Beschluss vom 30.04.2025 -
BVerwG 1 WB 54.23ECLI:DE:BVerwG:2025:300425B1WB54.23.0
Erfolgreicher Antrag gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos
Leitsatz:
Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos wegen Zweifeln an der Verfassungstreue nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SÜG setzt voraus, dass aktuell (noch) ausreichend konkrete Anhaltspunkte für eine verfassungswidrige Haltung oder Betätigung des Betroffenen bestehen.
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Rechtsquellen
SÜG § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 -
Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 30.04.2025 - 1 WB 54.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:300425B1WB54.23.0]
Beschluss
BVerwG 1 WB 54.23
In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Scheffczyk,
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Lindt und
den ehrenamtlichen Richter Oberfeldwebel Bruno
am 30. April 2025 beschlossen:
- Der Bescheid des Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt vom 1. Dezember 2022 wird aufgehoben.
- Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
- Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden dem Bund auferlegt.
Gründe
I
1 Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos.
2 Der ... geborene Antragsteller trat am 1. August 2016 unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit in die Bundeswehr ein und wird zurzeit als Hauptfeldwebel in der ... Inspektion der ... verwendet. Am 12. Juli 2016 beauftragte der für den Antragsteller damals zuständige Sicherheitsbeauftragte das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) mit der Durchführung einer erweiterten Sicherheitsüberprüfung - Verschlusssachenschutz. In seiner Sicherheitserklärung vom 7. Juli 2016 gab der Antragsteller an, keine Beziehungen zu verfassungsfeindlichen Organisationen zu haben oder gehabt zu haben. Das BAMAD vernahm den Antragsteller im Juli 2018 und im Januar 2019.
3 Mit Schreiben vom 1. September 2022 erhielt der Antragsteller vom Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt Gelegenheit zur schriftlichen oder persönlichen Stellungnahme. Die in der Anlage aufgeführten sicherheitserheblichen Erkenntnisse seien geeignet, ein Sicherheitsrisiko zu begründen. Dies habe nach derzeitigem Sachstand zur Folge, dass der Antragsteller eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit nicht bzw. nicht mehr ausüben dürfe. Im Wesentlichen wird darin ausgeführt, der Antragsteller habe im Rahmen der Befragung durch das BAMAD vom 22. Januar 2019 angegeben, im Alter von 14 Jahren die ersten Kontakte in die rechtsextremistische Szene auf dem Schulhof gehabt zu haben. Dort habe er sich zu den älteren Mitschülern mit rechtsextremistischer Gesinnung hingezogen gefühlt und sei wie diese mit Springerstiefeln, Bomberjacke und Glatze aufgetreten. Heute habe er unter anderem noch Doc Martens Stiefel, eine Harrington Jacke (Bomberjacke) und T-Shirts mit Triskelen in seinem Besitz, die von ihm aber nur noch zu Hause beim Arbeiten genutzt würden. Zudem habe er auf seiner Festplatte noch Musik von Bands wie Landser oder Stahlgewitter. Er habe alle Bands aus der rechtsextremistischen Szene gehört, was sich aber mittlerweile geändert habe. Er habe die Musik und Kleidung nur deshalb nicht aus seinem Leben verbannt, weil er Geld dafür bezahlt habe und diese nicht einfach so wegschmeißen wolle. Er habe sich bereits im Alter von 16 Jahren aus der rechtsextremistischen Szene herausgelöst.
4 Demgegenüber habe der Antragsteller in der Befragung durch das BAMAD vom 4. Juli 2018 angegeben, im Alter von 16 Jahren noch mit dem Gedanken gespielt zu haben, Mitglied der NPD zu werden. Erst im Alter von 18 Jahren, verbunden mit dem Umzug zu seinem Vater, habe sich sein Schwerpunkt verschoben. Er habe noch Kontakt zu A und sich zuletzt vor drei Wochen mit diesem getroffen. Man würde sich hin und wieder sehen und miteinander Bier trinken. Weiter habe er am 22. Januar 2019 angegeben, heute nur noch sporadischen Kontakt zu einem alten Freund zu unterhalten, der "Funktionsträger" bei der Partei "..." sei. Vor sechs Monaten habe er diesen letztmalig in einer Kneipe in ... getroffen. Er selbst könne nichts über die Partei berichten, da er keine Berührungspunkte damit habe. Er und besagter Freund hätten sich im Vorfeld darauf geeinigt, dieses Thema nicht anzusprechen. Er habe keine Kontakte mehr zu der rechtsextremistischen Szene und beabsichtige nicht, solche Kontakte wiederherzustellen.
