Urteil vom 27.02.2020 -
BVerwG 3 C 11.18ECLI:DE:BVerwG:2020:270220U3C11.18.0
Urteil
BVerwG 3 C 11.18
- VG Köln - 16.07.2015 - AZ: VG 13 K 5322/14
- OVG Münster - 13.09.2017 - AZ: OVG 20 A 1789/15
In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2020
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Prof. Dr. habil. Wysk,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß
für Recht erkannt:
- Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. September 2017 wird geändert.
- Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 16. Juli 2015 wird zurückgewiesen.
- Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
Gründe
I
1 Der Kläger ist ein Tierschutzverein und begehrt mit seiner Revision von dem beklagten Landkreis den Ersatz von Aufwendungen für die Unterbringung eines Hundes, soweit diese länger als vier Wochen gedauert hat.
2 Die Unterbringung des Hundes beruhte auf folgendem Geschehen: Am Abend des 28. Oktober 2011 zeigte der Leiter eines Einkaufsmarkts an, eine volltrunkene Frau habe einen Hund auf dem Parkplatz angebunden und sich anschließend entfernt. Die Polizei stellte am Hals des Hundes ältere und frische, blutende Verletzungen in der Art von Strangulationsmerkmalen fest und brachte ihn zu einem Tierarzt, wo er behandelt wurde. Sie informierte zudem das Ordnungsamt der Stadt W., das eine Zuständigkeit für den Hund verneinte. Das Ordnungsamt informierte jedoch den Kläger, der den Hund bei dem Tierarzt abholte und bei einer seiner Pflegestellen unterbrachte.
3 Am 3. November 2011 ermittelte die Polizei die Hundehalterin. Sie sei noch am Abend des 28. Oktober 2011 zu dem Parkplatz zurückgekehrt und habe nach dem Hund gesucht. Ebenfalls am 3. November 2011 wandte sich das Ordnungsamt an das Veterinäramt des Beklagten und teilte mit, es handele sich um eine Tierschutzangelegenheit, weshalb der Beklagte zuständig sei. Die Polizei habe den Hund zum Tierarzt gebracht; dessen Rechnung werde nachgereicht. Der Hund befinde sich derzeit bei dem klagenden Tierschutzverein. In einer internen E-Mail äußerte das Veterinäramt hierzu, es handele sich um ein Fundtier, das verwahrt werden müsse, bis der Besitzer ermittelt sei. Könne der Halter ermittelt werden, werde das Veterinäramt Maßnahmen einleiten.
4 Mit Schreiben vom 23. Januar 2012 wandte sich der Kläger an die Kreispolizeibehörde und bat um Mitteilung, was mit dem Hund geschehen solle. Diese ersuchte das Veterinäramt des Beklagten um tierschutzrechtliche Prüfung und fügte eine Kopie ihrer Akten bei. Nach Rücksprache mit dem Veterinäramt teilte die Kreispolizeibehörde dem Kläger in einem Schreiben vom 2. Februar 2012 mit, sie habe ihn nicht beauftragt, sei daher nicht zuständig und könne keine Auskunft zum weiteren Verbleib des Hundes erteilen. Das Ordnungsamt erhalte eine Durchschrift.
5 Der Kläger übersandt hierauf mit Schreiben vom 7. Februar 2012 eine Zwischenrechnung und kündigte Klage an, sollten die Kosten nicht übernommen oder mitgeteilt werden, welche andere Behörde sich für zuständig halte. Im Juni 2012 erhob der Kläger Klage gegen das Land Nordrhein-Westfalen als Träger der Polizei. Auf Anregung des Verwaltungsgerichts nahm der Kläger die Klage gegen das Land zurück und erhob im September 2014 Klage gegen den nun beklagten Landkreis. Mit dieser Klage macht er seine Aufwendungen für die Unterbringung des Hundes bis zu dessen Tod im April 2013 geltend.
