungen in Hinblick auf die Eigenschaft als Statusdeutscher nicht zu befassen gehabt.

11 Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass zu einer abschließenden Klärung der Frage, ob eine vor der Einreise der Bezugsperson in das Bundesgebiet bewirkte Adoption generell und unabhängig von der Frage, ob die an Kindes statt angenommene Person im Zeitpunkt der Annahme bzw. des Antrages auf Annahme noch minderjährig oder bereits volljährig gewesen ist, ungeeignet ist, die Stellung eines „Abkömmlings“ im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG zu vermitteln. Zu beurteilen ist allein, ob eine deutlich jenseits der Volljährigkeitsgrenze bewirkte Erwachsenenadoption die Stellung eines „Abkömmlings“ im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG vermittelt. Dies ist nicht der Fall.

12 Allerdings besteht zwischen der Minderjährigen- und der Erwachsenenadoption die Gemeinsamkeit, dass auch die Volljährigenadoption dem Adoptierten mit der Annahme die Stellung eines Kindes des oder der Annehmenden vermittelt (§ 1767 Abs. 2 i.V.m. § 1754 Abs. 2 BGB). Eine so begründete Familie hat auch am besonderen Schutz der staatlichen Ordnung nach Art. 6 Abs. 1 GG teil (BVerfG, Beschluss vom 18. April 1989 - 2 BvR 1169/84 - BVerfGE 80, 81). Die Adoption entfaltet gegenüber Behörden und anderen Gerichten Tatbestandswirkung dahin, dass das Bestehen einer Familie regelmäßig nicht mehr in Frage gestellt werden kann, ohne dass es auf das Bestehen einer familiären Beistandsgemeinschaft oder einer „echten“ Mutter-Kind-Beziehung ankommt (BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1995 - 2 BvR 901/95 - NVwZ 1996, 1099). Wegen der auch statusrechtlichen Folgewirkungen der Zubilligung des Status eines „Abkömmlings“ scheidet indes für Art. 116 Abs. 1 GG eine Auslegung aus, die sich allein an dem familienrechtlich begründeten Verhältnis oder dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG orientiert.

13 Für den Begriff der Aufnahme als Abkömmling ist anerkannt, dass „der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der Eigenschaft als Abkömmling eines aufgenommenen vertriebenen Volksdeutschen und der eigenen Aufnahme gegeben (ist), wenn die familiäre Verbundenheit den wesentlichen Grund der Aufnahme bildet, sie also aus Gründen der familiären Einheit erfolgt“, wobei für das Bestehen einer familiären Einheit ein Zusammenleben des Abkömmlings mit dem vertriebenen Volksdeutschen nicht geboten ist; denn „der Abkömmling wird zumeist, wenn er älter wird, der Familien- und Hausgemeinschaft mit seinen Eltern entwachsen. ... Der Grundsatz der familiären Einheit hat (...) in statusrechtlicher Hinsicht für Abkömmlinge vertriebener Volksdeutscher in Art. 116 Abs. 1 GG eine selbständige Regelung gefunden. Zwischen Eltern und erwachsenen Kindern bestehen vielfältige Bindungen, die den Wunsch nach dauernder räumlicher Nähe zur Pflege familiärer Verbundenheit begründen können. Das gilt nicht nur, aber in einem besonderen Maße in Fällen des körperlichen oder seelischen Angewiesenseins auf familiäre Lebenshilfe, ohne dass eine Hausgemeinschaft in einer gemeinsamen Wohnung bestanden haben oder in Zukunft angestrebt werden muss. Das Bestehen einer derartigen Hausgemeinschaft ist darüber hinaus für die Entscheidung über die Statusdeutscheneigenschaft von Abkömmlingen auch deshalb nicht ausschlaggebend, weil das Fehlen einer Hausgemeinschaft auf Gründen beruhen kann, die über die familiäre Verbundenheit nichts besagen, z.B. beengte Wohnverhältnisse der Familie oder berufsbedingte Abwesenheit des Abkömmlings.“ (Urteil vom 12. Mai 1992 - BVerwG 1 C 54.89 - BVerwGE 90, 173 <177>). Diese Erwägungen wirken auch auf den Begriff des Abkömmlings selbst zurück. Er setzt ungeachtet dessen, dass der Abkömmlingsbegriff sich gerade auch auf die Familieneinheit mit nicht-deutschen Familienangehörigen erstreckt, die mangels deutscher Volkszugehörigkeit nicht selbst Vertriebene sein können, für die Begründung der Eigenschaft als „Abkömmling“ eine im Regelfall durch Abstammung bewirkte und hierdurch geprägte familiäre Bindung voraus; dass eine so begründete Eigenschaft als Abkömmling und die hieran anknüpfende Vermutung familiärer Verbundenheit durch die Volljährigkeit des Kindes, eine Aufhebung der Hausgemeinschaft oder eine räumliche Trennung unberührt bleibt, rechtfertigt nicht, hiervon bereits für die Entstehung abzusehen. Jedenfalls bei einer Adoption erst (lange Zeit) nach Eintritt der Volljährigkeit entsteht nach Art und Intensität typischerweise keine Familieneinheit, deren Herstellung und Wahrung gerade durch die Vermittlung der Statuseigenschaft ermöglicht werden soll; dies gilt auch dann, wenn die Erwachsenenadoption lediglich ein bestehendes Eltern-Kind-Verhältnis formell besiegelt haben sollte und tatsächlich eine enge familiäre Verbundenheit empfunden wird. Für den aus Art. 6 Abs. 1 GG folgenden Schutz erforderlich, aber auch hinreichend ist, dass zumindest in den Fällen, in denen ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe des anderen Familienmitglieds angewiesen ist und diese Hilfe sich nur in der Bundesrepublik Deutschland erbringen lässt, für die Dauer einer bestehenden familiären Beistandsgemeinschaft der Aufenthalt im Bundesgebiet ermöglicht wird; weitergehende statusrechtliche Anforderungen ergeben sich hieraus nicht.

