Beschluss vom 31.03.2021 -
BVerwG 1 WB 12.21ECLI:DE:BVerwG:2021:310321B1WB12.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 31.03.2021 - 1 WB 12.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:310321B1WB12.21.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 12.21

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
den ehrenamtlichen Richter Oberfeldarzt Müller und
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant i.G. Nowak
am 31. März 2021 beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass die Aufhebung der Versetzungsverfügung Nr. ... des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 28. Februar 2020 und der Beschwerdebescheid des Bundesministeriums der Verteidigung vom 31. Juli 2020 rechtswidrig waren.
  2. Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der ihm im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen die Aufhebung seiner Versetzung auf einen Einheitsführer-Dienstposten.

2 Der 19.. geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ablauf des 31. März 20... Zuletzt wurde er am 23. Februar 2017 zum Major befördert. Vom 1. Juli 2015 bis 1. November 2017 wurde er als Kompaniechef bei der A und daran anschließend als S3-Stabsoffizier beim B verwendet. Vom 26. März bis 1. Oktober 2020 war er in einer besonderen Auslandsverwendung als S3-Stabsoffizier zum C kommandiert.

3 Mit Disziplinargerichtsbescheid vom 20. Februar 2019 - S 3 VL 2/19 - hat das Truppendienstgericht Süd gegen den Antragsteller wegen eines Dienstvergehens ein Beförderungsverbot für die Dauer von 24 Monaten verbunden mit einer Kürzung seiner Dienstbezüge um 1/20 für die Dauer von 12 Monaten verhängt. Das Truppendienstgericht sah es als erwiesen an, dass der Antragsteller im Juli und August 2015 bei zwei Gelegenheiten zu Soldaten seiner Einheit zumindest sinngemäß gesagt habe: "Ah, der Kompanietruppführer und seine Kloppitruppe wieder, die machen eh den ganzen Tag nichts" sowie "Bin ich hier in einer Mongowerkstatt? Ihr seid Affen mit Trisomie 21".

4 Mit Verfügung Nr. ... vom 28. Februar 2020 versetzte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr den Antragsteller zum 1. April 2021 (mit Dienstantritt am 6. April 2021) aus dienstlichen Gründen im Rahmen der Personalentwicklung auf den Dienstposten eines Einheitsführers bei der D.

5 Mit Schreiben vom 3. Juni 2020 teilte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr dem Antragsteller mit, dass die Versetzungsverfügung aufgrund einer Weisung des Vizepräsidenten des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr am 2. April 2020 aufgehoben worden sei. Zur Begründung verwies es auf den Disziplinargerichtsbescheid und die dort verhängten Maßnahmen. Gemäß § 8 Abs. 2 WDO sei ein Beförderungsverbot sieben Jahre nach Verkündung aus dem Disziplinarbuch zu tilgen. Bis dahin könne der Disziplinargerichtsbescheid, ungeachtet der Bewährung des Antragstellers als Stabsabteilungsleiter der S3-Abteilung des B, für Entscheidungen der Personalführung herangezogen werden.

6 Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 5. Juni 2020 Beschwerde. Zur Begründung verwies er darauf, dass die Versetzung zum D in Kenntnis der verhängten Disziplinarmaßnahme erfolgt sei. Dass diese kurze Zeit später wieder aufgehoben werde, beruhe seines Erachtens auf einer Einmischung der politischen Ebene in die Personalführung. Auslöser sei eine Befragung der Bundesministerin der Verteidigung zu dem kurz zuvor veröffentlichten Bericht des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestags durch eine Abgeordnete, die sich auf seinen, im Bericht des Wehrbeauftragten erwähnten Fall bezogen habe. Auch wenn der Disziplinargerichtsbescheid für Entscheidungen der Personalführung herangezogen werden könne, sei bei einer ganzheitlichen Betrachtung auch seine sonstige Eignung für den Dienstposten zu berücksichtigen, was hier unterlassen worden sei. Die nachträgliche Sanktionierung seines Fehlverhaltens aus dem Jahre 2015, das 2019 rechtskräftig geahndet worden sei, aufgrund externer Einmischung mit Mitteln der Personalführung sei rechtswidrig.

7 Mit Schreiben vom 30. Juli 2020 nahm die Vertrauensperson der Offiziere im Stab des C ausführlich zu der Beschwerde Stellung und äußerte sich zugunsten des Antragstellers.

