Beschluss vom 26.01.2022 -
BVerwG 1 WB 25.21ECLI:DE:BVerwG:2022:260122B1WB25.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.01.2022 - 1 WB 25.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:260122B1WB25.21.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 25.21

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
den ehrenamtlichen Richter Generalstabsarzt Dr. Kalinowski und
den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Wittig
am 26. Januar 2022 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen eine Äußerung des Inspekteurs der Streitkräftebasis.

2 1. Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ablauf des 31. März 2026. Zuletzt wurde er am 10. März 2016 zum Oberst befördert und mit Wirkung vom 1. Januar 2016 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 16 eingewiesen.

3 Mit Verfügung des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 11. Dezember 2018 war der Antragsteller mit einer voraussichtlichen Verwendungsdauer bis 31. Oktober 2020 auf den Dienstposten des ... beim .../USA versetzt worden. Unter dem 19. Mai 2020 teilte das Kommando Streitkräftebasis mit, dass es als Bedarfsträger keine Veranlassung für eine Verlängerung der Verwendungsdauer sehe. Der Antragsteller wurde daraufhin über eine Versetzung auf ein dienstpostenähnliches Konstrukt beim A vororientiert, die kurz darauf in eine entsprechende Vororientierung zum Kommando ... in B geändert wurde. Mit Verfügung vom 25. Juni 2020 versetzte das Bundesamt für das Personalmanagement den Antragsteller zum 1. November 2020 mit Dienstantritt am 4. Januar 2021 auf ein dienstpostenähnliches Konstrukt beim Kommando ... Einen hiergegen gerichteten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat der Senat mit Beschluss vom 9. Dezember 2020 - 1 WDS-VR 15.20 - abgelehnt und den Antrag auf gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache mit Beschluss vom 25. Februar 2021 - 1 WB 25.20 - zurückgewiesen.

4 Im Folgenden wurde der Antragsteller mit Verfügung des Bundesamts für das Personalmanagement vom 16. April 2021 zum 1. Oktober 2021 - unter vorangehender Kommandierung ab 17. August 2021 - auf den Dienstposten des .../Frankreich weiterversetzt.

5 2. Mit seiner gegen die Versetzung zum Kommando ... gerichteten Beschwerde vom 14. Juli 2020 hatte sich der Antragsteller gleichzeitig gegen eine Äußerung des Inspekteurs der Streitkräftebasis gewandt. Dieser - hier gegenständliche - Beschwerdeanteil wurde zuständigkeitshalber an den Generalinspekteur der Bundeswehr als truppendienstlichem Vorgesetzten des Inspekteurs der Streitkräftebasis abgegeben.

6 Zur Begründung führte der Antragsteller insoweit aus, er habe von seinem Personalführer erfahren, dass der Inspekteur der Streitkräftebasis jedwede künftige Verwendung seiner Person im militärischen Organisationsbereich Streitkräftebasis kategorisch ausgeschlossen habe. Gegen diesen Versuch des Inspekteurs, hinsichtlich künftiger Verwendungen in der Streitkräftebasis so etwas wie einen "Bannfluch" auszusprechen, verwahre er sich mit aller Entschiedenheit. Es sei nicht hinnehmbar, dass seine Vorgesetzten ihm wegen ihres gescheiterten Antrags auf Spannungsversetzung und der Unmöglichkeit, ihm angebliche Dienstvergehen nachzuweisen, nun im Wege der missbräuchlichen Ausnutzung ihrer truppendienstlichen Befugnisse in Personalangelegenheiten Schaden zufügen wollten. Ein derartiges Verhalten verstoße zudem gegen das Benachteiligungsverbot des Beschwerderechts.

7 Mit E-Mail vom 3. August 2020 bestätigte der Inspekteur der Streitkräftebasis, dass er vor dem Hintergrund des von dem Antragsteller gegenüber dem gesamten Organisationsbereich Streitkräftebasis postulierten eklatanten Misstrauensvotums im Hinblick auf dessen anstehende Versetzung gegenüber dem Abteilungsleiter Führung intern sinngemäß geäußert habe, dass er für den Antragsteller absehbar keine Verwendung in der Streitkräftebasis sehe. Mit weiterer E-Mail vom 11. August 2020 ließ der Abteilungsleiter Führung im Kommando Streitkräftebasis erklären, dass dem Abteilungsleiter ... des Bundesamts für das Personalmanagement am 10. Juni 2020 per E-Mail mitgeteilt worden sei, dass seitens der Führung der Streitkräftebasis eine (an die damals aktuelle Verwendung) anschließende Aufnahme des Antragstellers in der Streitkräftebasis ausgeschlossen werde. Ob und wie dies in die weitere Verwendungsplanung des Bundesamts für das Personalmanagement eingeflossen sei, könne er nicht beurteilen.

