Verfahrensinformation



Die Antragstellerin betreibt in Niedersachsen einen Elektronikfachmarkt. Sie begehrt mit ihrem Normenkontrollantrag die Feststellung, dass § 10 Abs. 1b Satz 1 der Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 vom 30. Oktober 2020 in der ab dem 13. Februar 2021 bis zum Ablauf des 7. März 2021 gültigen Fassung (im Folgenden: Niedersächsische Corona-Verordnung) unwirksam war. Nach dieser Vorschrift waren alle Verkaufsstellen des stationären Einzelhandels für den Kundenverkehr und Besuche geschlossen. Ausgenommen von der Betriebsschließung waren die Verkaufsstellen für die Versorgung mit Lebensmitteln oder mit Gütern oder Dienstleistungen des täglichen Bedarfs in den Betrieben und Einrichtungen nach § 10 Abs. 1b Satz 1 Nrn. 1 bis 23 der Niedersächsischen Corona-Verordnung; Elektronikfachmärkte gehörten nicht dazu. Öffnen durften auch Verkaufsstellen mit einem Mischsortiment, das im Schwerpunkt privilegierte Waren umfasste (§ 10 Abs. 1b Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung). Die Antragstellerin hat zur Begründung ihres Normenkontrollantrags vor dem erstinstanzlich zuständigen Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht unter anderem geltend gemacht, das Öffnungsverbot für Elektronikfachmärkte habe das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt und gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen.


Das Oberverwaltungsgericht hat den Antrag durch Urteil vom 1. Juni 2023 abgelehnt. Es hat angenommen, dass die angegriffene Vorschrift auf einer tragfähigen Rechtsgrundlage beruht habe sowie hinreichend bestimmt gewesen sei. Des Weiteren hat es angenommen, dass es sich bei den verordneten Betriebsschließungen um notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne von § 32 Satz 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 14 des Infektionsschutzgesetzes in der Fassung vom 21. Dezember 2020 gehandelt habe. Die Eingriffe in die Berufsfreiheit seien verhältnismäßig gewesen. Die in § 10 Abs. 1b Satz 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vorgenommenen Differenzierungen seien durch hinreichende Sachgründe gerechtfertigt gewesen.


Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision der Antragstellerin.


Urteil vom 26.06.2025 -
BVerwG 3 CN 3.23ECLI:DE:BVerwG:2025:260625U3CN3.23.0

Schließung von Einzelhandel anlässlich der Corona-Pandemie

Leitsatz:

Die Schließungen von Verkaufsstellen des Einzelhandels durch § 10 Abs. 1b der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 30. Oktober 2020 in der vom 13. Februar bis zum 7. März 2021 geltenden Fassung waren verhältnismäßig. Ihre Ausnahmen waren mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar.

  • Rechtsquellen
    GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
    IfSG i. d. F. des Gesetzes vom 21. Dezember 2020 § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 14, Abs. 3, 5 und 6, § 32 Satz 1 und 2
    NdsCoronaVO vom 30. Oktober 2020 i. d. F. vom 12. Februar 2021 § 10 Abs. 1b

  • OVG Lüneburg - 01.06.2023 - AZ: 14 KN 36/22

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 26.06.2025 - 3 CN 3.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:260625U3CN3.23.0]

Urteil

BVerwG 3 CN 3.23

  • OVG Lüneburg - 01.06.2023 - AZ: 14 KN 36/22

In der Normenkontrollsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juni 2025 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß und Dr. Sinner und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hellmann für Recht erkannt:

  1. Die Revision der Antragstellerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 1. Juni 2023 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Die Antragstellerin betreibt in Niedersachsen einen Elektronikfachmarkt. Sie wendet sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen die Schließung von Verkaufsstellen des Einzelhandels durch § 10 Abs. 1b Satz 1 der Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 30. Oktober 2020 (Nds. GVBl. S. 368) in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung und der Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 12. Februar 2021 (Nds. GVBl. S. 55).

2 Die vom (damaligen) Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung erlassene Corona-Verordnung trat am 2. November 2020 in Kraft. Ihre zunächst bis zum 30. November 2020 befristete Geltungsdauer (§ 20 Abs. 1 der Verordnung vom 30. Oktober 2020) wurde mehrfach verlängert. Mit Ablauf des 30. Mai 2021 trat sie außer Kraft (§ 20 Abs. 1 i. d. F. des Art. 1 Nr. 13 der Verordnung vom 8. Mai 2021 <Nds. GVBl. S. 253>).

3 § 10 Abs. 1b war durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 15. Dezember 2020 (Nds. GVBl. S. 488) eingefügt worden und nach deren Artikel 2 am 16. Dezember 2020 in Kraft getreten.

4 In der Fassung der Änderungsverordnung vom 12. Februar 2021 hatte die Vorschrift folgenden Wortlaut:
§ 10
Betriebsverbote sowie
Betriebs- und Dienstleistungsbeschränkungen
[...]
(1 b) 1Für den Kundenverkehr und Besuche sind alle Verkaufsstellen des Einzelhandels, einschließlich der Outlet-Center und der Verkaufsstellen in Einkaufscentern, geschlossen, ausgenommen die Verkaufsstellen für die Versorgung mit Lebensmitteln oder mit Gütern oder Dienstleistungen des täglichen Bedarfs in den Betrieben und Einrichtungen
1. des Lebensmittelhandels,
2. der Wochenmärkte in Bezug auf den Handel mit Lebensmitteln und mit Schnittblumen, Topfblumen und Topfpflanzen sowie Blumengestecken und Grabschmuck,
3. des landwirtschaftlichen Direktverkaufs und der Hofläden in Bezug auf den Handel mit Lebensmitteln und mit Schnittblumen, Topfblumen und Topfpflanzen sowie Blumengestecken und Grabschmuck,
4. des Getränkehandels,
5. der Abhol- und Lieferdienste,
6. der Reformhäuser,
7. der Babyfachgeschäfte,
8. der Apotheken, Sanitätshäuser und Drogerien,
9. der Optikerinnen, Optiker, Hörgeräteakustikerinnen und Hörgeräteakustiker,
10. der Tankstellen und Autowaschanlagen,
10 a. des Kraftfahrzeughandels und des Zweiradhandels, allerdings jeweils beschränkt auf die Durchführung von Probefahrten,
11. der Kraftfahrzeug- oder Fahrrad-Werkstätten und der Reparaturwerkstätten für Elektronikgeräte,
12. der Banken und Sparkassen,
13. der Poststellen,
14. der Reinigungen,
15. der Waschsalons,
16. der Zeitungsverkaufsstellen,
17. des Tierbedarfshandels,
18. des Futtermittelhandels,
19. der Verkaufsstellen für Schnittblumen, Topfblumen und Topfpflanzen sowie für Blumengestecke und Grabschmuck sowie des gärtnerischen Facheinzelhandels wie Gärtnereien, Gartencenter und Gartenmärkte,
20. des Großhandels und der Baumärkte, jeweils nur für gewerbliche Kundinnen und Kunden,
21. des Brenn- und Heizstoffhandels,
22. des Brief- und Versandhandels,
23. der Verkaufsstellen von Fahrkarten für den Personenverkehr.
2Zulässig sind auch Verkaufsstellen mit gemischtem Sortiment, das auch regelmäßig Waren umfasst, die dem Sortiment einer der in Satz 1 Nrn. 1 bis 9 und 16 bis 19 genannten Verkaufsstellen entsprechen, wenn die Waren den Schwerpunkt des Sortiments bilden; bilden die betreffenden Waren nicht den Schwerpunkt des Sortiments, so ist der Verkauf nur dieser Waren zulässig. 3Zulässig ist auch die Auslieferung jeglicher Waren auf Bestellung sowie deren Verkauf im Fernabsatz zur Abholung bei kontaktloser Übergabe außerhalb der Geschäftsräume unter Wahrung des Abstandsgebots nach § 2 Abs. 2 Satz 1. 4Die Ausweitung der regelmäßigen Randsortimente durch die Betriebe und Einrichtungen nach Satz 1 Nrn. 1 bis 23 ist unzulässig.
[...]