8 Mit Bescheid vom 31. Juli 2020 wies das Bundesministerium der Verteidigung die Beschwerde zurück. Die Aufhebung der Versetzungsverfügung sei rechtmäßig und verletze den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Die Verfügung vom 28. Februar 2020, mit der der Antragsteller als Einheitsführer zum D versetzt worden sei, sei rechtswidrig gewesen, weil der Antragsteller für diesen Dienstposten weder zum Zeitpunkt der Verfügung noch zum Zeitpunkt ihrer Aufhebung geeignet gewesen sei. Kernaufgaben eines Offiziers in der Laufbahn des Truppendienstes seien das Führen, Ausbilden und Erziehen von Soldatinnen und Soldaten. Dies gelte im Besonderen für Offiziere, die als Einheitsführer mit Disziplinarbefugnis verwendet würden. Indem der Antragsteller als Kompaniechef und Disziplinarvorgesetzter ihm unterstellte Soldaten in der mit dem Disziplinargerichtsbescheid festgestellten Weise beleidigt habe, habe er sich als charakterlich ungeeignet für eine Verwendung als Einheitsführer erwiesen. Die fachliche Qualifikation des Antragstellers für den Dienstposten sei berücksichtigt worden, habe jedoch die charakterlichen Eignungszweifel weder ausräumen noch überwiegen können. Die Versetzungsverfügung sei deshalb wegen fehlender persönlicher Eignung des Antragstellers für den Dienstposten rechtswidrig und in entsprechender Anwendung von § 48 Abs. 1 VwVfG aufzuheben gewesen. Der Disziplinargerichtsbescheid habe dabei verwertet werden können, weil Disziplinarmaßnahmen erst dann nicht mehr berücksichtigt werden dürften, wenn sie zu tilgen und aus den Personalakten zu entfernen seien; dies sei hier erst im Jahre 2026 der Fall. Der Antragsteller habe auch kein das öffentliche Interesse an der Aufhebung überwiegendes schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand der Versetzungsverfügung. Er habe die vorgesehene Verwendung noch nicht angetreten; die Aufhebung sei lange Zeit vor dem vorgesehenen Dienstantritt erfolgt.

9 Hiergegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 17. August 2020 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt und zugleich einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt.

10 Mit Verfügung Nr. ... vom 2. Dezember 2020, eröffnet am 7. Januar 2021, versetzte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr den Antragsteller zum 1. April 2021 - unter vorangehender Kommandierung vom 8. März 2021 bis 31. März 2021 - auf den Dienstposten eines Jägerstabsoffiziers und Referenten beim E. Im Hinblick darauf haben die Beteiligten das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes übereinstimmend für erledigt erklärt. Der Senat hat dieses Verfahren mit Beschluss vom 25. Februar 2021 (BVerwG 1 WDS-VR 13.20 ) eingestellt und dem Bund die Kosten auferlegt.

11 Den hier gegenständlichen Antrag in der Hauptsache hat das Bundesministerium der Verteidigung mit seiner Stellungnahme vom 16. Februar 2021 dem Senat vorgelegt.

12 Zu dessen Begründung führt der Antragsteller, großenteils unter Bezugnahme auf seinen Vortrag im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, insbesondere aus: Im Hinblick auf die zuletzt ergangene Versetzung zum E, mit der er sich vorbehaltlich der Entscheidung in diesem Verfahren einverstanden erklärt habe, werde der Antrag im Sinne eines Fortsetzungsfeststellungsbegehrens umgestellt und weiterverfolgt. Es liege eine Wiederholungsgefahr vor, weil auch bei künftigen Personalmaßnahmen zu erwarten sei, dass wegen der politischen Brisanz seiner Personalie erneut eine für ihn nachteilige Entscheidung getroffen werde. Außerdem bestehe ein Rehabilitationsinteresse, weil die politischen Querelen um seine Person größere Kreise gezogen hätten und er eine über die üblichen Konsequenzen eines Dienstvergehens hinausgehende Ansehensminderung erlitten habe. Es kursierten inzwischen sowohl im politischen Berlin als auch unter Soldatinnen und Soldaten verschiedenster Einheiten falsche negative Behauptungen, durch die eine Stigmatisierung in der Öffentlichkeit, insbesondere im dienstlichen Umfeld, entstehe.

