Beschluss vom 23.08.2021 -
BVerwG 4 BN 7.21ECLI:DE:BVerwG:2021:230821B4BN7.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.08.2021 - 4 BN 7.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:230821B4BN7.21.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 7.21

  • OVG Münster - 16.11.2020 - AZ: OVG 10 D 8/18.NE

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. August 2021
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt und Dr. Hammer
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2020 ergangenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten Verfahrensfehler zuzulassen.

2 Ein Verfahrensmangel ist im Sinne der genannten Bestimmung nur dann bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Dem wird das Vorbringen des Antragstellers nicht gerecht.

3 Die Berufung auf eine als Verfahrensfehler rügefähige Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes geht fehl. (Angebliche) Fehler der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Tatsachengerichts, die dem Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 VwGO genügen muss, sind regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen (BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2010 - 10 B 7.10 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 66 Rn. 4 m.w.N.). Die Grenzen der Freiheit der richterlichen Überzeugungsbildung sind mit der Folge des Vorliegens eines Verfahrensfehlers aber dann überschritten, wenn das Gericht seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt, sondern nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt oder wenn die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen oder sonst von objektiver Willkür geprägt sind (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 4 CN 4.14 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 136 Rn. 12; Beschlüsse vom 19. Dezember 2018 - 8 B 12.18 - juris Rn. 23 und vom 18. Dezember 2019 - 10 B 14.19 - juris Rn. 24, insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 404 IFG Nr. 37, jeweils m.w.N.).

4 Die Beschwerde legt nicht dar, dass hiernach die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zu den geltend gemachten Mängeln der Abwägungsentscheidung in entscheidungserheblicher Weise gegen den Überzeugungsgrundsatz verstoßen.

5 Dabei kann dahinstehen, wie das Vorbringen des Antragstellers zu der ersten Begründungserwägung, wonach der fristgerechte Vortrag nicht den formalen Anforderungen des § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB genüge, zu bewerten ist. Denn das Oberverwaltungsgericht ist selbständig tragend auch davon ausgegangen, dass sich aus den rechtzeitig erhobenen Einwänden des Antragstellers in der Sache keine beachtlichen Fehler bei der Abwägung ergeben. Hiergegen wendet sich der Antragsteller ohne Erfolg, so dass die Voraussetzungen einer Revisionszulassung bei einer Mehrfachbegründung nicht gegeben sind (BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 15 und vom 26. August 2019 - 4 BN 1.19 - NVwZ 2020, 326 Rn. 28).

6 In Bezug auf die prognostizierte Verkehrssituation bemängelt der Antragsteller zum einen, dass das Oberverwaltungsgericht seine Kritik am zugrunde liegenden Verkehrsgutachten und die darin enthaltene Bewertung des Durchgangsverkehrs unzutreffend erfasst habe. Damit macht er aber lediglich im Stile der Begründung eines zugelassenen Rechtsmittels die Fehlerhaftigkeit dieser Erwägungen geltend. Ein Verstoß gegen Denkgesetze wird demgegenüber nicht dargetan. Ein revisionsrechtlich insoweit beachtlicher Mangel kann nämlich nur dann bejaht werden, wenn eine Schlussfolgerung aus Gründen der Logik schlechthin nicht gezogen werden kann. Das ist nicht bereits dann der Fall, wenn der Tatrichter andere Schlüsse gezogen hat, als sie nach Auffassung eines Beteiligten hätten gezogen werden müssen, selbst wenn ein anderer Schluss sogar näher liegt als der vom Gericht gezogene (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Februar 2012 - 7 C 8.11 - Buchholz 419.01 § 26 GenTG Nr. 1 Rn. 44 m.w.N.).

7 Zum anderen wendet sich der Antragsteller gegen die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts, soweit er die fehlende Berücksichtigung der Immissionen des planbedingten Zusatzverkehrs auf die Wohngrundstücke in der Umgebung des Plangebiets geltend gemacht hat. Er beanstandet die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts, dass der Anteil des planbedingten Zusatzverkehrs, der die H. Straße nach Norden befahren wird, eher gering einzuschätzen ist; hierfür finde sich indessen in den Verwaltungsvorgängen kein Anhaltspunkt. Auf eine abschließende Bewertung der hierauf bezogenen Rügen des Antragstellers, der zwischen Fehlern des Verwaltungsverfahrens - hier der behauptete Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. April 2008 - 4 CN 1.07 - BVerwGE 131, 100 Rn. 18) – und im Rahmen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO allein beachtlichen Fehlern des gerichtlichen Verfahrens (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Oktober 2020 - 4 BN 42.20 - juris Rn. 2 m.w.N.) nicht deutlich trennt und den Begriff der Aktenwidrigkeit überdehnt (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. November 2016 - 4 CN 2.16 - BVerwGE 156, 336 Rn. 23 und vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - Buchholz 406.25 § 47 BImSchG Nr. 8 Rn. 28), kommt es aber nicht an. Denn der Antragsteller verhält sich nicht zu den gleichermaßen und an erster Stelle tragenden Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts, wonach sowohl der planbedingte Ziel- als auch der Quellverkehr sich nicht - wie für die Annahme der Abwägungsrelevanz erforderlich - eindeutig dem Plangebiet zuordnen lasse, weil er mit dem allgemeinen Verkehr vermischt sei.

8 Die Beschwerde legt des Weiteren nicht dar, dass die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zu den Auswirkungen des angegriffenen Bebauungsplans auf das nördlich des Plangebiets gelegene Natura-2000-Gebiet "DE-4013-301 Emsaue, Kreise Warendorf und Gütersloh" auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen. Was die behaupteten Folgen einer planbedingten Verkehrszunahme angeht, nimmt das Oberverwaltungsgericht Bezug auf seine Erwägungen zur Emissionsbelastung durch den Zusatzverkehr. Insoweit wird - wie oben ausgeführt - ein Verfahrensfehler nicht aufgezeigt. Soweit das Oberverwaltungsgericht sich zum Hochwasserschutzkonzept verhält und in diesem Zusammenhang Untersuchungen im Aufstellungsverfahren zur Gefahr einer Überflutung der geschützten Auenlandschaft für entbehrlich erachtet, wendet sich die Beschwerde gegen die Bewertung der planerischen Abwägung, ohne einen Fehler des gerichtlichen Verfahrens darzulegen.

9 Auf die Ausführungen zur Unbeachtlichkeit eines unterstellten Abwägungsmangels kommt es hiernach nicht mehr an.

10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.