Verfahrensinformation

Die Kläger wenden sich gegen die ihnen gegenüber festgesetzten Beiträge zur Industrie- und Handelskammer.


Die beklagten Industrie- und Handelskammern setzten gegenüber den Klägern Beiträge für die Jahre 2011 und 2016 (BVerwG 8 C 10.19), für die Jahre 2014 und 2015 (BVerwG 8 C 11.19) und für das Jahr 2016 (BVerwG 8 C 9.19) auf der Grundlage des im jeweiligen Beitragszeitraum erwarteten Finanzbedarfs fest. Bei der Ermittlung des Finanzbedarfs wurden u.a. die jeweils erwarteten Einnahmen und Ausgaben, die Höhe des Festgesetzten Kapitals (bzw. der Nettoposition) und die Höhe der jeweils für den Beitragszeitraum für erforderlich gehaltenen Rücklagen berücksichtigt. Im Rahmen der Bedarfsberechnung wirkten sich eine Erhöhung des Festgesetzten Kapitals und eine Erhöhung des Saldos der Rücklagen gegenüber dem Vorjahr jeweils bedarfserhöhend und eine Verringerung des Festgesetzten Kapitals und des Saldos der Rücklagen gegenüber dem Vorjahr jeweils bedarfssenkend aus. Die Rücklagen sollten u.a. der Vorsorge vor konjunkturbedingten Beitragsverringerungen (Ausgleichsrücklage), für Instandhaltungsmaßnahmen und für Pensionsverpflichtungen dienen.


Die Kläger haben gegen die Beitragsbescheide Klage erhoben. Zur Begründung haben sie u.a. vorgetragen, das Festgesetzte Kapital überschreite nach seiner Erhöhung den Wert der unveränderlichen Sachanlagen. Die angesetzten Rücklagen seien nicht gerechtfertigt. Insbesondere sei die Höhe der zu befürchtenden Beitragsausfälle nicht plausibel begründet worden.


In der ersten Instanz blieben die Klagen erfolglos. Die Berufungen der Kläger hatten überwiegend Erfolg. Zur Begründung wurde vom Oberverwaltungsgericht unter anderem ausgeführt, die angesetzten Ausgleichsrücklagen beruhten auf einer fehlerhaften Prognose der beklagten Industrie- und Handelskammern. Die der Bemessung zugrunde gelegten Wertereihen seien willkürlich ausgewählt worden. Die Erhöhung des Festgesetzten Kapitals sei rechtswidrig. Seine Änderung sei nur ausnahmsweise bei Vorliegen eines sachlichen Grundes möglich. Ein solcher sei hier nicht gegeben.


Mit ihren von dem Oberverwaltungsgericht jeweils zugelassenen Revisionen erstreben die beklagten Industrie- und Handelskammern die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Urteile.


Pressemitteilung Nr. 3/2020 vom 23.01.2020

IHK-Beiträge wegen überhöhter Rücklagen und unzulässig erhöhten Eigenkapitals rechtswidrig

Die Beitragsbescheide zweier Industrie- und Handelskammern sind wegen überhöhter Rücklagen und unzulässig erhöhten Eigenkapitals rechtswidrig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden.


Die beklagten Industrie- und Handelskammern zogen die Kläger u.a. zur Zahlung von Beiträgen für die Jahre 2011, 2014 und 2016 heran. Den durch Beiträge zu deckenden Finanzbedarf veranschlagten sie in jährlichen Wirtschaftsplänen, die eine Zusammenstellung der geplanten Einnahmen und Ausgaben enthielten. Die Kammern sahen für die Jahre 2011, 2014 und 2016 jeweils eine Rücklage zum Ausgleich von Beitragsausfällen und sonstigen ergebnisrelevanten Schwankungen vor und behielten ihre in den Vorjahren erhöhte Nettoposition (festgesetztes Kapital) bei. Das Verwaltungsgericht hat die gegen diese Beitragsfestsetzungen gerichteten Klagen abgewiesen. Die Berufungen der Kläger hatten vor dem Oberverwaltungsgericht Erfolg.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revisionen der beklagten Kammern zurückgewiesen. Die Bildung von Vermögen ist den Kammern gesetzlich verboten. Rücklagen dürfen sie nur bilden, soweit sie hierfür einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit anführen können. Auch der Umfang der Rücklagen muss von diesem sachlichen Zweck gedeckt sein. Die Prognose über die Höhe des Mittelbedarfs muss dem Gebot der haushaltsrechtlichen Schätzgenauigkeit genügen, also bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Erstellung sachgerecht und vertretbar ausfallen. An diesen Maßstäben ist nicht nur die Bildung von Rücklagen, sondern generell jede Bildung von Vermögen - also auch die Erhöhung der Nettoposition - zu messen. Dies müssen die Kammern bei der jährlichen Aufstellung ihres Wirtschaftsplans beachten. Überhöhte Rücklagen und Nettopositionen müssen die Kammern baldmöglichst auf ein zulässiges Maß zurückführen.


