Verfahrensinformation

Die Prozessbevollmächtigten der Kläger beantragten im Jahr 2015 für mehr als 500 Personen beim Bundesministerium der Finanzen Zugang zu Informa­tionen über die Wohnungs­baugesellschaft Leipzig West AG. Zudem richteten die Klägervertreter zahlreiche weitere und im Wesentlichen identische Informationsbegehren an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und erhoben hierzu Klagen beim Verwaltungsgericht Frankfurt a. M., die wegen Rechtsmissbrauchs als unzulässig abgewiesen wurden.


Die Beklagte gewährte den Klägern teilweise den begehrten Informationszugang. Die Klage auf weitergehenden Informationszugang blieb vor dem Verwaltungsgericht ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht wies die Berufung zurück. Dem Informationszugangsanspruch stehe angesichts der massenweisen Einzelantragstellung der geschädigten Anleger der Wohnungsbaugesellschaft und anschließenden Klageerhebung unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen.


Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision der Kläger.


Pressemitteilung Nr. 67/2020 vom 24.11.2020

Anspruch auf Informationszugang trotz rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Bevollmächtigten

Ein Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz ist nicht schon deswegen rechtsmiss­bräuchlich, weil der Bevollmächtigte rechtsmissbräuchlich vorgeht. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Die Prozessbevollmächtigten der Kläger stellten im Jahr 2015 beim Bundesministerium der Finanzen und bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht für mehr als 500 geschädigte Anleger der Wohnungsbaugesellschaft Leipzig West AG gleichlautende Anträge auf Informa­tionen über die Wohnungs­baugesellschaft. Das Bundesministerium lehnte diese Anträge zum überwiegenden Teil ab. Die schon zuvor in sämtlichen Fällen erhobenen Klagen blieben vor dem Verwaltungsgericht, soweit sie nicht zurückgenommen wurden, wegen rechtsmissbräuchlicher Klageerhebung ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die von einigen Klägern eingelegten Berufungen zurückgewiesen. Dem Informationszugangsanspruch stehe angesichts der massenweisen Einzelantragstellung und anschließenden Klageerhebung unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Dem Prozessbevollmächtigten der Kläger sei es allein darum gegangen, für sich möglichst weitgehende Gebührenansprüche zu generieren.


Die Revisionen der Kläger hatten Erfolg. Das Informationsbegehren der Kläger ist nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil der Prozessbevollmächtigte sich möglicherweise rechtsmissbräuchlich verhält. Das ist erst dann anzunehmen, wenn positiv festgestellt wird, dass es einem Antragsteller selbst nicht um die begehrte Information geht, sondern nur um die Gebührenansprüche seines Bevollmächtigten. Da derartige Feststellungen fehlen, ist davon auszugehen, dass das Informationsinteresse des vertretenen Antragstellers bestand und auch während des Rechtsstreits fortbesteht. Das Verhalten des Bevollmächtigten außerhalb des eigenen Mandats ist einem Antragsteller nicht zuzurechnen.


Eine eigene Sachentscheidung zu den Informationsbegehren war dem Senat wegen fehlender Tatsachenfeststellungen verwehrt. Er hat die Sache daher an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. 


BVerwG 10 C 12.19 - Urteil vom 24. November 2020

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 12 B 16.17 - Urteil vom 22. Februar 2018 -

VG Berlin, 2 K 630.15 - Urteil vom 27. April 2017 -

BVerwG 10 C 13.19 - Urteil vom 24. November 2020

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 12 B 17.17 - Urteil vom 22. Februar 2018 -

VG Berlin, 2 K 633.15 - Urteil vom 27. April 2017 -

BVerwG 10 C 14.19 - Urteil vom 24. November 2020

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 12 B 18.17 - Urteil vom 22. Februar 2018 -

VG Berlin, 2 K 634.15 - Urteil vom 27. April 2017 -

BVerwG 10 C 15.19 - Urteil vom 24. November 2020

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 12 B 19.17 - Urteil vom 22. Februar 2018 -

VG Berlin, 2 K 636.15 - Urteil vom 27. April 2017 -


Urteil vom 24.11.2020 -
BVerwG 10 C 14.19ECLI:DE:BVerwG:2020:241120U10C14.19.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 24.11.2020 - 10 C 14.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:241120U10C14.19.0]

Urteil

BVerwG 10 C 14.19

  • VG Berlin - 27.04.2017 - AZ: VG 2 K 634.15
  • OVG Berlin-Brandenburg - 22.02.2018 - AZ: OVG 12 B 18.17

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 24. November 2020
durch
den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Günther und Dr. Löffelbein
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. Februar 2018 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  2. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Der Kläger begehrt vom Bundesministerium der Finanzen Zugang zu Informationen über die insolvent gewordene W. AG.