6 Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil geändert und den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 330 € zuzüglich Zinsen verurteilt. Der Kläger habe in entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen für die Abholung des Hundes und die Unterbringung für vier Wochen. Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, den Hund unterzubringen, weil er erheblich vernachlässigt worden sei und damit die tierschutzrechtlichen Voraussetzungen seiner Fortnahme und anderweitigen Unterbringung gegeben gewesen seien. Der Kläger sei nicht tätig geworden, um eine eigene Verpflichtung zu erfüllen, sondern habe mit dem Willen gehandelt, ein fremdes Geschäft zu führen. Insbesondere sei er nicht vom Ordnungsamt der Stadt W. beauftragt worden. Die Unterbringung sei zudem nicht Aufgabe des Ordnungsamts gewesen. Nach den Umständen, unter denen der Hund angetroffen worden sei, und nach dem Verhalten der Hundehalterin sei er nur vorübergehend verlassen und daher nicht besitzlos gewesen. Er sei daher kein Fundtier gewesen. Das für die berechtigte Geschäftsführung gegen den Willen des Geschäftsherrn erforderliche öffentliche Interesse habe zunächst bestanden. Der Hund habe untergebracht werden müssen, da die Halterin unbekannt gewesen sei und der Hund nicht sich selbst habe überlassen werden können. Das öffentliche Interesse sei jedoch zeitlich begrenzt. Der Kläger sei nicht berechtigt gewesen, den Hund länger für den Beklagten unterzubringen, als dieser den Hund hätte unterbringen müssen und nicht anstelle der Unterbringung ermessensfehlerfrei andere Maßnahmen hätte ergreifen können. Daraus folge, dass der Ersatzanspruch des Klägers auf die Unterbringung für vier Wochen begrenzt sei. In dieser Zeit wäre es dem Beklagten möglich gewesen, Maßnahmen zu ergreifen, mit denen sich die Notwendigkeit seiner Unterbringung erübrigt hätte. Dem danach verbleibenden Ersatzanspruch könne der Beklagte nicht entgegenhalten, dass der Kläger ihm die Übernahme der Geschäftsführung nicht angezeigt habe. Soweit ein Schaden in Betracht komme, scheide ein Schadensersatzanspruch deshalb aus, weil der Beklagte anderweitig informiert gewesen sei und es daher an dem erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen der fehlenden Anzeige und dem Schaden fehle.
7 Mit der durch den Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Eine hypothetische Aufgabenwahrnehmung durch den Beklagten, mit der sich die Notwendigkeit der Unterbringung des Hundes erledigt hätte, könne dem geltend gemachten Ersatzanspruch nicht entgegengehalten werden. Der Beklagte sei aufgrund der E-Mail des Ordnungsamts darüber unterrichtet gewesen, dass der Hund sich nach tierärztlicher Behandlung in seiner Obhut befinde. Dem hätte er nachgehen müssen, weshalb er sich auf eine fehlende Anzeige des Klägers nicht berufen könne.
8 Der Beklagte macht geltend, der mit der Revision weiterverfolgte Anspruch sei nicht begründet. Bis zur Ermittlung der Hundehalterin sehe sie auch eine Zuständigkeit der Fundbehörde, weil den Beteiligten beim Antreffen des Hundes die Umstände nicht bekannt gewesen seien, derentwegen eine Fundtiereigenschaft zu verneinen sei. Zu Recht habe das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass eine Geschäftsführung ohne Auftrag für die Unterbringung des Hundes nach der Zeit ende, die üblicherweise benötigt werde, um Maßnahmen nach dem Tierschutzgesetz durchzuführen. Ein weitergehender Erstattungsanspruch sei auch deshalb nicht gegeben, weil der Kläger gegen seine Anzeigepflicht als Geschäftsführer verstoßen habe. Daraus folge ein Schadensersatzanspruch in nämlicher Höhe. Die E-Mail des Ordnungsamts an den Beklagten habe wesentliche Informationen nicht enthalten.
