Beschluss vom 28.08.2025 -
BVerwG 1 WB 8.25ECLI:DE:BVerwG:2025:280825B1WB8.25.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 28.08.2025 - 1 WB 8.25 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:280825B1WB8.25.0]
Beschluss
BVerwG 1 WB 8.25
In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt, den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Dr. Weber und den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant i.G. Renner am 28. August 2025 beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe
I
1 Der Antrag betrifft die Stellungnahmen eines Unterabteilungsleiters und des Amtschefs des ... zu einer Beschwerde des Antragstellers.
2 Der 1969 geborene Antragsteller ist Berufssoldat und Oberstleutnant der Besoldungsgruppe A 15. Seit September 2013 wurde er im ... in ..., zuletzt als Einsatzstabsoffizier (Referent) im ..., verwendet, bis er von dort zum 1. März 2021 zum Kommando ... versetzt wurde.
3
Im November 2019 beschwerte sich der Antragsteller gegen seine Nichtberücksichtigung für eine Weiterbildungsmaßnahme. Zu dieser Beschwerde nahmen der Unterabteilungsleiter, Herr A, unter dem 9. Dezember 2019 und der Amtschef des ..., Generalmajor B, unter dem 12. Dezember 2019 Stellung. Nachdem dem Antragsteller die Stellungnahmen übersandt worden waren, beschwerte er sich mit Schreiben vom 7. Januar 2020 "wegen Mobbings im ... durch einen Vorgesetzten und Duldung dieses Mobbings durch einen weiteren Vorgesetzten". Der Unterabteilungsleiter habe in seiner Stellungnahme Folgendes behauptet:
"Seit mehr als vier Jahren beantragt ... die Versetzung des Oberstlt. i.G. ... in eine andere Dienststelle. Sämtliche angefragte Dienststellen haben spätestens nach Vorstellung des Oberstlt. i.G. ... [...] wegen der in seiner Person liegenden Defizite abgelehnt."
sowie
"Seit seiner Förderung in die Ebene A15 vor 10 Jahren bescheinigen ihm durchgehend alle beurteilenden und Stellung nehmenden Vorgesetzten seine fehlende Kompromissfähigkeit und mangelnde Zusammenarbeit. Dies wird auch dokumentiert im äußerst niedrigen Wert '2' des Einzelmerkmals 'Zusammenarbeit'."
4 Auf die Stellungnahme des Unterabteilungsleiters habe der Amtschef vollumfänglich verwiesen, ohne die Behauptungen zu relativieren oder zu korrigieren. Die Behauptungen seien aus seiner Sicht unwahr. Die Verbreitung unwahrer Behauptungen mittels Schriften betrachte er als Angriff auf sein soziales Ansehen und damit als Mobbing. Durch das Verbreiten dieser unwahren Behauptungen und die damit verbundene Duldung von Mobbing werde er durch den Amtschef des ... im Sinne von § 1 WBO unrichtig behandelt. Er beschwere sich gegen die Behandlung durch die genannten Vorgesetzten und bitte um wirksame Maßnahmen gegen Mobbinghandlungen gegen ihn im ... Er erwarte eine förmliche Entschuldigung und die Richtigstellung der unwahren Behauptungen und ziehe eine Strafanzeige in Betracht.
5 Mit Bescheid vom 30. Oktober 2024, dem Antragsteller ausgehändigt am 12. November 2024, wies der Generalinspekteur der Bundeswehr die Beschwerde zurück. Sie sei als Kameradenbeschwerde zulässig, aber unbegründet. Der Amtschef des ... habe sich nicht dienstpflichtwidrig verhalten, indem er Mobbinghandlungen durch den Unterabteilungsleiter geduldet hätte. Der für die Bewertung der beamtenrechtlichen Pflichtwidrigkeit der Stellungnahme des Unterabteilungsleiters zuständige Vorgesetzte habe im Rahmen der dienstaufsichtlichen Prüfung kein Fehlverhalten festgestellt. Hiernach sei auch kein Fehlverhalten des Amtschefs in der Form der Duldung von Mobbing festzustellen. Unabhängig davon sei auch nicht erkennbar, dass die beanstandeten Äußerungen bewusst wahrheitswidrig seien. Sie könnten zwar so verstanden werden, wie der Antragsteller es darstelle, seien aber im Gesamtkontext auch einer alternativen Auslegung zugänglich, nach der sie nicht offensichtlich falsch seien.