8 Mit E-Mail vom 29. August 2020 trat der Antragsteller ausführlich der Äußerung des Inspekteurs entgegen, er hätte gegenüber dem gesamten militärischen Organisationsbereich Streitkräftebasis ein eklatantes Misstrauensvotum postuliert. Mit E-Mail vom 18. September 2020 nahm der Inspekteur ergänzend Stellung und verwies für seine Äußerung auf mehrere, konkret bezeichnete Passagen in Schreiben des Antragstellers, in denen dieser das Verhältnis seiner Vorgesetzten (einschließlich des Inspekteurs) zur Rechtsordnung und deren allgemeine Rechtstreue in Zweifel gezogen habe. Dem widersprach der Antragsteller nochmals ausführlich mit E-Mail vom 5. Oktober 2020.

9 Unter dem 19. November 2020 erließ der Inspekteur der Streitkräftebasis eine Absehensverfügung hinsichtlich der gegen den Antragsteller geführten disziplinaren Vorermittlungen. Darin wurden in fünf Punkten Dienstvergehen festgestellt, von deren Ahndung jedoch wegen des Ablaufs der Ahndungsfristen abgesehen worden sei. Hinsichtlich zehn weiterer Punkte habe kein Dienstvergehen festgestellt werden können. Gegen die Absehensverfügung hat der Antragsteller die Entscheidung des Truppendienstgerichts beantragt.

10 Mit Schreiben vom 7. Januar 2021 erhob der Antragsteller weitere Beschwerde, weil über seine Beschwerde bis dahin noch nicht entschieden worden sei.

11 Mit Bescheid vom 2. März 2021 wies das Bundesministerium der Verteidigung die weitere Beschwerde zurück, weil diese unzulässig sei. Überlegungen, Bewertungen, Stellungnahmen oder Zwischenentscheidungen, die lediglich dazu dienten, truppendienstliche Maßnahmen oder Personalmaßnahmen vorzubereiten, enthielten noch keine Beschwer. Dies gelte auch für die Aussage des Inspekteurs der Streitkräftebasis, die lediglich als Stellungnahme gegenüber dem Bundesamt für das Personalmanagement im Hinblick auf die zukünftige Verwendungsplanung für den Antragsteller zu werten sei und keine endgültige, ihn beschwerende Maßnahme darstelle. Die Zuständigkeit für den Erlass einer Personalmaßnahme verbleibe jedenfalls beim Bundesamt für das Personalmanagement.

12 Hiergegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 11. April 2021 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 18. Mai 2021 dem Senat vorgelegt.

13 Zur Begründung erklärte der Antragsteller, dass er an seinem Beschwerdevorbringen unverändert festhalte. Seine rechtliche Beschwer beruhe darauf, dass Versetzungsentscheidungen nicht durch die Inspekteure der militärischen Organisationsbereiche, sondern durch die zentrale Personalführung getroffen würden. Gerade darin liege die Überschreitung der Kompetenzen durch den Inspekteur der Streitkräftebasis, die sich in der telefonischen Erklärung des Personalführers niedergeschlagen habe, man habe aufgrund dieses Bedarfsträgervotums gar keine andere Wahl gehabt, als die ursprünglich beabsichtigte Versetzung nach A abzuändern. Der Inspekteur der Streitkräftebasis sei bis zu seiner Intervention beim Bundesamt für das Personalmanagement von mehreren Beschwerden betroffen gewesen, zu deren Einlegung er, der Antragsteller, sich im Zeitraum Februar bis Mai 2020 veranlasst gesehen habe. Zudem dürfte der Inspekteur erfahren haben, dass der Antrag auf eine Spannungsversetzung nicht durchgedrungen sei. Die Vermutung liege deshalb nahe, dass er mit seiner hier gegenständlichen Intervention Revanche habe nehmen wollen, was eine Verletzung des Benachteiligungsverbots gemäß § 2 WBO darstelle. Ebenfalls bestätigt habe sich seine Besorgnis, der rechtswidrige "Bannfluch" des Inspekteurs der Streitkräftebasis könne über die Versetzung nach B hinaus dauerhafte Wirkung entfalten. Sein gesamter bisheriger Verwendungsaufbau prädestiniere ihn für Verwendungen im Kompetenzbereich Führung/Einsatz auf der operativen oder militärstrategischen Ebene. Nahezu sämtliche hierfür infrage kommenden Dienstposten seien im Organisationsbereich Streitkräftebasis angesiedelt, namentlich in der NATO-Kommandostruktur oder beim Multinationalen Kommando Operative Führung. Obwohl zum 1. Oktober 2021 ein großer Stellenwechsel anstehe, sei ihm trotz mehrfacher Nachfragen nur ein einziger Dienstposten und dieser im Organisationsbereich ... aufgezeigt worden. Ungeachtet der Tatsache, dass er der Versetzung auf diesen Dienstposten mangels Alternative zugestimmt habe, sehe er sich hierdurch in seinem verfassungsmäßigen Recht auf Zugang zu öffentlichen Ämtern nach Eignung, Leistung und Befähigung verletzt.

