Beschluss vom 29.04.2025 -
BVerwG 4 B 32.24ECLI:DE:BVerwG:2025:290425B4B32.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 29.04.2025 - 4 B 32.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:290425B4B32.24.0]
Beschluss
BVerwG 4 B 32.24
- VG Gera - 17.09.2019 - AZ: 4 K 1284/18 Ge
- OVG Weimar - 07.05.2024 - AZ: 1 KO 807/20
In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. April 2025
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch
beschlossen:
- Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 7. Mai 2024 wird verworfen.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
Gründe
1 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie verfehlt die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
2 1. Das gilt zunächst für die auf § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verstoßen.
3 Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nur dann bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14 m. w. N.). Die Frage, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Verfahrensmangel leidet, ist dabei vom materiell-rechtlichen Standpunkt der Tatsacheninstanz aus zu beurteilen, selbst wenn dieser verfehlt sein sollte (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>; Beschluss vom 3. August 2017 - 4 BN 11.17 - BRS 85 Nr. 184 S. 1214 m. w. N.). Sinn der Revisionszulassung wegen Verfahrensmängeln ist die Kontrolle des Verfahrensgangs, nicht der Rechtsfindung. Inhaltliche Kritik an der Entscheidung führt nicht auf das Vorliegen von Verfahrensfehlern (BVerwG, Beschluss vom 21. Oktober 2020 - 4 BN 16.20 - juris Rn. 6 m. w. N.).
4 (Angebliche) Fehler der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Tatsachengerichts, die dem Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 VwGO genügen muss, sind regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen. Die Grenzen der Freiheit der richterlichen Überzeugungsbildung sind mit der Folge des Vorliegens eines Verfahrensfehlers aber dann überschritten, wenn das Gericht seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt, sondern nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen oder sonst von objektiver Willkür geprägt sind (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. September 2024 - 4 BN 6.24 - juris Rn. 3 m. w. N.).
5 Solche Fehler legt die Beschwerde nicht dar. Dafür reicht der Vortrag, das Oberverwaltungsgericht habe bei seiner Rechtmäßigkeitsprüfung fehlerhaft nicht auf den Inhalt der Baugenehmigung, sondern auf die tatsächliche Bauausführung abgestellt und bei der Ermittlung der Abstandsfläche die in der 2. Änderungsgenehmigung festgesetzte Geländeoberfläche unberücksichtigt gelassen, nicht aus. Vielmehr erschöpft sich das Beschwerdevorbringen der Sache nach in einer auf die Rechtsanwendung beschränkten Kritik an der angegriffenen Entscheidung.
6 2. Die Beschwerde legt auch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht dar.
7 Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. August 2022 - 4 BN 25.22 - juris Rn. 5).
8 Das leistet die Beschwerde nicht. Sie formuliert schon keine Frage des revisiblen Rechts, die grundsätzlicher Klärung bedarf. Auch im Übrigen kann der Begründung nicht entnommen werden, welche Rechtsfragen die Beschwerde geklärt wissen will. Fragen im Zusammenhang mit der Auslegung oder Anwendung der Abstandsflächenvorschrift des § 6 ThürBO wären in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil sie das nicht revisible Landesrecht betreffen.
9 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.