Beschluss vom 26.06.2024 -
BVerwG 8 B 18.23ECLI:DE:BVerwG:2024:260624B8B18.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.06.2024 - 8 B 18.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:260624B8B18.23.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 18.23

  • VG Potsdam - 15.12.2022 - AZ: 11 K 1196/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 26. Juni 2024 durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Meister und Dr. Naumann beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 15. Dezember 2022 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger begehrt die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung im Zusammenhang mit der Enteignung seines Rechtsvorgängers. Dessen Anträge auf Rückübertragung der Vermögenswerte nach dem Vermögensgesetz wurden rechtskräftig abgelehnt. Der Beklagte lehnte auch den Antrag auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung ab. Das Verwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen. Das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG) sei nicht anwendbar. Soweit der Kläger geltend mache, sein Rechtsvorgänger sei bereits im Nationalsozialismus verfolgt worden, ergebe sich dies aus § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG, wonach das Gesetz auf Maßnahmen vor dem 8. Mai 1945 nicht anwendbar sei. Soweit er geltend mache, sein Rechtsvorgänger sei auch nach Kriegsende verfolgt worden, folge dies aus § 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 VwRehaG. Danach sei dieses Gesetz nicht anwendbar, soweit das Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen anwendbar sei, einschließlich der nicht restitutionsfähigen besatzungsrechtlichen und besatzungshoheitlichen Maßnahmen. So liege es im Hinblick auf die 1946 im Zuge der Bodenreform und damit besatzungsrechtlich vollzogenen Enteignungsmaßnahmen. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde hat keinen Erfolg.

3 1. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

4 a) Der gerügte Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) wegen aktenwidriger Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist nicht substantiiert dargetan (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Eine aktenwidrige Feststellung setzt voraus, dass eine Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung in offensichtlichem Widerspruch zu einer durch Bezugnahme auf die Akten festgestellten Tatsache steht. Der Widerspruch muss zweifelsfrei zu Tage liegen, sodass es keiner weiteren Beweiserhebung zur Klärung des Sachverhalts bedarf (BVerwG, Beschlüsse vom 30. Juli 2001 - 4 BN 41.01 - NVwZ 2002, 87 <88> und vom 28. März 2013 - 4 B 15.12 - juris Rn. 22).

5 Dem genügt die Beschwerde nicht. Der Kläger rügt, die Aktenlage belege weder, dass die vollständige Durchführung der Bodenreform sämtliche Grundstücke erfasst habe, noch, dass es neue Grundbuchunterlagen zu allen Grundstücken gebe. Er zeigt aber nicht auf, dass sich der von ihm behauptete teilweise Abbruch der Bodenreform in einer Weise aus der Akte ergebe, die eine weitere Beweiserhebung zur Klärung des Sachverhalts entbehrlich machte. Daran ändert auch sein Vortrag gegenüber der Vorinstanz nichts, die Aufteilung sei in sämtlichen vier Bezirken des Kreises nicht voll durchgeführt worden. Daraus ergibt sich nicht zweifelsfrei, dass die Bodenreform hinsichtlich streitbefangener Flächen abgebrochen worden ist. Auch das weitere Vorbringen der Beschwerde, die Bodenreform sei teils unsachgemäß erfolgt, legt widersprüchliche Feststellungen der Vorinstanz nicht dar. Denn die Sachgemäßheit aller Verfahrensschritte der Bodenreform hat die Vorinstanz nicht festgestellt. Vielmehr kam es nach deren Rechtsauffassung nicht darauf an, ob alle für die Durchführung der Bodenreform vorgesehenen Verfahrensschritte korrekt abgewickelt worden waren. Der Einwand der Beschwerde, das Verwaltungsgericht habe die Sachgemäßheit aller Verfahrensschritte der Bodenreform zu Unrecht nicht gefordert, betrifft die Anwendung des materiellen Rechts; ein Verfahrensmangel kann damit nicht begründet werden.

6 b) Das Verwaltungsgericht hat das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) nicht verletzt. Dieses grundrechtsgleiche Recht verpflichtet das Gericht, nach seiner Rechtsauffassung rechtlich erhebliches Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Gericht das gesamte Vorbringen in den Entscheidungsgründen abhandeln muss. Vielmehr muss es auch in einem Urteil nur diejenigen tatsächlichen und rechtlichen Gründe angeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO).