2 Die Prozessbevollmächtigten des Klägers stellten im Jahr 2015 beim Bundesministerium der Finanzen und bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht für mehr als 500 geschädigte Anleger gleichlautende Anträge auf Informationen über die Wohnungsbaugesellschaft. Die Frage zu Ziffer 1 des jeweiligen Antrags ("Welche genauen Unterlagen, Schreiben oder Briefe meiner Mandantschaft ... liegen Ihnen vor und welche personenbezogenen Daten haben sie über meine Mandantschaft gespeichert?") beschied das Ministerium mit einer Verneinung. Im Übrigen lehnte das Bundesministerium die Anträge überwiegend mit der Begründung ab, dass ein Teil der begehrten Informationen bereits zur Einsichtnahme im Ministerium bereitstehe, dem Informationsanspruch ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand entgegenstehe und bei einem Informationszugang Berufsgeheimnisse offenbart würden. Den Widerspruch des Klägers wies das Ministerium auch wegen Rechtsmissbrauchs zurück.

3 Die schon zuvor in sämtlichen Fällen erhobenen Klagen blieben vor dem Verwaltungsgericht, soweit sie nicht zurückgenommen wurden, wegen rechtsmissbräuchlicher Klageerhebung ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Klage sei zwar zulässig. Dem Informationszugangsanspruch stehe angesichts der massenweisen Einzelantragstellung und anschließenden Klageerhebung unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände aber der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Den Prozessbevollmächtigten des Klägers sei es allein darum gegangen, für sich selbst möglichst weitgehende Gebührenansprüche zu generieren.

4 Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers. Das Informationsfreiheitsgesetz enthalte keine Missbrauchsklausel. Der Informationsanspruch werde nur durch die Ausnahmetatbestände der §§ 3 bis 6 IFG eingeschränkt. Zwar könne dem Informationsanspruch wie jedem Rechtsanspruch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen. Bei der Beurteilung eines Sachverhalts als rechtsmissbräuchlich sei indes Zurückhaltung geboten. Die Grenze zur unzulässigen Rechtsausübung werde erst überschritten, wenn die Verfolgung des Rechtsanspruchs offenkundig und zweifelsfrei allein von der Absicht geprägt sei, die Behörde oder einen Drittbetroffenen zu schikanieren oder zu belästigen oder einem anderen Schaden zuzufügen. Dieses Ziel habe der Kläger nicht verfolgt. Gebührenrechtliche Aspekte begründeten keine rechtsmissbräuchliche Antragstellung.

5 Der Kläger beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. Februar 2018 und des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. April 2017 zu ändern und nach den in den Vorinstanzen jeweils gestellten Sachanträgen zu erkennen.

6 Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7 Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

II

8 Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

9 1. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts mit der Begründung zurückgewiesen, dessen Antrag auf Informationszugang sei wegen Rechtsmissbrauchs unbegründet, weil sein Prozessbevollmächtigter damit und mit 572 Parallelanträgen nur Honoraransprüche generieren wolle und er sich dessen Verhalten zurechnen lassen müsse. Das ist nicht frei von Rechtsfehlern.

10 a) Einem Antrag auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz kann grundsätzlich der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegengehalten werden. Dies entspricht ganz überwiegender Rechtsansicht (etwa OVG Schleswig, Urteil vom 6. Dezember 2012 - 4 LB 11/12 - NVwZ 2013, 810 Rn. 53; VGH Kassel, Beschluss vom 24. März 2010 - 6 A 1832/09 - juris Rn. 8; Schirmer, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, Stand November 2020, § 3 IFG Rn. 28 f.; Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 25) und fand schon in den Materialien zum Informationsfreiheitsgesetz seinen Niederschlag (BT-Drs. 15/4493 S. 16: "werden querulatorische Anträge weder entgegengenommen noch bearbeitet"). Insofern gilt für den Anspruch auf Informationszugang nichts anderes als für jeden anderen Rechtsanspruch. Unzulässig ist eine Rechtsausübung, wenn sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt (vgl. § 242 BGB), etwa wenn sie allein zu dem Zweck erfolgt, einem anderen Schaden zuzufügen (vgl. § 226 BGB). Es handelt sich um einen allgemeinen Rechtsgedanken, der der gesamten Rechtsordnung zugrunde liegt und der in §§ 226, 242 BGB für einen Teilbereich der Rechtsordnung seinen Ausdruck gefunden hat.