5 Im Alter von 16 Jahren sei er über einen Bekannten seiner Mutter, der Member beim ... gewesen sei, als Supporter vorgeschlagen und angenommen worden. Bis zu seinem 19. Lebensjahr sei er als Supporter mit einem Shirt, welches ein Patch mit der Aufschrift "Support Gremium 7" gehabt habe, bekleidet gewesen. Darüber hinaus sei er mit einer "Kutte" ausgestattet gewesen, die ihm seine Mutter bereits in frühen Kindheitstagen geschenkt habe. Auf der "Kutte" habe er im linken Brustbereich ein "Support Gremium 7" Patch getragen. Seine Tätigkeit als Supporter beim ... habe geendet, da er gegenüber seinem damaligen Firmenchef loyaler gewesen sei als gegenüber einem Member des .... Wegen Illoyalität habe er Hausverbot im Clubhaus des ... erhalten und austreten müssen. Mit dem Austritt habe er seine Patches abgeben müssen. Seit dem Austritt seien all seine Kontakte erloschen. Er habe mit der ...-Szene abgeschlossen. In der Befragung vom 4. Juli 2018 durch das BAMAD habe der Antragsteller dagegen angegeben, keine Patches auf seiner "Kutte" gehabt zu haben und noch einen Freund in seiner Freundesliste bei Facebook zu haben, der "Chef" des ... sei.
6 Aus diesen widersprüchlichen Angaben des Antragstellers im Rahmen seiner Befragungen durch das BAMAD am 4. Juli 2018 und 22. Januar 2019 begründeten sich Zweifel an seiner Zuverlässigkeit bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG). Es sei ferner beabsichtigt, bei dem Antragsteller ein Sicherheitsrisiko auch wegen Zweifeln an seiner Verfassungstreue gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SÜG festzustellen. Auch wenn der Antragsteller sich nach eigenen Angaben vollständig aus der rechtsextremistischen Szene und dem ... gelöst habe, bleibe eine bedenkliche Nähe zu Personen aus der rechtsextremistischen Szene und dem Outlaw-Motorradclub-Milieu. Er besitze ferner bis heute szenetypische Kleidung, eine Vielzahl rechtsextremistischer Musik und einschlägige Kontakte.
7 Mit Schreiben vom 14. Oktober 2022 nahm der ...chef der ... als Disziplinarvorgesetzter des Antragstellers Stellung zur sicherheitsempfindlichen Verwendbarkeit des Antragstellers. Aus seiner Sicht sei eine Eignung für die Ausübung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit nicht gegeben. Der Antragsteller habe ihm bei dem Gespräch vom 19. September 2022 nicht erklären können, warum er noch Kleidungsstücke und Musik aus seiner Zeit in der rechtsextremen Szene besitze und warum er die "Kutte" vom ... zu Hause habe, obwohl er nach eigenen Angaben ausgetreten sei. Auch die weitere Frage, warum er noch Verbindung zu Menschen aus der rechtsextremen Szene habe, habe er nicht befriedigend beantwortet. Er habe ihm erklärt, dass dies nur private Kontakte seien und er mit seinem Kumpel aus der rechtsextremen Szene nicht mehr über Politik spreche. Er habe versucht, ihn aus der Szene herauszuholen, aber gemerkt, dass dies nicht mehr funktionieren würde. Der Antragsteller habe ihm gezeigt, dass ein Bekannter aus der Motorradszene ihn aktuell zu einem Fest beim ... eingeladen, er diese Einladung aber ausgeschlagen habe. Die Antworten des Antragstellers weckten Zweifel, ob er sich wirklich von der rechtsextremen Szene und vom ... gelöst habe.
