Urteil vom 25.08.2016 -
BVerwG 5 C 54.15ECLI:DE:BVerwG:2016:250816U5C54.15.0
Erbringung der bei geordnetem Verlauf der Ausbildung bis zum Ende des jeweils erreichten Fachsemesters üblichen Leistungen gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG 2009
Leitsätze:
1. Üblich im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG sind diejenigen Leistungen, die nach den für den gewählten Studiengang geltenden normativen Vorgaben, insbesondere nach den einschlägigen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen der Hochschule, erwartet werden. In Ermangelung entsprechender Bestimmungen bestimmt sich die Üblichkeit der Leistungen nach den sonstigen nicht förmlichen Vorgaben der Hochschule, die von den Auszubildenden als Verhaltensmaßregeln oder Richtlinien erkannt werden können und deren Einhaltung von der Hochschule als erforderlich angesehen und empfohlen wird, um die Ausbildung erfolgreich durchführen und abschließen zu können.
2. Der Ausbildungsstätte steht bei der Anwendung des in § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG genannten unbestimmten Rechtsbegriffs der "üblichen Leistungen" kein Beurteilungsspielraum zu.
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Rechtsquellen
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 1 BAföG § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 1 und 2 Satz 1 und 2, § 15 Abs. 2 und 3, § 15a Abs. 3, § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 3, Satz 3, Abs. 2 HRG § 4 Abs. 3 Satz 1 SGB X § 31 Satz 1, § 44 Abs. 1 Alt. 1 und Abs. 2 Satz 2 VwGO § 137 Abs. 2, § 144 Abs. 4 -
Instanzenzug
VG Hamburg - 11.09.2012 - AZ: VG 2 K 576/12
OVG Hamburg - 01.04.2015 - AZ: OVG 4 Bf 205/12
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Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 25.08.2016 - 5 C 54.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:250816U5C54.15.0]
Urteil
BVerwG 5 C 54.15
- VG Hamburg - 11.09.2012 - AZ: VG 2 K 576/12
- OVG Hamburg - 01.04.2015 - AZ: OVG 4 Bf 205/12
In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 25. August 2016
durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig, Dr. Störmer und
Dr. Fleuß sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms
für Recht erkannt:
- Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 1. April 2015 wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I
1 Der Kläger begehrt die Rücknahme einer negativen und stattdessen die Erteilung einer positiven Leistungsbescheinigung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG.
2 Er nahm zum Wintersemester 2006/2007 das Studium der Zahnmedizin an der beklagten Universität auf. Hierfür erhielt er Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. Im Oktober 2008 ließ das Studierendenwerk antragsgemäß zu, dass der Kläger die vom fünften Fachsemester an für den Bezug von Ausbildungsförderung erforderliche Leistungsbescheinigung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG bis zum Sommersemester 2009 als dem sechsten Fachsemester vorlegt.
3 Mit Bescheinigung vom 21. April 2009 erklärte die Beklagte, es könne nicht bestätigt werden, dass der Kläger die bei geordnetem Verlauf seiner Ausbildung bis zum Ende des fünften Fachsemesters üblichen Leistungen am 31. März 2009 erbracht habe, da ihm die Scheine in Histologie und Makroskopischer Anatomie fehlten. In einer weiteren Bescheinigung vom 28. April 2009 führte die Beklagte darüber hinaus aus, der Kläger habe den Leistungsstand von viereinhalb Fachsemestern erreicht und die Klausuren des fünften Semesters bestanden.