6 Unter dem 9. Dezember 2024 legte der Antragsteller weitere Beschwerde ein. Der Beschwerdebescheid sei nicht schlüssig. Ein alternatives Verständnis der beanstandeten Äußerungen sei ausgeschlossen und konstruiert. Die unwahren Behauptungen können sinnvoll nur als Mobbinghandlung verstanden werden. Dies werde durch den Amtschef des ... geduldet.
7 Mit Schriftsatz vom 15. Januar 2025 stellte der Antragsteller beim Truppendienstgericht Nord einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Über seine weitere Beschwerde sei nicht binnen eines Monats entschieden worden. Ihm seien auch keine Gründe dargestellt worden, warum eine Entscheidung nicht binnen eines Monats getroffen werden könne.
8 Mit Bescheid vom 20. Januar 2025, dem Antragsteller ausgehändigt am 30. Januar 2025, wies das Bundesministerium der Verteidigung die weitere Beschwerde zurück. Der Amtschef des ... habe keine Dienstpflichten verletzt und keine Mobbinghandlungen des Unterabteilungsleiters geduldet. Die beanstandeten Stellungnahmen seien durch ein anderweitiges Beschwerdeverfahren verursacht. Weitere Beeinträchtigungen seien noch nicht einmal behauptet. Damit sei die für die Annahme von Mobbing durch die Rechtsprechung geforderte Vielzahl von Handlungen nicht erreicht. Wie der Generalinspekteur im Beschwerdebescheid zutreffend ausführe, seien die Äußerungen auch einem anderen als dem gerügten Verständnis zugänglich. Angesichts der konfliktbehafteten Situation zwischen dem Antragsteller und anderen Angehörigen im ... fehle es im Übrigen an der für Mobbing typischen Opferlage. Zum Teil setze der Antragsteller sich mit den Ausführungen zur weiteren Beschwerde in einen Widerspruch zu seinen Ausführungen zur Beschwerde. Im Übrigen werde vollumfänglich auf den Beschwerdebescheid des Generalinspekteurs der Bundeswehr verwiesen.
9 Mit Beschluss vom 29. Januar 2025 verwies das Truppendienstgericht Nord das Verfahren zuständigkeitshalber an das Bundesverwaltungsgericht.
10 Der Antragsteller macht geltend, sein Antrag habe sich durch die Beschwerdeentscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung nicht erledigt, da auch diese nicht stichhaltig sei, wesentliche Aspekte der Begründung seiner weiteren Beschwerde unberücksichtigt lasse und zudem haltlose Widersprüche konstruiere. Die von ihm gerügten Äußerungen, ihre Verbreitung und Duldung durch den Amtschef des ... würden ihn verächtlich machen. Dieses Verhalten sei eine typische Mobbinghandlung. Weitere, ebenfalls dem Mobbing zuzuordnende Handlungen seien dem Gericht aus dem Verfahren - 1 WB 47.21 - bekannt. Das Bundesministerium der Verteidigung räume ein, dass die fraglichen Behauptungen wahrheitswidrig seien, behaupte aber, es habe sich nicht um bewusst wahrheitswidrige Behauptungen gehandelt. Dies sei weder glaubhaft noch plausibel. Der Amtschef des ... habe wahrheitswidrige Behauptungen geduldet. Dies sei pflichtwidrig und eine unrichtige Behandlung durch einen Vorgesetzten. Auf diesen wesentlichen Aspekt seiner Beschwerde werde nicht angemessen eingegangen, so dass auch der Beschwerdebescheid des Bundesministeriums der Verteidigung nicht stichhaltig sei und sich sein Antrag nicht erledigt habe. Ihm sei vielmehr stattzugeben. Das Bundesministerium der Verteidigung konstruiere einen Widerspruch in seinem Vorbringen, den es nicht gebe. In der Duldung der Verbreitung und der Verbreitung der wahrheitswidrigen Behauptungen, die ihn verächtlich machen würden, sehe er eine Rechtswidrigkeit nach § 17 Abs. 3 WBO, durch die sein Antrag zulässig werde.
