Verfahrensinformation

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit eines Anschluss- und Benutzungszwangs zur gemeindlichen Fernwärmeversorgung. Das gewerblich genutzte Grundstück der Klägerin ist seit mehreren Jahrzehnten an die Fernwärmeversorgung der Beklagten angeschlossen. Entsprechend der 2004 geänderten Satzung dient die Einrichtung der Verfolgung von Zielen des Klimaschutzes. Die Klägerin bestreitet die Befugnis der Beklagten als Kommune Ziele des Klimaschutzes verfolgen zu dürfen. Aus ihrer Sicht handelt sich hierbei um eine überörtliche Aufgabe. Auch seien solche Maßnahmen als unverhältnismäßige Grundrechtseingriffe anzusehen, da den eher diffusen Zielen des Klimaschutzes geringeres Gewicht zukomme. Verwaltungsgericht und Berufungsgericht haben die Klage abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht wird sich insbesondere mit den europa- und verfassungsrechtlichen Grenzen kommunaler Maßnahmen des Umweltschutzes zu beschäftigen haben.


Verfahrensinformation

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit eines Anschluss- und Benutzungszwangs zur gemeindlichen Fernwärmeversorgung. Das gewerblich genutzte Grundstück der Klägerin ist seit mehreren Jahrzehnten an die Fernwärmeversorgung der Beklagten angeschlossen. Entsprechend der 2004 geänderten Satzung dient die Einrichtung der Verfolgung von Zielen des Klimaschutzes. Die Klägerin bestreitet die Befugnis der Beklagten als Kommune Ziele des Klimaschutzes verfolgen zu dürfen. Aus ihrer Sicht handelt sich hierbei um eine überörtliche Aufgabe. Auch seien solche Maßnahmen als unverhältnismäßige Grundrechtseingriffe anzusehen, da den eher diffusen Zielen des Klimaschutzes geringeres Gewicht zukomme. Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht haben die Klage abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht wird sich insbesondere mit den europa- und verfassungsrechtlichen Grenzen kommunaler Maßnahmen des Umweltschutzes zu beschäftigen haben.


Pressemitteilung Nr. 2/2006 vom 25.01.2006

Kommunaler Anschluss- und Benutzungszwang (Fernwärme) aus Gründen des Klimaschutzes mit Bundes- und Europarecht vereinbar

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass die Satzung einer Gemeinde über die Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs an die öffentliche Fernwärmeversorgung aus Gründen des Klimaschutzes mit Bundes- und Europarecht vereinbar ist.


Die beklagte Kommune betreibt seit mehreren Jahrzehnten in Teilen ihres Stadtgebietes eine öffentliche Fernwärmeversorgung, für die sie durch Satzung einen Anschluss- und Benutzungszwang angeordnet hat. Zweck der Satzung ist der Schutz der Luft und des Klimas als natürliche Grundlagen des Lebens. Zu diesem Ziel soll die Fernwärmeversorgung mittels Kraft-Wärme-Kopplung einen Beitrag leisten. Durch einen möglichst hohen Versorgungsgrad sollen bei globaler Betrachtung unter Einbeziehung ersparter Kraftwerksleistungen an anderer Stelle klimaschädliche Kohlendioxid-Emissionen im Vergleich zu einer Wärmeversorgung mit Einzelfeuerungsanlagen verringert werden.


Das Grundstück der Klägerin ist seit Jahren an die öffentliche Fernwärmeversorgung der Beklagten angeschlossen. 1997 beantragte sie die Befreiung hiervon, weil sie das darauf befindliche Bürogebäude mit einer kostengünstigeren Einzelbefeuerungsanlage beheizen wollte. Diesen Antrag lehnte die beklagte Kommune ab. Die Klage vor dem Verwaltungsgericht blieb ebenso erfolglos wie die gegen dessen Urteil eingelegte Berufung. Das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein hat in Auslegung des Landesrechts, an die das Bundesverwaltungsgericht gebunden ist, festgestellt, dass ein dringendes öffentliches Bedürfnis im Sinne des § 17 Abs. 2 der Gemeindeordnung S-H für die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs auch dann angenommen werden könne, wenn die Fernwärmeversorgung nur bei globaler Betrachtung unter Einbeziehung ersparter Kraftwerksleistungen an anderer Stelle zu einer beachtlichen Verringerung des Schadstoffausstoßes führe.


Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht unter Bestätigung seiner bisherigen Rechtsprechung zurückgewiesen. Art. 28 Abs. 2 GG stehe der Auslegung des Landesrechts durch das Berufungsgericht nicht entgegen. Er schließe es nicht aus, dass der Landesgesetzgeber in Erfüllung seiner ihm obliegenden Verpflichtung, auf die Verwirklichung der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG hinzuwirken, den Kommunen zusätzliche Befugnisse übertrage, die den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen sichern sollen. Der hier angeordnete Anschluss- und Benutzungszwang verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Insbesondere obliege es der Entscheidung des Gesetzgebers, ob die Fernwärmeversorgung mit Kraft-Wärme-Kopplung ein zum Klimaschutz geeignetes Mittel ist. Auch europäische Wettbewerbsregeln stünden der Anordnung eines kommunalen Anschluss- und Benutzungszwangs aus Gründen des Klimaschutzes nicht entgegen.


BVerwG 8 C 13.05 - Urteil vom 25.01.2006


Urteil vom 25.01.2006 -
BVerwG 8 C 13.05ECLI:DE:BVerwG:2006:250106U8C13.05.0

Leitsatz:

Landesrecht, das es dem Satzungsgeber gestattet, einen Anschluss- und Benutzungszwang an die öffentliche Fernwärmeversorgung aus Gründen des Klimaschutzes anzuordnen, verstößt nicht gegen Bundesverfassungsrecht oder Europarecht.

  • Rechtsquellen
    GG Art. 3 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1,
    Art. 20 Abs. 3, Art. 20 a, Art. 28 Abs. 2
    GO Schleswig-Holstein § 17
    EGV Art. 28, 49, 82, 86

  • OVG Schleswig - 05.01.2005 - AZ: OVG 2 LB 62/04 -
    Schleswig-Holsteinisches OVG - 05.01.2005 - AZ: OVG 2 LB 62/04

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 25.01.2006 - 8 C 13.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:250106U8C13.05.0]

Urteil

BVerwG 8 C 13.05

  • OVG Schleswig - 05.01.2005 - AZ: OVG 2 LB 62/04 -
  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 05.01.2005 - AZ: OVG 2 LB 62/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht G ö d e l ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht G o l z e ,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von H e i m b u r g ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht P o s t i e r und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. H a u s e r
für Recht erkannt:

  1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 5. Januar 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

I


die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 5. Januar 2005 und des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 27. September 1999 abzuändern und festzustellen, dass das auf dem Grundstück D.-Straße 22 in W. befindliche Bürogebäude einem Anschluss- und Benutzungszwang für die Fernwärmeversorgung nicht unterliegt,
hilfsweise,
die Beklagte unter Abänderung der Urteile und Aufhebung des Bescheides vom 28. Mai 2002 sowie des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2002 zu verpflichten, der Klägerin für das Gebäude eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang zu erteilen.
die Revision zurückzuweisen.

II