13 Ursache des gesamten Vorgangs sei eine politische Einflussnahme gewesen, nachdem sein Fall im Bericht des Wehrbeauftragten erwähnt worden sei. Die Anfrage einer Abgeordneten des Deutschen Bundestags habe zu Aktivitäten auf der Ebene der Ministerin und in der Folge zu einer Weisung des Vizepräsidenten des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr und zu der hier strittigen Entscheidung geführt. Er beantrage, seinen Personalführer als Zeugen zum Beweis dafür zu vernehmen, dass die Aufhebung der bereits verfügten Versetzung unter ausdrücklichem Verweis auf die Vorgänge im Bundestag und entgegen dessen fachlicher Einschätzung der Eignung angewiesen worden sei; der Personalführer werde außerdem bezeugen, dass in vergleichbaren Fällen eine verhängte Disziplinarmaßnahme keineswegs dazu geführt habe, dass laufbahngerechte Versetzungen unterblieben seien. Der Vortrag des Bundesministeriums der Verteidigung sei zudem unstimmig, wenn es geltend mache, dass bereits die ursprüngliche Versetzungsentscheidung durch den zuständigen Personalführer rechtswidrig gewesen sei. Denn in diesem Falle hätte der Personalführer, dem der Disziplinargerichtsbescheid bekannt gewesen sei, offenkundig seine Dienstpflichten verletzt.

14 Er, der Antragsteller, habe trotz des Disziplinarverfahrens jederzeit das Vertrauen seiner Vorgesetzten genossen, sei ununterbrochen als militärischer Führer eingesetzt gewesen und habe Lehrgänge für seinen weiteren Verwendungsaufbau besucht. Auch bei der Versetzung von A zum B habe es sich nicht um eine vorzeitige Entbindung von der Kompanieführung, sondern um eine planmäßige Weiterversetzung gehandelt. Im Übrigen habe er auch in der jüngeren Vergangenheit Führungs- und Personalverantwortung ausgeübt. So habe er die Führung einer Stabsabteilung innegehabt, zusätzlich zeitweise auch die Vertretung des Bataillonsführers. Auch sei er nicht von seinem Auslandseinsatz in ... abgelöst worden, wo er enorme Verantwortung für die Mission, die ihm unterstellten deutschen Soldaten und das Ansehen der Bundesrepublik gegenüber dem Gastland und den Partnern der Vereinten Nationen getragen habe. Im September 2020 sei ihm der Kompetenzbereich "Führung und Einsatz" zugewiesen worden. Aus dem Gesamtbild seines bisherigen dienstlichen Werdegangs steche allein die hier strittige Aufhebung einer zum Laufbahnaufbau passenden Versetzungsverfügung heraus. Dies lasse auf eine willkürliche, von sachfremden Erwägungen geprägte Maßnahme schließen.

15 Der Antragsteller beantragt,
festzustellen, dass die Aufhebung der Versetzungsverfügung Nr. ... zum 1. April 2021 rechtswidrig war.

16 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

17 Es hält den Antrag für unzulässig. Eine Wiederholungsgefahr liege nicht vor, weil eine gleiche Situation, für die das vorliegende Verfahren eine Klärung erbringen könnte, nicht eintreten werde. Auch ein Rehabilitationsinteresse bestehe nicht, weil der Antragsteller die Folgen seines disziplinar geahndeten Dienstvergehens eigenverantwortlich zu tragen habe. Eine diskriminierende Wirkung der Aufhebungsverfügung sei nicht ersichtlich.

18 In der Sache verweist das Bundesministerium der Verteidigung im Wesentlichen auf die Gründe seines Beschwerdebescheids. Die Versetzungsverfügung sei mangels persönlicher Eignung des Antragstellers für den Dienstposten rechtswidrig gewesen und habe deshalb nach § 48 VwVfG aufgehoben werden können. Auch sei der Antragsteller anlässlich der disziplinaren Ermittlungen am 1. November 2017 von der Führung der A entbunden worden. Die von ihm besuchten Lehrgänge hätten der Vorbereitung von Fachtätigkeiten in zukünftigen Verwendungen gedient. Die Zuweisung des Kompetenzbereichs "Führung und Einsatz" bedeute nicht, dass der Antragsteller nur in Führungsverwendungen einzusetzen sei; den Schwerpunkt bildeten in diesem Kompetenzbereich Verwendungen, die die Beratung der militärischen Führer und die Planung, Vorbereitung und Durchführung von Übungen beinhalteten.