8 Am 4. November 2022 hörte der Geheimschutzbeauftragte den Antragsteller entsprechend des von ihm geäußerten Wunsches gemäß § 6 SÜG persönlich an. Dabei führte der Antragsteller aus, über den Eindruck, den das BAMAD von ihm gewonnen habe, so erschrocken gewesen zu sein, dass er einen Rundumschlag gemacht und sämtliche Gegenstände aus seiner rechtsextremen Zeit entsorgt habe. Er sei so rigoros vorgegangen, dass er kaum noch ein Bild von sich besitze, das älter als ein Jahr sei. Seine "Kutte", die für ihn einen emotionalen Wert gehabt habe, habe er in diesem Zuge ebenfalls entsorgt. Seine Aussage, seine Kleidung aus der rechtsextremistischen Szene noch zu besitzen, weil er Geld dafür bezahlt hätte, habe sich ausschließlich auf seine Springerstiefel bezogen. Er habe die Stiefel, wenn überhaupt, nur zu Hause getragen. Mittlerweile seien diese ebenfalls entsorgt. Zu A habe er keinen Kontakt mehr. Es sei irreführend gewesen, ihn als "alten Freund" zu bezeichnen. Er habe ihn erst näher kennen gelernt, als er schon Bundeswehrangehöriger gewesen sei. Er sei vermutlich in einer Kneipe in ... von A angesprochen worden, um für seine Partei zu werben. Er habe deutlich und unmissverständlich mitgeteilt, dass er damit nichts zu tun haben wolle. Man habe sich daraufhin über allgemeine Themen unterhalten. Er habe gehofft, A einen Blick in die normale Welt geben zu können, ihn von seinen Ansichten abzubringen und ihm die eigenen Werte zu vermitteln. Die Unterhaltungen seien immer anstrengend gewesen. Auf die Frage, weshalb er den Kontakt weiter gepflegt habe, teilte der Antragsteller mit, dass er versucht habe zu verstehen, was "in seinem Schädel vorgehe".
9 Mit Schreiben vom 1. Dezember 2022, dem Antragsteller am 13. Dezember 2022 eröffnet, teilte der Geheimschutzbeauftragte dem Antragsteller mit, dass dessen Sicherheitsüberprüfung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 SÜG mit der Feststellung eines Sicherheitsrisikos abgeschlossen worden sei. Auch nach Durchführung des persönlichen Anhörungsverfahrens verblieben Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers und an seinem uneingeschränkten Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Zum Schutz der militärischen Sicherheit werde es daher nicht zugelassen, dass der Antragsteller eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausübe.
10 Mit Schreiben vom 10. Januar 2023 legte der Antragsteller Beschwerde ein. Es sei für ihn unverständlich, dass nach der persönlichen Anhörung die Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und seinem uneingeschränkten Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung noch bestünden und worauf sich diese explizit gründeten. Was auch immer für diese Zweifel gesorgt habe, sei ein falscher Eindruck.
11 Am 21. Februar 2023 erhob der Antragsteller bei seinem Disziplinarvorgesetzten "weitere Beschwerde" und stellte damit sinngemäß einen Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. In seiner Person liege kein Sicherheitsrisiko vor. Bei Betrachtung der zeitlichen Abläufe zeige sich kein wechselhaftes Aussageverhalten, sondern vielmehr eine konsequente Entwicklung und Illustration seiner bis ins letzte Detail vollzogenen Abkehr von der Vergangenheit. Er habe 2019 angegeben, einige Kleidungsstücke aus seiner Vergangenheit noch zu besitzen, da eine Entsorgung ihm wie Geldverschwendung vorgekommen sei. Das Gespräch mit den Mitarbeitern des BAMAD habe ihm dann bewusst gemacht, dass auch ein solches Vorhalten aus wirtschaftlichen Gründen nicht akzeptabel sei. Daher habe er diese Kleidungsstücke und die Musik aus der rechtsextremen Szene entsorgt. Was den Kontakt zu A betreffe, habe er sich in den Gesprächen 2018 und 2019 auf dasselbe Treffen bezogen. Anschließend sei es zu keinen weiteren Treffen gekommen. Er habe nach dem Gespräch mit dem BAMAD 2018 begriffen, dass es nicht genüge, mit bekannten Personen der rechtsextremen Szene zu vereinbaren, dass man politische Themen ausspare, und entschieden, regelmäßige Treffen zu unterlassen.
12 Hinsichtlich des Aussehens der "Kutte" seien ihm bei der Wiederholungsbefragung mehr Details eingefallen, da er zwischenzeitlich sechs Monate Zeit gehabt habe, in sich zu gehen und seine Erinnerungen zu durchforsten. Dasselbe gelte für seine zeitlichen Angaben zu seinem Lösungsprozess aus der rechtsextremen Szene. Seine Angaben in den einzelnen Gesprächen seien nicht vollständig zutreffend wiedergegeben worden. Zu keinem Zeitpunkt habe er mitgeteilt, sich bereits mit 16 Jahren abschließend aus der rechtsextremen Szene gelöst zu haben. Stattdessen habe er stets beschrieben, dass der Prozess der Herauslösung mit 16 Jahren begonnen habe und durch den Umzug mit 18 Jahren abgeschlossen gewesen sei, da sich hierdurch das soziale Umfeld auch abschließend geändert habe. Er sei jedenfalls kein Mitglied irgendeines Rocker-Clubs. Dass er 2018 noch eine Person aus dieser Szene in seiner Facebook-Freundesliste gehabt habe, schließe nicht aus, dass dies 2019 nicht mehr so war. Auch hier zeige sich schlicht eine Entwicklung und kein wechselhaftes Aussageverhalten.