14 Dass jedenfalls erst lange Zeit nach Erreichung der Volljährigkeit durch Adoption begründete familiäre Bindungen nicht zu statusrechtlichen Folgerungen führen müssen, wird für das Staatsangehörigkeitsrecht in der Regelung des § 6 StAG vorausgesetzt, in der für eine von deutschen Staatsangehörigen bewirkte Adoption zwischen der Minderjährigen- und der Erwachsenenadoption dahingehend differenziert wird, dass allein die Adoption eines Minderjährigen durch einen deutschen Staatsangehörigen bei dem Adoptivkind zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit führt. Die Vermittlung der Abkömmlingseigenschaft des Art. 116 Abs. 1 GG lässt sich zwar nicht mit den gesetzlich ausgestalteten Grundsätzen des Staatsangehörigkeitserwerbs gleichstellen, weil die Eigenschaft als Abkömmling unabhängig vom Status erworben wird und erst mit der Aufnahme zum Statuserwerb führt. Aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, gemäß der an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung keine Zweifel bestehen und insbesondere kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt (vgl. Beschluss vom 10. März 1998 - BVerwG 1 B 249.97 - InfAuslR 1998, 401 sowie Urteile vom 18. Dezember 1998 - BVerwG 1 C 2.98 - BVerwGE 108, 216 und vom 14. Oktober 2003 - BVerwG 1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111), folgt aber zugleich, dass es von Verfassungs wegen auch nach Art. 6 Abs. 1 GG nicht geboten ist, einer durch eine Erwachsenenadoption begründeten familienrechtlichen Bindung stets auch statusrechtliche Konsequenzen beizumessen oder solche Wirkungen zu ermöglichen.

15 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss vom 31.07.2007 -
BVerwG 5 C 3.07ECLI:DE:BVerwG:2007:310707B5C3.07.0

Beschluss

BVerwG 5 C 3.07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 31. Juli 2007
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt, Dr. Franke
und Prof. Dr. Berlit
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen das Urteil vom 21. November 2006 - BVerwG 5 C 19.05 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. November 2006 ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 152a Abs. 4 Satz 2 VwGO).