II
9 Die Revision des Klägers ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO), indem es die berechtigte Geschäftsführung und damit den Aufwendungsersatzanspruch des Klägers auf der Grundlage hypothetischer Maßnahmen des Beklagten begrenzt. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig, weshalb die Berufung gegen das der Klage stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang zurückzuweisen ist.
10 1. Das Oberverwaltungsgericht ist für die ersten vier Wochen zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen einer Geschäftsführung ohne Auftrag gegeben waren.
11 In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 677 ff. BGB) im Öffentlichen Recht vorbehaltlich abschließender Sonderregelungen grundsätzlich entsprechend anwendbar sind. Hieraus kann sich entsprechend §§ 683, 670 BGB ein Aufwendungsersatzanspruch ergeben, etwa wenn ein privater Geschäftsführer eine Maßnahme trifft, die zu den Aufgaben eines Trägers öffentlicher Verwaltung gehört (BVerwG, Urteil vom 26. April 2018 - 3 C 24.16 [ECLI:DE:BVerwG:2018:260418U3C24.16.0] - BVerwGE 162, 71 Rn. 26 ff. m.w.N.). Allerdings stellt die Wahrnehmung einer Aufgabe eines Trägers öffentlicher Verwaltung durch einen Dritten die gesetzliche Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung in Frage, was der Anerkennung eines Aufwendungsersatzanspruchs entgegenstehen kann. Das ist besonders dort zu bedenken, wo es nicht um Maßnahmen der Leistungsverwaltung, sondern um solche der Eingriffsverwaltung geht, wozu Maßnahmen auf der Grundlage des Tierschutzgesetzes prinzipiell gehören. Die Unterbringung des Hundes durch den Kläger als solche begegnet gleichwohl keinen Bedenken. Hat ein Träger öffentlicher Verwaltung ein Tier unterzubringen, so steht ihm grundsätzlich frei, sich selbst des Tieres anzunehmen oder es bei einem privaten Dritten in Obhut zu geben. Hier ist es der private Kläger, der sich des Hundes angenommen hat. Eingriffsbefugnisse hat er sich nicht angemaßt.
12 a) Mit der Unterbringung des Hundes hat der Kläger eine Aufgabe des Beklagten als zuständige Tierschutzbehörde wahrgenommen.
13 Das Tierschutzgesetz hat den Zweck, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf, dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen (§ 1 Satz 1 TierSchG). Den Tierschutzbehörden obliegt, die Einhaltung des Tierschutzgesetzes, namentlich der Grundsätze der Tierhaltung (§ 2 TierSchG) zu überwachen. Sie treffen die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und zur Vermeidung zukünftiger Verstöße notwendigen Anordnungen (§ 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG). Natürliche und juristische Personen sowie nicht rechtsfähige Personenvereinigungen sind verpflichtet, der zuständigen Behörde auf Verlangen Auskunft zu erteilen und sie bei ihren Ermittlungen zu unterstützen (§ 16 Abs. 2 und 3 TierSchG), um tierschutzwidrige Zustände rasch und wirksam abstellen zu können (vgl. BT-Drs. 10/3158 S. 37).
14 Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, die Unterbringung des Hundes sei deshalb Aufgabe des Beklagten gewesen, weil er wegen einer erheblichen Vernachlässigung befugt gewesen sei, den Hund der Halterin fortzunehmen und solange anderweitig unterzubringen, bis eine den Grundsätzen der art- und bedürfnisgerechten Tierhaltung entsprechende Haltung sichergestellt gewesen wäre (§ 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, § 2 Nr. 1 TierSchG). Sofortige Abhilfe sei geboten und allein die anderweitige Unterbringung geeignet gewesen, die Gefahr schwerwiegender gesundheitlicher Beeinträchtigungen abzuwenden; nichts Konkretes habe dafür gesprochen, dass die Halterin Belehrungen umsetzen und behördlichen Anordnungen Folge leisten würde. Im Zuge seiner weiteren, weitgehend tatrichterlichen Würdigung hat das Oberverwaltungsgericht allerdings nur angenommen, es habe Anlass bestanden, die Fortnahme und anderweitige Unterbringung jedenfalls ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Angesichts dessen lässt sich die Aufgabe des Beklagten, den Hund anstelle der dafür grundsätzlich verantwortlichen Halterin unterzubringen, nicht schon daraus ableiten, dass der Beklagte im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null verpflichtet gewesen wäre, den Hund fortzunehmen und unterzubringen.