11 Dem steht nicht entgegen, dass dieser Versagungsgrund im Informationsfreiheitsgesetz (IFG) vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722) anders als in § 8 Abs. 2 Nr. 1 des Umweltinformationsgesetzes (UIG) i.d.F. vom 27. Oktober 2014 (BGBl. I S. 1643, m. sp. Änd.) und in § 4 Abs. 4 des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) i.d.F. vom 1. September 2012 (BGBl. I S. 2166, 2725, m. sp. Änd.) nicht ausdrücklich genannt ist. Die zitierten Vorschriften erinnern lediglich an den allgemeinen Rechtsgedanken und nehmen für ihren jeweiligen Anwendungsbereich bestimmte Konkretisierungen vor. Im Übrigen trifft die Behauptung, das Informationsfreiheitsgesetz enthalte keinerlei Hinweis auf den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung, nicht zu. Gemäß § 9 Abs. 3 IFG kann der Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden, wenn der Antragsteller bereits über die begehrten Informationen verfügt oder sich diese in zumutbarer Weise aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen kann. Wie § 4 Abs. 4 Satz 2 VIG zeigt, sieht der Gesetzgeber darin einen Fall missbräuchlicher Antragstellung (vgl. auch BT-Drs. 15/4493 S. 16 sowie Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 9 Rn. 40; weitergehend Ziekow/Debus, in: Fluck/Fischer/Martini, IFG, § 9 Rn. 33).

12 Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Anspruch auf Informationszugang "voraussetzungslos" besteht. Damit ist lediglich gemeint, dass der Antragsteller nicht darlegen muss, aus welchen Gründen er die Information begehrt und zu welchem Zweck er sie nutzen will (vgl. Schoch, a.a.O., § 1 IFG Rn. 19). Vor dem Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes bestand ein Anspruch auf Akteneinsicht grundsätzlich nur in einem laufenden Verwaltungsverfahren, wenn die Aktenkenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung rechtlicher Interessen erforderlich war, oder es wurde die eigene Betroffenheit vorausgesetzt. Um die Hinwendung zu einem von einer solchen Zweckbindung gelösten Informationszugangsanspruch zu verdeutlichen, enthielt § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzesentwurfs den Zusatz: "ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen" (BT-Drs. 15/4493 S. 3, 6 f.). Dieser Zusatz ist auf Veranlassung des Innenausschusses des Bundestages gestrichen worden, "um den voraussetzungslosen Informationszugang klarzustellen" (BT-Drs. 15/5606 S. 5; vgl. auch Debus, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, Stand November 2020, § 1 Rn. 152). Dass der Antragsteller nicht darlegen muss, aus welchen Gründen er die Information begehrt und zu welchem Zweck er sie nutzen will, bedeutet aber nicht, dass er nicht jedenfalls ein Interesse an der Information selbst haben muss. Deshalb lässt der Umstand, dass der Anspruch auf Informationszugang voraussetzungslos besteht, Raum für die Wertung, dass rechtsmissbräuchlich handelt, wem es nicht um die Information geht, sondern etwa allein darum, der in Anspruch genommenen Behörde Schaden zuzufügen (vgl. § 226 BGB).

13 b) Aus den von dem Kläger angesprochenen Gesichtspunkten ergibt sich allerdings, dass der Anspruch auf Informationszugang nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen als rechtsmissbräuchlich abgelehnt werden kann.