7 Nach diesem Maßstab liegt eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht vor. Die Rüge des Klägers, das Verwaltungsgericht habe seinen Vortrag zum Abbruch der Bodenreform übergangen, ist nicht berechtigt. Das Verwaltungsgericht hat sich damit ausdrücklich befasst (UA S. 8) und ist davon ausgegangen, dass die im Zuge der Bodenreform vollzogenen Enteignungsmaßnahmen vollständig durchgeführt worden sind. Dass es der abweichenden Würdigung des Klägers zum vermeintlichen Abbruch der Bodenreform nicht gefolgt ist, begründet keinen Gehörsverstoß (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 20. September 2023 - 8 B 8.23 - juris Rn. 3 m. w. N.). Das weitere Vorbringen des Klägers, das Verwaltungsgericht habe seinen Vortrag ausgeblendet, wonach es wegen des Abbruchs der Bodenreform keine ausschließliche Gesetzeskonkurrenz zwischen dem Vermögensgesetz und dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz gebe, führt ebenfalls nicht auf einen Gehörsverstoß. Da das angegriffene Urteil nicht von einem Abbruch der Bodenreform ausgeht, war das Vorbringen nach der insoweit maßgeblichen Auffassung der Vorinstanz nicht erheblich und musste nicht berücksichtigt werden (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. August 2014 - 2 BvR 2639/09 - NVwZ 2015, 52 Rn. 47 f.).

8 c) Eine Verletzung des Grundsatzes der Amtsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist gleichfalls nicht dargetan. Wird sie geltend gemacht, muss der Rechtsmittelführer substantiiert darlegen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer ihm günstigeren Entscheidung hätte führen können. Weiterhin muss er aufzeigen, dass er im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben er nunmehr beanstandet, hingewirkt hat oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2019 - 4 CN 8.18 - BVerwGE 166, 378 Rn. 29).

9 Das leistet die Beschwerde nicht. Soweit sie kritisiert, das Verwaltungsgericht hätte sämtliche Akten zur Bodenreform und sämtliche historischen sowie aktuellen Grundbücher beiziehen müssen, um zu belegen, dass hinsichtlich aller Grundstücke neue Grundbücher für die "Neusiedler" angelegt worden seien, wird nicht ersichtlich, warum sich der Vorinstanz die genannten Aufklärungsmaßnahmen vor dem Hintergrund der im vermögensrechtlichen Verfahren dazu getroffenen gerichtlichen Feststellungen, auf die sie sich ausdrücklich beruft, und angesichts den in den Akten enthaltenen tatsächlichen Angaben hätten aufdrängen müssen. Dies darzulegen ist hier auch nicht entbehrlich, denn der Kläger hat vor dem Verwaltungsgericht eine entsprechende Sachverhaltsaufklärung nicht förmlich beantragt. Sein Hinweis auf seinen Beweisantrag aus dem Schriftsatz vom 7. Dezember 2022 zu B. gebietet keine abweichende Beurteilung, da dieser nicht auf die Beiziehung von Akten gerichtet war und eine andere Beweistatsache betraf. Gleiches gilt für den Beweisantrag zu A. aus demselben Schriftsatz. Dieser Antrag hatte zwar eine Aktenbeiziehung zum Gegenstand, stand jedoch nicht im Zusammenhang mit der von der Beschwerde jetzt für aufklärungsbedürftig erachteten Beweistatsache. Im Übrigen setzt der Kläger sich nicht mit den Gründen des Verwaltungsgerichts für die Ablehnung des Beweisantrags auseinander.

10 d) Entgegen dem Vorbringen des Klägers fehlen dem angegriffenen Urteil ersichtlich nicht die Entscheidungsgründe im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO. Dass der Kläger diese Entscheidungsgründe für rechtlich unzutreffend, sein Anliegen und die Rechtslage verkennend oder sonst für fehlerhaft hält, trägt nicht die Schlussfolgerung, diese seien nicht vorhanden. Der damit im Zusammenhang erhobene Vorwurf der Beschwerde, das fehlerhafte Verständnis der Vorinstanz des § 1 Abs. 8 VermG und des § 1 Abs. 1 VwRehaG habe zu einem willkürlichen Urteil geführt, kann einen Verfahrensmangel ebenfalls nicht begründen. Die Auslegung von Rechtsnormen im Rahmen der Sachprüfung gehört zum Kern materieller Rechtsfindung, berührt hingegen nicht den Verfahrensablauf und die ihn regelnden Vorschriften des Verfahrensrechts. Unterlaufen dem Gericht Fehler bei der Auslegung und Anwendung materiellen Rechts, so handelt es sich nicht, auch nicht ausnahmsweise im Fall objektiver Willkür, um Verfahrensfehler (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 16. Februar 2012 - 9 B 71.11 - NVwZ 2012, 1490 Rn. 8 m. w. N.).