15 Allerdings war es Aufgabe des Beklagten, auf der Grundlage der polizeilichen Wegnahme des Hundes eine Entscheidung über dessen weiteren Verbleib und damit die Sicherstellung dessen künftiger art- und bedürfnisgerechter Haltung zu treffen sowie den Hund bis dahin unterzubringen.
16 Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts verbrachte die Polizei den mit teils älteren, teils frischen und blutenden Verletzungen am Hals angetroffenen Hund zu einem Tierarzt, um ihn dort versorgen zu lassen. Der damit verbundene Eingriff, insbesondere die Besitzentziehung gegenüber der Hundehalterin, beruhte auf der Verpflichtung der Polizei, in eigener Zuständigkeit zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit tätig zu werden, soweit ein Handeln der zuständigen Behörde nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint (§ 1 Abs. 1 Satz 3 PolG NRW). Die Berechtigung des polizeilichen Einschreitens wird von keinem der Beteiligten in Frage gestellt. Jenseits des ersten Zugriffs der subsidiär zuständigen Polizei war es dann aber Sache des in erster Linie für den Tierschutz zuständigen Beklagten, die mit dem Vorgang verbundene Aufgabe zu übernehmen. Nachdem die Polizei den Hund bei dem Tierarzt zurückgelassen hatte, war es seine Aufgabe, über die im Lichte der Pflichtverletzungen der Halterin gebotenen tierschutzrechtlichen Maßnahmen - gegebenenfalls auch über die Rückgabe des Hundes - zu entscheiden und bis dahin den Hund unterzubringen. Dabei ist unerheblich, dass die Polizei nur das Ordnungsamt der Stadt W. unterrichtet hat. Zwar war sie gehalten, den Beklagten als zuständige Tierschutzbehörde unverzüglich von dem sein Eingreifen erfordernden Vorgang zu unterrichten (§ 1 Abs. 1 Satz 4 PolG NRW). Die Säumnis ändert jedoch nichts an der objektiv bestehenden Aufgabe des Beklagten. Im Übrigen hat jedenfalls das Ordnungsamt der Stadt W. den Beklagten am 3. November 2011 von dem Vorgang in Kenntnis gesetzt. Dessen Zuständigkeit steht auch nicht entgegen, dass das Ordnungsamt trotz seiner von ihm verneinten Zuständigkeit die Kosten des Tierarztes verauslagt, diese von der Hundehalterin zurückgefordert und ihr erklärt hat, sie bekomme den Hund nicht zurück.
17 b) Die Unterbringung war weder ein eigenes Geschäft des Klägers noch ein Geschäft der Stadt W.
18 aa) Ist ein Geschäftsführer aufgrund eines Vertrags verpflichtet, das Geschäft zu führen, so kann er einen Dritten, dem das Geschäft auch zu Gute kommt, jedenfalls grundsätzlich nicht in Anspruch nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - III ZR 275/11 - NVwZ-RR 2012, 707 Rn. 16). Das Oberverwaltungsgericht hat indes eine Beauftragung des Klägers durch das Ordnungsamt der Stadt W. und damit ein eigenes Geschäft des Klägers verneint. Diese im Wesentlichen tatrichterliche Würdigung ist nicht zu beanstanden und wird von den Beteiligten auch nicht angegriffen. Des Weiteren trifft es zu, dass das satzungsgemäße Eigeninteresse des Klägers an einer tierschutzgerechten Betreuung und Versorgung des Hundes der Geschäftsführung für den Beklagten nicht entgegensteht. Es handelt sich lediglich um ein selbst gesetztes, ideelles Interesse, wie es für eine altruistische Geschäftsführung kennzeichnend ist. Im Übrigen verweist das Oberverwaltungsgericht zu Recht darauf, dass ein auch fremdes Geschäft genügt (BVerwG, Urteil vom 26. April 2018 - 3 C 24.16 - BVerwGE 162, 71 Rn. 29).