14 Zum einen ist dies nur angängig, wenn es dem Anspruchsteller gar nicht um die begehrte Information geht, er vielmehr ausschließlich andere, von der Rechtsordnung missbilligte Zwecke verfolgt, etwa den Zweck, die in Anspruch genommene Behörde lahmzulegen (vgl. § 226 BGB: "wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen"). Solange der Anspruchsteller an der begehrten Information interessiert ist, ist sein Antrag nicht allein deshalb rechtsmissbräuchlich, weil er damit zugleich sachfremde Zwecke verfolgt. Dies gilt auch dann, wenn der sachfremde Zweck überwiegen sollte; auf eine Abwägung kommt es nicht an. Das ergibt sich daraus, dass das Gesetz den Informationszugangsanspruch im beschriebenen Sinne voraussetzungslos gewährt. Der Anspruch ist deshalb grundsätzlich nicht von einer Abwägung mit gegenläufigen Belangen abhängig; lediglich gegenüber personenbezogener Daten Dritter sieht das Gesetz eine Abwägung vor (§ 5 Abs. 1 und 2, § 7 Abs. 1 Satz 3 IFG). Darin bestätigt sich das allgemeine Ziel des Informationsfreiheitsgesetzes, das vorwiegend dem Demokratieprinzip und der Kontrolle staatlichen Handelns dienen soll (BT-Drs. 15/4493 S. 6 f.). Solange ein Informationsbegehren dieses allgemeine Ziel zumindest auch verfolgt, kann es nicht unter Verweis auf zugleich verfolgte Nebenzwecke abgelehnt werden. Aus dem Umstand, dass das rheinland-pfälzische Landesrecht insofern Anderes regelt (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 Landestransparenzgesetz Rheinland-Pfalz und dazu LT-Drs. 16/5173 S. 45 sowie BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2016 - 7 C 7.14 - NVwZ 2016, 1814 Rn. 18), folgt für das Bundesrecht nichts.

15 Zum anderen braucht der Anspruchsteller sein Informationsinteresse nicht darzulegen; es wird vom Gesetz vermutet. Will die in Anspruch genommene Behörde den Antrag wegen Rechtsmissbrauchs ablehnen, so ist es an ihr, gegen diese Vermutung den Beweis des Gegenteils zu führen. Allerdings ist ihre Darlegung insofern nicht auf Umstände beschränkt, die das konkrete Verfahren betreffen; die Feststellung informationsfremder Zwecke kann sich auch aus anderen Umständen ergeben. Auch das Gericht muss im Streitfall eine Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände vornehmen.

16 Der Einwand der Beklagten, ihre Befugnis, einen Informationszugangsanspruch wegen Rechtsmissbrauchs abzulehnen, werde damit praktisch entwertet, greift nicht durch. Zum einen verkennt er, dass die Behörde zwar beweisbelastet ist, ihr die Beweisführung aber nicht generell verwehrt ist und sich zudem auf Umstände jenseits des konkreten Einzelfalles, insbesondere auf das bisherige Antragsverhalten des Anspruchstellers erstrecken kann. Zum anderen übersieht er, dass der Anspruch schon nach dem Gesetz in Fällen wie gemäß § 9 Abs. 3 IFG abgelehnt werden kann, die nicht dem Rechtsmissbrauch im strengen Sinne unterfallen. Ferner sieht § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG vor, dass ein Anspruch unter Umständen auch abgelehnt werden kann, wenn der Informationszugang nur unter unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand möglich ist. Schließlich übergeht die Beklagte, dass gerade im vorliegenden Fall zahlreicher Parallelanträge eine textidentische Bescheidung möglich wäre und offenbar auch praktiziert wurde.

17 c) Das Oberverwaltungsgericht hat jedoch in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht angenommen, dass der Kläger sich das als rechtsmissbräuchlich angesehene Verhalten seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen müsse. Diese Auffassung verstößt gegen Bundesrecht. Für den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs ist wesentlich, dass der Antragsteller sein eigenes Recht missbraucht. Er muss sich zwar das Verhalten des Bevollmächtigten gemäß § 164 BGB, § 85 ZPO zurechnen lassen. Das Verhalten des Bevollmächtigten außerhalb des eigenen Mandats ist einem Antragsteller indes nicht zuzurechnen. Dies hat das Oberverwaltungsgericht nicht berücksichtigt.