Das von den beklagten Kammern in den Jahren 2011, 2014 und 2016 vorgehaltene Vermögen war überhöht. Teils überstiegen die geplanten Rücklagen den jeweils prognostizierten Mittelbedarf. Bei den übrigen Rücklagen fehlte es ebenso wie bei den erhöhten Nettopositionen an einer schlüssigen Darlegung des jeweiligen Finanzbedarfs.


BVerwG 8 C 9.19 - Urteil vom 22. Januar 2020

Vorinstanzen:

OVG Lüneburg, 8 LB 130/17 - Urteil vom 17. September 2018 -

VG Braunschweig, 1 A 59/16 - Urteil vom 20. April 2017 -

BVerwG 8 C 10.19 - Urteil vom 22. Januar 2020

Vorinstanzen:

OVG Lüneburg, 8 LB 128/17 - Urteil vom 17. September 2018 -

VG Braunschweig, 1 A 40/16 - Urteil vom 20. April 2017 -

BVerwG 8 C 11.19 - Urteil vom 22. Januar 2020

Vorinstanzen:

OVG Lüneburg, 8 LB 129/17 - Urteil vom 17. September 2018 -

VG Braunschweig, 1 A 221/16 - Urteil vom 20. April 2017 -


Urteil vom 22.01.2020 -
BVerwG 8 C 10.19ECLI:DE:BVerwG:2020:220120U8C10.19.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 22.01.2020 - 8 C 10.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:220120U8C10.19.0]

Urteil

BVerwG 8 C 10.19

  • VG Braunschweig - 20.04.2017 - AZ: VG 1 A 40/16
  • OVG Lüneburg - 17.09.2018 - AZ: OVG 8 LB 128/17

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2020
durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller
für Recht erkannt:

  1. Die Revision wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung eines weiteren Beitrags von 44,41 € für das Jahr 2011 und eines vorläufigen Beitrags von 85,57 € für das Jahr 2016 zur beklagten Industrie- und Handelskammer durch Bescheid vom 4. Februar 2016.

2 Die Festsetzung des weiteren Beitrags für das Jahr 2011 erfolgte auf der Grundlage des Nachtragswirtschaftsplans für das Jahr 2011 vom 1. Dezember 2011, der an die Stelle des ursprünglichen Wirtschaftsplans für das Jahr 2011 vom 25. November 2010 getreten war und Einnahmen in Höhe von 14 822 400 € sowie Aufwendungen in Höhe von 12 837 500 € vorsah. Die von der Beklagten im Vorjahr vorgehaltene Ausgleichsrücklage sollte gegenüber dem Vorjahreswert um 1 984 900 € erhöht werden und am 31. Dezember 2011 5 194 000 € betragen. Das festgesetzte Kapital, das in der Eröffnungsbilanz mit 550 000 € angesetzt und im Jahr 2010 auf 2 350 000 € erhöht worden war, sollte unverändert bleiben.

3 Die Beitragsfestsetzung für das Jahr 2016 erfolgte aufgrund des Wirtschaftsplans für das Jahr 2016 vom 3. Dezember 2015, der Einnahmen in Höhe von 14 324 400 €, Aufwendungen in Höhe von 16 499 400 € und eine Verringerung des Saldos der Rücklagen um 2 175 000 € vorsah. Die von der Beklagten vorgehaltene Ausgleichsrücklage sollte gegenüber dem Vorjahreswert um 560 800 € verringert werden und am 31. Dezember 2016 noch 7 071 000 € betragen. Das festgesetzte Kapital, das im Jahr 2012 von 2 350 000 € auf 5 000 000 € erhöht worden war, sollte unverändert bleiben.

4 Nach Klageerhebung hat die Vollversammlung der Beklagten am 15. September 2016 die Dotierung des Eigenkapitals in den Jahren 2012 bis 2015 mit den Unterpositionen festgesetztes Kapital, Ausgleichsrücklage, zweckgebundene Rücklagen und Bilanzgewinn durch Beschluss bestätigt. Den Erläuterungen der Beklagten zufolge entsprach die Höhe des festgesetzten Kapitals dem Umfang des langfristig gebundenen Sachvermögens. Zur Rechtfertigung der Bemessung der Ausgleichsrücklage für das Jahr 2011 verwies die Beklagte auf den größten Rückgang des jährlichen Gewerbeertrags im Zeitraum von 2000 bis 2011 und das durchschnittliche Umlageaufkommen der Jahre 2009 bis 2012. Ein Ansatz von 4 000 000 € sei erforderlich, um eine Minderung des Umlagenaufkommens bei Wiederholung des größten zurückliegenden Rückgangs mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % für drei aufeinanderfolgende Jahre kompensieren zu können.