19 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten verwiesen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung, die Personalgrundakte des Antragstellers und die Akten des abgeschlossenen Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes (BVerwG 1 WDS-VR 13.20 ) haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

20 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg.

21 1. Der Antrag ist zulässig.

22 a) Das ursprüngliche Rechtsschutzbegehren des Antragstellers richtete sich - als Anfechtungsantrag - gegen die Aufhebung der Verfügung Nr. ... vom 28. Februar 2020, mit der ihn das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr zum 1. April 2021 auf den Dienstposten eines Einheitsführers bei der D versetzt hatte. Insoweit hat sich der Rechtsstreit erledigt, weil das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr den Antragsteller nunmehr mit Verfügung Nr. ... vom 2. Dezember 2020 zum 1. April 2021 - unter vorangehender Kommandierung vom 8. März 2021 bis 31. März 2021 - auf den Dienstposten eines Jägerstabsoffiziers und Referenten beim E versetzt und damit dem Streit um die Aufhebung der früheren Verfügung die Grundlage entzogen hat.

23 b) Der Antragsteller hat daraufhin sein Rechtsschutzbegehren zulässigerweise auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt.

24 Hat sich eine truppendienstliche Maßnahme, die - wie hier die Aufhebung einer Versetzungsverfügung - keinen Befehl im Sinne von § 2 Nr. 2 WStG darstellt, vor der gerichtlichen Entscheidung erledigt, so entscheidet das Wehrdienstgericht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO), ob die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann sich das berechtigte Interesse an der Feststellung aus einem Rehabilitierungsinteresse, aus einer Wiederholungsgefahr oder aus der Absicht ergeben, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, sofern dieser nicht von vornherein als aussichtslos erscheint; ein Feststellungsinteresse kommt auch in Betracht, wenn die erledigte Maßnahme eine fortdauernde faktische Grundrechtsbeeinträchtigung nach sich zieht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Januar 2013 - 1 WB 60.11 - NVwZ 2013, 1227 Rn. 26 und vom 11. Dezember 2014 - 1 WB 6.13 - Buchholz 449.7 § 51 SBG Nr. 1 Rn. 24).

25 Danach ist zwar die von dem Antragsteller geltend gemachte Wiederholungsgefahr zu verneinen. Sie würde die konkret absehbare Möglichkeit voraussetzen, dass in naher Zukunft eine gleiche oder gleichartige Entscheidung oder Maßnahme unter im Wesentlichen gleichartigen Verhältnissen zu seinen Lasten zu erwarten ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Dezember 2011 - 1 WB 37.10 - juris Rn. 85 m.w.N.). Daran fehlt es hier, weil die Einschätzung der persönlichen Eignung des Antragstellers keine feste Größe ist, sondern sich im Zeitablauf ändern kann und insbesondere auch von dem jeweiligen Dienstposten abhängig ist, auf den eine künftige Versetzung erfolgen soll.

26 Der Antragsteller hat jedoch ein Rehabilitierungsinteresse an der begehrten Feststellung (vgl. hierzu BVerwG, Beschlüsse vom 18. Juli 2000 - 1 WB 34.00 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 11 S. 23, vom 21. März 2013 - 1 WB 2.13 - juris Rn. 20 und vom 17. Dezember 2015 - 1 WB 48.14 - juris Rn. 20). Zwar muss es der Antragsteller grundsätzlich hinnehmen, wenn die disziplinare Ahndung seines Dienstvergehens über den Kreis der unmittelbar Betroffenen bekannt wird oder - wie hier (siehe BT-Drucks. 19/16500, S. 55) - im Bericht des Wehrbeauftragten in anonymisierter Form beispielhaft aufgegriffen wird. Ebenso kommt der Aufhebung einer Versetzungsverfügung als solcher, d.h. ohne Hinzutreten weiterer Umstände, keine diskriminierende Wirkung zu. Solche Umstände trägt der Antragsteller jedoch hier plausibel und nachvollziehbar vor.