19 bb) Nicht zu beanstanden ist ferner, dass das Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage der tatsächlichen Gegebenheiten die Fundtiereigenschaft des Hundes und damit ein Geschäft des Klägers für die Stadt W. als Fundbehörde verneint hat.
20 Das Fundrecht gilt für Tiere entsprechend (§ 90a BGB). Die Fundbehörden sind verpflichtet, Fundsachen entgegenzunehmen und zu verwahren, was im Falle von Tieren deren Unterbringung und Versorgung bedeutet (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2018 - 3 C 24.16 - BVerwGE 162, 71 Rn. 10, 20 f.). Die Anwendung des Fundrechts setzt einen Fund voraus und damit ein verlorenes, also besitz-, aber nicht herrenloses Tier. Besitz besteht in der tatsächlichen Gewalt über die Sache (§ 854 Abs. 1 BGB). Sie endet, wenn der Besitzer die Sachherrschaft aufgibt oder in anderer Weise verliert; eine ihrer Natur nach vorübergehende Verhinderung in der Ausübung der Gewalt beendet den Besitz allerdings nicht (§ 856 Abs. 1 und 2 BGB). Wer die tatsächliche Sachherrschaft ausübt und damit Besitzer ist, beurteilt sich maßgeblich nach der Verkehrsanschauung, mit anderen Worten einer zusammenfassenden Wertung aller Umstände nach der Anschauung des täglichen Lebens (BGH, Urteil vom 24. Juni 1987 - VIII ZR 379/86 - juris Rn. 13 f. m.w.N.).
21 Davon ist das Oberverwaltungsgericht der Sache nach zutreffend ausgegangen. Es hat die Antreffsituation und die sonstigen Umstände des Falles mit dem Ergebnis gewürdigt, dass der Besitz der Hundehalterin durch das Anbinden und Verlassen des Hundes nicht beendet war, bevor er ihr - etwa eine Stunde später - von der Polizei entzogen und der Hund zum Tierarzt verbracht wurde. Diese weitgehend auf tatrichterlichem Gebiet liegende Würdigung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
22 Der Einwand des Beklagten, den Beteiligten sei nicht bekannt gewesen, dass es sich lediglich um einen zurückgelassenen Hund gehandelt habe, ist allerdings insoweit berechtigt, als das Fundrecht darauf zielt, der Gefahr eines dauerhaften Verlustes zu begegnen. Das gebietet den Fundbehörden, bereits bei einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Fundsache diese in Verwahrung zu nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2018 - 3 C 24.16 - BVerwGE 162, 71 Rn. 18). Der Einwand führt gleichwohl nicht weiter. Dabei kann dahinstehen, ob aus dieser Perspektive hier von einem Fundtier hätte ausgegangen werden können. Auch bedarf keiner Vertiefung, dass gegebenenfalls eine Zuständigkeit der Fundbehörde nicht über den Zeitpunkt hinaus angenommen werden könnte, zu dem die Halterin bekannt geworden ist; davon geht auch der Beklagte aus. Selbst wenn zunächst von einem Fundtier hätte ausgegangen werden können, war es bei objektiver Betrachtung im Verhältnis der Behörden zueinander allein Sache des Beklagten, für die Unterbringung des Hundes einzustehen. Er hat entsprechend allein den Aufwendungsersatz zu leisten (vgl. zum Verhältnis mehrfacher Zuständigkeiten BVerwG, Urteil vom 26. April 2018 - 3 C 24.16 - BVerwGE 162, 71 Rn. 31).