14 Der Antragsteller beantragt,
festzustellen, dass die Einflussnahme des Inspekteurs der Streitkräftebasis auf die zentrale Personalführung (Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr), die auf seinen Ausschluss von künftigen Verwendungen im militärischen Organisationsbereich Streitkräftebasis zielt, rechtswidrig war und ist.

15 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

16 Es hält den Antrag auf gerichtliche Entscheidung ebenso wie bereits die Beschwerde für unzulässig, weil es sich bei der Äußerung des Inspekteurs der Streitkräftebasis um eine Stellungnahme handele, die sich im Bereich der Vorbereitung einer Personalmaßnahme bewege und deshalb einer selbständigen gerichtlichen Nachprüfung nicht zugänglich sei. Der Feststellungsantrag sei außerdem unzulässig, weil er subsidiär gegenüber Anfechtungs- und Verpflichtungsanträgen sei und es an einem Feststellungsinteresse fehle.

17 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten verwiesen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

18 Unabhängig von der Fassung als Anfechtungs- oder Feststellungsbegehren ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung jedenfalls unzulässig, weil die beanstandete Äußerung des Inspekteurs der Streitkräftebasis keine dienstliche Maßnahme im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) und damit keinen geeigneten Gegenstand eines gerichtlichen Antragsverfahrens nach der Wehrbeschwerdeordnung darstellt.

19 Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO kann mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nur geltend gemacht werden, dass eine dienstliche Maßnahme oder deren Unterlassung rechtswidrig sei. Merkmal einer Maßnahme in diesem Sinne ist (u.a.), dass sie unmittelbar gegen den Soldaten gerichtet ist oder - obwohl an andere Soldaten gerichtet - in Form einer Rechtsverletzung oder eines Pflichtenverstoßes in seine Rechtssphäre hineinwirkt. Überlegungen, Bewertungen, Stellungnahmen oder Zwischenentscheidungen, die lediglich der Vorbereitung von truppendienstlichen Maßnahmen oder Personalmaßnahmen dienen, sind hingegen als Elemente innerdienstlicher Willens- und Meinungsbildung noch keine die Rechte eines Soldaten unmittelbar berührenden Maßnahmen; sie sind infolgedessen einer selbständigen gerichtlichen Nachprüfung nicht zugänglich (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. Oktober 2012 - 1 WB 59.11 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 84 Rn. 27, vom 25. September 2014 - 1 WB 49.13 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 89 Rn. 21 und vom 26. Oktober 2017 - 1 WB 3.17 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 98 Rn. 22, jeweils m.w.N.).

20 Die an das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr übermittelte Äußerung des Inspekteurs der Streitkräftebasis, dass er für den Antragsteller absehbar keine Verwendung in der Streitkräftebasis sehe, stellt danach eine nur vorbereitende Stellungnahme dar. Die Äußerung will auf künftige Personalmaßnahmen des Bundesamts für das Personalmanagement Einfluss nehmen, wirkt jedoch für sich genommen noch nicht in die Rechtssphäre des Antragstellers hinein. Sie ist insofern vergleichbar mit Stellungnahmen, die im Rahmen eines mehrstufigen Verfahrens vor der abschließenden Entscheidung der dafür zuständigen Stelle abgegeben werden (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 2012 - 1 WB 18.12 - juris Rn. 23). Ebenso wie derartige Stellungnahmen sind Äußerungen von Seiten des Bedarfsträgers zur Verwendungsplanung nicht isoliert anfechtbar. Erst die durch das Bundesamt für das Personalmanagement getroffene abschließende Entscheidung unterliegt als truppendienstliche Maßnahme der wehrdienstgerichtlichen Kontrolle, in deren Rahmen es - inzident - auch zu einer gerichtlichen Überprüfung der Einwirkung des Inspekteurs kommen kann, soweit sich diese in der konkreten Personalmaßnahme niedergeschlagen hat.

21 Eine Überprüfung der Äußerung des Inspekteurs der Streitkräftebasis kann deshalb nur im Zusammenhang mit einer den Antragsteller betreffenden Personalmaßnahme stattfinden. Sie käme etwa in Betracht, falls der Antragsteller gegen seine Versetzung auf den Dienstposten des .../Frankreich (Verfügung des Bundesamts für das Personalmanagement vom 16. April 2021), der er allerdings vorab zugestimmt hatte, fristgerecht Beschwerde erhoben haben sollte. Über seine Versetzung auf ein dienstpostenähnliches Konstrukt beim Kommando ... (Verfügung des Bundesamts für das Personalmanagement vom 25. Juni 2020) hat der Senat bereits mit Beschluss vom 25. Februar 2021 - 1 WB 25.20 - rechtskräftig entschieden.