13 Es handele sich um weit zurückliegende Umstände, die nicht nur vor seiner Dienstzeit lägen, sondern auch noch vor Erreichen der Volljährigkeit. Der Umstand, dass er sich bereits nach den ersten Gesprächen mit den Mitarbeitern des BAMAD spätestens 2019 von allem getrennt habe, was an seine Vergangenheit erinnert habe (auch persönliche Fotos aus seiner Jugendzeit) zeige, dass er sich nachhaltig von einer früheren Gesinnung distanziert, einen klaren Gesinnungswandel durchlebt habe und nunmehr fest auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehe. Er habe ein neues Leben begonnen, sei Mitglied in einem Männerchor und in die CDU eingetreten. Zum Nachweis seiner verfassungsloyalen Gesinnung legte er entsprechende Bestätigungen von Verwandten, Bekannten, seinem früheren Arbeitgeber und seinem nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten vor.
14 Er dürfe nicht für alle Zeiten an Fehlern aus seiner Jugendzeit festgehalten werden. Das geforderte aktive Einstehen für die freiheitliche demokratische Grundordnung könne im Übrigen auch darin gesehen werden, dass er sich darum bemüht habe, auf A dahingehend einzuwirken, von seiner rechtsextremen Gesinnung abzulassen. Bei der Frist zur Wiederholungsüberprüfung müsse berücksichtigt werden, dass die Erstüberprüfung bereits mehr als vier Jahre in Anspruch genommen habe, in welchen kein sicherheitsrelevantes Vorkommnis zu verzeichnen gewesen sei. Eine fünfjährige Frist sei vor diesem Hintergrund unangemessen.
15
Der Antragsteller beantragt,
die Feststellung eines Sicherheitsrisikos für den Antragsteller aufzuheben und die Sicherheitsprüfung erneut durchzuführen.
16
Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
17 Im Vorlageschreiben vom 21. Dezember 2023 wird ausgeführt, die Bewertung des Geheimschutzbeauftragten in seiner Entscheidung vom 1. Dezember 2022 sei nachvollziehbar und schlüssig. Der Antragsteller erfülle derzeit die Anforderungen an einen Einsatz in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit wegen Zweifeln an dessen Zuverlässigkeit nicht (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG). Dies ergebe sich aus zahlreichen widersprüchlichen Aussagen bei den Befragungen des BAMAD, des Disziplinarvorgesetzten und des Geheimschutzbeauftragten. Damit sei er seiner Pflicht, in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen, objektiv nicht nachgekommen. Die damit verbundene fehlende Zuverlässigkeit des Antragstellers begründe bereits für sich genommen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos. Der Antragsteller erfülle außerdem derzeit die Anforderungen an einen Einsatz in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit wegen Zweifeln an seiner Verfassungstreue nicht (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SÜG).
18 Die negative Prognose beruhe darauf, dass der Antragsteller noch Kontakt zu Personen aus der rechtsextremistischen und der Rocker-Szene habe und dass aufgrund seiner widersprüchlichen Aussagen nicht klar sei, ob und inwiefern er sich zwischenzeitlich hiervon distanziert habe. Daher sei auch eine Verkürzung der Wirkungsdauer der Sicherheitsrisikofeststellung nicht möglich. Die Ausführungen im Vorlagebericht würden vollumfänglich vom Geheimschutzbeauftragten beim Bundesministerium der Verteidigung mitgetragen.
19 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakten des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
20 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat überwiegend Erfolg.
21 1. Die wegen der Untätigkeit erhobene "weitere Beschwerde" des Antragstellers vom 21. Februar 2023 ist als Antrag auf Entscheidung durch das hierfür zuständige Bundesverwaltungsgericht zu werten und überwiegend zulässig (§ 21 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO). Denn über die Beschwerde des Antragstellers vom 10. Januar 2023 hat das Bundesministerium der Verteidigung nicht innerhalb eines Monats entschieden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. November 1985 - 1 WB 16.84 - juris Rn. 31).