4 Ende Januar 2010 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Ausbildungsförderung für das siebte und achte Fachsemester ab. Gleiches gilt für den erneuten Antrag des Klägers, die Vorlage der erforderlichen Leistungsbescheinigung zu einem späteren Zeitpunkt zuzulassen. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. In dem diesbezüglichen Klageverfahren legte die Beklagte in Beantwortung eines gerichtlichen Auskunftsersuchens eine "Checkliste" der im ersten Abschnitt des Studiums der Zahnmedizin zu erbringenden Leistungen vor. Das Klageverfahren wurde Mitte Oktober 2010 mit Blick darauf ausgesetzt, dass der Kläger bei der Beklagten beantragte, die Bescheinigung vom 28. April 2009 dahin zu ändern, dass er die bis zum Ende des vierten Fachsemesters üblichen Leistungen am 31. März 2009 erbracht habe. Dieser Antrag wurde von der Beklagten nicht beschieden. Das Verwaltungsgericht hat die daraufhin vom Kläger erhobene Untätigkeitsklage als unzulässig abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
5 Die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Aus § 44 Abs. 1 SGB X ergebe sich kein Rücknahmeanspruch. Zwar handele es sich bei der Leistungsbescheinigung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG um einen Verwaltungsakt. Dieser sei aber rechtmäßig ergangen. Bei der Frage, welche Leistungen üblich seien, sei in erster Linie auf die für den Studiengang geltenden Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen abzustellen. Sei diesen - wie hier - nicht zu entnehmen, welche Studienleistungen im Einzelnen bis zum vierten Fachsemester erbracht sein müssten, sei individuell nach dem üblichen Ablauf des Studiums, wie er von der überwiegenden Mehrheit der dortigen Studierenden eingehalten werde, zu beurteilen, ob der betreffende Auszubildende im Vergleich zu dem Durchschnitt der Auszubildenden die bei geordnetem Verlauf seiner Ausbildung bis zum Ende des Bezugszeitpunkts üblichen Leistungen erbracht habe. Das sei im Hinblick auf den Kläger zu verneinen. Der übliche Ablauf des Studiums der Zahnmedizin entspreche der in der Checkliste wiedergegebenen Reihenfolge. Die dem Kläger fehlenden Leistungsnachweise in Histologie und Makroskopischer Anatomie gehörten danach zu den bis zum Ende des vierten Fachsemesters üblichen Leistungen. Der Beklagten stehe bei der Beurteilung, welche üblichen Leistungen der Auszubildende bei geordnetem Verlauf seiner Ausbildung erbracht haben müsse, ein Beurteilungsspielraum zu, den sie nicht überschritten habe. Für eine Kompensation der fehlenden Leistungen durch Scheine, die erst für das fünfte Fachsemester vorgesehen seien, sei kein Raum. Allein entscheidungserheblich sei, dass die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG erfüllt, also die üblicherweise zu erbringenden Leistungen erbracht worden seien. Auf die reine Anzahl der erworbenen Scheine komme es nicht an.
6 Mit seiner Revision rügt der Kläger unter anderem eine Verletzung von § 9 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 15 Abs. 3a BAföG sowie der Studierfreiheit. Er wendet sich gegen die Auslegung und Anwendung des Merkmals der "bei geordnetem Verlauf seiner Ausbildung bis zum Ende des jeweils erreichten Fachsemesters üblichen Leistungen" im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG und die diesbezügliche Zuerkennung eines Beurteilungsspielraums zugunsten der Ausbildungsstätte sowie gegen die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Rechtsgedanke der Kompensation finde in Bezug auf § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG keine Anwendung. Darüber hinaus macht er Verfahrensmängel geltend.
7 Die Beklagte und der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht verteidigen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts.
II
8 Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis im Einklang mit revisiblem Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO) entschieden, dass dem Kläger ein Anspruch auf Rücknahme der erteilten negativen und Ausstellung einer neuen positiven Leistungsbescheinigung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 6. Juni 1983 (BGBl. I S. 645, 1680), für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 2a des Gesetzes vom 20. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2846), nicht zusteht.
9 1. Hinsichtlich des mit dem Hauptantrag verfolgten Verpflichtungsbegehrens verletzt das angefochtene Urteil zwar Bundesrecht, erweist sich aber im Ergebnis als richtig (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). Der Hauptantrag begegnet unter dem Gesichtspunkt der Statthaftigkeit keinen durchgreifenden Bedenken (a). Das Verpflichtungsbegehren ist jedoch in der Sache nicht gerechtfertigt (b).
10 a) Die Klage auf Rücknahme der Leistungsbescheinigung vom 28. April 2009 und Erteilung einer neuen positiven Leistungsbescheinigung ist als Untätigkeitsverpflichtungsklage statthaft. Sie ist insoweit auf Rücknahme bzw. Erteilung eines Verwaltungsaktes gerichtet.
11 Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG wird vom fünften Fachsemester an Ausbildungsförderung unter anderem für den Besuch einer Hochschule nur von dem Zeitpunkt an geleistet, in dem der Auszubildende eine nach Beginn des vierten Fachsemesters ausgestellte Bescheinigung der Ausbildungsstätte darüber vorgelegt hat, dass er die bei geordnetem Verlauf seiner Ausbildung bis zum Ende des jeweils erreichten Fachsemesters üblichen Leistungen erbracht hat.