27 Die hier gegenständliche Aufhebung einer Versetzungsverfügung, die für sich betrachtet keine erkennbaren Besonderheiten aufweist, erfolgte - was nur selten der Fall sein dürfte - durch eine Einzelweisung der Leitungsebene des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr. Diese Weisung steht ersichtlich im Zusammenhang mit einer - deshalb auch in der Beschwerdeakte enthaltenen - Anfrage von drei Abgeordneten des Deutschen Bundestags an die Bundesministerin der Verteidigung vom 5. März 2020. Die Anfrage nimmt Bezug auf eine Regierungsbefragung vom 29. Januar 2020, in der die Bundesministerin der Verteidigung auf das in dem Bericht des Wehrbeauftragten angeführte Dienstvergehen des Antragstellers angesprochen wurde. Die anfragenden Abgeordneten zitieren hieraus die Passage "Bin ich hier in einer Mongowerkstatt? Ihr seid Affen mit Trisomie 21" und begründen ihre Auffassung, dass diese Äußerung absolut inakzeptabel sei, damit, dass eine ganze Gruppe von Menschen, die mit Trisomie 21 lebt, mit diesen Aussagen übel beleidigt und diskreditiert werde.

28 Damit erhält das Dienstvergehen des Antragstellers allerdings eine Wendung, die sich dem Urteil des Truppendienstgerichts nicht entnehmen lässt und die der Antragsteller deshalb auch nicht hinnehmen muss. Das Truppendienstgericht hat die Äußerungen des Antragstellers als beleidigendes Verhalten gegenüber seinen Untergebenen gewürdigt, das im Widerspruch zu seinen Vorgesetztenpflichten steht. Es hat dem Antragsteller jedoch keine Diskriminierung oder Beleidigung von Menschen mit Behinderung vorgehalten. Auch eine im Zusammenhang mit der Anfrage der Abgeordneten eingeholte Stellungnahme der Wehrdisziplinaranwaltschaft vom 23. März 2020 spricht von einer - mit Ausnahme des sanktionierten Fehlverhaltens - untadeligen Führung des Antragstellers, dem eine gegenüber behinderten Mitbürgerinnen und Mitbürgern an sich feindliche Gesinnung nicht nachzuweisen sei.

29 Im Ergebnis wird der Antragsteller damit in der politischen Debatte mit einem Vorwurf belegt, der dem disziplinar geahndeten Fehlverhalten nicht entspricht, und dieser Vorwurf zum Anlass genommen, in eine Einzelentscheidung der Personalführung einzugreifen. Der Antragsteller hat damit ein berechtigtes Interesse, das Resultat dieser Intervention - die Aufhebung der Versetzungsverfügung - auf seine Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Das Rehabilitierungsinteresse wird dadurch verstärkt, dass der Vorgang eine mit der Person des Antragstellers verbundene Publizität erlangt hat, die sich etwa in der Stellungnahme der Vertrauensperson der Offiziere im Stab des C oder in einem - ebenfalls bei den Akten befindlichen - Schreiben des Befehlshabers des F der Bundeswehr widerspiegelt.

30 2. Der Antrag ist auch begründet.

31 Die Aufhebung der Versetzungsverfügung Nr. ..., mit der der Antragsteller auf den Dienstposten eines Einheitsführers bei der D versetzt wurde, und der Beschwerdebescheid des Bundesministeriums der Verteidigung vom 31. Juli 2020 waren rechtswidrig.

32 a) Die Aufhebung der Versetzungsverfügung kann sich nicht auf die - auf truppendienstliche Maßnahmen entsprechend anwendbare (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2012 - 1 WB 22.11 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 82 Rn. 18 m.w.N.) - Vorschrift des § 48 VwVfG stützen. Denn die Versetzungsverfügung war nicht rechtswidrig und konnte deshalb nicht aufgrund dieser - nur für rechtswidrige Maßnahmen geltenden - Bestimmung zurückgenommen werden.

33 aa) Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr hat vielmehr bei Erlass der Versetzungsverfügung den Antragsteller - in einer rechtlich nicht zu beanstandenden Weise (dazu unten bb) - als nicht nur fachlich, sondern auch persönlich geeignet für die Besetzung des Dienstpostens angesehen.