2 Es verletzt nicht den Anspruch der Klägerin auf Gewährung von rechtlichem Gehör (§ 152a Abs. 1 Nr. 2 VwGO), dass der Senat die Aufnahme der Klägerin als Abkömmling ihrer Adoptivmutter mit der Begründung verneint hat, die erst nach Volljährigkeit der Klägerin vor Verlassen der Aussiedlungsgebiete erfolgte Adoption begründe nicht die Abkömmlingseigenschaft im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG und daher nicht nach § 40a Satz 1 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit.

3 Soweit die Klägerin als Gehörsverstoß geltend macht, der Senat habe unter Verstoß gegen rechtliche Hinweispflichten eine Überraschungsentscheidung getroffen, indem er für den Fall einer erst lange Zeit nach Eintritt der Volljährigkeit erfolgten Erwachsenenadoption „typischerweise“ das Entstehen einer Familieneinheit verneint habe, welche unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) - über die Ermöglichung des Aufenthalts für die Dauer einer bestehenden familiären Beistandsgemeinschaft hinaus - die Vermittlung der Statuseigenschaft des Abkömmlings gemäß Art. 116 Abs. 1 GG gebiete, dieser Aspekt sei im vorangegangenen Verfahren nicht angesprochen worden und hierzu gebe es auch keine wissenschaftlich anzuwenden Grundsätze, geht sie zu Unrecht von einer Verpflichtung des Gerichts aus, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen und diese zur Erörterung zu stellen. Eine anwaltlich vertretene Partei braucht - auch bei Verzicht auf eine mündliche Verhandlung - nicht in „allen möglichen, denkbaren materiellen Richtungen“ beraten zu werden (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 21. März 1989 - BVerwG 2 B 27.89 - <Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 38 m.w.N.>). Jedenfalls war nach den vorangegangenen klageabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen für die Klägerin klar, dass es entscheidungserheblich auf den Begriff des „Abkömmlings“ i.S.d. Art. 116 GG ankommen würde und sie hinsichtlich der Beurteilung der statusrechtlichen Wirkungen einer Erwachsenenadoption nicht mit einer Gleichstellung von Adoptivkindern mit leiblichen Kindern rechnen konnte. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang weiter geltend macht, das Gericht habe ihren Vortrag, sie sei bereits in früher Kindheit in die Familie ihrer Adoptiveltern aufgenommen und hier als Kind aufgewachsen, nicht berücksichtigt, trifft dies bereits ausweislich der Feststellungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils (vgl. UA S. 5, Rn. 5) nicht zu und vernachlässigt, dass der Senat eine erst (lange Zeit) nach Eintritt der Volljährigkeit bewirkte Erwachsenenadoption auch dann nicht hat hinreichen lassen, wenn diese „lediglich ein bestehendes Eltern-Kind-Verhältnis formell besiegelt haben sollte und tatsächlich eine enge familiäre Verbundenheit empfunden wird“ (UA S. 9 Rn. 13). Insoweit enthält die Anhörungsrüge den Vorwurf, dass der erkennende Senat das Vorbringen der Klägerin fehlerhaft gewürdigt und infolge unzutreffender Erwägungen nicht oder nur unzureichend geprüft habe. Damit lässt sich eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht begründen. Diese Verfahrensgarantie verpflichtet das Gericht, das Vorbringen der Beteiligten bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen, verlangt jedoch nicht, dass es bei der Würdigung des Vorbringens den Vorstellungen der Beteiligten folgt (BVerwG, Beschluss vom 2. November 2006 - BVerwG 7 C 10.06 - Rn. 6).

4 Gleiches gilt, soweit die Beschwerde geltend macht, es sei nicht berücksichtigt worden, dass die Klägerin nach ihrem Vortrag ausschließlich wegen der familiären Verbundenheit mit ihrer Mutter und deren Pflegebedürftigkeit eingereist sei. Soweit die Klägerin als nicht berücksichtigten Umstand geltend macht, dass sie selbst wegen der vor der Ausreise erfolgten Adoption vom Vertreibungsschicksal ihrer Adoptivmutter in gleicher Weise betroffen gewesen sei, kam es hierauf nach der an Art. 6 Abs. 1 GG orientierten rechtlichen Sicht des Senats nicht an.

5 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.