5 In dieser Fassung war die Vorschrift vom 13. Februar 2021 bis zum Ablauf des 7. März 2021 in Kraft (vgl. § 20 der Niedersächsischen Corona-Verordnung i. d. F. vom 12. Februar 2021, Artikel 3 der Änderungsverordnung vom 12. Februar 2021).

6 Die Antragstellerin hat am 25. Februar 2021 einen Normenkontrollantrag beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht gestellt. Nach dem Außerkrafttreten der Verordnung hat sie beantragt festzustellen, dass § 10 Abs. 1b Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 30. Oktober 2020 in der ab dem 13. Februar 2021 bis zum Ablauf des 7. März 2021 gültigen Fassung unwirksam war. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen geltend gemacht, das Öffnungsverbot für Elektronikfachmärkte habe gegen Art. 12 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Die verordneten Betriebsschließungen seien im Februar 2021 nicht mehr erforderlich und angemessen gewesen, weil mit der Öffnung des Einzelhandels unter strengen Hygieneauflagen eine ebenso geeignete, aber eingriffsmildere Maßnahme zur Verfügung gestanden habe. Die Privilegierung von Verkaufsstellen mit gemischtem Sortiment sei nicht gerechtfertigt gewesen. Zudem sei der Eingriff in ihre Freiheitsrechte durch die Ungleichbehandlung intensiviert worden, da sie zu einer Wettbewerbsverzerrung geführt habe.

7 Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag durch Urteil vom 1. Juni 2023 abgelehnt. Der zulässige Antrag sei nicht begründet. Die angegriffene Vorschrift habe in § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und § 28a Abs. 1 Nr. 14 des Infektionsschutzgesetzes i. d. F. vom 21. Dezember 2020 (IfSG) eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage gehabt, deren Voraussetzungen zum Zeitpunkt des Erlasses der Änderungsverordnung vom 12. Februar 2021 erfüllt gewesen seien. Die verordneten Betriebsschließungen hätten nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstoßen. Die Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit der betroffenen Grundrechtsträger seien verhältnismäßig gewesen. Ebenso wenig liege ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG vor. Die Ausnahmen von den Betriebsschließungen seien durch Sachgründe gerechtfertigt gewesen, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlungen angemessen gewesen seien.

8 Mit ihrer Revision macht die Antragstellerin im Wesentlichen geltend: Die Schließung von Betrieben durch § 10 Abs. 1b Satz 1 Niedersächsische Corona-Verordnung sei keine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne von § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1 IfSG gewesen. Das Oberverwaltungsgericht sei von einem falschen rechtlichen Maßstab ausgegangen, weil es angenommen habe, die Vorschriften des § 28a Abs. 1 Nr. 14, Abs. 3 Satz 9 und 10 IfSG legten die Erforderlichkeit der Maßnahme nahe. Es habe verkannt, dass der Verordnungsgeber die Notwendigkeit von Betriebsschließungen nicht plausibel begründet habe. Die angenommene Mobilitätszunahme bei Öffnung sämtlicher Ladengeschäfte sei nicht nachvollziehbar. Das Infektionsrisiko im Einzelhandel und dessen Reduktion durch Betriebsschließungen hätten weiter aufgeklärt werden müssen. Die erhebliche Schutzwirkung eingriffsmilderer Alternativmaßnahmen wie etwa einer qualifizierten Maskenpflicht sei nicht bzw. unzureichend berücksichtigt worden. Die angegriffene Regelung sei auch nicht angemessen gewesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts könne einer Maßnahme die Angemessenheit fehlen, wenn bei einem milderen Mittel die Wirksamkeit nur wenig geringer sei. Diesem Maßstab werde die angefochtene Entscheidung in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht. Für die Ungleichbehandlung von Mischsortimentern und Fachgeschäften wie etwa dem ihrigen habe es keinen sachlichen Grund gegeben. Dass die von Mischsortimentern angebotenen nicht privilegierten Waren tatsächlich nur einen geringen Umfang ihrer Sortimente ausgemacht hätten, habe das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt. Die weitere Sachaufklärung habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen. Auch habe es nicht berücksichtigt, dass die Öffnung einer größeren Zahl von Verkaufsstellen wegen der breiteren Streuung des Kundenaufkommens infektiologisch günstiger gewesen wäre. Mit dem Sortimentsausweitungsverbot habe sich die Effektivität des Regelungskonzepts des Verordnungsgebers nicht plausibilisieren lassen. Die Ungleichbehandlung habe zu einer zusätzlichen Belastung des Fachhandels geführt. Während der Schließungen der stationären Märkte der X-Gruppe im Februar und März 2021 sei es bei Elektronikartikeln zu erheblichen Verschiebungen von Marktanteilen zugunsten geöffneter Mischsortimenter wie etwa großen Supermärkten gekommen. Dem Oberverwaltungsgericht habe sich eine weitere Aufklärung des Umfangs der Marktverschiebungen aufdrängen müssen.

9 Der Antragsgegner verteidigt das angefochtene Urteil.

II

10 Die zulässige Revision der Antragstellerin ist unbegründet und damit zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das angefochtene Urteil beruht nicht auf der Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat den zulässigen Normenkontrollantrag (1.) ohne Verstoß gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) abgelehnt. Die angegriffene Rechtsvorschrift hatte in § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage, deren tatbestandliche Voraussetzungen für ihren Erlass erfüllt waren (2.). Die Niedersächsische Corona-Verordnung vom 30. Oktober 2020 i. d. F. der Änderungsverordnung vom 12. Februar 2021 (im Folgenden: NdsCoronaVO) war auf der Grundlage der im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen verhältnismäßig (3.) und mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (4.).

11 1. Der gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO statthafte Normenkontrollantrag der Antragstellerin ist zulässig (zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen im Fall einer wie hier während der Anhängigkeit des Normenkontrollantrags außer Kraft getretenen Norm: BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2023 - 3 CN 6.22 - BVerwGE 178, 322 Rn. 9 f. m. w. N.). Nach ihrem Vorbringen erscheint es möglich, dass sie durch den angegriffenen § 10 Abs. 1b Satz 1 NdsCoronaVO jedenfalls in ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG) verletzt wurde. Sie musste aufgrund dieser Regelung vom 13. Februar bis 7. März 2021 ihren Elektronikfachmarkt für den stationären Handel schließen (UA S. 12 und 21). Sie hat auch das erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung, dass die Vorschrift unwirksam war (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. April 2024 - 3 CN 8.22 - NVwZ 2025, 195 Rn. 14 und vom 25. Juli 2024 - 3 CN 3.22 - BVerwGE 183, 119 Rn. 11, jeweils m. w. N.).

12 2. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass die in § 10 Abs. 1b Satz 1 NdsCoronaVO angeordnete Schließung von Verkaufsstellen des Einzelhandels auf § 32 Satz 1 und 2 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und § 28a Abs. 1 Nr. 14 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) i. d. F. des Gesetzes über eine einmalige Sonderzahlung aus Anlass der COVID-19-Pandemie an Besoldungs- und Wehrsoldempfänger vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3136) gestützt werden konnte. Das ist nicht zu beanstanden.

13 § 32 Satz 1 IfSG ermächtigt die Landesregierungen, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen (u. a.) nach § 28 und § 28a IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Nach § 32 Satz 2 IfSG können die Landesregierungen die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen; hiervon hat die niedersächsische Landesregierung Gebrauch gemacht (UA S. 20).

14 Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 IfSG trifft die zuständige Behörde, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere (u. a.) die in § 28a Absatz 1 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist.

15 Notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) können für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Absatz 1 Satz 1 durch den Deutschen Bundestag insbesondere die Schließung oder Beschränkung von Betrieben, Gewerben, Einzel- oder Großhandel sein (§ 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG). Entscheidungen über Schutzmaßnahmen (u. a.) nach Absatz 1 in Verbindung mit § 28 Absatz 1 sind insbesondere an dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems auszurichten (§ 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG). Maßstab für die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen ist insbesondere die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (§ 28a Abs. 3 Satz 4 IfSG). Bei einer bundesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind bundesweit und bei einer landesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind landesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben (§ 28a Abs. 3 Satz 9 und 10 IfSG).