34 Die Erwägungen, die der Versetzungsverfügung vom 28. Februar 2020 zugrunde liegen, sind aus den vorliegenden Akten nicht ersichtlich. Dies macht die Verfügung jedoch nicht verfahrensfehlerhaft. Einer Begründung bedurfte es nicht, weil die Versetzung zum D dem offenkundigen Interesse des Antragstellers entsprach und ihm die der Versetzung zugrundeliegenden dienstlichen Gründe im Rahmen der Personalentwicklung auch ohne Begründung ohne weiteres erkennbar waren (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwVfG).

35 Mit dem Antragsteller ist ferner davon auszugehen, dass dem Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr bei Erlass der Verfügung der rund ein Jahr zuvor gegen ihn ergangene Disziplinargerichtsbescheid vom 20. Februar 2019 bekannt war. Eine diesbezügliche Unkenntnis macht auch das Bundesministerium der Verteidigung, das hierfür die materielle Beweislast trägt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2003 - 2 C 12.02 - Buchholz 240.1 BBesO Nr. 27 LS 2 und S. 16 f.), nicht geltend. Vielmehr trägt es selbst vor, dass ein Beförderungshemmnis im Personalwirtschaftssystem eingepflegt gewesen sei. Damit ist zugleich davon auszugehen, dass das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr den Antragsteller bei Erlass der Versetzungsverfügung - auch unter Berücksichtigung seiner disziplinar geahndeten Verfehlungen - im Ergebnis für persönlich geeignet hielt, um auf einem Einheitsführer-Dienstposten verwendet zu werden. Auf die zuletzt vom Antragsteller beantragte Zeugenvernehmung seines Personalführers kommt es deshalb nicht an.

36 bb) Die positive Einschätzung der persönlichen Eignung des Antragstellers, die der Versetzungsverfügung vom 28. Februar 2020 zugrunde lag, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

37 Dem Dienstherrn, hier handelnd durch das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr, steht bei der Entscheidung über die Eignung eines Soldaten ein Beurteilungsspielraum zu, den er unter Berücksichtigung des von dem Soldaten wahrzunehmenden Dienstpostens auszufüllen hat; demzufolge beschränkt sich die gerichtliche Nachprüfung auf die Kontrolle, ob er bei der Entscheidung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen des Beurteilungsspielraums verkannt hat, ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 25. Juni 2020 - 1 WB 77.19 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 103 Rn. 28 und vom 29. Januar 2013 - 1 WB 60.11 - NVwZ 2013, 1227 Rn. 34 m.w.N.).

38 Nach diesen Maßstäben lässt sich nicht feststellen, dass das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr bei dem Erlass der Versetzungsverfügung die Eignung des Antragstellers für den Dienstposten fehlerhaft beurteilt hätte.

39 Die Versetzung des Antragstellers auf den Dienstposten eines Einheitsführers beim D verstößt nicht gegen die mit dem Disziplinargerichtsbescheid verhängten Maßnahmen. Sie stellt weder eine Beförderung noch eine Versetzung auf einen höherwertigen Dienstposten, die eine Beförderung vorzeichnen könnte, dar; vielmehr wurde der Antragsteller dotierungsgleich (A 13/A 14) zu seiner bisherigen Verwendung versetzt. Zwar kann die Disziplinarmaßnahme - und vor allem das mit ihr geahndete Dienstvergehen - bis zur Tilgung bzw. Tilgungsreife berücksichtigt werden, die hier erst im Jahre 2026 erreicht ist (§ 8 Abs. 2 und 7 WDO). In die bei der Prüfung der Eignung gebotene Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles waren neben dem Umstand, dass der Antragsteller bei dem Dienstvergehen gerade als Einheitsführer versagt hatte, auch der Zeitablauf seit dem Dienstvergehen, die erzieherische Wirkung des Verfahrens und der Maßnahme sowie die in der Folge untadelige Führung des Antragstellers gerade in Führungspositionen einzustellen.