23 c) Das Oberverwaltungsgericht ist auch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass subjektiv der für eine Fremdgeschäftsführung erforderliche Wille gegeben war. Er wird bei einem - wie hier - objektiv fremden Geschäft vermutet (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 1975 - VII ZR 218/73 - BGHZ 65, 354 <juris Rn. 13>) und ist - wie vom Oberverwaltungsgericht ausgeführt - aufgrund des Verhaltens des Klägers nicht zweifelhaft. Sein Irrtum über den tatsächlichen Geschäftsherrn ist unerheblich (§ 686 BGB).
24 d) Die Geschäftsführung des Klägers für den Beklagten war berechtigt, denn sie lag im öffentlichen Interesse.
25 Ein der Geschäftsführung entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn kommt nicht in Betracht, wenn ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, nicht rechtzeitig erfüllt werden würde (§ 679 BGB). Da einer privaten Unterbringung als solcher nichts entgegensteht, hätte die Geschäftsführung von einem entsprechenden Willen des Beklagten getragen werden können, der jedoch nicht ersichtlich ist. Das Oberverwaltungsgericht hat vielmehr einen entgegenstehenden Willen zugrunde gelegt (zum Willen der Behörde vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2018 - 3 C 24.16 - BVerwGE 162, 71 Rn. 26).
26 Zutreffend ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das danach erforderliche öffentliche Interesse über das allgemeine, bereits in der gesetzlichen Aufgabenzuweisung zum Ausdruck kommende Interesse hinausgehen muss. Erforderlich ist ein öffentliches Interesse daran, dass gerade in der gegebenen konkreten Situation die Aufgabe von einem Dritten wahrgenommen wird. Dies bedarf einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls. Es gilt, dass die Aufgabenzuweisung grundsätzlich zu beachten und auf die Möglichkeit zu verweisen ist, den Aufgabenträger im Beschwerde- oder Rechtsweg zur Aufgabenerfüllung anzuhalten. Ebenso geht es grundsätzlich nicht an, den Aufgabenträger dort, wo die Aufgabenwahrnehmung in seinem Ermessen steht, im Hinblick auf das "ob" und "wie" einer Maßnahme vor vollendete Tatsachen zu stellen und mit Kosten zu belasten. Diese Hürden sind aber nicht unüberwindlich. Als gegenläufige Interessen sind die sachliche und zeitliche Dringlichkeit der Aufgabenerfüllung und die Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter ebenso zu berücksichtigen, wie das Verhalten des Aufgabenträgers. Hieraus kann sich eine (Not-)Lage ergeben, die die Maßnahme als unaufschiebbar erscheinen lässt und es rechtfertigt, einen Aufwendungsersatzanspruch anzuerkennen (BVerwG, Urteil vom 26. April 2018 - 3 C 24.16 - BVerwGE 162, 71 Rn. 27 m.w.N.).
27 Daran gemessen hat das Oberverwaltungsgericht ein öffentliches Interesse an der Geschäftsführung für die ersten vier Wochen zu Recht bejaht. Es hat darauf verwiesen, dass die Unterbringung des Hundes durch den Kläger zeitlich und sachlich unaufschiebbar gewesen sei, nachdem das Ordnungsamt der Stadt W., die Kreispolizeibehörde und nachfolgend auch das Veterinäramt des Beklagten sich nicht für zuständig gehalten hätten. Ohne die Inobhutnahme durch den Kläger oder einen anderen Dritten wäre der Hund absehbar schutzlos gestellt gewesen und damit die nach dem Tierschutzgesetz gebotene Unterbringung unterblieben. Diese Würdigung ist im Lichte des Zieles des Tierschutzgesetzes und des Verbotes, ein in menschlicher Obhut gehaltenes Tier auszusetzen, rechtlich nicht zu beanstanden (§ 1 Satz 1, § 3 Satz 1 Nr. 3 TierSchG). Es bestand eine Notlage, die es angemessen erscheinen lässt, einen Aufwendungsersatzanspruch anzuerkennen.