22 a) Der Anfechtungsantrag gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 SÜG ist statthaft. Die aus § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) folgende Zuständigkeit der Wehrdienstgerichte für Streitigkeiten, die die dienstliche Verwendung eines Soldaten betreffen, erstreckt sich auch auf die Überprüfung sicherheitsrechtlicher Bescheide im Sinne des § 14 Abs. 3 SÜG, weil mit der Feststellung des Geheimschutzbeauftragten über die Frage des Bestehens eines Sicherheitsrisikos im Kern über die sicherheitsrechtliche Eignung eines Soldaten für eine bestimmte dienstliche Verwendung entschieden wird (BVerwG, Beschluss vom 30. März 2023 - 1 WB 32.21 - NZWehrr 2023, 345 Rn. 23 m. w. N.).
23 b) Soweit der Antragsteller außerdem die Verpflichtung zu einer Neubescheidung beantragt, ist der Sachantrag mangels Antragsbefugnis unzulässig (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2016 - 1 WB 35.15 - juris Rn. 25 m. w. N.). Denn der zuständige Geheimschutzbeauftragte ist, wenn die Feststellung des Bestehens eines Sicherheitsrisikos gerichtlich aufgehoben wird, nur von Amts wegen verpflichtet, eine neue Sicherheitsüberprüfung vorzunehmen, wenn dieser wieder in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit verwendet werden soll (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. August 2012 - 1 WB 10.12 - juris Rn. 23 m. w. N.).
24 2. Der Antrag ist in der Sache begründet. Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in dem Bescheid des Geheimschutzbeauftragten ist insbesondere in der Prognoseentscheidung rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten.
25 a) Maßgeblich für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Vorlage des Antrags (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2008 - 1 WB 37.07 - BVerwGE 130, 297 Rn. 35). Bis zu diesem Zeitpunkt können in Ergänzung der Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten und mit dessen Zustimmung tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos, einschließlich der dabei zu treffenden Prognose, in das Verfahren eingeführt werden (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. September 2007 - 1 WDS-VR 7.07 - juris Rn. 23 und vom 17. April 2019 - 1 WB 3.19 - juris Rn. 22).
26 b) Die Überprüfung von Angehörigen der Bundeswehr auf Sicherheitsbedenken ist eine vorbeugende Maßnahme, die Sicherheitsrisiken nach Möglichkeit ausschließen soll (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2008 - 1 WB 37.07 - BVerwGE 130, 297 Rn. 23 m. w. N.). Dabei obliegt es hier dem Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt als zuständigen Stelle, aufgrund einer an diesem Zweck der Sicherheitsüberprüfung orientierten Gesamtwürdigung des Einzelfalls die ihr übermittelten Erkenntnisse im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit zu bewerten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 SÜG).
27 Wegen der präventiven Funktion der Sicherheitsüberprüfung und wegen des hohen Ranges der zu schützenden Rechtsgüter liegt ein Sicherheitsrisiko bereits dann vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für einen der Tatbestände des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SÜG bestehen. Dabei hat im Zweifel das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen (§ 14 Abs. 3 Satz 3 SÜG). Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos, die zugleich eine Prognose über die künftige Zuverlässigkeit und Integrität des Soldaten darstellt, darf sich jedoch nicht auf eine vage Vermutung oder eine rein abstrakte Besorgnis stützen (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 30. Mai 2012 - 1 WB 58.11 - juris Rn. 30; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <353>).
28 Dem Geheimschutzbeauftragten steht bei der Entscheidung, ob in der Person eines Soldaten ein Sicherheitsrisiko festzustellen ist, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Geheimschutzbeauftragte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2011 - 1 WB 12.11 - BVerwGE 140, 384 Rn. 24 ff. m. w. N.).
29 c) Nach diesen Maßstäben ist die Feststellung eines Sicherheitsrisikos durch den hierfür zuständigen Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt (§ 3 Abs. 1 Satz 2 SÜG, Nr. 2418 der Zentralen Dienstvorschrift - ZDv A-113o/3) rechtswidrig und deswegen aufzuheben.
30 aa) Der Geheimschutzbeauftragte hat allerdings nicht gegen Verfahrensvorschriften verstoßen. Der Antragsteller hatte insbesondere im Gespräch mit dem Geheimschutzbeauftragten vom 4. November 2022 Gelegenheit, sich vor Feststellung des Sicherheitsrisikos zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen persönlich zu äußern (§ 14 Abs. 3 Satz 4 SÜG i. V. m. § 6 Abs. 1 SÜG). Soweit die Begründung des Geheimschutzbeauftragten für die Feststellung eines Sicherheitsrisikos hinsichtlich der Prognose und der Feststellungsdauer unzureichend gewesen ist, sind diese formellen Mängel jedenfalls durch das Vorlageschreiben geheilt worden.