40 Der Beurteilungsspielraum des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr war nicht dadurch überschritten, dass es dem Antragsteller im Hinblick auf sein Nachtatverhalten die Eignung für den fraglichen Einheitsführerdienstposten zugesprochen hat. Unabhängig davon, ob es sich bei der Versetzung von A zum B um eine Ablösung aus disziplinaren Gründen oder um eine planmäßige Personalmaßnahme handelte, war der Antragsteller jedenfalls durchgängig mit anspruchsvollen und - wie zuletzt bei seiner besonderen Auslandsverwendung als S3-Stabsoffizier im C - auch exponierten Aufgaben betraut. Dem Vortrag des Bundesministeriums der Verteidigung lässt sich nicht entnehmen, dass sich der Antragsteller dabei seit dem Dienstvergehen etwas zuschulden hätte kommen lassen. Eine E-Mail der Wehrdisziplinaranwaltschaft vom 23. März 2020 spricht von einer - mit Ausnahme des sanktionierten Fehlverhaltens - untadeligen Führung des Antragstellers und von einer Entgleisung, die nicht wieder vorkommen werde und hinreichend geahndet worden sei. Zudem konnte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr in seine Erwägungen einstellen, dass das vom Disziplinargerichtsbescheid, rechtskräftig seit dem 6. März 2019, verhängte Beförderungsverbot mit dem 6. März 2021 abgelaufen war und dass mithin das Erziehungsziel der Disziplinarmaßnahme noch vor dem Dienstantrittsdatum der Versetzung auf den fraglichen Einheitsführerdienstposten erreicht war.

41 Auf der Grundlage dieses sich aus den Akten ergebenden Sachverhalts und im Rahmen des beschränkten gerichtlichen Prüfungsmaßstabs lässt sich durch den Senat nicht feststellen, dass das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr die Grenzen seines Beurteilungsspielraums überschritten hat, wenn es den Antragsteller für geeignet hielt, künftig (wieder) als Einheitsführer mit Disziplinarbefugnis und mit der Verantwortung für eine größere Zahl unterstellter Soldaten eingesetzt zu werden. Auch insoweit kommt es deshalb auf die vom Antragsteller beantragte Zeugenvernehmung seines Personalführers nicht an.

42 b) Ist die Versetzungsverfügung Nr. ... vom 28. Februar 2020 damit rechtmäßig ergangen, so kam eine Aufhebung nur auf der Grundlage der - auf truppendienstliche Maßnahmen entsprechend anwendbaren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2009 - 1 WB 51.08 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 53 Rn. 23 m.w.N.) - Vorschrift des § 49 VwVfG in Betracht. Auch danach stellt sich die Aufhebung jedoch als rechtswidrig dar.

43 Zweifelhaft ist bereits, ob sich die vom Bundesministerium der Verteidigung dezidiert als Rücknahme behandelte Aufhebung überhaupt in einen Widerruf der Versetzungsverfügung umdeuten lässt (§ 47 VwVfG). Unabhängig davon liegen die Voraussetzungen für einen Widerruf nicht vor.

44 aa) Bei der Versetzungsverfügung Nr. ... handelt es sich um eine begünstigende Maßnahme, die nur unter den Einschränkungen des § 49 Abs. 2 VwVfG widerrufen werden darf.

45 Nach der auch für § 49 VwVfG geltenden Legaldefinition des § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG ist begünstigend ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat. Sogenannte Verwaltungsakte mit Mischwirkung sind insgesamt als begünstigend zu behandeln, sofern sich begünstigende und belastende Elemente nicht voneinander trennen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2012 - 6 C 3.11 - BVerwGE 143, 87 Rn. 47). Für die Einschätzung des begünstigenden oder aber belastenden Charakters kann es im Zweifelsfall auf die Interessenlage des Betroffenen ankommen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 48 Rn. 116 m.w.N.).

46 Die hier gegenständliche Versetzungsverfügung ist danach als begünstigende Personalmaßnahme zu behandeln. Sie löst ein Bündel von Rechtsfolgen aus, die jedenfalls zu einem erheblichen Teil einen den Antragsteller begünstigenden Charakter haben. Dies folgt nicht allein aus dem Interesse des Antragstellers an dem Dienstposten beim D, sondern vor allem auch daraus, dass die Versetzung ausdrücklich auch aus Gründen der Personalentwicklung erfolgte.

47 bb) Ein danach erforderlicher Widerrufsgrund im Sinne der abschließenden Aufzählung in § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG ist nicht gegeben. Insbesondere ist der gegen den Antragsteller ergangene Disziplinargerichtsbescheid vom 20. Februar 2019 keine nachträglich eingetretene Tatsache im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG. Die anderweitige Bewertung gleich gebliebener Tatsachen reicht dafür nicht aus (BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2009 - 1 WB 51.08 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 53 Rn. 34 m.w.N.). Die Voraussetzungen der weiteren Widerrufsgründe sind offenkundig nicht erfüllt.