28 2. Nicht mit Bundesrecht vereinbar ist hingegen, dass das Oberverwaltungsgericht eine berechtigte Geschäftsführung des Klägers verneint, soweit er den Hund länger als vier Wochen untergebracht hat.
29 a) Richtig ist, dass sich das öffentliche Interesse an einer Geschäftsführung auf die Wahrnehmung der jeweils bestehenden Aufgabe beschränkt und es zur Risikosphäre des Geschäftsführers gehört, diese zutreffend zu erfassen. Das Oberverwaltungsgericht verkennt jedoch, dass es Aufgabe des Beklagten war, den Hund bis zu einer Entscheidung über die gebotenen tierschutzrechtlichen Maßnahmen unterzubringen. Ermessen bestand - mit den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts - zwar hinsichtlich der zu treffenden Entscheidung, nicht aber hinsichtlich der bis dahin notwendigen Unterbringung. Die von dem Oberverwaltungsgericht vorgenommene hypothetische Betrachtung könnte der Geschäftsführung des Klägers daher allenfalls dann entgegengehalten werden, hätte der Kläger seinerseits die Unterbringungsnotwendigkeit im Rahmen seiner Geschäftsführung beenden können. Das lag jedoch außerhalb seiner Möglichkeiten. Die hierzu entsprechend den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts in Betracht zu ziehenden tierschutzrechtlichen Maßnahmen und Anordnungen konnte nur der Beklagte als Hoheitsträger treffen.
30 b) Auch im Übrigen ist das öffentliche Interesse an der Unterbringung des Hundes insoweit nicht zu verneinen.
31 Unzweifelhaft bestand die Notwendigkeit einer Unterbringung des Hundes am ersten Tag nicht anders als nach vier Wochen. In diesem Sinne perpetuierte sich die Aufgabe des Beklagten ebenso wie - die Geschäftsführung des Klägers weggedacht - die Notlage des Hundes. Darüber hinaus war der Kläger, nachdem er die Aufgabe der Unterbringung übernommen hatte, zumindest als Betreuer für den Hund verantwortlich; es war ihm verboten, den Hund sich selbst zu überlassen (§ 2 und § 3 Satz 1 Nr. 3 TierSchG).
32 Der Senat hat erwogen, die berechtigte Geschäftsführung des Klägers deshalb zu begrenzen, weil er jenseits seiner Schreiben an die Kreispolizeibehörde und seiner Klage gegen das Land Nordrhein-Westfalen zu Lebzeiten des Hundes keine weiteren Schritte unternommen hat, um den bekannten negativen Kompetenzkonflikt aufzulösen und Abhilfe zu schaffen. Der Kläger hätte sich etwa unmittelbar an den Landrat des Beklagten wenden können, der sowohl Leiter der Kreisordnungsbehörden (Tierschutzbehörde/Veterinäramt, § 3 OBG NRW) als auch Kreispolizeibehörde (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 POG NRW) ist und die Aufsicht über die Ordnungsbehörde der Stadt W. führt (§ 7 Abs. 1 OBG NRW). Es war aber vor allem Sache der beteiligten Behörden, den negativen Kompetenzkonflikt aufzulösen und diesen nicht zulasten des Hundes beziehungsweise auf Kosten des Klägers auszutragen, dem im Übrigen tierschutzrechtlich kein subjektives Recht auf Tätigwerden des Beklagten zur Seite stand. Die beteiligten Behörden, die Kreispolizeibehörde in Rücksprache mit dem Beklagten, haben sich jedoch in Kenntnis der Sachlage auf das Schreiben des Klägers vom 23. Januar 2012 einer Lösung verweigert. Unter den hier obwaltenden Umständen hieße es die Anforderungen an eine berechtigte Geschäftsführung im öffentlichen Interesse zu überspannen, würde dem Kläger aus dem genannten Grunde der Aufwendungsersatzanspruch begrenzt.
