Beschluss vom 24.08.2023 -
BVerwG 4 BN 13.23ECLI:DE:BVerwG:2023:240823B4BN13.23.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 24.08.2023 - 4 BN 13.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:240823B4BN13.23.0]
Beschluss
BVerwG 4 BN 13.23
- OVG Bautzen - 15.12.2022 - AZ: 1 C 41/20
In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. August 2023
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Decker und Prof. Dr. Külpmann
beschlossen:
- Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2022 ergangenen Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts wird zurückgewiesen.
- Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.
Gründe
1 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Sache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Antragstellerin beimisst.
2 Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die in dem angestrebten Revisionsverfahren beantwortet werden kann, sofern dies über den Einzelfall hinaus zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts beiträgt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> und vom 24. Mai 2022 - 4 BN 3.22 - juris Rn. 2).
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1. Die Antragstellerin möchte rechtsgrundsätzlich klären lassen,
ob die allgemeine Zweckbestimmung eines Gewerbegebietes nach § 8 BauNVO noch gewahrt ist, wenn ein Bebauungsplan eine Festsetzung nach § 1 Abs. 5 BauNVO enthält, wonach im gesamten Gebiet nur Nutzungen zulässig sind, "die das Wohnen nicht wesentlich stören" (eingeschränktes Gewerbegebiet mit dem Schutzniveau eines Mischgebietes nach § 6 Abs. 1 BauNVO).
4 Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision; sie ist in der Rechtsprechung des Senats bereits bejaht worden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15. April 1987 - 4 B 71.87 - Buchholz 406.12 § 8 BauNVO Nr. 7 und vom 8. November 2004 - 4 BN 39.04 - Buchholz 406.12 § 8 BauNVO Nr. 20). Das erkennt auch die Beschwerde.
5 Sie sieht jedoch mit Blick auf die jüngere Rechtsprechung des Senats zur internen Gliederung eines Gewerbegebietes nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO Bedarf zu einer Fortentwicklung, um einem "erheblichen dogmatischen Wertungswiderspruch" in Bezug auf die Anforderungen an die Wahrung der allgemeinen Zweckbestimmung eines Gewerbegebietes bei interner Gliederung nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO einerseits und Nutzungsausschlüssen über § 1 Abs. 5 BauNVO andererseits zu begegnen (in diese Richtung auch Vietmeier, BauR 2018, 766 <770 f.>). Es besteht jedoch kein Anlass, die Rechtsprechung zur Zulässigkeit von eingeschränkten Gewerbegebieten aufzugeben oder fortzuentwickeln.
6 Wie der Senat in seinem Urteil vom 29. Juni 2021 - 4 CN 8.19 - (BVerwGE 173, 75) klargestellt hat, bietet § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO keine Rechtsgrundlage dafür, eine oder mehrere Arten von Nutzungen aus dem gesamten Baugebiet auszuschließen. Will eine Gemeinde dieses Ergebnis erreichen, steht ihr nur der Weg über § 1 Abs. 5 BauNVO zur Verfügung. Eine Gliederung nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO darf daher nicht dazu führen, dass - gemessen an dem Katalog zulässiger Nutzungen nach § 8 BauNVO - nur besonders leise Betriebe und Anlagen Aufnahme finden, während beispielsweise das produzierende und verarbeitende Gewerbe oder Handwerksbetriebe ausgeschlossen werden (a. a. O. Rn. 9). Mit einer Gliederung nach § 1 Abs. 4 Satz 1 BauNVO lassen sich mit anderen Worten die zulässigen Nutzungen im Baugebiet nur "verteilen" (BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 1989 - 4 NB 32.89 - Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 8). Diese Begrenzung folgt jedoch nicht aus der Pflicht, den Gebietscharakter zu wahren (insofern missverständlich BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2017 - 4 CN 7.16 - BVerwGE 161, 53 Rn. 15), sondern - wie im Urteil vom 29. Juni 2021 (a. a. O.) klargestellt - aus der Ermächtigungsgrundlage. Aus der Rechtsprechung zu § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO können daher keine Rückschlüsse für die Frage gezogen werden, ob trotz Nutzungsausschlüssen nach § 1 Abs. 5 BauNVO der Gebietscharakter eines Gewerbegebietes gewahrt wird.
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2. Die Beschwerde misst weiter der Frage,
ob eine Festsetzung dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot entspricht, wenn sie in einem eingeschränkten Gewerbegebiet Nutzungen für zulässig hält, "die das Wohnen nicht wesentlich stören", und wenn sich nach Auslegung der Festsetzung nicht klar ermitteln lässt, welches "Wohnen" gemeint ist bzw. wie die Schutzansprüche der benachbarten Bebauungen einzuordnen sind, es also nicht klar ist, wie die Vorhaben in diesem Gebiet bzw. in den Gewerbegebietsteilen konkret-individuell mit Blick auf § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zu bewerten sind,
grundsätzliche Bedeutung zu. Unklar sei, ob mit der Festsetzung "das Wohnen nicht erheblich stören" die Schutzansprüche eines Mischgebietes oder die eines Gewerbegebietes gelten. Zur Zulassung der Revision führt auch diese Frage nicht.
8 Ob eine Planaussage dem Bestimmtheitserfordernis genügt, ist eine Frage der Auslegung des dem Ortsrecht angehörenden Bebauungsplans und damit nicht revisibel (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO; BVerwG, Beschlüsse vom 3. August 2011 - 4 BN 15.11 - juris Rn. 17 und vom 15. Februar 2022 - 4 B 5.22 - juris Rn. 3). Die Frage der Bestimmtheit planerischer Festsetzungen hängt überdies in aller Regel - und so auch hier - von den Umständen des Einzelfalles ab und ist folglich einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich (BVerwG, Beschlüsse vom 14. Dezember 1995 - 4 N 2.95 - Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 21 S. 4, vom 21. Dezember 2012 - 4 BN 32.12 - BauR 2013, 561 Rn. 4 und vom 10. Juli 2018 - 4 BN 39.17 - juris Rn. 6; Urteil vom 29. Januar 2009 - 4 C 16.07 - BVerwGE 133, 98 Rn. 16).
9 Die Beschwerde zeigt auch nicht auf, dass der bundesrechtliche Maßstab für die Bestimmtheit von Festsetzungen in Bebauungsplänen (siehe hierzu etwa BVerwG, Beschluss vom 25. November 2021 - 4 BN 13.21 - ZfBR 2022, 259 Rn. 12 m. w. N.), die das Oberverwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (UA S. 9 ff.), seinerseits entscheidungserhebliche ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft.
10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.