11
Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
12 Soweit der Antragsteller das Untätigkeitsverfahren fortführe, umfasse dieses auch den Beschwerdebescheid des Bundesministeriums der Verteidigung. Aus den dort dargelegten Gründen sei der Antrag unbegründet.
13 Einen Hinweis der Berichterstatterin, dass der Antrag mangels Statthaftigkeit unzulässig sein könnte, hat das Bundesministerium der Verteidigung zustimmend zur Kenntnis genommen, während der Antragsteller dieser vorläufigen Rechtsauffassung entgegentrat. Zwar sei ihm bekannt, dass gegen truppendienstliche Maßnahmen vorbereitende Stellungnahmen kein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden könne. Dies dürfe aber nicht in dem hier vorliegenden Fall der Verbreitung und Duldung wahrheitswidriger und ansehensschädigender Äußerungen gelten. Denn ihm sei keine Maßnahme bekannt, in der auf die fragliche Äußerung Bezug genommen worden sei. Er könne auch eine solche nicht abwarten, da andernfalls die Frist für das Vorgehen gegen die Äußerung bzw. deren Duldung selbst ablaufen. Diese Akte seien geeignet, seinem Ansehen und seiner Ehre zu schaden und verletzten daher seine Rechte. Dies hätten seine Vorgesetzten erkennen könne und müssen.
14 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
15 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
16 1. Der Antragsteller hat lediglich den prozessualen Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gestellt, ohne einen konkreten Sachantrag zu formulieren. Sein Rechtsschutzbegehren ist daher im Lichte seines Sachvortrages dahin auszulegen (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 86 Abs. 3, § 88 VwGO), dass er die Aufhebung der Beschwerdebescheide und die Feststellung begehrt, durch die beanstandeten Handlungen von Vorgesetzten in seinen Rechten verletzt zu sein.
17 2. Der Antrag ist unzulässig.
18 Soweit er sich gegen Stellungnahmen von Vorgesetzten im Rahmen eines - hier nicht streitgegenständlichen - Beschwerdeverfahrens wendet, ist er mangels einer dienstlichen Maßnahme unstatthaft.
19 Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO kann mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nur geltend gemacht werden, dass eine dienstliche Maßnahme oder deren Unterlassung rechtswidrig sei. Merkmal einer Maßnahme in diesem Sinne ist (u. a.), dass sie unmittelbar gegen den Soldaten gerichtet ist oder - obwohl an andere Soldaten gerichtet - in Form einer Rechtsverletzung oder eines Pflichtenverstoßes in seine Rechtssphäre hineinwirkt. Überlegungen, Bewertungen, Stellungnahmen oder Zwischenentscheidungen, die lediglich der Vorbereitung von truppendienstlichen Maßnahmen oder Personalmaßnahmen dienen, sind hingegen als Elemente innerdienstlicher Willens- und Meinungsbildung noch keine die Rechte eines Soldaten unmittelbar berührenden Maßnahmen; sie sind infolgedessen einer selbstständigen gerichtlichen Nachprüfung nicht zugänglich (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschlüsse vom 23. Oktober 2012 - 1 WB 59.11 - juris Rn. 27 m. w. N., vom 26. November 2015 - 1 WB 39.15 - juris Rn. 22 und vom 26. Oktober 2017 - 1 WB 3.17 - juris Rn. 22).
20 Hiernach dienten die beanstandeten Stellungnahmen der Vorbereitung einer Beschwerdeentscheidung und stellen damit keine selbstständig zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens zu machenden truppendienstlichen Maßnahmen dar. Dem Antragsteller wird ausreichender Rechtsschutz gewährt, indem er die Beschwerdeentscheidung, die durch die Stellungnahmen vorbereitet werden sollte, zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens machen kann.
21 Etwas Anderes folgt auch nicht aus den Einwänden des Antragstellers. Dass die objektiv im Rahmen eines anderen Beschwerdeverfahrens und zur Vorbereitung der Beschwerdeentscheidung abgegebenen Stellungnahmen in dieser Beschwerdeentscheidung nicht erwähnt werden, macht sie nicht zu selbstständigen truppendienstlichen Maßnahmen. Der Antragsteller erhält nicht dadurch zusätzliche Rechtsschutzmöglichkeiten, dass die fraglichen Stellungnahmen noch nicht einmal als Zwischenentscheidungen Bedeutung erlangen. Ihm wird ausreichender Rechtsschutz dadurch gewährt, dass er zum einen nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens, für das die Stellungnahmen erstellt wurden, überprüfen lassen kann, ob sie für ihn negative Auswirkungen gehabt hatten. Zum anderen sind Beschwerden gegen das Handeln von Vorgesetzten in weiterem Umfange statthaft, als Anträge auf gerichtliche Entscheidung. Hier ist den Einwänden des Antragstellers in zwei Beschwerdebescheiden nachgegangen worden.
22 Nichts Anderes gilt, soweit der Antragsteller in den fraglichen Stellungnahmen Mobbinghandlungen sieht. Auch Mobbing stellt als Zusammenfassung eines mehraktigen, sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Geschehens keine dienstliche Maßnahme im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO dar (BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2023 - 1 WRB 1.22 - BVerwGE 180, 373 Rn. 37 ff. m. w. N.).
23 Da sowohl die Beschwerde als auch die weitere Beschwerde beschieden worden sind, kann der Antragsteller auch nicht geltend machen, zumindest möglicherweise in seinem Beschwerderecht verletzt zu sein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2019 - 1 WB 2.19 - juris Rn. 21 ff.).
24 Mangels Antragsbefugnis ist sein Antrag auch nicht zulässig, soweit er das Ergebnis der dienstaufsichtlichen Prüfung rügt und ein dienstaufsichtliches Eingreifen verlangt (BVerwG, Beschluss vom 26. November 2020 - 1 WB 75.19 - juris Rn. 26 m. w. N.). Dienstaufsicht erfolgt allein im öffentlichen Interesse. Das Ergebnis oder die Durchführung einer dienstaufsichtlichen Prüfung ist grundsätzlich einer wehrdienstgerichtlichen Nachprüfung entzogen. Die Dienstaufsicht obliegt dem zuständigen Vorgesetzten nicht gegenüber dem Untergebenen und dient damit nicht der Wahrung der individuellen Rechte eines Soldaten im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO). Der einzelne Soldat hat deshalb auch keinen Anspruch darauf, dass bestimmte Maßnahmen im Wege der Dienstaufsicht getroffen werden.
25 Dasselbe gilt für das Verlangen nach disziplinarischen Konsequenzen. Ein Soldat hat auch aus § 13 Abs. 2 Satz 1 WBO keinen Anspruch auf disziplinares Tätigwerden (BVerwG, Beschlüsse vom 23. Februar 2010 - 1 WB 63.09 - juris Rn. 27 und vom 23. Mai 2019 - 1 WB 8.19 - juris Rn. 18). Disziplinare Ermittlungen finden allein im öffentlichen Interesse statt und es liegt im pflichtgemäßen Ermessen des zuständigen Disziplinarvorgesetzten zu bestimmen, ob und wie wegen eines Dienstvergehens einzuschreiten ist (§ 15 Abs. 2 Halbs. 1 WDO).