5 Die Höhe der Ausgleichsrücklage für das Jahr 2016 sei mit Hilfe des sog. Risikotools des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) errechnet worden. Dieses erfasse und bewerte alle Risiken, die nicht bereits durch Versicherungen, Rückstellungen, festgesetztes Kapital oder zweckgebundene Rücklagen abgesichert seien. Jeder Risikoposition würden Werte für den besten, den schlechtesten und den wahrscheinlichsten Fall sowie eine Eintrittswahrscheinlichkeit zugeordnet. Zu den abzusichernden Risiken zählten unter anderem das Risiko konjunkturbedingter Beitragsausfälle, das Risiko des Ausfalles großer Beitragszahler und das Risiko von Schwankungen bei der endgültigen Abrechnung durch große Beitragszahler. Der Finanzbedarf zur Absicherung des letztgenannten Risikos errechne sich aus dem Mittelwert der letzten zehn Jahre der Konten "Beiträge Vorjahr" vermindert um die Hälfte des Risikowertes für den Ausfall großer Beitragszahler. Vorsorge sei außerdem für das Risiko einer Wiederholung der Kammerwahl und des Eintritts eines die Instandhaltungsrücklage übersteigenden Instandhaltungsbedarfs zu treffen. Das Präsidium habe beschlossen, die genannten und die weiteren mit dem DIHK-Risikotool bemessenen Risiken zu 95 % abzusichern. Der Umfang der Ausgleichsrücklage solle so bemessen sein, dass sie den Eintritt der abzusichernden Risiken für drei Jahre kompensieren könne. Daraus ergebe sich ein Finanzbedarf in Höhe von 8 700 000 €.

6 Am 1. Dezember 2016 hat die Vollversammlung der Beklagten eine Nachtragswirtschaftssatzung für das Jahr 2016 beschlossen, die Erträge von 17 061 300 €, Aufwendungen von 14 579 600 € und einen Saldo der Rücklagenveränderung von 1 219 000 € vorsah. Die Ausgleichsrücklage sollte 6 658 000 € betragen.

7 Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat der Berufung des Klägers stattgegeben. Der der Beitragsfestsetzung zugrundeliegende Beitragstarif in der Nachtragswirtschaftssatzung 2011 sei nichtig. Die ihm zugrundeliegende Mittelbedarfsfeststellung genüge den rechtlichen Anforderungen nicht. Die von der Beklagten angesetzte Höhe der Ausgleichsrücklage werde durch ihre Mittelbedarfsprognose nicht gerechtfertigt. Diese verletze das Gebot der Schätzgenauigkeit. Danach müssten Mittelbedarfsprognosen entsprechend den auch im allgemeinen Verwaltungsrecht entwickelten Maßstäben für die Prüfung behördlicher Prognoseentscheidungen auf der Grundlage eines zutreffenden Sachverhalts nach einer geeigneten Methode erstellt und einleuchtend begründet werden. Weil es keine besonderen Verfahrensregelungen für die Erstellung der Mittelbedarfsprognose gebe, komme es bei ihrer Kontrolle auf die vom Beklagten hierzu im Prozess vorgetragenen Erwägungen an. Diese rechtfertigten die von der Beklagten in ihrem Beschluss vom 15. September 2016 für erforderlich gehaltene Höhe der Ausgleichsrücklage von 4 000 000 € nicht. Die Auswahl der von der Prognose betrachteten Wertereihen sei willkürlich erfolgt. Es sei nicht erklärlich, warum die prognostizierte Höhe der Ausgleichsrücklage durch die Bildung eines Durchschnitts der Umlage bemessen werden können solle, die die Jahre 2011 und 2012 mit umfasse. Es sei zudem in keiner Weise plausibilisiert worden, warum ein Durchschnitt der Umlagen von vier Jahren maßgeblich sein solle, nachdem für die Schwankungsbreite eine Wertereihe aus zwölf Jahren als maßgeblich angesehen worden sei. Hinzu komme, dass der Nachtragswirtschaftsplan 2011 im Ergebnis zu einer Überschreitung des prognostizierten Bedarfs für die Höhe der Ausgleichsrücklage geführt habe. Einem prognostizierten Bedarf von 4 000 000 € stehe eine in dem Nachtragswirtschaftsplan für 2011 geplante Gesamthöhe der Ausgleichsrücklage von 5 182 900 € gegenüber. Darüber hinaus sei die Mittelbedarfsfeststellung in der Nachtragswirtschaftssatzung 2011 fehlerhaft, weil die Erhöhung der Nettoposition im Jahr 2010 nicht rückgängig gemacht worden sei. Eine Erhöhung der Nettoposition sei nur aus sachlichen Gründen zulässig. Solche hätten bei der Erhöhung des festgesetzten Kapitals im Jahr 2010 nicht vorgelegen. Insbesondere stelle der Wunsch der Beklagten, den Betrag des festgesetzten Kapitals an den in der Bilanz für das Anlagevermögen ausgewiesenen Betrag anzugleichen, keinen sachlichen Grund für die Erhöhung des festgesetzten Kapitals dar. Die unzulässige Erhöhung habe im Jahr 2011 nicht fortgeschrieben werden dürfen. Der darauf entfallende Beitragsbedarf sei nicht gerechtfertigt und die Beitragserhebung insoweit rechtswidrig.

