Verfahrensinformation

Die Klägerinnen sind Entsorgungsunternehmen, die in den bayerischen Landkreisen Neuburg-Schrobenhausen bzw. Neustadt a.d. Aisch-Bad-Windsheim seit vielen Jahren gewerbliche Altpapiersammlungen durchführen. Sie wenden sich gegen die durch die zuständigen Landratsämter des beklagten Freistaats Bayern ausgesprochenen Untersagungen ihrer Sammlungen.


Die Untersagungen erfolgten wegen der geplanten bzw. bereits ins Werk gesetzten Neueinführung von Altpapiersammlungen (Holsystem) in kommunaler Verantwortung im Wege der Vergabe an Drittunternehmen. In Streit steht, ob sich der Beklagte darauf stützen kann, dass die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger - hier die Landkreise Neuburg-Schrobenhausen bzw. Neustadt a.d. Aisch-Bad-Windsheim - durch die gewerblichen Sammlungen wesentlich beeinträchtigt werden, obgleich die Klägerinnen diese Sammlungen bereits seit geraumer Zeit durchführen und die Altpapiersammlungen in kommunaler Regie demgegenüber neu begründet werden.


In den Verfahren BVerwG 7 C 8.18 und 9.18 hatten die Klagen vor dem Verwaltungsgericht München Erfolg. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat die Urteile geändert und die Klagen abgewiesen. Hiergegen richtet sich jeweils die Revision.


Im Verfahren BVerwG 7 C 10.18 wies das Verwaltungsgericht Ansbach die Klage ab. Der BayVGH hat die hiergegen gerichtete Berufung für unzulässig erachtet. Das diesbezügliche Berufungsurteil hat das Bundesverwaltungsgericht in einer bereits ergangenen Revisionsentscheidung aufgehoben und die Sache an den BayVGH zurückverwiesen, der die Berufung sodann als unbegründet zurückgewiesen hat. Gegen dieses weitere Urteil des BayVGH richtet sich die neuerliche Revision.


Pressemitteilung Nr. 91/2019 vom 28.11.2019

Untersagungen gewerblicher Altpapiersammlungen rechtswidrig

Die Abfallbehörde darf eine bestehende gewerbliche Altpapiersammlung nicht mit dem Ziel untersagen, dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger die Vergabe dieser Entsorgungsleistungen zu ermöglichen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


In den beiden betroffenen bayerischen Landkreisen hatten allein die Klägerinnen seit 1992 bzw. 2008 im Holsystem Altpapier gesammelt. Die Untersagungen erfolgten im Hinblick auf die geplante bzw. bereits ins Werk gesetzte Neueinführung von Altpapiersammlungen (Holsystem) in Verantwortung der Landkreise.


Der Verwaltungsgerichtshof hat die Untersagungen bestätigt. Auf die Revisionen der Klägerinnen hat das Bundesverwaltungsgericht die Urteile geändert und die Untersagungsbescheide aufgehoben. Anders als bei neu hinzutretenden gewerblichen Sammlungen hat sich der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger auf Bestandssammlungen eingestellt, so dass seine Funktionsfähigkeit nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Die Vergabe von Entsorgungsleistungen durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger wird in dieser Situation nicht erheblich erschwert oder unterlaufen. Die Abfallbehörde ist nicht berechtigt, dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu ermöglichen, die von privaten Unternehmen gesammelten Altpapiermengen allein mit Blick auf eine Vergabe an sich zu ziehen. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz sieht nicht vor, den WettbewerbMarkt durch einen Wettbewerbeinen Markt im Sinne eines „Systemwechsels“ zu ersetzen.


BVerwG 7 C 8.18 - Urteil vom 28. November 2019

Vorinstanzen:

VGH München, 20 B 17.282 - Urteil vom 12. Oktober 2017 -

VG München, M 17 K 13.1047 - Urteil vom 16. Oktober 2014 -

BVerwG 7 C 9.18 - Urteil vom 28. November 2019

Vorinstanzen:

VGH München, 20 B 17.283 - Urteil vom 12. Oktober 2017 -

VG München, M 17 K 13.377 - Urteil vom 16. Oktober 2014 -

BVerwG 7 C 10.18 - Urteil vom 28. November 2019

Vorinstanzen:

VGH München, 20 BV 16.8 - Urteil vom 12. Oktober 2017 -

VG Ansbach, AN 11 K 12.01693 - Urteil vom 23. Januar 2013 -


Urteil vom 28.11.2019 -
BVerwG 7 C 8.18ECLI:DE:BVerwG:2019:281119U7C8.18.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 28.11.2019 - 7 C 8.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:281119U7C8.18.0]

Urteil

BVerwG 7 C 8.18

  • VG München - 16.10.2014 - AZ: VG M 17 K 13.1047
  • VGH München - 12.10.2017 - AZ: VGH 20 B 17.282

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2019
durch
den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Schemmer, Dr. Günther und Dr. Löffelbein
für Recht erkannt:

  1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Oktober 2017 aufgehoben. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte und der Beigeladene tragen die Gerichtskosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in diesen Rechtszügen jeweils zur Hälfte. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen der Beklagte und der Beigeladene jeweils selbst.

Gründe

I

1 Die Klägerin, ein Entsorgungsunternehmen, wendet sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Untersagung der gewerblichen Sammlung von Altpapier und die hiermit verbundene Androhung eines Zwangsgeldes.

2 Mit Bescheid vom 14. Januar 2013 untersagte der Beklagte der Klägerin die weitere Durchführung der seit 2008 betriebenen gewerblichen Sammlung von Altpapier im Holsystem ab dem 1. September 2013 (siehe hierzu Urteil des Senats vom 28. November 2019 im parallelen Verfahren BVerwG 7 C 9.18 ).

3 Mit weiterem Bescheid vom 21. Februar 2013 ordnete der Beklagte die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides vom 14. Januar 2013 ab dem 1. September 2013 an. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde der Klägerin zugleich ein Zwangsgeld in Höhe von 10 000 € angedroht.

4 Die gegen den Bescheid vom 21. Februar 2013 gerichtete Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Urteil geändert und die Klage abgewiesen.

5 Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Oktober 2017 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2014 zurückzuweisen.

6 Der Beklagte und der Beigeladene beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

7 Beklagter und Beigeladener verteidigen das angefochtene Urteil.

II

8 Die zulässige Revision ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

9 Die der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit sowie der Androhung eines Zwangsgeldes zugrunde liegende Untersagung der gewerblichen Altpapiersammlung der Klägerin verstößt gegen Bundesrecht. Zu den Gründen wird auf das zwischen den Beteiligten ergangene Urteil des Senats vom 28. November 2019 im parallelen Verfahren BVerwG 7 C 9.18 , das die Untersagungsverfügung des Beklagten zum Gegenstand hat, Bezug genommen. Mit Blick auf die Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung fehlt für die angeordnete sofortige Vollziehbarkeit und die Androhung eines Zwangsgeldes die rechtliche Grundlage.

10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 sowie § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.