11 2. Hinsichtlich der vom Kläger angeführten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) fehlt es an jeglicher nachvollziehbarer Darlegung, sodass eine darauf gestützte Zulassung der Revision nicht in Betracht kommt.

12 Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

13 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG.

Beschluss vom 24.06.2025 -
BVerwG 8 B 23.24ECLI:DE:BVerwG:2025:240625B8B23.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 24.06.2025 - 8 B 23.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:240625B8B23.24.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 23.24

  • VG Potsdam - 15.12.2022 - AZ: 11 K 1196/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 24. Juni 2025 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Naumann beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss vom 26. Juni 2024 - BVerwG 8 B 18.23 - wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Der Beschluss des Senats vom 26. Juni 2024 verletzt nicht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

2 Im gerichtlichen Verfahren gewährleisten Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO den Beteiligten das Recht, sich vor einer Entscheidung zu allen erheblichen tatsächlichen und rechtlichen Fragen zu äußern. Das Gericht muss nach seiner Rechtsauffassung rechtlich erhebliches Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Eine Verletzung dieser Pflicht ist allerdings nicht schon anzunehmen, wenn eine Entscheidung nicht auf jedes Element eines sehr umfangreichen Vortrags eingeht, sondern erst, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen ergibt, dass nach der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserhebliches Vorbringen übergangen wurde. Davon ist auszugehen, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Beteiligtenvorbringens zu einer Frage, die nach seiner eigenen Rechtsauffassung für den Prozessausgang von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht eingeht. Die eine entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs begründenden Umstände sind gemäß § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO vom Rügeführer substantiiert und schlüssig darzulegen. Er muss die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Möglichkeit einer derartigen Verletzung ableiten lässt. Was dazu im Einzelnen vorzutragen ist, bestimmt sich danach, auf welche Gründe die Anhörungsrüge gestützt wird. Die Anhörungsrüge lässt sich nicht mit Einwendungen begründen, die auf die Fehlerhaftigkeit der mit ihr angegriffenen Entscheidung zielen. Denn die Anhörungsrüge stellt keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung dar (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 7. Juni 2024 - 8 B 39.23 - juris Rn. 2 f. m. w. N.).

3 Nach diesem Maßstab hat der Senat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Seine Rüge, der angegriffene Beschluss des Senats gehe auf den wesentlichen Kern seines Vortrags nicht ein, sondern habe stattdessen einen "falsche[n], andere[n] Sachverhalt entschieden", ist nicht berechtigt. Der Kläger verkennt, dass der Senat im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision keine eigenen Sachverhaltsfeststellungen trifft. Soweit der Kläger geltend macht, eine Enteignung seines Rechtsvorgängers durch Bodenreformmaßnahmen sei juristisch ausgeschlossen gewesen, weil bereits vor dem 8. Mai 1945 die Grundbuchblätter vernichtet gewesen seien, wendet er sich gegen die inhaltliche Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Dabei lässt sein Vorbringen unberücksichtigt, dass das Verwaltungsgericht die Annahme, der Rechtsvorgänger des Klägers sei im Jahr 1946 besatzungsrechtlich im Zuge der Bodenreform enteignet worden, nicht "unterstellt", sondern auf die Feststellungen des rechtskräftig abgeschlossenen vermögensrechtlichen Parallelverfahrens gestützt hat. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs durch den Beschluss des Senats kann mit diesem Vorbringen nicht begründet werden.

4 Die weitere Rüge, die Ausführungen in Randnummer 5 des angegriffenen Beschlusses seien willkürlich, begründet ebenfalls keine Verletzung rechtlichen Gehörs. Dort hat der Senat im Einzelnen ausgeführt, weshalb die auf den Vorwurf aktenwidriger Feststellungen des Verwaltungsgerichts gestützte Rüge eines Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz den in Randnummer 4 dargelegten Voraussetzungen nicht genügt. Entgegen dem Rügevorbringen des Klägers liegt auch diesen Ausführungen keine "Unterstellung der Bodenreform" zugrunde. Vielmehr hat der Senat darauf hingewiesen, dass es nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht darauf ankam, ob die für die Durchführung der Bodenreform vorgesehenen Verfahrensschritte korrekt abgewickelt worden waren.

5 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.