16 a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen nach diesen Vorschriften Ge- oder Verbote zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erlassen werden konnten, lagen nach den im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen zum Zeitpunkt des Erlasses der Änderungsverordnung vom 12. Februar 2021 vor (UA S. 22 ff.). Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass Ge- oder Verbote, die - wie hier durch § 10 Abs. 1b Satz 1 NdsCoronaVO - unabhängig von einem Krankheits- oder Ansteckungsverdacht an jeden im Geltungsbereich der Verordnung gerichtet sind, notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne von § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG sein können (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2023 - 3 CN 4.22 - ‌BVerwGE 178, 298 Rn. 23 f. und - 3 CN 6.22 - BVerwGE 178, 322 Rn. 20 und vom 25. Juli 2024 - 3 CN 3.22 - BVerwGE 183, 119 Rn. 13, jeweils m. w. N.). Für die Vorschrift des § 28a Abs. 1 IfSG ergibt sich nichts Abweichendes.

17 b) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Heranziehung von § 32 Satz 1 und 2 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG als Grundlage für den Erlass der angegriffenen Verordnungsregelung sind von der Antragstellerin nicht geltend gemacht worden; sie sind auch nicht ersichtlich (BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2023 - 3 CN 4.22 - BVerwGE 178, 298 Rn. 60 ff. und vom 18. April 2024 - 3 CN 12.22 - juris Rn. 33; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 <zur Verfassungsmäßigkeit von Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen gemäß § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 IfSG i. d. F. des Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. April 2021 [BGBl. I S. 802]> und Kammerbeschluss vom 23. März 2022 - 1 BvR 1295/21 - NVwZ 2022, 974 <zur Verfassungsmäßigkeit der Untersagung der Öffnung von Gaststätten gemäß § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 IfSG i. d. F. vom 22. April 2021>).

18 3. Die Regelung über die Schließung von Verkaufsstellen des Einzelhandels in § 10 Abs. 1b Satz 1 NdsCoronaVO war ausgehend von ihrer Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht und den im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen verhältnismäßig und damit eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne von § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 IfSG.

19 a) Die vom Verordnungsgeber mit den Betriebsschließungen nach § 10 Abs. 1b Satz 1 NdsCoronaVO verfolgten Ziele, zum Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung die Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) zu verhindern sowie eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden (UA S. 25 f.), standen mit dem Zweck der Verordnungsermächtigung (§ 32 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 IfSG) im Einklang (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2023 - 3 CN 6.22 - BVerwGE 178, 322 Rn. 55 f. und vom 25. Juli 2024 - 3 CN 3.22 - BVerwGE 183, 119 Rn. 33 m. w. N.; BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 174 ff.).

20 b) Die Annahme des Verordnungsgebers, dass diese Ziele ohne die Betriebsschließungen nach § 10 Abs. 1b Satz 1 NdsCoronaVO gefährdet waren und die Gefahr wegen einer möglichen Überlastung des Gesundheitssystems und angesichts neuer Virusvarianten dringlich war (vgl. Begründung der Änderungsverordnung vom 12. Februar 2021, Nds. GVBl. S. 58), hatte eine tragfähige tatsächliche Grundlage (vgl. zu diesem Erfordernis: BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 177; BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - BVerwGE 177, 60 Rn. 52).

21 Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts schätzte das Robert Koch-Institut (RKI) in seinem Lagebericht zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) vom 12. Februar 2021 die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Die Inzidenz der letzten sieben Tage lag deutschlandweit bei 62 Fällen pro 100 000 Einwohner; in einigen Bundesländern lag sie deutlich über der Gesamtinzidenz, in Niedersachsen noch bei 60. Die hohen bundesweiten Fallzahlen wurden durch zumeist diffuse Infektionsgeschehen mit zahlreichen Häufungen insbesondere in Haushalten, im beruflichen Umfeld und in Alten- und Pflegeheimen verursacht. Infektionsketten waren für die Gesundheitsämter nicht mehr eindeutig nachvollziehbar. Ältere Personen waren nach wie vor sehr häufig von COVID-19 betroffen; die wöchentliche Inzidenz hospitalisierter Fälle war hoch. Da sie auch häufiger schwere Erkrankungsverläufe erlitten, bewegte sich die Anzahl der schweren Fälle und der Todesfälle weiterhin auf einem hohen Niveau. Mehr als 12 Prozent der COVID-19-Fälle (3 552 Personen) befanden sich in intensivmedizinischer Behandlung bei insgesamt 26 980 registrierten Intensivbetten. 83 Prozent der Intensivbetten waren belegt. Trotz aktuell sinkender Fallzahlen bestand durch das Auftreten verschiedener Virusvarianten, die auch bereits in Deutschland nachgewiesen worden waren, ein erhöhtes Risiko einer erneuten Zunahme der Fallzahlen. Unter anderem wurde seit Mitte Dezember 2020 aus Großbritannien über die zunehmende Verbreitung der Virusvariante B.1.1.7 berichtet, für die es klinisch-diagnostische und epidemiologische Hinweise auf eine erhöhte Übertragbarkeit und schwerere Krankheitsverläufe gab. Die Impfquote war noch sehr gering. Seit dem 26. Dezember 2020 waren 2 556 697 Personen (3,1 Prozent der Bevölkerung) einmal und 1 253 306 Personen (1,5 Prozent) zweimal gegen COVID-19 geimpft worden (UA S. 23 f., 35 f.). Diese Bewertungen und Erkenntnisse des RKI, auf die sich der Verordnungsgeber und das Oberverwaltungsgericht stützen konnten (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - BVerwGE 177, 60 Rn. 56 f.), tragen die vom Verordnungsgeber angenommene Gefährdungslage.

22 c) Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass der Verordnungsgeber die in § 10 Abs. 1b Satz 1 NdsCoronaVO angeordneten Schließungen von Verkaufsstellen des Einzelhandels als geeignet ansehen durfte, um die mit ihnen verfolgten Ziele zu erreichen.

23 aa) Für die Eignung reicht es aus, wenn die Verordnungsregelung den verfolgten Zweck fördern kann. Bereits die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - ‌BVerfGE 159, 223 Rn. 185 m. w. N.; BVerwG, Urteile vom 22. November 2022 ‌- 3 CN 1.21 - BVerwGE 177, 60 Rn. 59 und vom 16. Mai 2023 - 3 CN 6.22 - ‌BVerwGE 178, 322 Rn. 61). Hiervon ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen (UA S. 26).

24 bb) Seine Annahme, dem Verordnungsgeber habe bei der Beurteilung der Eignung der Regelung ein tatsächlicher Einschätzungsspielraum zugestanden (UA S. 26), ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

25 Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts war im Februar 2021 die wissenschaftliche Erkenntnislage zu den Eigenschaften des Virus SARS-CoV-2, seinen Übertragungswegen und seinen Auswirkungen im Vergleich zum Erkenntnisstand im Frühjahr 2020 verbessert, jedoch seien angesichts des dynamischen Pandemieverlaufs und dem Auftreten mehrerer Virusvarianten weiterhin beträchtliche Ungewissheiten vorhanden gewesen. Auch über die konkrete Wirksamkeit von Infektionsschutzmaßnahmen hätten noch keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse vorgelegen (UA S. 28 f.). Danach hat das Gericht einen Spielraum des Verordnungsgebers für die Beurteilung der Eignung der in Rede stehenden Betriebsschließungen zur Zielerreichung rechtsfehlerfrei bejaht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - ‌BVerfGE 159, 223 Rn. 185, 189; BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - BVerwGE 177, 60 Rn. 59).

26 Die Grenzen dieses Spielraums sind - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend angenommen hat (UA S. 27, 29) – überschritten, wenn die Eignungsprognose des Verordnungsgebers nach der maßgeblichen ex ante-Sicht nicht auf tragfähigen tatsächlichen Annahmen beruht oder wenn das Prognoseergebnis nicht plausibel ist (BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - ‌BVerwGE 177, 60 Rn. 59).

27 cc) Danach ist die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die verordneten Schließungen von Verkaufsstellen des Einzelhandels seien geeignet gewesen, die Verbreitung von COVID-19 zu verhindern und eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden, nicht zu beanstanden. Ausgehend von seinen für das Revisionsverfahren verbindlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) beruhte die Prognose des Verordnungsgebers, durch die Schließungen könnten physische Kontakte zwischen Menschen reduziert und damit das Infektionsgeschehen verlangsamt werden, auf tragfähigen Annahmen.