18 Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht nur in seinem Verfahren, sondern in 572 weiteren Parallelfällen mit Bezug zur W. AG in engem zeitlichen Zusammenhang gleichartige Anträge auf Informationszugang gestellt und anschließend Untätigkeitsklagen erhoben hatte. Ferner habe er sich jeder Verbindung der Verfahren und jeder Musterverfahrensabrede widersetzt. Die zahlreichen parallelen Mandate habe er akquiriert, indem er den Anlegern in einem Akquiseschreiben vom 30. April 2015 "gute Möglichkeiten" suggeriert habe, ihren Schaden in der Sache der Wohnungsbaugesellschaft von den Aufsichtsbehörden vollständig ersetzt zu verlangen, ohne auf die damit einhergehenden Risiken auch nur ansatzweise hinzuweisen. Es sei ihm allein darum gegangen, von möglichst vielen Anlegern bevollmächtigt zu werden, um sodann ohne Rücksicht auf die finanziellen Interessen der Mandanten Gebühren auslösende Verfahren in Gang setzen zu können. Aus all dem hat das Oberverwaltungsgericht gefolgert, dass es dem Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht um den Informationszugang, sondern allein darum gegangen sei, für sich Honoraransprüche zu generieren.

19 Das Oberverwaltungsgericht hat offengelassen, ob das Verhalten des Prozessbevollmächtigten Vorschriften des anwaltlichen Berufsrechts oder des Strafrechts verletzt. Auch der Senat muss dieser Frage nicht nachgehen. Selbst wenn das Verhalten des Prozessbevollmächtigten rechtswidrig gewesen sein sollte, so ist es dem Kläger jedoch nicht zuzurechnen. Das "Geschäftsmodell" des Prozessbevollmächtigten besteht gerade in der Akquise und im Betreiben von zahlreichen Parallelsachen. Das ist von dem individuellen Informationsbegehren des Klägers gänzlich unabhängig und liegt außerhalb des von ihm erteilten Mandats. Tatsachen, die darauf hindeuten könnten, dass auch der Kläger selbst keinerlei Interesse an den streitgegenständlichen Informationen hat und es ihm in Wahrheit um informationsfreiheitsfremde Zwecke geht, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt.

20 2. Das angegriffene Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Anderes folgt auch nicht aus der Annahme des Verwaltungsgerichts, die Klage sei unzulässig. Das Oberverwaltungsgericht ist dieser Auffassung mit Recht entgegengetreten und hat die Zulässigkeit der Klage auch für den Fall bejaht, dass die Klage ausschließlich zu dem Zweck erhoben worden sei, Gebührenansprüche für die bevollmächtigten Rechtsanwälte zu generieren. Die Missbräuchlichkeit eines Informationsantrags lässt das allgemeine Rechtsschutzinteresse einer Klage nicht entfallen. Auch wenn das Informationsfreiheitsgesetz einen gesetzlichen Ausschlussgrund der Missbräuchlichkeit wie § 8 Abs. 2 Nr. 1 UIG oder § 4 Abs. 4 Satz 1 VIG enthielte, führte, worauf das Oberverwaltungsgericht zutreffend hinweist, die Antragsablehnung nicht zu einer unzulässigen Klage. Die Rechtsordnung erkennt dort, wo sie subjektiv-öffentliche Rechte gewährt, deren Durchsetzungsfähigkeit an (Art. 19 Abs. 4 GG). Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt für eine vom Antragsteller erhobene Klage nur, wenn besondere Umstände vorliegen, die diesen Zusammenhang durchbrechen und das Interesse an der Durchführung des Rechtsstreits entfallen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1989 - 9 C 44.87 - BVerwGE 81, 164 <166>). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Vielmehr gilt auch im Kontext des Informationsfreiheitsgesetzes der Grundsatz, dass ein Interesse an der Erlangung des Rechtsschutzes bei Leistungsklagen in aller Regel bereits aus dem Umstand folgt, dass der Kläger einen auf Leistung an sich selbst gerichteten, bislang nicht erfüllten Anspruch geltend macht (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1989 - 9 C 44.87 - BVerwGE 81, 164 <165>).

21 3. Mangels Tatsachenfeststellungen zu dem Informationsbegehren des Klägers und zu den Voraussetzungen möglicher Versagungsgründe durch das Oberverwaltungsgericht ist dem Senat eine abschließende Entscheidung verwehrt. Auf der Grundlage der Feststellungen im angefochtenen Urteil kann der Senat nicht beurteilen, ob dem Informationsantrag die Versagungsgründe entgegenstehen, auf die sich die Beklagte im Ablehnungsbescheid berufen hat. Des Weiteren kann der Senat nicht beurteilen, ob das Informationsinteresse des Klägers unverändert fortbesteht. Diese Frage hat das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich offengelassen.