33 3. Das Urteil erweist sich auch nicht wegen des von dem Beklagten geltend gemachten Schadensersatzanspruchs im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Er kann dem Aufwendungsersatzanspruch einen Schadensersatzanspruch nicht entgegenhalten.
34 Der Beklagte macht geltend, der Kläger habe seine Nebenpflicht verletzt, ihm die Übernahme der Geschäftsführung, sobald es tunlich ist, anzuzeigen (§ 681 Satz 1 BGB). Es sei nicht ausreichend, dass er sich am Abend des 28. Oktober 2011 mit der Polizei in Verbindung gesetzt und sich im Januar 2012 schriftlich an die Kreispolizeibehörde gewandt habe. Das Oberverwaltungsgericht hat das auf sich beruhen lassen und einen entsprechenden Schadensersatzanspruch mit der Begründung verneint, dass kein Ursachenzusammenhang zwischen der unterlassenen Anzeige und dem Schaden bestehe. Dem Beklagten sei bereits aufgrund der E-Mail des Ordnungsamts der Stadt W. vom 3. November 2011 bekannt gewesen, dass der Kläger den Hund untergebracht habe. Gleichwohl habe er sich nicht gekümmert.
35 Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Mit der Anzeigepflicht des § 681 Satz 1 BGB soll der Geschäftsherr in die Lage versetzt werden, Weisungen zu erteilen beziehungsweise die Geschäftsführung zu übernehmen. Dieser Zweck war durch die Unterrichtung des Ordnungsamts erfüllt. Die Geschäftsführung als solche war dem Beklagten bekannt und es oblag ihm, über das weitere Vorgehen zu befinden. Nichts spricht dafür, dass der Beklagte anders gehandelt hätte, hätte der Kläger den Beklagten selbst über die Unterbringung unterrichtet. Soweit der Beklagte dem entgegnet, die E-Mail habe nicht alle wesentlichen Informationen enthalten, etwa die Verletzungen des Hundes und die Kenntnis der Halterin, gebietet das keine andere Beurteilung. Die E-Mail benennt den angebundenen Hund, dessen tierärztliche Behandlung und verweist ausdrücklich darauf, es handele sich um eine Tierschutzangelegenheit. Die Halterin wurde von der Polizei ermittelt. Deren Kenntnis von der Identität der Halterin kann dem Kläger nicht entgegengehalten werden. Darüber hinaus findet die Annahme des Oberverwaltungsgerichts ihre Bestätigung darin, dass der Beklagte im Zuge seiner Beteiligung im Januar 2012 die Akten der Kreispolizeibehörde erhalten hat, aber gleichwohl weiter untätig blieb.
36 Soweit der Beklagte im Übrigen in Bezug auf ein Verschulden des Klägers darauf verweist, dieser habe die Zuständigkeit des Beklagten als Tierschutzbehörde in Betracht ziehen müssen, trifft das wohl zu. Das würde die Frage einer verschuldeten Säumnis der Anzeigepflicht jedoch noch nicht beantworten. Im Lichte des negativen Kompetenzkonfliktes, der Verpflichtung der Polizei, die zuständigen Behörden zu unterrichten (§ 1 Abs. 1 Satz 4 PolG NRW) und der gebotenen Amtsermittlung (§ 24 VwVfG NRW), spricht alles dafür, dass den Kläger insoweit kein oder nur ein zu vernachlässigendes Mitverschulden trifft (§ 280 Abs. 1, § 276 Abs. 1 und 2, § 254 Abs. 1 BGB).
37 4. Nicht zu beanstanden ist schließlich der durch das Oberverwaltungsgericht anerkannte, von dem Kläger für seine Aufwendungen pauschal geltend gemachte Tagessatz. Der Beklagte konzediert selbst, dass es sich um den örtlich üblichen Tagessatz handelt. Der Kläger als Tierschutzverein ist aber berechtigt, mit dem Aufwendungsersatzanspruch die übliche Vergütung geltend zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2005 - VIII ZR 1/04 - juris Rn. 25).
38 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.