12 Es spricht einiges dafür, dass derartige Bescheinigungen selbstständig anfechtbare bzw. einklagbare Verwaltungsakte im Sinne des § 31 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X - i.d.F. der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 21. Juli 2016 (BGBl. I S. 1768), sind. So stellt die Ausbildungsstätte aufgrund einer dem öffentlichen Recht zuzuordnenden Rechtsgrundlage im Einzelfall einseitig fest, dass die bei geordnetem Verlauf der Ausbildung bis zum Ende des jeweils erreichten Fachsemesters üblichen Leistungen erbracht bzw. nicht erbracht wurden. Bislang ist allerdings höchstrichterlich nur anerkannt, dass diese Feststellung ihrem objektiven Sinngehalt nach auf Verbindlichkeit gegenüber dem Amt für Ausbildungsförderung gerichtet ist (BVerwG, Beschluss vom 1. Juli 1986 - 5 B 138.85 - Buchholz 436.36 § 48 BAföG Nr. 8 S. 19 m.w.N.; s.a. Beschluss vom 25. November 1987 - 5 B 120.86 - Buchholz 436.36 § 48 BAföG Nr. 10 S. 4). Eine höchstrichterliche Entscheidung dazu, dass der Leistungsbescheinigung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG auch unmittelbare rechtliche Außenwirkung für den betroffenen Auszubildenden zukommt, fehlt. Wenngleich auch hierfür einiges spricht (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Januar 1967 - 6 C 73.64 - BVerwGE 26, 31 <39 ff.>, vom 26. September 1969 - 7 C 67.67 - BVerwGE 34, 65 <67 ff.> und vom 3. Dezember 1976 - 7 C 75.74 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 163 S. 29 f.; ferner Littmann, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch SGB X, Stand März 2016, K § 31 Rn. 47 und 63; Windoffer, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1. Aufl. 2014, § 35 Rn. 75 ff.; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl. 2014, § 35 Rn. 169 ff.), muss diese Frage hier nicht abschließend beantwortet werden. Denn jedenfalls kann die Entscheidung der Ausbildungsstätte über einen Antrag des betroffenen Auszubildenden auf Berichtigung, das heißt Rücknahme unter gleichzeitiger Neuerteilung einer für ihn günstigeren Leistungsbescheinigung, einen anfechtbaren Verwaltungsakt darstellen. Der Auszubildende will durch einen solchen Antrag gerade eine Regelung mit unmittelbarer Rechtswirkung ihm gegenüber herbeiführen, sodass die Ausbildungsstätte - je nach Art und Inhalt ihrer Entscheidung - ihm gegenüber eine entsprechende Regelung treffen kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 9. November 1967 - 2 C 107.64 - BVerwGE 28, 191 <193> und vom 13. November 1975 - 2 C 16.72 - BVerwGE 49, 351 < 354 f.>). So war es auch hier.
13 Die Leistungsbescheinigung vom 28. April 2009 geht - wie mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert und von ihnen bestätigt wurde - auf das Ersuchen des Klägers zurück, die ihm unter dem 21. April 2009 erteilte negative Leistungsbescheinigung in eine positive Leistungsbescheinigung zu ändern. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit der streitgegenständlichen Bescheinigung der Sache nach ab und stellte jedenfalls auf diese Weise ihm gegenüber verbindlich fest, dass er die bei geordnetem Verlauf der Ausbildung bis zum Ende des vierten Fachsemesters üblichen Leistungen am 31. März 2009 nicht erbracht hat.
14 b) Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen für die Rücknahme der Leistungsbescheinigung vom 28. April 2009 nicht vorliegen und damit auch die Voraussetzungen für die daran anknüpfende Erteilung einer neuen positiven Leistungsbescheinigung nicht erfüllt sind.
15 aa) Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Rücknahme kommt hier § 44 SGB X in Betracht. Diese Vorschrift gilt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB X für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden, die nach dem Sozialgesetzbuch ausgeübt wird, zu dessen besonderem Teil auch das Bundesausbildungsförderungsgesetz gehört (§ 68 Nr. 1 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch - SGB I - vom 11. Dezember 1975 <BGBl. I S. 3015>, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 19. Juli 2016 <BGBl. I S. 1757>). Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Nach Absatz 2 dieser Vorschrift ist im Übrigen ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (Satz 1). Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Satz 2). Der Senat lässt offen, ob die Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X - auf den das Oberverwaltungsgericht abgestellt hat - bereits daran scheitert, dass mit der Leistungsbescheinigung nicht unmittelbar über Leistungen im Sinne dieser Vorschrift entschieden wird (vgl. BSG, Urteile vom 29. Mai 1991 - 9a/9 RVs 11/89 - BSGE 69, 14 <16 f.> und vom 8. Dezember 1999 - B 12 KR 12/99 R - BSGE 85, 208 <213>). Denn die weiteren Voraussetzungen für eine Rücknahme liegen - unabhängig davon, welcher Absatz maßgeblich ist - nicht vor. Die Beteiligten stimmen zu Recht darin überein, dass die Beklagte bei Erlass der Leistungsbescheinigung vom 28. April 2009 nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. Ebenso wenig hat sie - entgegen der Auffassung des Klägers - § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG unrichtig angewandt und damit einen rechtswidrigen Verwaltungsakt erlassen.