28 (1) Das Oberverwaltungsgericht hat zugrunde gelegt, dass nach dem damaligen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu den Übertragungswegen und zur Infektiosität des Virus SARS-CoV-2 Beschränkungen von Zusammenkünften und Ansammlungen von Menschen - vor allem in geschlossenen Räumen - dazu beitragen konnten, Ansteckungen mit dem Virus zu verhindern. Es hat weiter festgestellt, dies gelte auch für Verkaufsstellen des Einzelhandels. Dass von ihnen - wie die Antragstellerin geltend gemacht habe - nur ein äußerst geringes Infektionsrisiko ausgegangen wäre, sei nicht erwiesen gewesen. Es sei im Februar 2021 ungewiss gewesen, welches Infektionsrisiko vom Einzelhandel ausgegangen sei. Belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse für eine mangelnde oder nur äußerst geringe infektiologische Relevanz habe es nicht gegeben. Vielmehr habe das RKI für die damalige Pandemie-Situation empfohlen, Schließungen von Verkaufsstellen des Einzelhandels zu erwägen (UA S. 29 ff.). Der Verordnungsgeber habe danach annehmen dürfen, dass Betriebsschließungen zur Reduzierung physischer Kontakte, auch auf den Wegen von und zu den Geschäften, führen würden (UA S. 31).

29 Das Oberverwaltungsgericht hat des Weiteren festgestellt, es sei zwar nicht auszuschließen gewesen, dass eine Schließung weiter Teile des Einzelhandels bei gleichzeitiger Offenhaltung von Geschäften für Lebensmittel und andere Güter des täglichen Bedarfs (§ 10 Abs. 1b Satz 1 NdsCoronaVO) und von Verkaufsstellen mit gemischtem Sortiment (§ 10 Abs. 1b Satz 2 Halbs. 1 NdsCoronaVO) zu einer teilweisen Verlagerung des Kundenverkehrs aus dem von den Schließungen betroffenen Handel in den geöffneten stationären Einzelhandel führen würde. Der Verordnungsgeber habe aber davon ausgehen können, dass dies nicht in einem Umfang stattfände, der zu einer erheblichen Erhöhung der Infektionsgefahr geführt hätte. Er habe vertretbar zugrunde gelegt, dass in Geschäften mit einem Mischsortiment, die im Schwerpunkt Waren des täglichen Bedarfs angeboten hätten (§ 10 Abs. 1b Satz 2 Halbs. 1 NdsCoronaVO), andere Waren wie etwa Elektronikartikel in der Regel nur Randsortimente dargestellt hätten (UA S. 31 f., 49 f.). Durch das Verbot der Ausweitung der regelmäßigen Randsortimente (§ 10 Abs. 1b Satz 4 NdsCoronaVO) sei sichergestellt gewesen, dass Mischsortimenter ihr Angebot von Waren, die nicht zur Grundversorgung zählten, nicht erweitern durften. Danach sei es eine plausible Einschätzung des Verordnungsgebers gewesen, dass der zugelassene Verkauf solcher Waren in Geschäften der Grundversorgung nicht zu einem zusätzlichen Anstieg der der durch das Offenhalten dieser Verkaufsstellen ohnehin zu erwartenden physischen Kontakte zwischen Menschen führen würde. Er habe davon ausgehen dürfen, dass das Aufsuchen eines Mischsortimenters ausschließlich zum Einkaufen nicht privilegierter Waren - etwa eines elektronischen Geräts - die Ausnahme bilden würde, es sich vielmehr eher um Gelegenheits- oder Notkäufe - etwa wegen eines defekten Geräts - handeln würde (vgl. UA S. 31 f., 49 f., 51 ff.).

30 (2) Die Antragstellerin macht geltend, dem Oberverwaltungsgericht habe sich aufdrängen müssen, das Maß des Infektionsrisikos und dessen Reduktion durch Betriebsschließungen weiter aufzuklären. Gemäß § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO muss die Revisionsbegründung im Fall der Rüge von Verfahrensmängeln die Tatsachen angeben, die den Mangel ergeben. Den Anforderungen an die Darlegung einer Aufklärungsrüge (vgl. BVerwG, Urteile vom 11. Dezember 2013 - 6 C 23.12 - Buchholz 442.066 § 21 TKG Nr. 4 Rn. 83 und vom 5. April 2016 - 1 C 3.15 - BVerwGE 154, 328 Rn. 54, jeweils m. w. N.) genügt das Vorbringen der Antragstellerin nicht. Einen Beweisantrag (§ 86 Abs. 2 VwGO) hat sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht nicht gestellt. Sie hat auch mit ihrer Revision nicht dargelegt, welche konkrete Tatsache sie unter Beweis stellt. Ebenso wenig hat sie aufgezeigt, aufgrund welcher Anknüpfungstatsachen sich dem Oberverwaltungsgericht ausgehend von seiner materiell-rechtlichen Auffassung die Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen. Entsprechendes gilt für ihre Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen, Verstöße gegen das Sortimentsausweitungsverbot weiter aufzuklären. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass einzelne Verstöße gegen das Verbot der Sortimentsausweitung (§ 10 Abs. 1b Satz 4 NdsCoronaVO) nicht die Prognose des Verordnungsgebers in Frage stellen konnten; die Verbotsregelung sei eine geeignete Maßnahme, um eine Ausweitung des Angebots von nicht zur Grundversorgung zählenden Waren in Verkaufsstellen mit gemischten Sortiment zu verhindern (vgl. UA S. 50). Die Antragstellerin hat mit ihrer Revision nicht dargelegt, welche konkrete Beweisfrage sich stellt und aufgrund welcher Anknüpfungstatsachen sich dem Oberverwaltungsgericht auch ohne Beweisantragstellung die Beweisaufnahme aufdrängen musste.

31 Die Antragstellerin rügt gleichfalls ohne Erfolg, es sei nicht nachvollziehbar, worauf das Oberverwaltungsgericht die Plausibilität der Annahme stütze, in Geschäften der Grundversorgung hätten andere Waren lediglich Randsortimente gebildet. Das Oberverwaltungsgericht hat sich u. a. auf Vortrag des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung gestützt (vgl. UA S. 53). Dass die richterliche Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) insoweit verfahrensfehlerhaft gewesen wäre, hat die Antragstellerin mit ihrem Revisionsvorbringen nicht dargelegt.

32 d) Das Oberverwaltungsgericht hat auch ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass die verordneten Schließungen des Einzelhandels zur Erreichung der mit ihnen verfolgten Ziele erforderlich waren.

33 aa) An der Erforderlichkeit fehlt es, wenn dem Verordnungsgeber eine andere, gleich wirksame Regelung zur Erreichung des verfolgten Zwecks zur Verfügung steht, die weniger in die Grundrechte der Betroffenen eingreift und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastet. Die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Regelung zur Zweckerreichung muss dafür in jeder Hinsicht eindeutig feststehen (BVerwG, Urteile vom 22. November 2022 - 3 CN 2.21 - BVerwGE 177, 92 Rn. 15 und vom 21. Juni 2023 - 3 CN 1.22 - BVerwGE 179, 168 Rn. 37, jeweils m. w. N.).

34 Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit hatte der Verordnungsgeber angesichts der nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auch im hier maßgeblichen Zeitraum noch bestehenden Ungewissheiten über die Eigenschaften des SARS-CoV-2-Virus bzw. seiner Varianten und die Wirkungen von einzelnen Schutzmaßnahmen einen tatsächlichen Einschätzungsspielraum, der sich darauf bezog, die Wirkung der von ihm gewählten Maßnahmen im Vergleich zu anderen, weniger belastenden Maßnahmen zu prognostizieren. Ein solcher Spielraum hat jedoch - wie gezeigt - Grenzen. Die Einschätzung des Verordnungsgebers muss auf ausreichend tragfähigen Grundlagen beruhen. Das Ergebnis der Prognose muss einleuchtend begründet und damit plausibel sein. Maßgebend ist - wie bei der Eignungsprognose - die Erkenntnislage bei Erlass der Verordnung (ex ante-Sicht; BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 2.21 - BVerwGE 177, 92 Rn. 17).

35 bb) Von diesen Anforderungen an die Erforderlichkeit einer Schutzmaßnahme und an die Prognose ihrer Wirkungen ist das Oberverwaltungsgericht ausgegangen (UA S. 32 ff.).

36 Seinen Ausführungen, die Vorschriften des § 28a Abs. 1 Nr. 14, Abs. 3 Satz 4, 9 und 10 IfSG hätten die Erforderlichkeit von Betriebsschließungen des Einzelhandels in der damaligen Pandemie-Situation nahegelegt (UA S. 34 f.), lässt sich nicht entnehmen, es habe gemeint, § 28a Abs. 3 Satz 9 und 10 IfSG mache einen Vergleich der Wirksamkeit von Betriebsschließungen und alternativ in Betracht zu ziehenden Maßnahmen entbehrlich oder präge ihn vor. Es hat die Prognose des Verordnungsgebers, ihm hätten zur Erreichung der Ziele, die Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 zu verhindern und eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden, keine anderen, gleich wirksamen, aber weniger belastenden Maßnahmen zur Verfügung gestanden, vielmehr anhand des dargelegten Maßstabs überprüft (UA S. 33 ff.).

37 cc) Die Wirkungsprognose des Verordnungsgebers beruhte nach den im angefochtenen Urteil getroffenen, für das Revisionsverfahren verbindlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) auf tragfähigen tatsächlichen Annahmen und war plausibel.

38 (1) Als mildere Maßnahmen stellten sich hier - wie das Oberverwaltungsgericht zu Recht angenommen hat - Verhaltensregeln, Hygieneschutzmaßnahmen sowie Betriebsbeschränkungen dar (Abstandsgebot; Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung durch Beschäftigte, Kundinnen und Kunden; vorherige Testung der Kundinnen und Kunden vor dem Betreten der Verkaufsstellen; Erstellen und Anwenden eines verbesserten betrieblichen Hygienekonzepts; Maßnahmen zur Kontaktnachverfolgung; Einsatz technischer Maßnahmen zum Austausch oder zur Reinigung der Raumluft; Begrenzung der Kundenzahl in den Verkaufsstellen; UA S. 33, 37).

39 (2) Der Verordnungsgeber durfte davon ausgehen, dass weitergehende Öffnungen von Verkaufsstellen des Einzelhandels mit Verhaltensregeln, Hygieneschutzmaßnahmen und Betriebsbeschränkungen nicht ebenso effektiv gewesen wären wie die erlassenen Betriebsschließungen.

40 Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts wären bei Öffnung weiterer Einzelhandelsgeschäfte für den Kundenverkehr mehr Menschen in die Innenstädte, Einkaufszentren, Einkaufsstraßen und Geschäfte geströmt, mit der Folge, dass sich die physischen Kontakte, auch auf den Wegen von und zu den Geschäften, und damit die Infektionsgefahren erhöht hätten (UA S. 35 f.). Durch Impfung war im hier maßgeblichen Zeitraum kein gleich wirksamer Schutz vor der Ausbreitung von COVID-19 zu erwarten. Der Anteil zweifach geimpfter Personen lag bei Erlass der angegriffenen Verordnungsregelung bei erst 1,5 Prozent. Aufgrund der Herstellungsdauer und der Lieferengpässe von Impfstoffen sowie der notwendig einzuhaltenden Interimszeit zwischen zwei Schutzimpfungen konnte der Verordnungsgeber nicht mit einer raschen Erhöhung der Impfquote rechnen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 206). Dass der Verordnungsgeber - und ihm folgend das Oberverwaltungsgericht - Hygieneschutzmaßnahmen für Kontakte im öffentlichen Raum nicht als gleich wirksame Maßnahmen wie die angeordneten Betriebsschließungen angesehen hat, ist plausibel. Nach den im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen durfte der Verordnungsgeber zugrunde legen, dass auch FFP2-Masken - ihre korrekte Anwendung sowie das durchgängige Tragen vorausgesetzt - das virale Material nicht vollständig, sondern nur zu ca. 80 Prozent filtern konnten (UA S. 36 f.). Testungen auf eine Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2 mittels (PoC-)Antigen-Schnell- und Selbsttests durfte er gleichfalls als nicht gleich wirksame Maßnahme betrachten. Antigen-Schnelltests zur Eigenanwendung (Selbsttests) standen bei Erlass der angegriffenen Regelung noch nicht, jedenfalls nicht ausreichend zur Verfügung (vgl. BT-Drs. 19/29272 S. 12 <Antwort zu Fragen 15 bis 18>). Das gleiche gilt hinsichtlich der Möglichkeit für asymptomatische Personen, sich durch einen PoC-Antigen-Schnelltest kostenfrei testen zu lassen (Bürgertestung; vgl. § 4a der Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 <Coronavirus-Testverordnung - TestV> vom 8. März 2021, BAnz AT 09.03.2021 V1). Danach durfte der Verordnungsgeber des Weiteren annehmen, dass erweiterte betriebliche Hygienekonzepte, technische Maßnahmen zum Austausch bzw. zur Reinigung der Raumluft sowie Begrenzungen der Kundenzahl nicht ebenso wirksam gewesen wären, auch auf den Wegen von und zu den Geschäften, wie Betriebsschließungen.

41 (3) Die gegen die tatgerichtliche Würdigung der Wirkungsprognose des Verordnungsgebers vorgebrachten Revisionsgründe der Antragstellerin bleiben ohne Erfolg.

42 Die Überzeugung des Oberverwaltungsgerichts, die Wirkungsprognose habe auf tragfähigen tatsächlichen Annahmen beruht, basiert nicht auf maßstabswidrigen oder unplausiblen Feststellungen zur Geeignetheit. Die insoweit erhobenen Aufklärungsrügen der Antragstellerin genügen - wie bereits ausgeführt - nicht den Darlegungsanforderungen. Ebenso wenig zeigt sie mit ihrem Vorbringen, das Gericht habe nicht berücksichtigt, dass die Wirkung der Betriebsschließungen aufgrund vielfältiger Ausnahmeregelungen gemindert gewesen sei, einen Bundesrechtsverstoß auf. Das Oberverwaltungsgericht hat die Ausnahmen für Geschäfte der Grundversorgung (§ 10 Abs. 1b Satz 1 Halbs. 2 NdsCoronaVO) und Geschäfte mit gemischtem Sortiment, das im Schwerpunkt Waren des täglichen Bedarfs umfasste (§ 10 Abs. 1b Satz 2 Halbs. 1 NdsCoronaVO), nicht unberücksichtigt gelassen. Jedoch hat es festgestellt, der Verordnungsgeber habe angenommen, dass eine Öffnung sämtlicher Einzelhandelsgeschäfte zu zusätzlichen Kundenverkehren und physischen Kontakten, auch auf den Wegen von und zu den Geschäften und damit zu einem höheren Infektionsrisiko geführt hätte (UA S. 35). Dass - wie die Antragstellerin geltend macht - von Geschäften mit Mischsortiment eine erhöhte Anziehungskraft ("Sogwirkung") auf Kunden ausgehen würde, die zu einem Anstieg der physischen Kontakte geführt hätte, musste der Verordnungsgeber nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht annehmen. Es hat § 10 Abs. 1b Satz 2 NdsCoronaVO dahin ausgelegt, dass der Schwerpunkt des Sortiments bei Waren des täglichen Bedarfs gelegen hat, wenn ihr Anteil am Sortiment mehr als 50 Prozent betrug (UA S. 22). Hieraus ergibt sich nicht, dass Geschäften mit Mischsortiment erlaubt war, 49,9 Prozent ihres Sortiments ohne Beschränkung mit anderen Waren aufzufüllen. Der Verordnungsgeber war davon ausgegangen, dass solche Waren in der Regel Randsortimente bildeten, deren Anteil in Geschäften der Grundversorgung regelmäßig wesentlich weniger als 49 Prozent ausmachte, und diejenigen Waren, die der Grundversorgung dienten, einen deutlichen Schwerpunkt darstellten. Die gleichbleibende Gewichtung der Schwerpunkt- und der Randsortimente sah er durch die Regelung in § 10 Abs. 1b Satz 4 NdsCoronaVO abgesichert, die eine Ausweitung der regelmäßigen Randsortimente durch die Verkaufsstellen nach Satz 1 Nr. 1 bis 23 verbot (UA S. 32, 50, 53). Ausgehend hiervon war seine Einschätzung, es werde durch die Öffnung von Geschäften mit gemischtem Sortiment nicht zu zusätzlichen physischen Kontakten kommen (UA S. 49 f.), plausibel. Die Rügen der Antragstellerin, das Oberverwaltungsgericht habe die Infektionsrelevanz der Ungleichbehandlung von Mischsortimentern und Fachmärkten im Hinblick auf nicht privilegierte Waren sowie den Anteil dieser Waren in Geschäften mit Mischsortiment weiter aufklären müssen (Revisionsbegründung vom 9. November 2023, Rn. 79 ff.), genügen nicht den Darlegungsanforderungen (§ 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO). Beweisanträge (§ 86 Abs. 2 VwGO) hatte sie nicht gestellt. Sie hat auch in der Revision keine konkreten Beweisfragen bezeichnet. Zudem hat sie nicht dargelegt, aufgrund welcher Anknüpfungstatsachen sich dem Oberverwaltungsgericht - ausgehend von seiner materiell-rechtlichen Auffassung - die Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen.

43 Mit ihrer weiteren Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe die Wirkung einer qualifizierten Maskenpflicht und die kumulative Wirkung der von ihr benannten Alternativmaßnahmen zu Unrecht nicht als ebenso wirksam angesehen wie die erlassenen Betriebsschließungen, legt die Antragstellerin einen Verfahrensmangel in Bezug auf die gerichtlichen Feststellungen zur Plausibilität der Wirkungsprognose des Verordnungsgebers nicht dar (§ 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO).

44 e) Das Oberverwaltungsgericht hat gleichfalls ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass die in § 10 Abs. 1b Satz 1 NdsCoronaVO angeordneten Betriebsschließungen angemessen waren.

45 aa) Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordern, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - ‌BVerfGE 159, 223 Rn. 216 m. w. N.). In einer Abwägung sind Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte einerseits und die Bedeutung der Maßnahme für die Zweckerreichung andererseits gegenüberzustellen. Angemessen ist eine Maßnahme dann, wenn bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt wird. Dabei ist ein angemessener Ausgleich zwischen dem Eingriffsgewicht der Maßnahme und dem verfolgten Ziel sowie der zu erwartenden Zielerreichung herzustellen (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. September 2022 - 1 BvR 2380/21 u. a. - BVerfGE 163, 107 Rn. 119 m. w. N.; BVerwG, Urteile vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - BVerwGE 177, 60 Rn. 75 und vom 21. Juni 2023 - 3 CN 1.22 -‌ BVerwGE 179, 168 Rn. 44). Hiervon ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen (UA S. 37 f.).

46 bb) Seine Annahme, der mit den Betriebsschließungen verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung stünden nicht außer Verhältnis zur Schwere der durch sie bewirkten Grundrechtseingriffe, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

47 (1) Die Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit der betroffenen Grundrechtsträger (Art. 12 Abs. 1 <i. V. m. Art. 19 Abs. 3> GG) hatten Gewicht. Die vom Öffnungsverbot des § 10 Abs. 1b Satz 1 NdsCoronaVO erfassten Verkaufsstellen des stationären Einzelhandels waren mehr als drei Wochen lang (vom 13. Februar bis 7. März 2021) für den Kundenverkehr und Besuche geschlossen zu halten. Die Regelung machte die Berufsausübung in den Verkaufsstellen während dieser Zeit weitgehend unmöglich (UA S. 38). Das Gewicht der Grundrechtseingriffe wurde dadurch erhöht, dass der von den Schließungen betroffene Einzelhandel bereits im Frühjahr 2020 und erneut seit dem 16. Dezember 2020 geschlossen war (UA S. 39). Die Geltungsdauer (vgl. § 28a Abs. 5 IfSG) der am 16. Dezember 2020 in Kraft getretenen Regelung war zunächst bis zum 10. Januar 2021 befristet und sodann bis zum 31. Januar 2021 und weiter bis zum 14. Februar 2021 verlängert worden. Damit waren die Schließungen auch in die Zeit des Weihnachtsgeschäfts gefallen. Eingriffsverstärkend wirkte zudem, dass die Schließungen erfolgten, nachdem die Verkaufsstellenbetreiber in Hygieneschutzmaßnahmen investiert hatten (UA S. 38).

48 Gemildert wurde das Gewicht der Grundrechtseingriffe durch die Möglichkeit der Auslieferung jeglicher Waren auf Bestellung sowie des Verkaufs im Fernabsatz zur Abholung bei kontaktloser Übergabe außerhalb der Geschäftsräume (§ 10 Abs. 1b Satz 3 CoronaVO). Auch die von den Schließungen betroffenen Verkaufsstellen konnten danach ihre Waren über Abholangebote und Lieferdienste einschließlich solcher des Online-Handels anbieten (UA S. 39, 52). Die Antragstellerin rügt, das Oberverwaltungsgericht habe eine Eingriffsmilderung durch Online-Umsätze aktenwidrig zugrunde gelegt. Es habe die begrenzte schadensmindernde Wirkung, die der Online-Handel für sie gehabt habe, unvollständig wiedergegeben. Die eingriffsmildernde Wirkung habe es ausschließlich damit begründet, dass ihr Mutterkonzern seinen Umsatz im relevanten Zeitraum gegenüber dem Vorjahr habe steigern können. Mit diesem Vorbringen zeigt die Antragstellerin eine aktenwidrige Feststellung des Sachverhalts nicht auf (vgl. zu den Anforderungen z. B. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2020 - 3 C 2.19 - juris Rn. 23 m. w. N.). Das Oberverwaltungsgericht durfte die eingriffsmildernde Wirkung der Möglichkeit des Online-Handels für die von den Schließungen betroffenen Gewerbetreibenden generalisierend betrachten (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. März 2022 - 1 BvR 1295/21 - NVwZ 2022, 974 Rn. 31 ff.). Seine Annahme, auch der Antragstellerin sei der Online-Handel weiterhin erlaubt gewesen, ist nicht aktenwidrig. Feststellungen zur Höhe des bei der Antragstellerin entstandenen Schadens hat das Oberverwaltungsgericht nicht getroffen. Aus ihrem Vorbringen ergibt sich auch nicht, dass es ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzt hat.

49 Das Eingriffsgewicht wurde des Weiteren durch staatliche Hilfsprogramme gemildert, die für die von den Schließungen betroffenen Unternehmen vorgesehen waren (UA S. 40 f.; vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. März 2022 - 1 BvR 1295/21 - NVwZ 2022, 974 Rn. 28; BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2023 - 3 CN 6.22 - BVerwGE 178, 322 Rn. 69). Die Rüge der Antragstellerin, das Oberverwaltungsgericht habe eine geringe Eingriffsmilderung staatlicher Hilfsmaßnahmen aktenwidrig ausgeblendet, ist nicht begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, die Regelungen zum Kurzarbeitergeld hätten bewirkt, dass ein beachtlicher Teil der monatlichen Fixkosten der Antragstellerin staatlich aufgefangen worden sei (UA S. 41). Die Antragstellerin hält die Ausführung für aktenwidrig, weil das Oberverwaltungsgericht ihr Vorbringen zum Ausmaß des durch die Betriebsschließung erlittenen finanziellen Schadens sowie die tatsächlich begrenzte Wirkung, die die staatlichen Hilfsmaßnahmen für sie gehabt hätten, unvollständig wiedergebe. Eine aktenwidrige Feststellung des Sachverhalts legt sie damit nicht dar. Dass die vom Oberverwaltungsgericht angenommene Wirkung der Kurzarbeitergeldregelungen unzutreffend gewesen wäre, macht die Antragstellerin nicht geltend. Ebenso wenig zeigt sie mit ihrem Vorbringen einen Gehörsverstoß auf.

50 (2) Den gewichtigen Grundrechtseingriffen standen Gemeinwohlbelange von überragender Bedeutung gegenüber (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 176; BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2024 - 3 CN 3.22 - BVerwGE 183, 119 Rn. 42 m. w. N.). Der Verordnungsgeber durfte - wie dargelegt - bei Erlass der Regelung davon ausgehen, dass dringlicher Handlungsbedarf bestand. Die Sieben-Tage-Inzidenzen waren weiterhin hoch; sowohl bundesweit als auch in Niedersachsen war mit 62 bzw. 60 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (Stand: 12. Februar 2021) der Schwellenwert des § 28a Abs. 3 Satz 9 und 10 IfSG (50 Neuinfektionen) deutlich überschritten. Gesundheitsämter konnten Infektionsketten nicht mehr nachverfolgen. Trotz sinkender Fallzahlen seit Mitte Januar 2021 bestand aufgrund des Auftretens verschiedener Virusvarianten, von denen noch nicht bekannt war, wie infektiös sie waren, ein erhöhtes Risiko einer erneuten Zunahme der Fallzahlen. Ebenfalls war ungewiss, wie schwer die Krankheitsverläufe bei den neuen Virusvarianten sein würden. Gleichzeitig bestand eine hohe Auslastung des Gesundheitssystems; 83 Prozent der Intensivbetten waren belegt. Die Quote der Schutzimpfungen war erst sehr gering. Das RKI schätzte daher die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Der Verordnungsgeber musste damit rechnen, dass ein sich stark ausbreitendes Infektionsgeschehen zu vielen schweren Krankheitsfällen und Todesfällen, insbesondere bei älteren und vulnerablen Personen, sowie zu einer Überlastung des Gesundheitssystems, auch in Niedersachsen, führen würde (UA S. 23 f., 38 f.). Nach seinem - ausgehend von den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts - plausiblen Schutzkonzept waren die angeordneten Betriebsschließungen des Einzelhandels - neben der Schließung von Einrichtungen auch in anderen Bereichen sowie weiteren Beschränkungen der Lebensgestaltung (UA S. 56) – ein wichtiges Mittel zur Zielerreichung (UA S. 44 f.). Es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass der Anteil des Einzelhandels am gesamten Transmissionsgeschehen besonders hoch war, aber auch nicht, dass er infektiologisch unbedeutend war (UA S. 30).

51 (3) Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Verordnungsgeber habe mit der angegriffenen Regelung einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Gewicht der Grundrechtseingriffe und den mit ihnen verfolgten besonders bedeutsamen Gemeinwohlbelangen gefunden, ist nicht zu beanstanden.

52 (a) Die Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit der betroffenen Grundrechtsträger wogen schwer. Jedoch sorgten die angegriffene Vorschrift und die staatlichen Hilfsprogramme für einen hinreichenden Ausgleich (vgl. zur Schließung gastronomischer Einrichtungen gemäß § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 IfSG i. d. F. vom 22. April 2021: BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. März 2022 - 1 BvR 1295/21 - NVwZ 2022, 974 Rn. 24 ff.; zur Schließung von Gastronomiebetrieben und Sporteinrichtungen durch die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung vom 30. Oktober 2020: BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2023 - 3 CN 6.22 - BVerwGE 178, 322 Rn. 72).

53 (b) Aus der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 29. September 2022 - 1 BvR 2380/21 u. a. - (BVerfGE 163, 107) ergibt sich nichts Abweichendes. Hiernach ist auf der Stufe der Angemessenheit auch zu prüfen, ob Abstriche in der Eignung und Erforderlichkeit hinsichtlich des einen kollidierenden Rechtsguts angesichts der dadurch bewirkten Möglichkeiten zum Schutz des anderen Rechtsguts in einem angemessenen Verhältnis stehen, insbesondere zumutbar sind, oder ob die Angemessenheit eher erreicht wird, wenn Minderungen der Eignung und Erforderlichkeit hinsichtlich des anderen Rechtsguts in Kauf genommen werden. Gegebenenfalls sind unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten darauf zu überprüfen, welche aus beiden Sichtwinkeln zur größtmöglichen Sicherung des Schutzes der kollidierenden Rechtsgüter führt. Es kann daher an der Angemessenheit fehlen, etwa wenn bei einem milderen Mittel die Wirksamkeit nur wenig geringer ist (BVerfG, Beschluss vom 29. September 2022 - 1 BvR 2380/21 u. a. - BVerfGE 163, 107 Rn. 135).

54 Das Abwägungsergebnis des Verordnungsgebers ist auch insoweit nicht zu beanstanden. Seine Annahme, dass der Beitrag der angeordneten Betriebsschließungen zur Zielerreichung mehr als nur geringfügig größer war, als es derjenige der alternativen Schutzmaßnahmen, auch kumulativ, gewesen wäre, war ausgehend von den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 33 ff.) plausibel. Gleiches gilt für die Annahme, dass von einem Verkaufsverbot für nicht zur Grundversorgung zählende Waren auch in Geschäften mit Mischsortiment kein zusätzlicher Beitrag zur Zielerreichung zu erwarten gewesen wäre (UA S. 49 f.). Das Verbot hätte Verkaufsstellen, die im Schwerpunkt Waren des täglichen Bedarfs anboten, stärker belastet (UA S. 51).

55 Dass Ladengeschäfte mit Mischsortiment und von den Schließungen betroffene Fachhandelsgeschäfte teilweise im Wettbewerb standen (etwa Elektronikfachmärkte und Supermärkte, die Elektronikartikel anboten), führt - wie nachstehend unter 4. dargelegt - nicht zu einer anderen Bewertung.

56 f) Im Hinblick auf das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ergibt sich keine andere rechtliche Beurteilung. Ob und inwieweit die von den Schließungen betroffenen Gewerbetreibenden in ihrem durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentum beeinträchtigt sein konnten, bedarf keiner abschließenden Klärung. Ein etwaiger Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs geht hier jedenfalls nicht weiter als der durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Schutz (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2024 - 3 CN 3.22 - BVerwGE 183, 119 Rn. 43 m. w. N.).

57 4. Das Oberverwaltungsgericht hat im Einklang mit Bundesrecht angenommen, dass die in § 10 Abs. 1b Satz 1 Halbs. 1 NdsCoronaVO angeordneten Betriebsschließungen und ihre Ausnahmen durch § 10 Abs. 1b Satz 1 Halbs. 2, Satz 2 NdsCoronaVO mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar waren.

58 a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Normgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2024 - 3 CN 3.22 - BVerwGE 183, 119 Rn. 45 m. w. N.). Davon ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen (UA S. 41).

59 Es hat zutreffend angenommen, dass dieser Maßstab auch für den Verordnungsgeber gilt, dessen Gestaltungsspielraum aber nur in dem von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage abgesteckten Rahmen besteht. Im Einklang mit § 28a Abs. 6 Satz 2 und 3 IfSG hat es zugrunde gelegt, dass auch soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen von Maßnahmen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit Differenzierungen rechtfertigen können (BVerwG, Urteile vom 18. April 2024 - 3 CN 7.22 - juris Rn. 15 und vom 25. Juli 2024 ‌- 3 CN 3.22 - BVerwGE 183, 119 Rn. 46).

60 Die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts auf S. 41 f. des angefochtenen Urteils - wonach bei Regelung eines dynamischen Infektionsgeschehens die Grenzen für den Verordnungsgeber weniger streng und eine strikte Beachtung des Gebots innerer Folgerichtigkeit nicht zu verlangen seien - tragen zur Konkretisierung des dargelegten Maßstabs nicht bei. Das Gleiche gilt für seine Annahme, die Verhältnismäßigkeitsanforderungen seien bei zeitlich begrenzten Ungleichbehandlungen in Rahmen eines "Lockerungsfahrplans" weniger streng (UA S. 43). Ein Bundesrechtsverstoß ergibt sich hieraus aber nicht. Ob die Aufrechterhaltung bestimmter Schutzmaßnahmen bei gleichzeitiger Aufhebung von Beschränkungen in anderen Bereichen mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, hängt vom Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung ab.

61 b) Hinsichtlich der Ausnahmen von den Schließungen für Verkaufsstellen für die Versorgung mit Lebensmitteln oder mit Gütern oder Dienstleistungen des täglichen Bedarfs in den Betrieben und Einrichtungen gemäß § 10 Abs. 1b Satz 1 Halbs. 2 NdsCoronaVO war der Verordnungsgeber davon ausgegangen, dass diese Verkaufsstellen eine besondere Bedeutung für die Versorgung der Bevölkerung hatten (UA S. 45 ff.). Die Bewertung des Oberverwaltungsgerichts, dieser Sachgrund habe die vom Verordnungsgeber vorgenommene Differenzierung gerechtfertigt, ist nicht zu beanstanden (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2024 ‌- 3 CN 3.22 - BVerwGE 183, 119 Rn. 67).

62 c) Das Oberverwaltungsgericht hat die Vorschrift zu den Mischsortimenten dahin ausgelegt, dass Verkaufsstellen des Einzelhandels mit einem Schwerpunktsortiment im Sinne des § 10 Abs. 1b Satz 2 Halbs. 1 NdsCoronaVO öffnen und auch ihre anderen - nicht privilegierten - Sortimentsteile im stationären Handel anbieten durften. Verkaufsstellen mit ausschließlich nicht privilegierten Waren - wie der Elektronikfachmarkt der Antragstellerin - mussten hingegen schließen und durften solche Sortimentsteile nicht im stationären Handel verkaufen (§ 10 Abs. 1b Satz 1 Halbs. 1 NdsCoronaVO). Diese Differenzierung war auf der Grundlage der für das Revisionsverfahren verbindlichen tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) mit dem Gleichheitssatz vereinbar. Die Ungleichbehandlung (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 2018 - 3 CN 7.22 - juris Rn. 12) war durch Sachgründe gerechtfertigt (aa)), die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen waren (bb)).

63 aa) Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts war der Verordnungsgeber - wie bereits dargelegt - davon ausgegangen, dass das Infektionsrisiko durch Öffnungen von Geschäften mit schwerpunktmäßig privilegierten Waren, die auch andere Sortimentsteile verkaufen durften, nicht wesentlich größer geworden war. Dagegen hätten weitergehende Öffnungen des Einzelhandels die Infektionsgefahr erheblich erhöht. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass diese Einschätzungen auf tragfähigen tatsächlichen Annahmen beruhten. Die Antragstellerin hat dagegen - wie gezeigt - keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht.

64 bb) Die unterschiedliche Infektionsrelevanz der Verkaufsstellen war ein Sachgrund, der dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen war. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts verfolgte der Verordnungsgeber mit der Differenzierung das Ziel, den Erwerb nicht privilegierter Waren nötigenfalls auch im stationären Handel zu ermöglichen (UA S. 51, 53), zugleich aber physische Kontakte zwischen Menschen zu reduzieren, um damit die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 und der Krankheit COVID-19 zu verhindern sowie eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden (UA S. 49). Der Verordnungsgeber durfte die Gefährdung von Leben und Gesundheit - wie dargelegt - in der damaligen Pandemiesituation als sehr hoch ansehen und von einem dringlichen Handlungsbedarf ausgehen. Die Ungleichbehandlung hatte gleichfalls Gewicht. Einzelhandelsbetriebe, die nicht von den Ausnahmeregelungen für Verkaufsstellen der Grundversorgung erfasst wurden, mussten (weiterhin) geschlossen bleiben und durften ihre nicht privilegierten Waren nicht verkaufen, während Verkaufsstellen mit gemischtem Sortiment, die im Schwerpunkt Waren des täglichen Bedarfs anboten, auch nicht privilegierte Sortimentsteile verkaufen duften. Die infektiologischen Gründe für die Differenzierung rechtfertigten jedoch das Ausmaß der Ungleichbehandlung. Eine gleich wirksame Maßnahme, die eine geringere Ungleichheit bewirkt hätte, stand dem Verordnungsgeber nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts - wie dargelegt - nicht zur Verfügung. Der Verordnungsgeber hat - wie gezeigt - für den zu beurteilenden Zeitraum auch einen angemessenen Ausgleich gefunden.

65 Dass Unternehmen ungleich behandelt wurden, die teilweise im Wettbewerb standen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Nach den im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen hat der Verordnungsgeber angenommen, die von Verkaufsstellen mit gemischtem Sortiment angebotenen nicht privilegierten Sortimentsteile hätten in der Regel nur Randsortimente gebildet, während Waren der Grundversorgung dort einen deutlichen Schwerpunkt dargestellt hätten. Er hat des Weiteren angenommen, die Warensortimente im Fachhandel seien ganz überwiegend hinsichtlich Angebotsumfang und -breite nicht deckungsgleich gewesen mit Randsortimenten von Mischsortimentern und hätten daher einen anderen Kundenkreis angesprochen. Er habe deshalb davon ausgehen dürfen, dass es sich etwa beim Einkauf von Elektronikgeräten in Supermärkten, wo in der Regel keine besondere fachliche Beratung, individuelle Lieferung und Installation sowie Garantien angeboten würden, eher um "Notfall-Käufe" zur Ersetzung eines defekten Geräts handeln würde. Ein gezieltes Aufsuchen von Verkaufsstellen mit gemischtem Sortiment allein zum Einkauf nicht privilegierter Waren habe er als Ausnahmefall betrachten dürfen. Seine Einschätzung, es würde durch die getroffene Regelung nicht zu erheblichen Verschiebungen von Marktanteilen zum Nachteil des Fachhandels kommen, sei danach plausibel gewesen (UA S. 51 ff.). Wie dargelegt, hat die Antragstellerin dagegen keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht (§ 137 Abs. 2 VwGO). Auch ihre Rüge, das Oberverwaltungsgericht hätte die Verschiebung von Marktanteilen hin zu großen Supermarktketten aufklären müssen, greift nicht durch. Einen Beweisantrag (§ 86 Abs. 2 VwGO) hatte sie nicht gestellt. Vorgetragen hatte sie, insbesondere während der vollständigen Schließungen der Märkte der X-Gruppe im Februar und März 2021, aber auch schon im März und April 2020 hätten sich erhebliche Verschiebungen der Marktanteile gezeigt (Schriftsatz vom 17. Mai 2023, S. 56). Die geltend gemachten Verschiebungen im Februar und März 2021 konnte der Verordnungsgeber bei Erlass der (Änderungs-)Verordnung vom 12. Februar 2021 nicht kennen. Welche Erkenntnisse er zu Verschiebungen im März und April 2020 hätte haben können und müssen, hatte die Antragstellerin nicht dargelegt. Weshalb sich dem Oberverwaltungsgericht eine Beweiserhebung auch ohne eine solche Darlegung aufdrängen musste, zeigt sie mit ihrer Revision nicht auf.

66 d) Das Oberverwaltungsgericht hat auch ohne Bundesrechtsverstoß angenommen, dass die Differenzierung zwischen Verkaufsstellen mit gemischtem Sortiment, deren Sortiment im Schwerpunkt Waren des täglichen Bedarfs umfasste (§ 10 Abs. 1b Satz 2 Halbs. 1 NdsCoronaVO), und Verkaufsstellen, die solche Waren nicht im Schwerpunkt anboten (§ 10 Abs. 1b Satz 2 Halbs. 2 NdsCoronaVO), mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar war.

67 Verkaufsstellen nach Satz 2 Halbsatz 1 durften auch ihre nicht privilegierten Sortimentsteile verkaufen, während Verkaufsstellen nach Satz 2 Halbsatz 2 ausschließlich ihre privilegierten Sortimentsteile verkaufen durften. Diese Ungleichbehandlung war aus infektiologischen Gründen gerechtfertigt. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts war der Verordnungsgeber davon ausgegangen, dass bei einer weitergehenden Öffnung von Mischsortimentern mehr Menschen in die Innenstädte, Einkaufszentren, Einkaufsstraßen und Geschäfte geströmt wären, mit der Folge, dass sich die physischen Kontakte, auch auf den Wegen von und zu den Geschäften, und damit die Infektionsgefahren erhöht hätten (UA S. 54). Hingegen durfte er - wie gezeigt - in Bezug auf Verkaufsstellen mit schwerpunktmäßig privilegierten Waren annehmen, dass das Infektionsrisiko durch den erlaubten Verkauf auch anderer Sortimentsteile nicht wesentlich erhöht war. Die Bewertung des Oberverwaltungsgerichts, die unterschiedliche Infektionsrelevanz sei ein tragfähiger Sachgrund für die in § 10 Abs. 1b Satz 2 NdsCoronaVO vorgenommene Differenzierung gewesen, der dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen war, ist nicht zu beanstanden.

68 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.