31 bb) Der Geheimschutzbeauftragte hat auch in materiell-rechtlicher Hinsicht den gesetzlichen Rahmen nicht verkannt, allgemeingültige Wertmaßstäbe beachtet und keine sachfremden Erwägungen angestellt. Er hat die Annahme eines Sicherheitsrisikos selbständig tragend sowohl auf Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG als auch auf Zweifel am Bekenntnis oder jederzeitigen Eintreten des Antragstellers für die freiheitliche demokratische Grundordnung (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SÜG) gestützt. Er hat auch erkannt, dass in beiden Varianten hinreichend konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für die mangelnde Zuverlässigkeit oder die fehlende Verfassungstreue vorliegen und in zeitlicher Hinsicht noch bei Feststellung des Sicherheitsrisikos im Dezember 2022 relevant sein müssen.
32 cc) Er ist allerdings bei der Annahme, dass aktuell noch ausreichende Anhaltspunkte für eine verfassungsilloyale Haltung des Antragstellers bestehen, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Der Antragsteller hat wiederholt und konsistent ausgesagt, dass er als Jugendlicher der lokalen rechtsextremen Szene angehört, sich entsprechend gekleidet und rechtsextreme Musik gehört hat. Auch wenn er in einer Aussage eingeräumt hat, dass er sich mit 16 Jahren (ca. ...) überlegt habe, der NPD beizutreten, gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass er jemals einer rechtsextremen Organisation oder Partei beigetreten ist. Nach eigenen Angaben hat er sich mit dem Umzug zu seinem Vater im Alter von 18 Jahren (ca. ...) von seinen rechtsextremen Freunden aus der Jugendzeit gelöst, seine politische Einstellung geändert und steht nunmehr fest auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Er ist aktuell Mitglied der CDU und hat - wenn auch erst während des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens - die szenetypischen Kleidungsstücke und Musik, die er als Jugendlicher erworben hat, entsorgt.
33 Der Antragsteller ist seit seiner Zugehörigkeit zur Bundeswehr im Jahr 2016 im Dienst nie durch verfassungswidrige Äußerungen aufgefallen. Es gibt keine Ermittlungsergebnisse des BAMAD, die auf eine aktuelle verfassungswidrige Betätigung im außerdienstlichen Bereich hinweisen. Vielmehr bestätigen die vom Antragsteller vorgelegten Leumundsschreiben, dass er von seinem familiären Umfeld, seinem Bekanntenkreis und von seinem nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten als verfassungsloyal eingeschätzt wird. Soweit der Antragsteller bei seiner Befragung 2018 noch angegeben hat, mit A befreundet zu sein und mit ihm hin und wieder ein Bier zu trinken, hat dies zwar Anlass zu weiteren Ermittlungen gegeben. Denn A ist Regionalvorsitzender der von den Verfassungsschutzbehörden als verfassungswidrig eingestuften Partei "...". Allerdings hat das BAMAD nicht ausgeführt, es gebe nachrichtendienstliche Erkenntnisse darüber, dass der Antragsteller in dieser Zeit oder später in die Partei "..." eingetreten oder in irgendeiner Weise für sie aktiv geworden sei. Außerdem hat der Antragsteller unwiderlegt 2019 ausgeführt, dass er A seit einem halben Jahr nicht mehr getroffen habe, und 2022 beim Geheimschutzbeauftragten ausgesagt, dass er den Kontakt mittlerweile eingestellt habe. Er habe ihn zwar kürzlich einmal gesehen, aber nicht mehr mit ihm gesprochen. Auch wenn die Ausführungen des Antragstellers zu den Einzelheiten dieser früheren Beziehung nicht frei von Widersprüchen sind, ergeben die Befragungsergebnisse keine konkreten Anhaltspunkte für einen zum maßgeblichen Zeitpunkt noch aktuellen Fortbestand des Kontaktes oder eine gegenwärtige verfassungsilloyale Gesinnung oder Betätigung, so dass die Feststellung eines Sicherheitsrisikos nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SÜG in tatsächlicher Hinsicht nicht gerechtfertigt ist.