16 Die Leistungsbescheinigung vom 28. April 2009 entspricht den gesetzlichen Anforderungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG. Zwischen den Beteiligten steht zutreffend nicht im Streit, dass das Ende des vierten Fachsemesters zeitlicher Bezugspunkt für die Üblichkeit der nachzuweisenden Leistungen ist, aber für die Erbringung dieser Leistungen auf den 31. März 2009 als dem Ende des fünften Fachsemesters abzustellen ist, da das Amt für Ausbildungsförderung auf Antrag des Klägers gemäß § 48 Abs. 2 BAföG die spätere Vorlage der Leistungsbescheinigung zu diesem Zeitpunkt zugelassen hatte (vgl. BT-Drs. 7/2098 S. 23). Des Weiteren bemängeln die Beteiligten mit Blick auf § 48 Abs. 1 Satz 3 BAföG (entspricht § 48 Abs. 1 Satz 2 BAföG in der aktuellen Fassung vom 27. Juli 2015 <BGBl. I S. 1386>) zu Recht nicht die zeitgerechte Vorlage der Bescheinigung. Zu entscheiden ist allein darüber, ob es sich bei den vom Kläger bis zum 31. März 2009 erbrachten Leistungen um die bei geordnetem Verlauf seiner Ausbildung bis zum Ende des vierten Fachsemesters üblichen Leistungen gehandelt hat. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar den Maßstab für die Bestimmung der üblichen Leistungen nicht in vollem Umfang zutreffend gebildet ((1)). Rechtsfehlerhaft hat es darüber hinaus einen Beurteilungsspielraum der Beklagten bejaht ((2)). Bei Anwendung des zutreffenden Maßstabes ist die Tatbestandsvoraussetzung auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts jedoch zu verneinen, sodass sich die Entscheidung im Ergebnis als richtig darstellt ((3)).
17 (1) Üblich im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG sind diejenigen Leistungen, die nach der Ordnung der Hochschule bis zum Ende des jeweils erreichten Fachsemesters zu erwarten sind. Das beurteilt sich - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend angenommen hat und von den Beteiligten nicht in Abrede gestellt wird - in erster Linie nach den für den gewählten Studiengang geltenden normativen Vorgaben, insbesondere nach den einschlägigen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen der Hochschule. In Ermangelung entsprechender Bestimmungen ist - entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts sowie der Beteiligten - nicht auf das (tatsächliche) Studierverhalten der überwiegenden Mehrheit der Studierenden abzustellen. Vielmehr bestimmt sich die Üblichkeit der Leistungen in diesem Fall nach den sonstigen nicht förmlichen Vorgaben der Hochschule, die von den Auszubildenden als Verhaltensmaßregeln oder Richtlinien erkannt werden können und deren Einhaltung von der Hochschule als erforderlich angesehen und empfohlen wird, um die Ausbildung erfolgreich durchführen und abschließen zu können. Die (förmlichen und nicht förmlichen) Vorgaben der Hochschule sind sowohl für die Feststellung maßgebend, wann bzw. bis zu welchem Semester welche Leistungsnachweise zu erbringen sind, als auch für die Frage, ob und inwieweit dabei eine Kompensation von Leistungen möglich ist. Die Hochschule kann - wie bereits der Wortlaut der Vorschrift ("bis zum Ende des jeweils erreichten Fachsemesters") und der Regelungszusammenhang insbesondere mit § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG nahelegen - grundsätzlich nur vorsehen, dass Leistungen, die üblicherweise bis zum Ende des jeweils erreichten Fachsemesters zu erbringen sind, aber nicht erbracht wurden, durch andere Leistungen ausgeglichen werden, die nach den maßgeblichen Vorgaben erst in einem höheren Fachsemester erbracht werden sollen, aber bereits zum Ende des jeweils erreichten Fachsemesters im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG bzw. bis zu dem nach § 48 Abs. 2 BAföG zugelassenen späteren Zeitpunkt erbracht wurden. Unter der Voraussetzung, dass die maßgeblichen Vorgaben der Hochschule eine derartige Kompensation gestatten, können die erbrachten anderen Leistungen ebenfalls als im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG üblich anzusehen sein. Die in den (förmlichen und nicht förmlichen) Vorgaben der Hochschule aufgestellten Leistungsanforderungen dürfen nicht so hoch sein, dass sie von den Auszubildenden typischerweise nicht erfüllt werden können.
18 Für die Anknüpfung an die Vorgaben der Hochschule als Maßstab der üblichen Leistungen im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG spricht bereits mit starkem Gewicht, dass die beiden Bestandteile der Tatbestandsvoraussetzung "bei geordnetem Verlauf" und "übliche Leistungen" in einem engen inneren Zusammenhang stehen und zusammengelesen werden müssen. Der Bedeutungsgehalt des Begriffs der "üblichen Leistungen" erschließt sich mithin auch aus dem Begriff "bei geordnetem Verlauf". Geordnet im Sinne der Vorschrift ist der Verlauf, der mit den bestehenden Vorgaben der Hochschule im Einklang steht. Aus der Begriffswahl "übliche Leistungen" ergibt sich darüber hinaus, dass die Hochschule den Auszubildenden nichts Unmögliches abverlangen darf.
19 Die systematische Verknüpfung des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG mit § 9 Abs. 1 und 2 BAföG bekräftigt das vorgenannte Verständnis. Nach § 9 Abs. 1 BAföG wird die Ausbildung gefördert, wenn die Leistungen des Auszubildenden erwarten lassen, dass er das angestrebte Ausbildungsziel erreicht. Ausbildungsziel ist der berufsqualifizierende Abschluss der Ausbildung (vgl. § 7 Abs. 1 BAföG). Die in § 9 Abs. 1 BAföG umschriebene Anspruchsvoraussetzung der Eignung wird gemäß § 9 Abs. 2 BAföG bei dem Besuch einer Hochschule in der Regel als erfüllt angesehen, solange der Auszubildende die Ausbildungsstätte besucht und die den jeweiligen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen entsprechenden Studienfortschritte durch Vorlage unter anderem einer Bescheinigung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG nachweist. Die Anbindung der nachzuweisenden Studienfortschritte an die Ausbildungs- und Prüfungsordnungen weist deutlich in die Richtung, dass die üblichen Leistungen im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG nach den Vorgaben der Hochschule zu bestimmen sind.
20 Der vor allem durch die Bezugnahme in § 48 Abs. 2 BAföG hergestellte systematische Zusammenhang der Bescheinigungen nach § 48 Abs. 1 BAföG mit den Vorschriften über die Förderungshöchstdauer unterstreicht diesen Befund. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 BAföG ist die Ausbildungsförderung bei Studiengängen grundsätzlich auf die Förderungshöchstdauer nach § 15a BAföG begrenzt. Letztere entspricht gemäß § 15a Abs. 1 BAföG der Regelstudienzeit nach § 10 Abs. 2 des Hochschulrahmengesetzes - HRG - i.d.F. der Bekanntmachung vom 19. Januar 1999 (BGBl. I S. 18), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 12. April 2007 (BGBl. I S. 506), und ist definiert als die in den Prüfungsordnungen vorzusehende Zeit, in der ein berufsqualifizierender Abschluss erworben werden kann. Im Übrigen hat das Amt für Ausbildungsförderung, soweit ihm nach § 15a Abs. 2 Satz 3 BAföG die Festsetzung der auf die Förderungshöchstdauer anzurechnenden Zeiten obliegt, dies kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung unter Berücksichtigung der jeweiligen Studien- und Prüfungsordnung zu tun.
21 In dieselbe Richtung weist auch die Binnensystematik des § 48 BAföG. So ergeben sich insbesondere die Leistungen, die nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG durch eine nach den Ausbildungsbestimmungen geforderte Zwischenprüfung nachzuweisen sind, ebenfalls nicht aus dem Studierverhalten der überwiegenden Mehrheit der Studenten, sondern werden durch die einschlägigen Studien- und Prüfungsordnungen festgelegt.
22 Das vorgenannte Auslegungsergebnis entspricht auch der Zielsetzung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes. Danach soll ein Anspruch auf Ausbildungsförderung für den Besuch einer Hochschule grundsätzlich nur dann bestehen, wenn die jeweilige Ausbildung im Hinblick auf das angestrebte Ausbildungsziel in der Weise planmäßig angelegt und durchgeführt wird, dass dieses Ziel in der dafür normalerweise zu veranschlagenden Zeit, d.h. der Förderungshöchstdauer, erreichbar ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. März 1980 - 5 C 52.78 - Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nr. 15 S. 60 und vom 15. Januar 1981 - 5 C 44.78 - Buchholz 436.36 § 46 BAföG Nr. 6 S. 7). Die Leistungsbescheinigung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG dient dazu, die in § 9 Abs. 1 BAföG umschriebene Förderungsvoraussetzung der Eignung, also die erkennbaren Studienfortschritte des Auszubildenden, nachzuweisen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 1982 - 5 C 93.80 - FamRZ 1983, 102 <103>). Legt der Auszubildende eine entsprechende Bescheinigung vor, dann ist die Erwartung gerechtfertigt, er werde sein Studium - wie grundsätzlich vorausgesetzt - innerhalb der Förderungshöchstdauer abschließen (BVerwG, Urteil vom 14. Mai 1992 - 5 C 50.88 - Buchholz 436.36 § 48 BAföG Nr. 14 S. 23). Liegen die Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheinigung nicht vor, steht umgekehrt fest, dass die bisherigen Leistungen des Auszubildenden nicht mehr erwarten lassen, er werde das angestrebte Ausbildungsziel innerhalb der Regelstudienzeit erreichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 1982 - 5 C 93.80 - FamRZ 1983, 102 <103>). Die Forderung nach Vorlage einer Bescheinigung im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG trägt auf diese Weise zugleich dem Interesse an einer sparsamen und sinnvollen Verwendung der von der Allgemeinheit für die Ausbildungsförderung aufzubringenden Mittel Rechnung (BVerwG, Urteil vom 14. Mai 1992 - 5 C 50.88 - Buchholz 436.36 § 48 BAföG Nr. 14 S. 23 m.w.N.). Dieser Zielsetzung widerspräche es, wenn das (tatsächliche) Verhalten der Studierenden den Maßstab der üblichen Leistungen bilden würde. Ausgehend davon, dass es die Aufgabe der Hochschulen ist, Studiengänge anzubieten und so zu gestalten, dass sie innerhalb der Regelstudienzeit und damit der Förderungshöchstdauer (vgl. § 15a Abs. 1 BAföG) auf einen berufsqualifizierenden Abschluss vorbereiten (vgl. § 2 Abs. 1, §§ 7, 10 Abs. 2 Satz 3 HRG), obliegt es grundsätzlich auch ihnen zu entscheiden, welche Leistungen bis zum Ende des jeweils erreichten Fachsemesters erbracht werden müssen, um einen zeitgerechten Abschluss der Ausbildung annehmen zu können, und ob diese Erwartung auch gerechtfertigt ist, wenn statt dieser Leistungen andere Leistungen, die einem höheren Fachsemester zuzuordnen sind, erbracht wurden, damit die zur Verfügung stehenden öffentlichen Mittel möglichst optimal und zweckentsprechend verwendet werden. Des Weiteren folgt daraus, dass die Hochschule keine Leistungsanforderungen aufstellen darf, die derart hoch sind, dass sie von den Studierenden trotz einer umsichtigen Planung und zielstrebigen Durchführung der Ausbildung typischerweise nicht erfüllt werden können.
23 Die Bestimmung der üblichen Leistungen anhand der Vorgaben der Hochschule steht schließlich auch im Einklang mit dem historischen Willen des Gesetzgebers. Denn von der Anbindung des Förderungsrechts an die Ausbildungs- und Prüfungsordnungen ging bereits das Bundesausbildungsförderungsgesetz in seiner Ursprungsfassung aus dem Jahre 1971 aus. Von diesem Prinzip wollte der Gesetzgeber auch in den nachfolgenden Gesetzesfassungen nicht abrücken (vgl. Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf des 17. BAföGÄndG der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/7430 S. 16).
24 Das Auslegungsergebnis ist - entgegen der Auffassung des Klägers - mit höherrangigem Recht vereinbar. Bewegt sich die Hochschule im Rahmen der ihr zugewiesenen Aufgaben und stellt sie mit ihren Vorgaben, wann bzw. bis zu welchem Semester welche Leistungsnachweise zu erbringen sind und ob eine Kompensation von Leistungen nicht zugelassen wird, keine im dargelegten Sinne überzogenen Leistungsanforderungen auf, ergibt sich kein Anhaltspunkt für eine Verletzung höherrangigen Rechts. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die grundrechtlich durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Studierfreiheit. Dieses einfachrechtlich in § 4 Abs. 4 Satz 1 HRG verankerte Recht gewährt Auszubildenden die Freiheit, ihr Studium im Rahmen der einschlägigen Studien- und Prüfungsordnung eigenverantwortlich zu organisieren, Wahlmöglichkeiten zu nutzen und Prüfungszeitpunkte zu bestimmen. Der Studierfreiheit steht allerdings - wie dargelegt - im Hinblick auf die Ausbildungsförderung die Verpflichtung des Auszubildenden gegenüber, seine Ausbildung umsichtig zu planen und zielstrebig durchzuführen. Dementsprechend schützt sie Auszubildende nur dann vor ausbildungsförderungsrechtlichen Konsequenzen, wenn ihre Studienleistungen die Erwartung rechtfertigen, dass sie das angestrebte Ausbildungsziel innerhalb der Förderungshöchstdauer erreichen (vgl. § 9 Abs. 1 und 2, § 15 Abs. 2 Satz 1 BAföG). Den schützenswerten Belangen der Auszubildenden wird im Übrigen durch die Regelung des § 48 Abs. 2 BAföG Rechnung getragen. Danach kann das Amt für Ausbildungsförderung - wie auch hier geschehen - die Vorlage der Bescheinigung zu einem entsprechend späteren Zeitpunkt zulassen, wenn Tatsachen vorliegen, die voraussichtlich eine spätere Überschreitung der Förderungshöchstdauer nach § 15 Abs. 3 BAföG oder eine Verlängerung der Förderungshöchstdauer nach § 15a Abs. 3 BAföG rechtfertigen. Des Weiteren kann eine eingestellte Förderung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 BAföG ("von dem Zeitpunkt an") wieder aufgenommen werden, wenn der Auszubildende dem Amt für Ausbildungsförderung zu Beginn eines späteren als des fünften Fachsemesters eine Leistungsbescheinigung vorlegt, aus der sich ergibt, dass er den der Anzahl der bis dahin zurückgelegten Fachsemester entsprechenden üblichen Wissensstand besitzt und demzufolge den durch die Nichtvorlage der Bescheinigung zu Beginn des fünften Fachsemesters offenbar gewordenen Leistungsrückstand aufgeholt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. November 1978 - 5 C 38.77 - BVerwGE 57, 79 <87>).
25 Entgegen der Ansicht der Revision zwänge eine im Rahmen der Anwendung von § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG abweichende Verwaltungspraxis aus den vorstehenden Erwägungen nicht zur Annahme einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG. Überdies hat das Oberverwaltungsgericht eine solche abweichende Verwaltungspraxis auch nicht festgestellt. Ebenso wenig gebietet das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG, die Bescheinigung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG auch für den Fall zu erteilen, dass die Erbringung der üblichen Leistungen geringfügig unterschritten werde, sofern diese Unterschreitung durch die Erbringung zusätzlicher Leistungen kompensiert werde. Der Gesetzgeber hat der Bedeutung des Grundrechts bei der Ausgestaltung des Ausbildungsförderungsrechts jedenfalls durch die in § 48 Abs. 2 i.V.m. § 15 Abs. 3 oder § 15a Abs. 3 BAföG vorgesehene Zulassung der Vorlage der Bescheinigung zu einem entsprechend späteren Zeitpunkt angemessen Rechnung getragen. Deshalb fordert auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht die generelle Zulassung einer Kompensation.
26 (2) Der Ausbildungsstätte steht bei der Anwendung des in § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG genannten unbestimmten Rechtsbegriffes der "üblichen Leistungen" - entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts - kein Beurteilungsspielraum zu. Die Entscheidung des nach dem jeweiligen Landesrecht hierfür zuständigen hauptamtlichen Mitgliedes des Lehrkörpers der Ausbildungsstätte (vgl. insoweit BVerwG, Beschluss vom 25. November 1987 - 5 B 120.86 - Buchholz 436.36 § 48 BAföG Nr. 10 S. 4) unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle.
27 Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG überträgt die Letztentscheidungsbefugnis für die Auslegung und Anwendung normativer Regelungen den Verwaltungsgerichten. Ein Beurteilungsspielraum der Verwaltung mit der Folge einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte muss zum einen im Gesetz angelegt sein, d.h. sich durch dessen Auslegung mit hinreichender Deutlichkeit ermitteln lassen. Zum anderen muss die Bestimmung des Bedeutungsgehalts einer Rechtsnorm so vage oder ihre fallbezogene Anwendung so schwierig sein, dass die gerichtliche Kontrolle wegen der hohen Komplexität oder der besonderen Dynamik der geregelten Materie an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stößt. Es reicht nicht aus, dass eine rechtliche Würdigung auf der Grundlage eines komplexen Sachverhalts, etwa aufgrund unübersichtlicher und sich häufig ändernder Verhältnisse, zu treffen ist. Hinzu kommen muss, dass die Gerichte die Aufgabe, die entscheidungsrelevanten tatsächlichen Umstände festzustellen und rechtlich zu bewerten, selbst dann nicht bewältigen können, wenn sie im gebotenen Umfang auf die Sachkunde der Verwaltung zurückgreifen oder sich auf andere Weise sachverständiger Hilfe bedienen (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - 5 C 8.15 - NJW 2016, 1602 Rn. 28 m.w.N.).
28 Gemessen daran unterliegen Verwaltungsgerichte hinsichtlich der Auslegung und Anwendung des in Rede stehenden Merkmals keinen Beschränkungen. Die Feststellung, dass der Auszubildende die bei geordnetem Verlauf seiner Ausbildung üblichen Leistungen im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG erbracht oder nicht erbracht hat, ist weder von hoher Komplexität noch von einer besonderen Dynamik gekennzeichnet. Sie verlangt auch keine fachspezifischen, besondere Sachkunde oder Erfahrungen voraussetzenden Wertungen (vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 64 ff. <zu Einschätzungsprärogativen im Naturschutzrecht>). Den Gerichten ist es ohne Weiteres möglich, die positive bzw. negative Entscheidung des zuständigen hauptamtlichen Mitgliedes des Lehrkörpers anhand der für die Auszubildenden verbindlichen bzw. von ihnen als verbindlich anzusehenden Vorgaben der Hochschule nachzuvollziehen. Die vom Auszubildenden erbrachten Leistungen müssen bei der Ausstellung der Bescheinigung auch nicht fachlich bewertet werden (vgl. zum Beurteilungsspielraum bezüglich der fachlichen Bewertung von Prüfungsleistungen etwa BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1993 - 6 C 12. 92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 320 S. 307 f. m.w.N.). Die Prüfung, ob die Vorgaben der Hochschule im Einzelfall eingehalten sind, ist auch für das Mitglied des Lehrkörpers eine reine Rechtsanwendungsfrage.
29 (3) In Anwendung des zutreffenden Maßstabes ergibt sich auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, dass der Kläger bis zum 31. März 2009 die bis zum Ende des vierten Fachsemesters üblichen Leistungen nicht erbracht hat. Der Kläger kann die fehlenden bis zum Ende des vierten Fachsemesters üblichen Leistungen nicht durch von ihm bis zum 31. März 2009 erbrachten Leistungen ausgleichen, die dem fünften Fachsemester zuzuordnen sind.
30 Nach der für den Senat gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO bindenden Auslegung der dem nicht revisiblen Recht zuzuordnenden einschlägigen Studien- und Prüfungsordnung ist dieser nicht zu entnehmen, welche Leistungen im Einzelnen bis zum vierten Fachsemester im Studiengang Zahnmedizin zu erbringen waren. Allerdings sieht die nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts von der Beklagten in dem ausgesetzten Klageverfahren betreffend die Gewährung von Ausbildungsförderung für das siebte und achte Fachsemester vorgelegte "Checkliste" eine Reihenfolge der zu belegenden Kurse und Praktika vor und ordnet diese verbindlich den einzelnen Fachsemestern zu. Ausweislich dieser Liste ist üblicherweise der Kurs in "Makroskopischer Anatomie" im dritten Fachsemester und der Kurs "Mikroskopische Anatomie" (= Histologie) im vierten Fachsemester abzulegen. Diese Tatsachenfeststellungen sind für den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindend, weil sie vom Kläger nicht mit Verfahrensrügen angegriffen wurden. Der Kläger bestreitet mit den von ihm erhobenen Verfahrensrügen weder, dass es diese "Checkliste" gibt, noch, dass danach die genannten Leistungsnachweise zu den genannten Zeitpunkten zu erbringen waren. Des Weiteren hat das Oberverwaltungsgericht bindend festgestellt, dass der Kläger die Kurse "Makroskopische Anatomie" und "Mikroskopische Anatomie" bis zum 31. Mai 2009 nicht erfolgreich abgeschlossen hat. Eine Kompensation dieser Leistungen durch Leistungen aus dem fünften Fachsemester ist in den Vorgaben der Beklagten nicht angelegt. Der Kläger hat keine Verfahrensrüge erhoben, die auf die gegenteilige Feststellung gerichtet ist. Schließlich zielt der Kläger mit keiner der von ihm erhobenen Verfahrensrügen inhaltlich auf die Feststellung ab, die von der Beklagten in der "Checkliste" vorgegebenen Leistungsanforderungen seien so hoch, dass sie von den Auszubildenden typischerweise nicht erfüllt werden könnten.
31 Der Senat kann es bei den vorstehenden Ausführungen zu den vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen belassen. Denn es bedarf keiner Entscheidung darüber, ob auf der Grundlage der materiellrechtlichen Rechtsauffassung des angefochtenen Urteils ein Verfahrensfehler zu bejahen ist, wenn sich die möglicherweise fehlerhafte Feststellung (oder deren Unterlassung) nach der Rechtsauffassung des Revisionsgerichts unter keinen Umständen für die Entscheidung als erheblich erweist. Die Revision wäre gemäß § 144 Abs. 4 VwGO trotz des geltend gemachten Verfahrensfehlers zurückzuweisen, wenn die mit der Verfahrensrüge angefochtene Feststellung hinweggedacht (oder hinzugedacht) werden kann, ohne dass die Richtigkeit der Entscheidung in Frage gestellt wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 1994 - 11 C 48.92 - Buchholz 442.151 § 46 StVO Nr. 10 S. 5 f. m.w.N.). So verhält es sich hier.
32 Die Verfahrensrügen des Klägers gehen - was prozessual richtig ist - vom materiellrechtlichen Standpunkt des Oberverwaltungsgerichts aus und befassen sich demzufolge inhaltlich ausschließlich mit dem tatsächlichen Verhalten der Studierenden und dem tatsächlichen Verlauf der Ausbildung. Auf die diesbezüglichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts kommt es bei richtiger Rechtsanwendung für die Entscheidung nicht an. Das Oberverwaltungsgericht hätte bei Anwendung des richtigen Prüfungsmaßstabes auch ohne die gerügten Verfahrensmängel - wie dargelegt - im Ergebnis nicht anders entscheiden dürfen.
33 bb) Aus den vorstehenden Erwägungen bleibt auch dem auf Erteilung einer positiven Leistungsbescheinigung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG gerichteten Verpflichtungsbegehren des Klägers der Erfolg versagt.
34 2. Der Senat hatte über das vom Kläger mit dem Hilfsantrag verfolgte Leistungsbegehren nicht zu entscheiden, da dessen implizite innerprozessuale Bedingung nicht eingetreten ist. Mit dem Hilfsantrag will der Kläger erreichen, dass die Beklagte zur Ersetzung der negativen durch eine positive Leistungsbescheinigung verurteilt wird, sollte es sich bei der Leistungsbescheinigung nicht um einen Verwaltungsakt handeln. Da der angefochtenen Leistungsbescheinigung vom 28. April 2009 - wie dargelegt - Verwaltungsaktcharakter zukommt, ist der Hilfsantrag zu 2. nicht zur Entscheidung angefallen.
35 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.