8 Der der vorläufigen Beitragsfestsetzung für das Jahr 2016 zugrundeliegende Beitragstarif sei unabhängig davon nichtig, ob für dessen Wirksamkeit auf die ursprüngliche oder auf die Nachtragswirtschaftssatzung für 2016 abzustellen sei, weil die den Satzungen zugrundeliegenden Mittelbedarfsfeststellungen den rechtlichen Anforderungen jeweils nicht genügten. Die von der Beklagten angesetzte Ausgleichsrücklage werde durch die Mittelbedarfsprognosen nicht gerechtfertigt. Diese verletzten das Gebot der Schätzgenauigkeit. Das Risiko des Eintritts eines die Instandhaltungsrücklage übersteigenden Instandhaltungsbedarfs habe die Beklagte nicht berücksichtigen dürfen. Dessen Aufspaltung in einen konkret bezifferten Bedarf und ein ihn übersteigendes, nach anderen Methoden ermitteltes Risiko sei unstatthaft. Die Bemessung der Risiken konjunkturbedingter Beitragsschwankungen und der Schwankungen bei der endgültigen Abrechnung großer Beitragszahler vermische Schwankungen bei den Erträgen des laufenden Jahres und bei denen der Vorjahre. Fehlerhaft sei auch die Bemessung der Höhe des Risikos der Wiederholung einer Kammerwahl. Der insoweit befürchtete Reputationsschaden sei nicht ergebnisrelevant. Zudem ergebe sich in keiner Weise, wie die Beklagte zur Festlegung der jeweils angesetzten Wahrscheinlichkeitsstufen gelangt sei. Die Mittelbedarfsfeststellung für das Haushaltsjahr 2016 sei zudem fehlerhaft, weil die weitere Erhöhung des festgesetzten Kapitals im Jahr 2012 nicht rückgängig gemacht worden sei. Auch insoweit fehle ein sachlicher Grund für die Erhöhung.

9 Mit ihrer Revision macht die Beklagte geltend, die Angemessenheit der Höhe der für die Jahre 2011 und 2016 geplanten Ausgleichsrücklagen sei zu vermuten, weil diese sich im Rahmen ihres Finanzstatuts bewegten. Diese Vermutung habe der Kläger nicht widerlegt. Es sei zulässig, bei der Kalkulation der Instandhaltungsrücklage zwischen dem zu erwartenden und dem unvorhersehbaren Bedarf zu unterscheiden. Eine präzisere Berechnung der Risiken konjunkturbedingter Beitragsschwankungen und der Mindereinnahmen bei der endgültigen Abrechnung großer Beitragszahler sei nicht möglich. Die Kritik an den angesetzten Wahrscheinlichkeiten greife zu tief in ihren Beurteilungsspielraum ein. Es gebe auch keinen Grundsatz der Unveränderlichkeit des festgesetzten Kapitals. Diese Bilanzposition habe die Funktion, den Gesamtbetrag des auf der Aktivseite der Bilanz aufgeführten langfristig gebundenen Vermögens der Beklagten auf der Passivseite der Bilanz abzubilden. Das rechtfertige ihre Erhöhung in den Jahren 2010 und 2012.

10 Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 17. September 2018 zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 20. April 2017 zurückzuweisen.

11 Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12 Er verteidigt das Berufungsurteil.

13 Der Vertreter des Bundesinteresses meint, der Wechsel von der Kameralistik zur Doppik erfordere eine Anpassung der in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2015 - 10 C 6.15 - aufgestellten Prüfungsmaßstäbe für die Zulässigkeit der Bildung von Rücklagen. Andernfalls werde der weite Gestaltungsspielraum der Kammern bei ihrer Wirtschaftsplanung nicht ausreichend respektiert.

II

14 Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Berufungsurteil stellt sich im Ergebnis als richtig dar (§§ 137 Abs. 1 Nr. 1, 144 Abs. 4 VwGO). Die Beitragsfestsetzungen für die Jahre 2011 und 2016 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie verstoßen gegen § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (Industrie- und Handelskammergesetz - IHKG) vom 18. Dezember 1956 in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 7 Nr. 2 des Zweiten Gesetzes zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen Wirtschaft vom 7. September 2007 (BGBl. I S. 2246). Die Vorschrift ermächtigt die Kammern, zur Deckung der Kosten ihrer Errichtung und Tätigkeit nach Maßgabe ihres Wirtschaftsplans von den Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung Beiträge zu erheben, soweit diese nicht anderweitig gedeckt sind. Die Heranziehung zu Kammerbeiträgen ist rechtmäßig, wenn die Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer im Wirtschaftsplan den an sie zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt, der Mittelbedarf in rechtmäßiger Weise durch eine Beitragsordnung auf die Kammerzugehörigen umgelegt wird und diese Beitragsordnung im Einzelfall ohne Rechtsfehler angewendet wurde (BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015 - 10 C 6.15 - Buchholz 430.5 IHKG Nr. 2 Rn. 13 ff.).

15 Die Mittelbedarfsfeststellungen in dem für die Überprüfung des angegriffenen Bescheides maßgeblichen Nachtragswirtschaftsplan für das Jahr 2011 und dem Wirtschaftsplan vom 3. Dezember 2015 für das Wirtschaftsjahr 2016 überschritten den bei der Aufstellung von Wirtschaftsplänen durch § 3 Abs. 2 IHKG eingeräumten Gestaltungsspielraum. Die Vorschrift verpflichtet die Kammern, vor Beginn eines jeden Wirtschaftsjahres einen Wirtschaftsplan aufzustellen und ihre Tätigkeit im betreffenden Wirtschaftsjahr an ihm auszurichten (§ 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG). Bei Aufstellung des Wirtschaftsplans muss die Kammer vor dem Hintergrund der von ihr im kommenden Wirtschaftsjahr beabsichtigten Tätigkeiten unter Berücksichtigung der zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben den durch Beiträge zu deckenden Bedarf prognostizieren (BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015 - 10 C 6.15 - BVerwGE 153, 315 Rn. 12). Dabei hat sie zu beachten, dass die Kammern zur sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung sowie zur pfleglichen Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen verpflichtet sind. Vermögen zu bilden, ist den Kammern verboten. Jeder Bedarfsansatz muss daher von einem sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit getragen werden und auch der Höhe nach von diesem gedeckt sein (§ 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG; BVerwG, Urteile vom 26. Juni 1990 - 1 C 45.87 - Buchholz 430.3 Kammerbeiträge Nr. 22 S. 12 und vom 9. Dezember 2015 - 10 C 6.15 - BVerwGE 153, 315 Rn. 17). Darüber hinaus sind die Kammern an die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts und ergänzende Satzungsbestimmungen gebunden. Zu den haushaltsrechtlichen Grundsätzen zählt das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Danach müssen Mittelbedarfs- und Einnahmenprognosen aus ex-ante-Sicht sachgerecht und vertretbar ausfallen (BVerwG, Urteile vom 26. Juni 1990 - 1 C 45.87 - Buchholz 430.3 Kammerbeiträge Nr. 22 S. 12 und vom 9. Dezember 2015 - 10 C 6.15 - BVerwGE 153, 315 Rn. 16). Diese rechtlichen Vorgaben gelten auch nach der Einführung der doppischen Rechnungslegung gemäß § 3 Abs. 7a IHKG unverändert fort.

16 1. Die Entscheidungen der Beklagten, im Jahr 2011 eine Ausgleichsrücklage in Höhe von 5 194 000 € zum Ausgleich von Schwankungen im Beitragsaufkommen und im Jahr 2016 eine Ausgleichsrücklage in Höhe von 7 071 000 € vorzuhalten, sind jeweils - unabhängig von der Frage der Rechtfertigung der Zwecksetzung - der Höhe nach zu beanstanden.

17 a) Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Beitragsbescheides vom 4. Februar 2016 sind der Nachtragswirtschaftsplan vom 1. Dezember 2011 für das Wirtschaftsjahr 2011 und der Wirtschaftsplan vom 3. Dezember 2015 für das Wirtschaftsjahr 2016 maßgeblich. § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 IHKG schreibt eine Beitragserhebung aufgrund einer prospektiven Beitragskalkulation vor. Zunächst hat die Kammer den Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) für das jeweils folgende Haushaltsjahr (Wirtschaftsjahr) aufzustellen; für dieses Jahr prognostiziert er den Beitragsbedarf zur Finanzierung der Aufgabenwahrnehmung der Kammer unter Berücksichtigung der zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben. Anschließend wird der voraussichtliche Bedarf gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015 - 10 C 6.15 - BVerwGE 153, 315 Rn. 12). Der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Beitragsbescheides nach § 3 Abs. 2 IHKG sind danach die Ansätze des im Zeitpunkt seines Erlasses aktuellen, prospektiven Wirtschaftsplans zugrunde zu legen.

18 b) Die Bildung der Ausgleichsrücklagen zur Vorsorge vor Beitragsschwankungen ist durch einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit gerechtfertigt. Sie dient dazu, die Inanspruchnahme von teuren Kassenkrediten zur Finanzierung der Aufgaben der Kammer bei einem Ausfall von Beitragseinnahmen zu vermeiden. Dieser sachliche Zweck hält sich im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. Er ist darauf gerichtet, die zeitgerechte, kostengünstige Verfügbarkeit der für die Aufgabenerfüllung erforderlichen Finanzmittel zu sichern.

19 Ob auch die Bildung von Ausgleichsrücklagen zur Deckung aller übrigen von der Beklagten angeführten Risiken einem sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit dient, bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls sind die betreffenden Ansätze für die Wirtschaftsjahre 2011 und 2016 weit überhöht.

20 c) Die Bemessung der Höhe der Ausgleichsrücklage im Jahr 2011 mit 5 194 000 € und im Jahr 2016 mit 7 071 000 € überschreitet jeweils den Gestaltungsspielraum, den das Haushaltsrecht der Kammer bei der Aufstellung ihres Wirtschaftsplans einräumt (dazu vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015 - 10 C 6.15 - BVerwGE 153, 315 Rn. 16 m.w.N.).

21 aa) Entgegen der Auffassung der Beklagten spricht keine Vermutung für die Angemessenheit der Höhe der in den maßgeblichen Wirtschaftsplänen angesetzten Ausgleichsrücklagen. Die oben (Rn. 15) dargestellten rechtlichen Grenzen der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Industrie- und Handelskammern lassen keinen Raum für eine Vermutungsregel. Der Grundsatz der Haushaltswahrheit und das daraus folgende Gebot der Schätzgenauigkeit verlangen aus ex-ante-Sicht sachgerechte und vertretbare Prognosen. Dies setzt voraus, dass jeder Ansatz sachbezogen begründbar ist. Dagegen genügt nicht, dass er einen pauschal festgelegten maximalen Prozentsatz der geplanten Aufwendungen nicht überschreitet oder sich in einem durch solche Prozentanteile begrenzten Korridor bewegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015 - 10 C 6.15 - BVerwGE 153, 315 Rn. 20). Aus diesem Umstand lässt sich auch keine Vermutung der Angemessenheit ableiten. Die Beachtung der haushaltsrechtlichen Grundsätze ist Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des Wirtschaftsplans. Kann das Gericht sich von ihrer Wahrung nicht überzeugen, ist der Wirtschaftsplan rechtswidrig. Für die Annahme einer Vermutung, die genannten Anforderungen seien eingehalten, lassen die Vorschriften keinen Raum.

22 bb) Der Mittelansatz der Beklagten für die Ausgleichsrücklage im Jahr 2011 in Höhe von 5 194 000 € und der Ansatz für die Ausgleichsrücklage im Jahr 2016 in Höhe von 7 071 000 € verletzen jeweils das Gebot der Schätzgenauigkeit und ist nicht mehr von ihrem gesetzlich zulässigen Zweck gedeckt, Einnahmeausfälle im jeweiligen Haushaltsjahr auszugleichen.

23 (1) Das Gebot der Schätzgenauigkeit verpflichtet dazu, den im Haushalt für einen bestimmten Zweck veranschlagten Mittelbedarf aufgrund der bei der Aufstellung des Haushaltsplans (Wirtschaftsplans) verfügbaren Informationen sachgerecht und vertretbar zu prognostizieren (BVerfG, Urteil vom 9. Juli 2007 - 2 BvF 1/04 - BVerfGE 119,96 <129 f.>; BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015 - 10 C 6.15 - BVerwGE 153, 314 Rn. 16). Was dabei als vertretbar zu gelten hat, kann nur aufgrund einer Gesamtbewertung der konkreten Entscheidungssituation unter Berücksichtigung des betroffenen Sach- und Regelungsbereichs, der Bedeutung der zu treffenden Entscheidung und deren Folgen sowie der verfügbaren Tatsachengrundlagen für die Prognose bestimmt werden. Unvertretbar sind jedenfalls bewusst falsche Etatansätze und gegriffene Ansätze, die trotz naheliegender Möglichkeit besserer Informationsgewinnung ein angemessenes Bemühen um realitätsgerechte Prognosen zu erwartender Einnahmen oder Ausgaben vermissen lassen (BVerfG, Urteil vom 9. Juli 2007 - 2 BvF 1/04 - BVerfGE 119, 96 <129 f.>).

24 Dieser Maßstab geht über eine bloße Willkürkontrolle hinaus. Er entspricht allerdings nicht dem vom Berufungsgericht angelegten allgemeinen Maßstab für die gerichtliche Überprüfung behördlicher Prognoseentscheidungen auf die Eignung der Prognosemethode, die zutreffende Sachverhaltsermittlung und der einleuchtenden Begründung ihres Ergebnisses hin. Die Mittelbedarfsprognose richtet sich auf eine möglichst realitätsgerechte Schätzung der künftigen Einnahmen und Ausgaben der Kammer. Diesen spezifischen Anforderungen wird ein zur Bewältigung technisch-naturwissenschaftlicher Ungewissheiten angewandter Maßstab für die gerichtliche Kontrolle behördlicher Prognosen nicht gerecht. Im Ergebnis erweist sich die Annahme der Vorinstanz, die Prognose sei fehlerhaft, jedoch als richtig.

25 (2) Der Mittelansatz zur Absicherung des Risikos von Beitragsausfällen im Jahr 2011 von 5 194 000 € verletzt § 3 Abs. 2 IHKG, weil er den vom Beklagten prognostizierten Bedarf von 4 000 000 € übersteigt. Außerdem ist er rechtswidrig, weil die Prognose ihrerseits das Gebot der Schätzgenauigkeit verletzt.

26 Allerdings musste die Beklagte ihre Mittelbedarfsprognose bei Verabschiedung des Nachtragswirtschaftsplans für das Jahr 2011 nicht ausdrücklich begründen. Die Regelungen über die Aufstellung von Wirtschaftsplänen sehen, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, keine besonderen Verfahrens-, Anhörungs- oder Begründungspflichten vor. Der Kontrolle der Mittelbedarfsprognosen sind daher alle Erwägungen der Beklagten zugrunde zu legen, die sie zu den im Zeitpunkt des Beschlusses ihrer Vollversammlung über den betreffenden Wirtschaftsplan vorliegenden Tatsachen bis zum Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung prozessordnungsgemäß vorgebracht hat.

27 Es war jedoch unvertretbar, den Mittelbedarf für die Absicherung des Risikos von Beitragsschwankungen im Jahr 2011 im Nachtragswirtschaftsplan mit 4 000 000 € zu beziffern. Zum einen orientierte sich diese Prognose nach den revisionsrechtlich bindenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz (§ 137 Abs. 2 VwGO) unter anderem am durchschnittlichen Umlageaufkommen in den Jahren 2009 bis 2012 und bezog damit Werte ein, die im Zeitpunkt der Beschlussfassung im Jahr 2011 noch nicht vorliegen konnten. Vor allem - und unabhängig davon - ist die Prognose aber unvertretbar, weil sie die naheliegenden Möglichkeiten der Informationsgewinnung nicht annähernd ausschöpft und den Ablauf des Wirtschaftsjahrs bis zur Beschlussfassung über den Nachtragswirtschaftsplan völlig ausblendet. Mit der Bildung einer Rücklage für Beitragsschwankungen wollte die Beklagte das Risiko abdecken, dass die Beitragserhebung aufgrund ihrer Beitragsordnung für das Jahr 2011 weniger Einnahmen erbringen würde, als sie nach ihrem Nachtragswirtschaftsplan für ihre Tätigkeit im Wirtschaftsjahr 2011 für erforderlich erachtete. Da das Wirtschaftsjahr 2011 bei der Beschlussfassung über den Nachtragswirtschaftsplan weitgehend abgelaufen war, hätte es nahegelegen, zur realitätsgerechten Kalkulation des Risikos von Beitragsausfällen zunächst auf die Daten des laufenden Jahres zurückzugreifen und zu überprüfen, inwieweit die Beitragseinnahmen hinter den Annahmen des Wirtschaftsplans zurückblieben. Der stattdessen von der Beklagten herangezogene Durchschnittswert des Umlageaufkommens aus einem Zeitraum von vier Jahren kann angesichts einer jährlich schwankenden Umlagehöhe keine sachnähere und realitätsgerechtere Prognose ergeben. Die Beklagte hat auch keine anderen sachlichen Gründe für ihre Bemessung des Zeitraumes angeführt, aus dem sie die größte abzusichernde Abweichung der Gewerbeerträge gegenüber dem Vorjahr abgeleitet hat. Die prognostizierte Höhe des Beitragsausfalls ist deshalb gegriffen.

28 Darüber hinaus ist die angesetzte Höhe der Ausgleichsrücklage für das Jahr 2011 unangemessen, weil sie nach dem Dreifachen des prognostizierten Beitragsausfalls berechnet wurde. Die Höhe der Rücklage hätte nur mit der Prognose gerechtfertigt werden können, dass es im jeweiligen Haushaltsjahr realistischer Weise zu Ausfällen von Beitragszahlungen in der angenommenen Gesamthöhe kommen könne (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015 - 10 C 6.15 - BVerwGE 153, 315 Rn. 20). Den prognostizierten Ausfall zu verdreifachen, nimmt einen Beitragsausfall in den beiden Folgejahren vorweg, der wegen des haushaltsrechtlichen Grundsatzes der Jährlichkeit der Haushalts- und Wirtschaftsplanung noch nicht zu prognostizieren war und nach § 3 Abs. 2 IHKG nicht auf die Beitragszahler des verfahrensgegenständlichen Wirtschaftsjahres umgelegt werden durfte.

29 (3) Die Mittelbedarfsprognose, die dem Ansatz der Ausgleichsrücklage für 2016 in dem bei Erlass des Beitragsbescheides aktuellen Wirtschaftsplan zugrunde lag, ist nicht durch einen sachlichen Zweck zulässiger Kammertätigkeit gedeckt, soweit sie Mittel zum Ausgleich des Reputationsschadens für den Fall einer Wahlwiederholung vorsieht. Nach den revisionsrechtlich bindenden Feststellungen der Vorinstanz wäre der von der Beklagten befürchtete Reputationsschaden nicht ergebniswirksam. Ob und inwieweit die Einbeziehung der übrigen von der Beklagten aufgeführten, teils nicht definierten Risiken durch einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit gedeckt war, kann dahinstehen. Die Unvertretbarkeit der Bedarfsprognose ergibt sich insoweit jedenfalls aus einem Verstoß gegen den Grundsatz der Schätzgenauigkeit.

30 Die Bemessung des Mittelbedarfs zum Ausgleich der angenommenen Risiken schöpft naheliegende Möglichkeiten der Informationsgewinnung nicht aus. Nahegelegen hätte es, an die konkrete Verwirklichung dieser Risiken in der Vergangenheit anzuknüpfen und aus dem jeweiligen Umfang der Risikoverwirklichung und deren Häufigkeit einen entsprechenden Erwartungswert für die Zukunft abzuleiten. Demgegenüber sind die von der Beklagten benannten Werte für den jeweils besten, wahrscheinlichsten und schlechtesten Fall ebenso gegriffen wie die jeweils angenommenen Eintrittswahrscheinlichkeiten.

31 2. Die Entscheidungen der Beklagten, im Jahr 2011 ein festgesetztes Kapital von 2 350 000 € und im Jahr 2016 ein festgesetztes Kapital von 5 000 000 € beizubehalten, waren jeweils rechtswidrig, weil die Entscheidungen, das festgesetzte Kapital 2010 um 1 800 000 € und 2012 um weitere 2 650 000 € zu erhöhen, ihrerseits jeweils rechtswidrig waren. Sie stellten jeweils eine unzulässige Bildung von Vermögen dar (a). Auf die Frage, ob die Erhöhungen des festgesetzten Kapitals darüber hinaus auch gegen Bilanzierungsvorschriften verstießen, kommt es danach nicht mehr an (b).

32 a) Die Erhöhungen der Nettoposition festgesetzten Kapitals um 1 800 000 € (2010) und um weitere 2 650 000 € (2012) stellen jeweils - unabhängig davon, ob dies durch einen Gewinnverwendungsbeschluss oder einen Beschluss über einen Passivtausch erfolgte - eine unzulässige Vermögensbildung dar.

33 Ein Jahresüberschuss ist wegen des aus § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG folgenden Verbots, Vermögen zu bilden, grundsätzlich unverzüglich zur Finanzierung der Aufgabenerfüllung und damit zur Minderung des von den Kammerzugehörigen durch Beiträge zu deckenden Mittelbedarfs der Kammern zu verwenden. Denn er stellt eine Möglichkeit dar, deren Kosten anderweitig zu decken. Die Entscheidung, einen Jahresüberschuss zur Erhöhung des festgesetzten Kapitals zu verwenden, stellt demgegenüber stets die Bildung von Vermögen dar.

34 Gleiches gilt für die Erhöhung des festgesetzten Kapitals durch Passivtausch. Ein Passivtausch verringert eine Passivposition der Bilanz um den Betrag, um den er eine andere Passivposition derselben Bilanz erhöht. Mit der Verringerung einer Passivposition um einen bestimmten Betrag dokumentiert die Kammer, dass sie diese Mittel nicht mehr für die Erfüllung der betreffenden Aufgabe benötigt. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG ist der frei gewordene Betrag unverzüglich zur Minderung des von den Kammerzugehörigen durch Beiträge zu deckenden Mittelbedarfs der Kammer einzusetzen. Mit der Entscheidung, ihn stattdessen zur Erhöhung des festgesetzten Kapitals (Nettoposition) zu verwenden, steht er für eine Minderung des von den Kammerzugehörigen durch Beiträge zu deckenden Mittelbedarfs der Kammer nicht mehr zur Verfügung.

35 Die Erhöhungen des festgesetzten Kapitals der Beklagten in den Jahren 2010 und 2012 waren jeweils nicht durch einen sachlichen Grund im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit gedeckt. Einen solchen stellt insbesondere der Wunsch der Beklagten, den Wert ihres langfristig gebundenen Vermögens in der Nettoposition festgesetzten Kapitals abzubilden, nicht dar. Ein sachlicher Grund für die Erhöhung der Nettoposition müsste geeignet sein, die Aufgabenerfüllung zu fördern. Das ist vorliegend nicht festgestellt oder sonst ersichtlich. Insbesondere liegt kein sachlicher Grund darin, langfristig gebundenes Anlagevermögen durch Erhöhung des festgesetzten Kapitals dauerhaft in seinem Bestand zu sichern.

36 Sowenig die Kammern Vermögen bilden dürfen, sowenig dürfen sie es um seiner selbst willen bewahren. Auch das Anlagevermögen dient der Aufgabenerfüllung; auch sein Umfang muss durch einen sachlichen, aufgabenbezogenen Zweck gerechtfertigt sein. Das Anliegen, Vorkehrungen für einen noch nicht konkret absehbaren Finanzbedarf künftiger Jahre zu treffen, reicht dazu nicht aus. Ihm kann durch Rückstellungen mit zulässigem Zweck und Umfang und durch angemessene Rücklagen entsprochen werden. Dagegen legitimiert es weder eine Erhöhung der Nettoposition noch das Beibehalten ihrer unzulässigen Erhöhung.

37 b) Ob die Erhöhungen des festgesetzten Kapitals in den Jahren 2010 und 2012 darüber hinaus auch gegen Bilanzrecht verstießen, kann danach ebenso dahinstehen wie die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Verstöße gegen Bilanzierungsvorschriften, an die die Kammer gemäß § 3 Abs. 7a IHKG und §§ 238 ff. HGB gebunden ist, die Rechtmäßigkeit der von ihr erstellten Wirtschaftspläne und der darauf gegründeten Beitragserhebungen beeinflussen.

38 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.