34 dd) Soweit der Geheimschutzbeauftragte Zuverlässigkeitszweifel im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 SÜG angenommen hat, ist er allerdings von einem im Wesentlichen richtigen Sachverhalt ausgegangen. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine mangelnde Zuverlässigkeit können sich insbesondere aus unrichtigen Angaben im Sicherheitsüberprüfungsverfahren ergeben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Oktober 2010 - 1 WB 16.10 - juris Rn. 38 m. w. N.). Der Pflicht, in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen (§ 13 Abs. 1 SG), kommt ein besonderes Gewicht für die sicherheitsrechtliche Beurteilung zu. Zu den der Wahrheitspflicht unterliegenden dienstlichen Angelegenheiten gehören auch die im Überprüfungsverfahren abzugebende Sicherheitserklärung sowie sonstige Äußerungen der betroffenen Person im Sicherheitsüberprüfungsverfahren (BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2024 - 1 WB 13.23 - juris Rn. 47). Nicht nur, aber gerade auch im Umgang mit geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen muss sich die militärische Führung auf die Richtigkeit abgegebener Meldungen, Erklärungen und Aussagen verlassen können (BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 2014 - 1 WB 32.13 - juris Rn. 34).
35 Zutreffend hat der Geheimschutzbeauftragte festgestellt, dass sich die Aussagen des Antragstellers bereits in den beiden Befragungen des BAMAD teilweise widersprechen und weitere Widersprüche in Zusammenschau mit den Erklärungen gegenüber dem Disziplinarvorgesetzten und in der persönlichen Stellungnahme zu Tage treten. Die Widersprüche sind allerdings nicht so zahlreich wie der Geheimschutzbeauftragte annimmt. So ist es - wie ausgeführt - nicht unvereinbar, wenn der Antragsteller im Juli 2018 angibt, mit A hin und wieder ein Bier zu trinken und im Januar 2019 erklärt, das letzte Treffen liege ein halbes Jahr zurück. Denn dies lässt sich unschwer damit erklären, dass der Antragsteller nach dem Gespräch mit dem BAMAD von weiteren Treffen Abstand genommen hat. Es ist auch nicht widersprüchlich, wenn der Antragsteller einerseits angibt, mit 19 Jahren (ca. ...) wegen eines Loyalitätskonflikts vom ... als Supporter ausgeschlossen worden zu sein und andererseits erklärt, 2022 ein Mitglied des Clubs zufällig getroffen zu haben und von ihm zu einem Club-Fest eingeladen worden zu sein. Denn es ist denkbar, dass das einladende Mitglied davon ausging, dass "Gras über die Sache gewachsen" sei. Da der Antragsteller der Einladung nach eigenen Angaben nicht gefolgt ist, kann nach der Schilderung auch nicht davon ausgegangen werden, dass er weiterhin relevante Beziehungen zum ... unterhält (zum Begriff Beziehungen: BVerwG, Beschluss vom 29. September 2022 - 1 WB 28.21 - juris Rn. 31).
36 Objektiv widersprüchlich ist es hingegen, wenn der Antragsteller 2019 gegenüber dem BAMAD angibt, die rechtsextreme Szene bereits mit 16 Jahren verlassen zu haben, während er 2018 ausführt, erst mit 18 Jahren nach dem Umzug zu seinem Vater die Kontakte zur rechtsextremen Szene abgebrochen zu haben. Ebenso ist es objektiv widersprüchlich, wenn er 2018 erklärt, auf seiner "Kutte" keine Patches gehabt zu haben, 2019 aber zugibt, ein "Support ..."-Patch im Brustbereich, und eine "schwarze 7" und einen "..."-Patch auf dem Rücken getragen zu haben.
37 Auch seine Angaben zum Zeitpunkt der Entsorgung seiner rechtsextremen Kleidung und Musik differieren. Die Aussage gegenüber dem Geheimschutzbeauftragten im November 2022, dass er seine rechtsextremen Gegenstände und seine Kutte nach der Befragung durch das BAMAD (2018/2019 - Vorhalt im Schreiben vom 1. September 2022) entsorgt habe, stimmt nicht mit der Aussage gegenüber seinem Disziplinarvorgesetzten vom 19. September 2022 überein, diese Utensilien noch zu besitzen. Soweit er gegenüber dem Geheimschutzbeauftragten erklärt hat, mit der Aussage vom weiteren Besitz nur die Springerstiefel gemeint zu haben, widerspricht dies seiner aktenkundigen Erklärung gegenüber dem Disziplinarvorgesetzten, dass er seine "Kutte", die rechtsextreme Musik und sämtliche szenetypische Kleidungsstücke noch zu Hause habe.
38 Nicht kompatibel sind auch die Aussagen gegenüber dem BAMAD 2018/2019, dass A ein "alter Freund" und "Kumpel" sei, mit der gegenüber dem Geheimschutzbeauftragten 2022 abgegebenen Erklärung, dass er eigentlich kein "alter Freund" sei. Er habe ihn erst während seiner Bundeswehrzeit, d. h. frühestens 2016, kennengelernt, als A ihn für seine Partei werben wollte. Theoretisch denkbar, aber praktisch kaum vorstellbar ist auch seine anschließende Aussage, dass er später mit A nicht mehr über Politik gesprochen habe, ihn aber gleichzeitig von den Werten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung überzeugen wollte.
39 Diese im Aussageverhalten vom Geheimschutzbeauftragten festgestellten objektiven Widersprüche sind vom Antragsteller nicht ausgeräumt worden. Sie sind nur teilweise damit zu erklären, dass die Befragungen sich auf lange Zeit zurückliegende Umstände bezogen und dass der Antragsteller ein schlechtes Gedächtnis für Jahreszahlen und chronologische Abfolgen hat. Zwar mag es bei den Befragungen 2018/2019 schwierig gewesen sein, Beginn und Ende des Lösungsprozesses aus der lokalen rechtsextremen Jugendszene noch exakt zu bestimmen, weil dies schon mehr als sieben Jahre zurücklag. Hingegen ist es nicht plausibel, dass der Antragsteller sich 2018 nicht mehr an die Patches auf seiner "Kutte" erinnert haben will. Denn diese Patches sind in der Motorradclub-Szene von großer identitätsstiftender Bedeutung. Die "Kutte" hatte auch für den Antragsteller nach eigenen Angaben eine so hohe emotionale Bedeutung, dass er sie 2018 noch besaß. Auch lassen sich die divergierenden Angaben zum Zeitpunkt der Entsorgung seiner Rocker- und Skinhead-Utensilien nicht damit begründen, dass dieser Vorgang schon lange vor der Befragung abgeschlossen gewesen wäre. Gleiches gilt für die Frage, ob A ein "alter Freund" aus Jugendtagen oder nur eine spätere Bekanntschaft ist, weil diese Aussage keine exakte zeitliche Einordnung verlangt.
40 Ohne Rechtsfehler hat der Geheimschutzbeauftragte in den widersprüchlichen Aussagen über die Dauer seiner früheren Kontakte in die rechtsextremistische und Rocker-Szene und den Besitz szenetypischer Kleidung, tatsächliche Anhaltspunkte gesehen, die Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit begründen. Es unterliegt keinen rechtlichen Bedenken, dass der Geheimschutzbeauftragte aus dem festgestellten Aussageverhalten des Antragstellers geschlossen hat, dass der Antragsteller zumindest teilweise bewusst unwahre Angaben machte, um den Ausgang des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens für sich positiv zu beeinflussen. Die Aussageunterschiede können auch nicht - wie der Antragsteller vorträgt - allein damit begründet werden, dass er von der Befragung überrascht gewesen ist oder sich unter Druck gesetzt gefühlt hat. Die Annahme von Zweifeln an der Zuverlässigkeit des Antragstellers bewegt sich daher im angegebenen Umfang im Rahmen des dem Geheimschutzbeauftragten zustehenden Beurteilungsspielraums.
41 ee) Dies vermag die vorliegende Feststellung des Sicherheitsrisikos jedoch nicht zu rechtfertigen. Denn die negative Prognose in Bezug auf den künftigen ordnungsgemäßen Umgang mit sicherheitsempfindlichen Unterlagen beruht nicht allein auf den widersprüchlichen Einlassungen des Antragstellers zu seinen früheren Beziehungen in die rechtsextremistische Szene und ins Outlaw-Rocker-Milieu. Vielmehr sind die negative Prognose und die Ablehnung einer Verkürzung der Überprüfungsfrist auch auf Zweifel an seiner Verfassungstreue und noch fortbestehende Verbindungen in diese Kreise gestützt worden. Für diese bei der Prognose kumulativ angeführten Annahmen fehlt es jedoch an konkreten Anhaltspunkten, so dass die Prognose und die Ausübung des Ermessens über eine Verkürzung der Überprüfungsfrist insgesamt auf einem Sachverhaltsirrtum beruhen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 30. September 2021 - 1 WB 18.21 - NJW 2021, 3609 Rn. 52 und vom 29. September 2022 - 1 WB 28.21 - juris Rn. 33). Bei zutreffender Sachverhaltsfeststellung hätte es angesichts der langen Dauer des Überprüfungsverfahrens und der Zeitdauer, die seit der umstrittenen Verwicklung des Antragstellers in die rechtsextremistische Szene und das Outlaw-Rocker-Milieu verstrichen ist, nahegelegen, eine Verkürzung der Überprüfungsfrist in Erwägung zu ziehen.
42 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO und der Erwägung, dass der Antrag ganz überwiegend Erfolg hat (vgl. § 23a Abs. 2 WBO i. V. m. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO).