Verfahrensinformation

Der Antragsteller, eine als eingetragener Verein organisierte und nach § 3 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) anerkannte Naturschutzvereinigung, wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen die „Verordnung des Landkreises Rosenheim über das Landschaftsschutzgebiet Inntal Süd“ vom 10. April 2013. Mit der Landschaftsschutzgebietsverordnung wird der Landschaftsraum östlich und westlich des Inns - Flusslauf des Inns mit Talraum und seinen Auen - zwischen der Staatsgrenze zu Österreich in der Gemeinde Kiefersfelden und der Grenze zur Stadt Rosenheim unter der Bezeichnung „Inntal Süd“ als Landschaftsschutzgebiet geschützt. Das Schutzgebiet hat eine Größe von insgesamt ca. 4021 ha. Mit der Landschaftsschutzgebietsverordnung werden zugleich die Kreisverordnung zum Schutze des Inntals vom 11. Februar 1952, mit der das bayerische Inntal nördlich von Rosenheim bis in die Nähe der Staatsgrenze bei Kiefersfelden großflächig unter Landschaftsschutz gestellt worden war, im Geltungsbereich der Gemeinden Brannenburg, Flintsbach am Inn, Kiefersfelden, Neubeuern, Nußdorf am Inn, Oberaudorf, Raubling, Rohrsdorf und Stephanskirchen südlich Flusskilometer 185,9 sowie die Verordnung der Stadt Rosenheim über das Landschaftsschutzgebiet Bockau - Innauen zwischen Inn und Rohrdorfer Ache - im Gebiet der Stadt Rosenheim vom 19. August 1977 außer Kraft gesetzt. Insgesamt wird das Schutzgebiet um ca. 650 ha verkleinert.


Der Verwaltungsgerichtshof München hat den Antrag abgelehnt, weil der Antragsteller nicht i.S.v. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt sei. Eine Antragsbefugnis ergebe sich weder aus § 64 Abs. 1 BNatSchG oder § 2 UmwRG noch aus Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention in Verbindung mit Art. 47 der EU-Grundrechte-Charta oder der Alpenkonvention. Zur Klärung dieser Frage hat er die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zugelassen.


Beschluss vom 04.05.2020 -
BVerwG 4 CN 4.18ECLI:DE:BVerwG:2020:040520B4CN4.18.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.05.2020 - 4 CN 4.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:040520B4CN4.18.0]

Beschluss

BVerwG 4 CN 4.18

  • VGH München - 25.04.2018 - AZ: VGH 14 N 14.878

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 12. März 2020
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Decker und Prof. Dr. Külpmann, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hammer
am 4. Mai 2020 beschlossen:

  1. Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wird ausgesetzt.
  2. Es wird gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu folgenden Fragen eingeholt:
  3. 1. Ist Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl. L 197/30) so auszulegen, dass ein Rahmen für die künftige Genehmigung der in den Anhängen I und II der Richtlinie 2011/92/EU (UVP-Richtlinie) aufgeführten Projekte schon dann gesetzt wird, wenn eine Verordnung zum Schutz von Natur und Landschaft allgemeine Verbotstatbestände mit Befreiungsmöglichkeit sowie Erlaubnispflichten vorsieht, die keinen spezifischen Bezug zu Projekten der Anhänge zur UVP-Richtlinie haben?
  4. 2. Ist Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/42/EG so auszulegen, dass Pläne und Programme dann in den Bereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Bodennutzung etc. ausgearbeitet worden sind, wenn sie darauf zielen, einen Referenzrahmen gerade für einen oder mehrere dieser Sachbereiche festzulegen? Oder reicht es aus, wenn zum Schutz von Natur und Landschaft allgemeine Verbotstatbestände und Erlaubnispflichten geregelt werden, die in Zulassungsverfahren für eine Vielzahl von Vorhaben und Nutzungen zu prüfen sind und sich mittelbar ("reflexhaft") auf einen oder mehrere dieser Bereiche auswirken können?
  5. 3. Ist Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2001/42/EG so auszulegen, dass ein Rahmen für die künftige Genehmigung von Projekten gesetzt wird, wenn eine zum Schutz von Natur und Landschaft erlassene Verordnung für eine Vielzahl abstrakt beschriebener Vorhaben und Maßnahmen im Schutzgebiet allgemeine Verbotstatbestände und Erlaubnispflichten bestimmt, konkrete Projekte bei ihrem Erlass aber weder absehbar noch beabsichtigt sind und es daher an einem spezifischen Bezug zu konkreten Projekten fehlt?

Gründe

I

1 Die Fragen stellen sich in einem Streit zwischen einer nach § 3 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannten Vereinigung (Antragsteller) und dem Landkreis Rosenheim (Antragsgegner) über die Wirksamkeit einer Verordnung für ein Landschaftsschutzgebiet.

2 Der Antragsgegner erließ mit Wirkung vom 27. April 2013 die Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet "Inntal Süd" (ABl. des Landkreises Rosenheim Nr. 5 vom 26. April 2013; im Folgenden: LSG-Verordnung). Im Aufstellungsverfahren hatte er den Antragsteller beteiligt, aber weder eine Strategische Umweltprüfung noch eine Vorprüfung für eine solche Prüfung durchgeführt.

3 Die LSG-Verordnung stellt ein etwa 4 021 ha großes Gebiet unter Schutz (§ 2 Abs. 1 LSG-Verordnung). Im Landschaftsschutzgebiet sind alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebiets verändern oder dem Schutzzweck (§ 3 LSG-Verordnung) zuwiderlaufen (§ 4 LSG-Verordnung). Nach §§ 10 und 11 LSG-Verordnung treten mit Inkrafttreten der LSG-Verordnung frühere Verordnungen über Schutzgebiete aus den Jahren 1952 und 1977 teilweise oder vollständig außer Kraft. Insgesamt wird so das bisherige Landschaftsschutzgebiet um ca. 650 ha verkleinert.

4 Der Antragsteller wendet sich gegen die LSG-Verordnung mit einem Normenkontrollantrag. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat den Antrag als unzulässig abgelehnt (VGH München, Urteil vom 25. April 2018 - 14 N 14.878 -). Der Senat ist zur Entscheidung über die Revision berufen.

II

5 Die für den Fall maßgeblichen nationalen Rechtsvorschriften:

6 1. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.d.F. der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), zuletzt geändert durch Art. 56 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2652).
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2. von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.
(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. [...]

7 2. Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz UmwRG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 23. August 2017 (BGBl. I S. 3290), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 17. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2549).
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(1) Dieses Gesetz ist anzuwenden auf Rechtsbehelfe gegen folgende Entscheidungen: [...]
4. Entscheidungen über die Annahme von Plänen und Programmen im Sinne von § 2 Absatz 7 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung und im Sinne der entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften, für die nach
a) Anlage 5 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder
b) landesrechtlichen Vorschriften
eine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung bestehen kann; ausgenommen hiervon sind Pläne und Programme, über deren Annahme durch formelles Gesetz entschieden wird; [...]
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(1) Eine nach § 3 anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung kann, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung
1. geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht,
2. geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen berührt zu sein, und
3. im Falle eines Verfahrens nach [....]
b) § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 zur Beteiligung berechtigt war und sie sich hierbei in der Sache gemäß den geltenden Rechtsvorschriften geäußert hat oder ihr entgegen den geltenden Rechtsvorschriften keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist.
Bei Rechtsbehelfen gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2a bis 6 oder gegen deren Unterlassen muss die Vereinigung zudem die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend machen. [...]
(4) Rechtsbehelfe nach Absatz 1 sind begründet, soweit [...]
2. die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2a bis 6 oder deren Unterlassen gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind,
und der Verstoß Belange berührt, die zu den Zielen gehören, die die Vereinigung nach ihrer Satzung fördert.
Bei Entscheidungen nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder 4 muss zudem eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltprüfung [...] bestehen.

8 3. Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 94), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2513).
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(7) Pläne und Programme im Sinne dieses Gesetzes sind nur solche bundesrechtlich oder durch Rechtsakte der Europäischen Union vorgesehenen Pläne und Programme, die
1. von einer Behörde ausgearbeitet und angenommen werden,
2. von einer Behörde zur Annahme durch eine Regierung oder im Wege eines Gesetzgebungsverfahrens ausgearbeitet werden oder
3. von einem Dritten zur Annahme durch eine Behörde ausgearbeitet werden. [...]
(10) Umweltprüfungen im Sinne dieses Gesetzes sind Umweltverträglichkeitsprüfungen und Strategische Umweltprüfungen. [...]
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(1) Eine Strategische Umweltprüfung ist durchzuführen bei Plänen und Programmen, die
1. in der Anlage 5 Nr. 1 aufgeführt sind oder
2. in der Anlage 5 Nr. 2 aufgeführt sind und für Entscheidungen über die Zulässigkeit von in der Anlage 1 aufgeführten Vorhaben oder von Vorhaben, die nach Landesrecht einer Umweltverträglichkeitsprüfung oder Vorprüfung des Einzelfalls bedürfen, einen Rahmen setzen.
(2) Bei nicht unter Absatz 1 fallenden Plänen und Programmen ist eine Strategische Umweltprüfung nur dann durchzuführen, wenn sie für die Entscheidung über die Zulässigkeit von in der Anlage 1 aufgeführten oder anderen Vorhaben einen Rahmen setzen und nach einer Vorprüfung im Einzelfall im Sinne von Absatz 4 voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. [...]
(3) Pläne und Programme setzen einen Rahmen für die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben, wenn sie Festlegungen mit Bedeutung für spätere Zulassungsentscheidungen, insbesondere zum Bedarf, zur Größe, zum Standort, zur Beschaffenheit, zu Betriebsbedingungen von Vorhaben oder zur Inanspruchnahme von Ressourcen, enthalten. [...]

9 4. Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG) vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 15. September 2017 (BGBl. I S. 3434).
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(2) Teile von Natur und Landschaft können geschützt werden [...]
4. nach Maßgabe des § 26 als Landschaftsschutzgebiet [...].
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(1) Landschaftsschutzgebiete sind rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft erforderlich ist
1. zur Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder der Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter, einschließlich des Schutzes von Lebensstätten und Lebensräumen bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten,
2. wegen der Vielfalt, Eigenart und Schönheit oder der besonderen kulturhistorischen Bedeutung der Landschaft oder
3. wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Erholung.
(2) In einem Landschaftsschutzgebiet sind unter besonderer Beachtung des § 5 Absatz 1 und nach Maßgabe näherer Bestimmungen alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebiets verändern oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen.

10 5. Bayerisches Gesetz über den Schutz der Natur, die Pflege der Landschaft und die Erholung in der freien Natur (Bayerisches Naturschutzgesetz - BayNatSchG) vom 23. Februar 2011 (GVBl S. 82), zuletzt geändert durch Art. 11a Abs. 4 des Gesetzes vom 10. Dezember 2019 (GVBl S. 686).
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(1) Die Unterschutzstellung von Teilen von Natur und Landschaft nach § 20 Abs. 2 Nrn. 1, 2, 4, 6 und 7 BNatSchG erfolgt durch Rechtsverordnung, sofern in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist. [...]
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(1) Eine auf Grund einer Schutzverordnung erforderliche behördliche Gestattung wird durch eine nach anderen Vorschriften erforderliche behördliche Gestattung ersetzt; diese Gestattung darf nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung der nach der Schutzverordnung erforderlichen Gestattung vorliegen und die nach Naturschutzrecht zuständige Behörde ihr Einvernehmen erklärt. [...]
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(1) Zuständig sind [...]
3. die Landkreise und kreisfreien Gemeinden für den Erlass von Rechtsverordnungen über Landschaftsschutzgebiete nach § 26 BNatSchG, [...]

11 6. Verordnung des Landkreises Rosenheim über das Landschaftsschutzgebiet "Inntal Süd" vom 10. April 2013 (ABl. des Landkreises Rosenheim Nr. 5 vom 26. April 2013).
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[...]
Geschützt wird der Flusslauf des Inns mit dem Talraum und seinen Auen.
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Zweck des Landschaftsschutzgebiets "Inntal Süd" ist es,

  1. die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts zu gewährleisten, insbesondere die Auwälder und Altwässer sowie die Lebensbedingungen der daran angepassten typischen Tier- und Pflanzenarten mit ihren Lebensgemeinschaften zu erhalten, zu fördern und wiederherzustellen,
  2. die Vielfalt, Eigenart und Schönheit des Landschaftsbildes zu bewahren, insbesondere den Charakter einer Flusslandschaft zu stärken sowie die bäuerliche Kulturlandschaft zu erhalten,
  3. die Funktionsfähigkeit des Wasserhaushalts zu bewahren und zu optimieren, um auch die Durchgängigkeit des Inns und seiner Nebengewässer sowie den Wasserrückhalt in den Flächen zu fördern und
  4. die für die Erholung bedeutsamen Landschaftsteile bei größtmöglicher Rücksichtnahme auf Natur und Landschaft für die Allgemeinheit zu sichern und zu bewahren sowie den Erholungsverkehr zu lenken.

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Im Landschaftsschutzgebiet sind alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebiets verändern oder dem Schutzzweck (§ 3) zuwiderlaufen.
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(1) Der Erlaubnis des Landratsamts Rosenheim als untere Naturschutzbehörde (Art. 43 Abs. 2 Nr. 3 BayNatSchG) bedarf, wer im Landschaftsschutzgebiet beabsichtigt,
  1. bauliche Anlagen aller Art (Art. 2 Abs. 1 Bayerische Bauordnung) zu errichten, zu ändern oder ihre Nutzung zu ändern, auch wenn sie einer baurechtlichen Genehmigung nicht bedürfen; hierzu zählen insbesondere
  2. soweit es sich nicht bereits um Anlagen im Sinne der Nr. 1 handelt,
  3. außerhalb der dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen, Wege und Plätze mit Kraftfahrzeugen aller Art zu fahren oder diese dort abzustellen; [...]
  4. oberirdisch über den zugelassenen Gemeingebrauch hinaus oder unterirdisch Wasser zu entnehmen, Gewässer, deren Ufer oder Sohle, den Zu- und Ablauf des Wassers oder den Grundwasserstand zu verändern, neue Gewässer herzustellen oder Dränanlagen zu errichten;
  5. ökologisch besonders wertvolle Biotope im Sinne des § 30 BNatSchG und Art. 23 BayNatSchG, insbesondere Moore, Sümpfe, Röhrichte, Großseggenrieder, seggen- und binsenreiche Nasswiesen, Pfeifengraswiesen, Quellbereiche, Moor-, Bruch-, Sumpf- und Auenwälder sowie natürliche oder naturnahe Bereiche fließender und stehender Binnengewässer einschließlich ihrer Ufer und der dazugehörigen uferbegleitenden, natürlichen oder naturnahen Vegetation sowie ihrer natürlichen oder naturnahen Verlandungsbereiche, Altarme und regelmäßig überschwemmte Bereiche zu entwässern, trockenzulegen oder auf sonstige Weise zu zerstören oder erheblich zu beeinträchtigen; [...]
  6. Streuwiesen umzubrechen, in mehrschüriges Grünland umzuwandeln, zu düngen, zu beweiden, aufzuforsten;
  7. freilebenden Tieren nachzustellen, sie zu fangen oder zu töten oder Brut- bzw. Wohnstätten sowie Gelege solcher Tiere fortzunehmen;
  8. in der freien Natur und außerhalb des Waldes landschaftsprägende Einzelbäume, Hecken, lebende Zäune oder Feldgehölze oder -gebüsche zu roden, zu fällen oder auf sonstige Weise zu beseitigen; [...]
  9. Waldbestände ganz oder teilweise zu roden, Erstaufforstungen durchzuführen oder Kahlhiebe von mehr als 0,5 ha im Zusammenhang vorzunehmen, Laub-, Misch- und Auwald in Wald mit überwiegendem Nadelholzanteil umzuwandeln oder Sonderkulturen (z.B. Baumschulen) zu errichten;
  10. an den Gewässern den Uferbewuchs, Röhricht- bzw. Schilfbestände oder Bestände von Wasserpflanzen zu vernichten, wesentlich zu verändern, in Bestände von Röhricht oder Wasserpflanzen einzudringen sowie chemische Mittel zur Beseitigung oder Bekämpfung von Röhricht oder zur Grabenräumung einzusetzen; [...]
  11. Abfälle, Schutt und sonstige Gegenstände, soweit sie nicht bereits den Vorschriften des Abfallrechts unterliegen, an anderen als den hierfür zugelassenen Plätzen abzulagern, auch wenn keine Aufschüttung im Sinne des Baurechts beabsichtigt ist;
  12. außerhalb zugelassener Plätze zu zelten, Wohnwagen (auch Klappanhänger) oder motorisierte Wohnfahrzeuge abzustellen oder dies zu gestatten;
  13. Luftfahrzeuge im Sinne des Luftverkehrsgesetzes außerhalb genehmigter Flugplätze aufsteigen oder landen zu lassen.

(2) Die Erlaubnis ist unbeschadet anderer Rechtsvorschriften zu erteilen, wenn die beabsichtigte Maßnahme keine der in § 4 genannten Wirkungen hervorruft oder diese Wirkungen durch Nebenbestimmungen ausgeglichen werden können.
[...]
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(1) Von den Verboten nach § 4 dieser Verordnung kann unter den Voraussetzungen des § 67 BNatSchG im Einzelfall Befreiung erteilt werden. [...]

III

12 1. Der Senat möchte wissen, ob das Unionsrecht vor Erlass einer naturschutzrechtlich veranlassten Schutzgebietsverordnung eine Strategische Umweltprüfung oder jedenfalls eine Entscheidung des Mitgliedstaates über die Durchführung einer solchen Prüfung verlangt. Die Fragen sind entscheidungserheblich.

13 Gemäß nationalem Recht muss die Revision des Antragstellers erfolglos bleiben, weil sein Rechtsbehelf unzulässig ist. Für einen Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO fehlt die Antragsbefugnis, denn der Antragsteller kann keine Rechtsverletzung i.S.v. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO geltend machen. Ein Umwelt-Normenkontrollantrag nach § 2 UmwRG ist nicht statthaft, weil die LSG-Verordnung keine Entscheidung i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG ist. Insbesondere liegt kein Fall des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG vor. Denn der Erlass der Verordnung unterlag weder nach Anlage 5 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (bzw. den Vorgängervorschriften) noch nach bayerischem Landesrecht einer Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung oder Vorprüfung.

14 Die Beantwortung der vorgelegten Fragen könnte zum Erfolg des Antragstellers führen. Die ersten beiden Fragen sollen zur Klärung beitragen, ob für die streitgegenständliche LSG-Verordnung nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl. L 197/30 - SUP-RL) eine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung bestanden hat. In diesem Fall wäre die LSG-Verordnung tauglicher Gegenstand eines auch im Übrigen zulässigen Rechtsbehelfs nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG. Denn die letztgenannte Vorschrift wäre jedenfalls entsprechend auf Pläne und Programme anzuwenden, für die Unionsrecht eine Strategische Umweltprüfung verlangt, das nationale Recht dieses Gebot aber nicht oder nur unzureichend umsetzt. Hätte es vor Erlass der LSG-Verordnung einer Strategischen Umweltprüfung nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a SUP-RL bedurft, wäre die Revision des Antragstellers auch in der Sache erfolgreich. In diesem Fall müsste der Senat die LSG-Verordnung voraussichtlich für unwirksam erklären, weil ein für den Erlass der Verordnung zwingender Verfahrensschritt unterlassen wurde.

15 Die Art. 3 Abs. 4 SUP-RL betreffende dritte Frage ist gleichfalls entscheidungserheblich. Nach Auffassung des Senats ist der Begriff des Rahmens in § 35 Abs. 3 UVPG (bzw. der Vorgängervorschrift) in gleicher Weise wie im Unionsrecht zu verstehen. Sollte durch die LSG-Verordnung ein Rahmen für die künftige Genehmigung von Projekten im Sinne des Art. 3 Abs. 4 SUP-RL gesetzt werden, so hätte der Antragsgegner nach nationalem Recht die LSG-Verordnung einer Vorprüfung und damit einer Einzelfallprüfung im Sinne des Art. 3 Abs. 5 SUP-RL unterziehen müssen. In diesem Fall wäre die LSG-Verordnung tauglicher Gegenstand eines auch im Übrigen zulässigen Rechtsbehelfs in entsprechender Anwendung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG. Dieser Rechtsbehelf wäre nach § 2 Abs. 4 Satz 2 UmwRG jedenfalls dann begründet, wenn die Vorprüfung eine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung hätte ergeben müssen. In diesem Fall müsste die LSG-Verordnung für unwirksam erklärt werden.

16 Der Senat weist darauf hin, dass die Fragen über den Einzelfall hinaus erhebliche Bedeutung haben. In der Bundesrepublik Deutschland ist die Praxis bisher davon ausgegangen, dass Schutzgebietsausweisungen nach § 20 Abs. 2, §§ 23 ff. BNatSchG, einschließlich der Ausweisung besonderer Schutzgebiete nach der Richtlinie 92/43/EWG, weder einer Strategischen Umweltprüfung noch einer entsprechenden Vorprüfung unterzogen werden müssen. Solche Prüfungen sind daher nicht vorgenommen worden. Führt die Beantwortung der Fragen durch den Europäischen Gerichtshof zu einer unionsrechtlichen Pflicht einer Strategischen Umweltprüfung oder jedenfalls zu einer nationalrechtlichen Pflicht einer Vorprüfung, wären voraussichtlich jedenfalls sehr viele Ausweisungen von Schutzgebieten verfahrensfehlerhaft, die nach Ablauf der Umsetzungsfrist der SUP-Richtlinie am 21. Juli 2004 ergangen sind. Ein solcher Verfahrensfehler führt nach nationalem Recht grundsätzlich zur Unwirksamkeit der zur Ausweisung notwendigen Verordnung. Diese Unwirksamkeit könnten auch Personen geltend machen, die entgegen einer solchen Ausweisung ein Vorhaben in einem Schutzgebiet verwirklichen wollen. Die im Streitfall angerufenen Gerichte wären in einem solchen Fall gehalten, die Verordnung inzident auf ihre Wirksamkeit zu prüfen. Eine zeitliche Grenze setzt das nationale Recht insoweit nicht, weil Verordnungen - anders als Verwaltungsakte - nicht in Bestandskraft erwachsen. Die Annahme einer Pflicht zur Strategischen Umweltprüfung oder Vorprüfung könnte so das in Deutschland für Natur und Landschaft erreichte Schutzniveau erheblich senken (vgl. hierzu zuletzt auch die Schlussanträge des Generalanwalts Sánchez-Bordona vom 3. März 2020 in der Rechtssache C-24/19 [ECLI:​EU:​C:​2020:​143] Rn. 111 ff.).

17 2. Der Senat hat Zweifel, ob sich aus Art. 3 Abs. 2 Buchst. a SUP-RL für den Erlass einer Landschaftsschutzgebietsverordnung eine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung ergibt.

18 Nach Art. 3 Abs. 1 SUP-RL werden die unter Art. 3 Abs. 2 bis 4 SUP-RL fallenden Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, einer Umweltprüfung nach Art. 4 bis 9 SUP-RL unterzogen. Gemäß Art. 3 Abs. 2 Buchst. a SUP-RL wird eine Umweltprüfung - vorbehaltlich des Abs. 3 - vorgenommen bei allen Plänen und Programmen, die in den Bereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei, Energie, Industrie, Verkehr, Abfallwirtschaft, Wasserwirtschaft, Telekommunikation, Fremdenverkehr, Raumordnung oder Bodennutzung ausgearbeitet werden und durch die der Rahmen für die künftige Genehmigung der in den Anhängen I und II der Richtlinie 85/337/EWG - jetzt der Richtlinie 2011/92/EU (vgl. Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2011/92/EU - UVP-Richtlinie) - aufgeführten Projekte gesetzt wird.

19 a) Der Senat geht unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteile vom 11. September 2012 - C-43/10 [ECLI:​EU:​C:​2012:​560], Nomarchiaki Aftodioikisi Aitoloakarnanias u.a. - Rn. 94 f. und vom 27. Oktober 2016 - C-290/15 [ECLI:​EU:​C:​2016:​816] D’Oultremont u.a. - Rn. 52; siehe auch Urteil vom 12. Juni 2019 - C-43/18 [ECLI:​EU:​C:​2019:​483], Compagnie d’entreprises CFE SA - Rn. 54 m.w.N.; ferner Urteil vom 22. März 2012 - C 567/10 [ECLI:​EU:​C:​2012:​159], Inter-Environnement Bruxelles u.a. - Rn. 41) davon aus, dass es sich bei der streitgegenständlichen Landschaftsschutzgebietsverordnung um einen Plan oder ein Programm i.S.v. Art. 2 Buchst. a SUP-RL handelt. Die Befugnis zum Erlass bzw. zur Änderung und Aufhebung bestehender Landschaftsschutzgebietsverordnungen ergibt sich aus § 26 BNatSchG, die Form als Rechtsverordnung aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG i.V.m. § 20 Abs. 2 Nr. 4, § 26 BNatSchG, die insoweit zuständige Behörde (Landkreis) folgt aus Art. 51 Abs. 1 Nr. 3 BayNatSchG und das Verfahren regelt Art. 52 BayNatSchG.

20 b) Art. 3 Abs. 2 Buchst. a SUP-RL setzt voraus, dass durch den Plan oder das Programm der Rahmen für die künftige Genehmigung der in den Anhängen I und II der UVP-Richtlinie aufgeführten Projekte gesetzt wird. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bezieht sich der Begriff "Pläne und Programme" auf jeden Rechtsakt, der dadurch, dass er Regeln und Verfahren festlegt, eine signifikante Gesamtheit von Kriterien und Modalitäten für die Genehmigung und Durchführung eines oder mehrerer Projekte aufstellt, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben (EuGH, Urteile vom 11. September 2012 - C-43/10 [ECLI:​EU:​C:​2012:​560], Nomarchiaki Aftodioikisi Aitoloakarnanias u.a. - Rn. 94 f., vom 27. Oktober 2016 - C-290/15 [ECLI:​EU:​C:​2016:​816], D’Oultremont u.a. - Rn. 52, vom 8. Mai 2019 - C-305/18 [ECLI:​EU:​C:​2019:​384], Associazione "Verdi Ambiente e Società - Aps Onlus" u.a. - Rn. 50 und vom 12. Juni 2019 - C-43/18 [ECLI:​EU:​C:​2019:​483], Compagnie d’entreprises CFE SA - Rn. 61). Nach den Urteilen vom 7. Juni 2018 (- C‑671/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​403], Inter-Environnement Bruxelles u.a. - Rn. 55 sowie - C‑160/17 [ECLI:​EU:​C:​2018:​401], Thybaut u.a. - Rn. 55) ist der Begriff "signifikante Gesamtheit von Kriterien und Modalitäten" qualitativ zu verstehen. Damit sollen mögliche Strategien zur Umgehung der in der SUP-Richtlinie genannten Verpflichtungen, die die Maßnahmen zerstückeln könnten und so die praktische Wirksamkeit dieser Richtlinie verringern, vermieden werden (ferner EuGH, Urteil vom 8. Mai 2019 - C-305/18 - Rn. 51).

21 Für die Feststellung, ob durch einen Plan bzw. ein Programm der Rahmen für die künftige Genehmigung der in den Anhängen I und II der UVP-Richtlinie aufgeführten Projekte gesetzt wird, bedarf es der Prüfung des Inhalts und der Zielsetzung dieses Plans/Programms unter Berücksichtigung des Umfangs der Umweltprüfung der Projekte, wie sie in dieser Richtlinie vorgesehen ist (EuGH, Urteil vom 17. Juni 2010 - C-105/09 und C-110/09 [ECLI:​EU:​C:​2010:​355], Terre wallone und Inter-Environnement Wallonie - Rn. 45).

22 Daran gemessen hat der Senat Zweifel, ob die streitgegenständliche LSG-Verordnung einen Rahmen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a SUP-RL setzt. Sie regelt zwar eine Reihe von allgemeinen Verbotstatbeständen und Erlaubnispflichten für eine Vielzahl von Vorhaben und Nutzungen. So sind gemäß § 4 LSG-Verordnung im Landschaftsschutzgebiet alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebiets verändern oder dem in § 3 LSG-Verordnung definierten Schutzzweck zuwiderlaufen. § 5 Abs. 1 und 2 LSG-Verordnung eröffnet für verschiedene Maßnahmen, die nach § 4 LSG-Verordnung verboten sind, die Möglichkeit einer Zulassung im Wege der Erlaubnis. Bedarf die Zulassung einer Maßnahme der Genehmigung nach einem anderen Gesetz, dann darf diese nur erteilt werden, wenn auch die Voraussetzungen für die Erteilung der nach der Landschaftsschutzgebietsverordnung erforderlichen Erlaubnis vorliegen und die nach Naturschutzrecht zuständige Behörde ihr Einvernehmen erklärt hat (Art. 18 Abs. 1 BayNatSchG). Schließlich sehen § 6 LSG-Verordnung Ausnahmen von den Beschränkungen der Verordnung und § 7 LSG-Verordnung i.V.m. § 67 BNatSchG die Möglichkeit von Befreiungen vor.

23 c) Fraglich ist aber, ob dies ausreicht, um eine Rahmensetzung i.S.d. Richtlinie anzunehmen. Nach der Systematik des Art. 3 SUP-RL dienen die Tatbestandsvoraussetzungen der Rahmensetzung für die künftige Genehmigung der in den Anhängen I und II der UVP-Richtlinie aufgeführten Projekte und der Zuordnung zu einem der in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a SUP-RL genannten Bereiche (dazu nachfolgend unter 3.) zur Abgrenzung von solchen Plänen und Programmen, die unter Art. 3 Abs. 4 SUP-RL fallen. Eine solche Abgrenzung ist erforderlich, weil die Regelungen unterschiedliche Rechtsfolgen haben. Bei unter Art. 3 Abs. 2 SUP-RL fallenden Plänen und Programmen ist stets eine Strategische Umweltprüfung durchzuführen. Dagegen sind Pläne und Programme, die von Art. 3 Abs. 4 SUP-RL erfasst werden, nur dann einer Strategischen Umweltprüfung zu unterziehen, wenn die Mitgliedstaaten nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 5 SUP-RL bestimmt haben, dass von ihnen voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen ausgehen; im Übrigen bedarf es keiner Umweltprüfung (vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 11 SUP-RL).

24 Die Rahmensetzung im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a SUP-RL muss daher nach Auffassung des Senats eine konkrete Ausrichtung auf bzw. einen spezifischen Bezug zu Projekten der Anhänge I und II der UVP-Richtlinie aufweisen. Die Pläne und Programme müssen den Referenz- bzw. Regelungsrahmen für die spätere Genehmigung von solchen Projekten setzen, die sich nach dem Verständnis des Richtliniengebers regelmäßig erheblich auf die Umwelt auswirken, und deren Umweltauswirkungen deshalb bereits auf einer höheren Ebene geprüft werden sollen, die der Zulassung eines konkreten Projekts übergeordnet ist und ihr vorausliegt (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Sánchez-Bordona vom 3. März 2020 in der Rechtssache C-24/19 Rn. 33, 35 und 74). Einen signifikanten Referenz-/Regelungsrahmen für die Genehmigung von Projekten in diesem Sinne hat der Gerichtshof etwa dann angenommen, wenn der Plan sich auf technische Normen, Betriebsmodalitäten, Geräuschpegelnormen etc. bezieht und so die im betreffenden Bereich geltenden Voraussetzungen festlegt, unter denen konkrete Vorhaben genehmigt werden können (vgl. EuGH, Urteil vom 27. Oktober 2016 - C-290/15 - Rn. 50; siehe dazu auch die Definition in § 35 Abs. 3 UVPG). An diese Rechtsprechung knüpft der Generalanwalt Sánchez-Bordona in seinen Schlussanträgen vom 3. März 2020 in der Rechtssache C-24/19 Rn. 93 an und betont, dass die dort streitige flämische Regelung detaillierte Vorgaben zu sensiblen Fragen wie Geräuschpegel, Schattenwurf, Sicherheit und Art der Windkraftanlagen treffe. Vor diesem Hintergrund kann es nach Auffassung des Senats nicht genügen, dass ein Plan oder ein Programm, etwa aufgrund der Weite seines Anwendungsbereichs, (zufällig) auch "in den Anhängen I oder II der Richtlinie 2011/92/EU aufgeführte Projekte" erfasst, ohne diese selbst im Blick zu haben oder deren Zulassung zielgerichtet zu steuern. Der Antragsteller versteht die Rechtsprechung des Gerichtshofs (vgl. EuGH, Urteile vom 27. Oktober 2016 - C-290/15 - Rn. 47 ff. und vom 7. Juni 2018 - C-160/17 - Rn. 58) dagegen so, dass die Pläne und Programme nicht auf die Zulassung von Projekten nach den Anhängen I und II ausgerichtet sein müssen; maßgeblich sei nur, ob die Rechtslage sich ändere.

25 Ist ein Projektbezug erforderlich, dann setzt die streitgegenständliche LSG-Verordnung keinen Rahmen für die künftige Genehmigung von in den Anhängen I oder II der UVP-Richtlinie aufgeführten Projekten. Das ergibt sich schon aus dem in § 3 LSG-Verordnung umschriebenen Schutzzweck. Auch im Übrigen enthält die Verordnung keine spezifischen Regelungen für die Zulassung von Projekten im Sinne der Anhänge I und II der UVP-Richtlinie. Eine solche Landschaftsschutzgebietsverordnung steuert nicht die (bereichsspezifische) Zulassung von Projekten, sondern dient vorrangig deren Verhinderung oder jedenfalls naturschutzgerechten Gestaltung.

26 3. Die zweite Frage bezieht sich auf die weitere Voraussetzung in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a SUP-RL, wonach die Pläne und Programme in den Bereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei, Energie, Industrie, Verkehr, Abfallwirtschaft, Wasserwirtschaft, Telekommunikation, Fremdenverkehr, Raumordnung oder Bodennutzung ausgearbeitet sein müssen. Der Senat hat Zweifel, dass das hier der Fall ist, denn die LSG-Verordnung wurde im Bereich des Naturschutzes und der Landschaftspflege ausgearbeitet und damit gerade nicht in einem der vorgenannten Bereiche.

27 Ausgehend von Erwägungsgrund Nr. 10 SUP-RL unterstellt die Bereichszuordnung in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a SUP-RL, dass in den genannten Bereichen typischerweise erhebliche Umweltauswirkungen in Rede stehen und die Pläne deshalb grundsätzlich einer Strategischen Umweltprüfung unterzogen werden sollen. Das setzt voraus, dass sich der Plan oder das Programm dem entsprechenden Bereich eindeutig zuordnen lässt. Dies bringt Art. 3 Abs. 2 Buchst. a SUP-RL dadurch zum Ausdruck, dass der Plan oder das Programm in diesem Bereich "ausgearbeitet", mithin ziel- und zweckgerichtet für diesen Bereich erstellt worden sein muss. Art. 5 SUP-RL bestätigt diesen Befund. Danach sind im Umweltbericht u.a. die voraussichtlichen erheblichen Auswirkungen, die die Durchführung des Plans oder Programms auf die Umwelt hat sowie vernünftige Alternativen zu berücksichtigen, zu ermitteln, zu beschreiben und zu bewerten (Abs. 1, ggf. i.V.m. Anhang I SUP-RL) sowie Angaben zur Stellung des Plans oder Programms im Entscheidungsprozess zu machen (Abs. 2). Diese Erfordernisse sind auf Pläne und Programme aus den in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a SUP-RL genannten Bereichen zugeschnitten, passen aber nicht auf eine Rechtsverordnung, die dem Naturschutz und der Landschaftspflege dient. Vor diesem Hintergrund ist es konsequent, dass die Bereiche des Naturschutzes und der Landschaftspflege in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a SUP-RL nicht genannt sind.

28 Der Senat sieht sich in seiner Auffassung durch die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 24. Januar 2019 im Vorabentscheidungsersuchen des Staatsrats Belgien in der Rechtssache C-321/18 ([ECLI:​EU:​C:​2019:​56], Terre wallonne ASBL - Rn. 43 f.) bestätigt. Sie hat die Zweifel verschiedener Beteiligter, ob die Ausweisung eines besonderen Schutzgebiets oder die Festlegung von Erhaltungszielen für die Natura-2000-Gebiete einer Region einem dieser Bereiche zugeordnet werden kann, als gut nachvollziehbar bezeichnet.

29 In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat die Voraussetzung der "Ausarbeitung" in einem bestimmten Bereich bislang nur wenig Beachtung gefunden (z.B. EuGH, Urteil vom 12. Juni 2019 - C-43/18 [ECLI:​EU:​C:​2019:​483], Compagnie d’entreprises CFE SA - Rn. 61 f.; siehe auch Urteil vom 7. Juni 2018 - C-671/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​403], Inter-Environnement Bruxelles u.a. - Rn. 43 f. zu den Bereichen Raumordnung und Bodennutzung). Vor diesem Hintergrund bedarf es nach Auffassung des Senats der Klärung durch den Europäischen Gerichtshof, ob die "Ausarbeitung" eine ziel- und zweckgerichtete Ausrichtung auf einen der in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a SUP-RL genannten Bereiche voraussetzt, oder ob es ausreicht, dass sich die Pläne und Programme tatsächlich auf die genannten Bereiche (hier: Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Bodennutzung) auswirken, obwohl sie für einen anderen, nicht von Art. 3 Abs. 2 Buchst. a SUP-RL erfassten Bereich (hier: Naturschutz und Landschaftspflege) ausgearbeitet wurden. Der Klärung dieser Frage kommt besondere Bedeutung zu, weil die "Ausarbeitung" für einen bestimmten Bereich Pläne und Programme i.S.v. Art. 3 Abs. 2 Buchst. a SUP-RL von solchen nach Art. 3 Abs. 4 SUP-RL abgrenzt (s.o. unter 2. c)).

30 4. Frage 3 betrifft die Auslegung des Art. 3 Abs. 4 SUP-RL. Sie stellt sich nur, wenn der Europäische Gerichtshof einen konkreten Projektbezug zu den in den Anhängen I und II der UVP-Richtlinie aufgeführten Projekten für erforderlich hält (Frage 1) oder die Notwendigkeit einer ziel- und zweckgerichteten Ausarbeitung in einem der in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a SUP-RL genannten Bereiche bejaht (Frage 2). Denn dann wäre davon auszugehen, dass die LSG-Verordnung nicht nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a SUP-RL einer Strategischen Umweltprüfung hätte unterzogen werden müssen.

31 Gemäß Art. 3 Abs. 4 SUP-RL befinden die Mitgliedstaaten nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 5 SUP-RL darüber, ob nicht unter Art. 3 Abs. 2 SUP-RL fallende Pläne und Programme, durch die der Rahmen für die künftige Genehmigung von Projekten gesetzt wird, voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist das Tatbestandsmerkmal der "Rahmensetzung" in Art. 3 Abs. 4 SUP-RL ebenso auszulegen wie das in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a SUP-RL verwendete (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Juni 2019 - C-43/18 [ECLI:​EU:​C:​2019:​483], Compagnie d’entreprises CFE SA - Rn. 60). Damit stellen sich die mit Frage 1 aufgeworfenen Fragen auch bei Art. 3 Abs. 4 SUP-RL. Entsprechend obiger Ausführungen ist daher auch hier ein konkreter Bezug der Pläne und Programme zu den "Projekten", für die der Rahmen gesetzt wird, zu fordern. Denn ohne einen solchen Bezug gäbe es - mit Ausnahme der Pläne oder Programme, die nur Vorgaben für Projekte enthalten, die keiner Genehmigung bedürfen (EuGH, Urteil vom 12. Juni 2019 a.a.O. Rn. 65) - letztlich keine Pläne oder Programme, die nicht dem Anwendungsbereich der SUP-Richtlinie unterfielen. Das widerspräche Erwägungsgrund Nr. 11 der SUP-Richtlinie.

32 Mit der dritten Frage soll daher geklärt werden, wie konkret der Bezug der Pläne und Programme zu den "Projekten" sein muss, für die der Rahmen gesetzt wird.

Urteil vom 26.01.2023 -
BVerwG 10 CN 1.23ECLI:DE:BVerwG:2023:260123U10CN1.23.0

Leitsätze:

1. Eine Schutzgebietsausweisung setzt nur dann einen Rahmen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a, Abs. 4 SUP-RL, wenn sie eine signifikante Gesamtheit von Kriterien und Modalitäten für die Genehmigung und Durchführung von Projekten aufstellt, insbesondere hinsichtlich des Standorts, der Art, der Größe und der Betriebsbedingungen solcher Projekte oder der mit ihnen verbundenen Inanspruchnahme von Ressourcen (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2022 - C-300/20 - Rn. 62).

2. Ohne eine Rahmensetzung fehlt es einer Landschaftsschutzgebietsverordnung zugleich an einem Mindestmaß an Konkretisierung, um feststellen zu können, ob von ihrer Verwirklichung eine erhebliche Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebietes ausgehen könnte (Art. 3 Abs. 2 Buchst. b SUP-RL i. V. m. Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-RL).

3. Unionsumweltrecht gebietet es, § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG so anzuwenden, dass er einen Rechtsbehelf einer nach § 3 UmwRG anerkannten Vereinigung nicht ausschließt, die eine Verletzung von Art. 11 Abs. 1 des Protokolls "Naturschutz und Landschaftspflege" zur Alpenkonvention wegen einer Verkleinerung des bisherigen Landschaftsschutzgebiets rügt.

  • Rechtsquellen
    AEUV Art. 216 Abs. 2
    GRCh Art. 47 Abs. 1, Art. 51 Abs. 1 Satz 1
    AK Art. 9 Abs. 3
    AlpKonv Art. 2 Abs. 2 Buchst. f
    SUP-RL Art. 3 Abs. 2 Buchst. a und b, Abs. 4
    FFH-RL Art. 6 Abs. 3
    GG Art. 59 Abs. 2
    UmwRG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 2 Abs. 1, Abs. 4 Satz 2, § 8 Abs. 2
    UVPG § 2 Abs. 7, Abs. 10
    BNatSchG § 20 Abs. 2 Nr. 4, § 26
    ProtNatSch Art. 11 Abs. 1
    VwGO § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4

  • VGH München - 25.04.2018 - AZ: 14 N 14.878

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 26.01.2023 - 10 CN 1.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:260123U10CN1.23.0]

Urteil

BVerwG 10 CN 1.23

  • VGH München - 25.04.2018 - AZ: 14 N 14.878

In der Normenkontrollsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 2023
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther,
Dr. Löffelbein und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr
für Recht erkannt:

  1. Auf die Revision des Antragstellers wird das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. April 2018 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
  2. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Der Antragsteller, eine anerkannte Umweltvereinigung, wendet sich mit seinem Normenkontrollantrag gegen die Verordnung des Landkreises Rosenheim über das Landschaftsschutzgebiet "Inntal Süd" (im Folgenden: "Inntal Süd"-Verordnung). Im Aufstellungsverfahren führte der Antragsgegner weder eine Strategische Umweltprüfung noch eine überschlägige Prüfung, ob die Verordnung voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen hat, durch.

2 Die "Inntal-Süd"-Verordnung stellt ein etwa 4 021 ha großes Gebiet unter Schutz. Mit Inkrafttreten der Verordnung im Jahr 2013 traten frühere Verordnungen über Schutzgebiete aus den Jahren 1952 und 1977 teilweise bzw. vollständig außer Kraft. Dadurch wird das bisherige Landschaftsschutzgebiet um ca. 650 ha verkleinert. Innerhalb der Grenzen des Landschaftsschutzgebietes liegt das Natura 2000-Gebiet "Innauwald bei Neubeuern und Pionierübungsplatz Nußdorf".

3 Der Verwaltungsgerichtshof hat den Antrag als unzulässig abgelehnt. Der Antragsteller sei weder nach nationalem Recht noch nach unions- oder völkerrechtlichen Vorschriften antragsbefugt. Insbesondere sei ein Fall des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG nicht gegeben. Mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt der Antragsteller sein Begehren, die "Inntal Süd"-Verordnung für unwirksam zu erklären, weiter.

4 Mit Beschluss vom 4. Mai 2020 - BVerwG 4 CN 4.18 - hat der ursprünglich zuständige 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union um Klärung mehrerer Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2001/42/EG gebeten. Über dieses Vorabentscheidungsersuchen hat der Gerichtshof mit Urteil vom 22. Februar 2022 - C-300/20 - entschieden.

5 Nach Fortsetzung des Verfahrens beantragt der Antragsteller,
das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. April 2018 zu ändern und die Verordnung des Landkreises Rosenheim über das Landschaftsschutzgebiet "Inntal Süd" vom 10. April 2013 für unwirksam zu erklären.

6 Der Antragsgegner und die Vertreterin des öffentlichen Interesses beantragen jeweils,
die Revision zurückzuweisen.

II

7 Die zulässige Revision des Antragstellers ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verstößt gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Auf der Grundlage der vom Tatsachengericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen kann über den Normenkontrollantrag nicht abschließend entschieden werden. Die Sache war deshalb zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

8 A. Der absolute Revisionsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO i. V. m. Art. 103 Abs. 1 GG) liegt nicht vor. Das Urteil ist nicht bereits deswegen als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen (§ 138 Nr. 3 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat den Vortrag, dass eine Antragsbefugnis aus einer möglichen Verletzung nationalen Umweltrechts hergeleitet werden könne, wie der Antragsteller selbst einräumt, in den Tatbestand aufgenommen und sich in Randnummer 89 der angefochtenen Entscheidung mit dieser Frage auseinandergesetzt. Aus der fehlenden Erwähnung der Spruchpraxis des Compliance Committee der Aarhus-Konvention in den Entscheidungsgründen, folgt nicht, dass die Vorinstanz den entsprechenden Vortrag des Antragstellers nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in dieser Frage lediglich eine andere Rechtsauffassung als der Antragsteller.

9 B. Der Normenkontrollantrag ist zulässig. Der Antragsteller ist als anerkannte Umweltvereinigung nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 UmwRG in der nach der Überleitungsvorschrift des § 8 Abs. 2 UmwRG geltenden Fassung vom 23. August 2017 (BGBl. I S. 3290) antragsbefugt. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, der Antragsteller könne sich nicht mit Erfolg auf § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG berufen, steht mit Bundesrecht nicht in Einklang. Dies folgt zwar nicht daraus, dass vor Erlass der "Inntal Süd"-Verordnung eine Strategische Umweltprüfung oder eine Vorprüfung des Einzelfalls durchzuführen war (1.). Die Rüge einer Verletzung des Art. 11 Abs. 1 des Protokolls zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Naturschutz und Landschaftspflege (Protokoll "Naturschutz und Landschaftspflege" - ProtNatSch) erfordert es jedoch, einer anerkannten Umweltvereinigung, wie dem Antragsteller, einen wirksamen gerichtlichen Schutz der durch das Recht der Union garantierten Rechte zu gewährleisten (2.).

10 1. Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung oder zu einer Vorprüfung des Einzelfalls vor Erlass der streitgegenständlichen Landschaftsschutzgebietsverordnung weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht bestand.

11 a) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG, also nach Nummer 4 auch gegen eine Entscheidung über die Annahme von Plänen und Programmen i. S. v. § 2 Abs. 7 UVPG, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung bestehen kann, einlegen, wenn sie geltend macht, dass die Entscheidung oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften verletzt, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können. Das Gesetz fordert für den Rechtsbehelf einen tauglichen Gegenstand, allein die Möglichkeit dessen Vorliegens reicht nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteile vom 26. September 2019 - 7 C 5.18 - BVerwGE 166, 321 Rn. 19 und vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 22). Es ist daher schon im Rahmen der Zulässigkeit zu prüfen, ob die angegriffene Entscheidung oder der angegriffene Plan zu den Entscheidungen oder Plänen gehört, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine SUP-Pflicht bestehen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2013 - 4 C 14.12 - BVerwGE 149, 17 Rn. 10 zur UVP-Pflicht). Dies ist hier nicht der Fall. Denn der Erlass der Verordnung unterlag weder nach Anlage 5 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung noch nach bayerischem Landesrecht einer Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung oder Vorprüfung.

12 b) Auch Unionsrecht erforderte nicht die Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung oder Vorprüfung vor Erlass der "Inntal Süd"-Verordnung.

13 aa) Die streitgegenständliche Schutzgebietsausweisung setzt keinen Rahmen für die künftige Genehmigung bestimmter Projekte. Nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a und Abs. 9 der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl. L 197 S. 30 - SUP-RL) wird eine Umweltprüfung bei allen Plänen und Programmen vorgenommen, die in den Bereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei, Energie, Industrie, Verkehr, Abfallwirtschaft, Wasserwirtschaft, Telekommunikation, Fremdenverkehr, Raumordnung oder Bodennutzung ausgearbeitet werden und durch die der Rahmen für die künftige Genehmigung der in den Anhängen I und II der Richtlinie 2011/92/EU (UVP-Richtlinie) aufgeführten Projekte gesetzt wird. Art. 3 Abs. 4 SUP-RL bestimmt, dass die Mitgliedstaaten darüber befinden, ob nicht unter Absatz 2 fallende Pläne und Programme, durch die der Rahmen für die künftige Genehmigung von Projekten gesetzt wird, voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben.

14 In Beantwortung der diesbezüglichen Fragestellung des 4. Senats hat der Gerichtshof der Europäischen Union (Gerichtshof) geklärt, dass das Erfordernis der Rahmensetzung nur dann als erfüllt anzusehen ist, wenn der Plan oder das Programm eine signifikante Gesamtheit von Kriterien und Modalitäten für die Genehmigung und Durchführung eines oder mehrerer dieser Projekte aufstellt, insbesondere hinsichtlich des Standorts, der Art, der Größe und der Betriebsbedingungen solcher Projekte oder der mit ihnen verbundenen Inanspruchnahme von Ressourcen (EuGH, Urteil vom 22. Februar 2022 - C-300/20 [ECLI:​EU:​C:​2022:​102], Bund Naturschutz in Bayern - Rn. 62). Auf dieser Grundlage ist nicht zweifelhaft, dass die "Inntal Süd"-Verordnung keine solchen Kriterien oder Modalitäten vorsieht. § 5 Abs. 1 der Verordnung regelt zwar die Erlaubnispflicht u. a. für die Errichtung oder Änderung baulicher Anlagen aller Art, von Straßen und Wegen sowie von Campingplätzen, die Veränderung von Gewässern und die Rodung von Waldbeständen. Diese Tätigkeiten können unter die Projekte fallen, die in den Anhängen I und II der UVP-Richtlinie genannt sind. Für einige dieser Projekte legt § 5 Abs. 1 der "Inntal Süd"-Verordnung auch die Größe fest, bei deren Überschreiten für ihre Durchführung eine vorherige Genehmigung erforderlich ist. Die Verordnung selbst enthält jedoch keine Kriterien oder Modalitäten für die Genehmigung und Durchführung der Projekte. § 5 Abs. 2 der "Inntal Süd"-Verordnung macht die Erteilung einer Erlaubnis "unbeschadet anderer Rechtsvorschriften" lediglich von der allgemein gehaltenen Voraussetzung abhängig, dass die beabsichtigte Maßnahme keine der in § 4 der Verordnung genannten Wirkungen hervorruft oder diese Wirkungen durch Nebenbestimmungen ausgeglichen werden können. Nach § 4 der Verordnung sind im Landschaftsschutzgebiet alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebiets verändern oder dem in § 3 der Verordnung genannten Schutzzweck zuwiderlaufen. Der Schutzzweck des Landschaftsschutzgebietes geht nicht wesentlich über die Regelungen, die bereits in § 26 BNatSchG getroffen werden, hinaus. Die "Inntal-Süd"-Verordnung stellt danach keine hinreichend detaillierten Regelungen über den Inhalt, die Ausarbeitung und die Durchführung der aufgeführten Projekte auf, so dass sie mangels Rahmensetzung nicht in den Geltungsbereich der Bestimmungen des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a und Abs. 4 der SUP-Richtlinie fällt.

15 bb) Eine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung vor Erlass der streitgegenständlichen Verordnung ergibt sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 2 Buchst. b SUP-RL. Eine Umweltprüfung wird nach dieser Bestimmung bei allen Plänen und Programmen vorgenommen, bei denen angesichts ihrer voraussichtlichen Auswirkungen auf Gebiete eine Prüfung nach Art. 6 oder 7 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 S. 7 - Habitatrichtlinie - FFH-RL) für erforderlich erachtet wird. Nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-RL erfordern Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung eines besonderen Schutzgebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen.

16 Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs fällt die "Inntal Süd"-Verordnung zwar unter den Planbegriff des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL. Der Planbegriff ist weit auszulegen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2022 - 4 BN 3.22 - ZfBR 2022, 684 Rn. 4), so dass auch im Falle einer Schutzgebietsausweisung eine Pflicht zur Prüfung der Umweltauswirkungen nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. b SUP-RL und Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-RL nicht von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Juni 2019 - C-43/18 [ECLI:​EU:​C:​2019:​483], Compagnie d'entreprises - juris Rn. 36, 39). Der Umstand, dass sich Projekte positiv auf die Umwelt auswirken werden, ist für die Frage der Durchführung einer Umweltprüfung ohne Bedeutung.

17 Der Verwaltungsgerichtshof ist allerdings zu Recht und in Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben davon ausgegangen, dass die Möglichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung des Natura 2000-Gebiets "Innauwald bei Neubeuern und Pionierübungsplatz Nußdorf" durch die Landschaftsschutzgebietsverordnung nicht besteht, weil die "Inntal Süd"-Verordnung keine hinreichend verbindlichen konkreten Vorgaben enthält, anhand derer eine Beeinträchtigung des Natura 2000-Gebiets beurteilt werden könnte. Ein Mindestmaß an Konkretisierung ist erforderlich, um feststellen zu können, ob von der Verwirklichung des Plans eine erhebliche Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets ausgehen kann (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. März 2010 - 4 BN 60.09 - Buchholz 406.11 § 136 BauGB Nr. 7 Rn. 10 für eine Sanierungssatzung und vom 24. Mai 2022 - 4 BN 3.22 - ZfBR 2022, 684 Rn. 5 für eine Entwicklungssatzung).

18 Wie dargelegt setzt die streitgegenständliche Verordnung nach den vom Gerichtshof in Beantwortung der Fragestellung des 4. Senats benannten Anforderungen keinen Rahmen für die künftige Genehmigung von Projekten im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a und Abs. 4 SUP-RL, weil sie hierfür nicht die erforderlichen Kriterien und Modalitäten vorsieht. Damit fehlt es der "Inntal Süd"-Verordnung zugleich an konkreten Regelungen, anhand derer sich beurteilen ließe, ob von der Verwirklichung des Plans erhebliche Auswirkungen auf die Erhaltungsziele eines Natura 2000-Gebiets ausgehen können. Auch die Verkleinerung des umliegenden Schutzgebiets um etwa 650 ha in Folge der (Teil-)aufhebung früherer Schutzgebietsverordnungen bzw. die inhaltliche Modifizierung der Erlaubnisvorbehalte stellt danach keinen hinreichend konkreten Rahmen für nachfolgende Projekte dar. Dass dadurch die äußere Pufferzone zum Natura 2000-Gebiet verringert wird, ist für eine habitatrechtliche Prüfung nicht ausreichend.

19 Sind demnach die Anforderungen an die Rahmensetzung durch den Gerichtshof geklärt und lässt sich hieraus zugleich auf das erforderliche Maß an Konkretisierung für die Genehmigung und Durchführung künftiger Vorhaben in einer Landschaftsschutzgebietsverordnung als Voraussetzung für eine Verträglichkeitsprüfung schließen, bedarf es einer erneuten Vorlage an den Gerichtshof nicht.

20 Ob der Verwaltungsgerichtshof mit der Annahme in der angefochtenen Entscheidung, von einer Beeinträchtigung des Natura 2000-Gebiets durch die Landschaftsschutzgebietsverordnung gehe im Übrigen auch der Antragsteller nicht aus, eine aktenwidrige Feststellung (Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) getroffen hat, kann dahinstehen. Der Senat prüft die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags von Amts wegen und ist insoweit nicht an die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs gebunden.

21 2. Der Anwendungsvorrang des Unionsumweltrechts zwingt allerdings dazu, die Tatbestandsvoraussetzung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG, wonach nach Anlage 5 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder landesrechtlichen Vorschriften eine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung bestehen kann, unangewendet zu lassen. Dies folgt aus der etwaigen Verletzung von Art. 11 Abs. 1 ProtNatSch.

22 Gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. f Alpenkonvention ergreifen die Vertragsparteien geeignete Maßnahmen auf dem Gebiet des Naturschutzes und der Landschaftspflege, mit dem Ziel, Natur und Landschaft so zu schützen, zu pflegen, und, soweit erforderlich, wiederherzustellen, dass die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme, die Erhaltung der Tier- und Pflanzenwelt einschließlich ihrer Lebensräume, die Regenerationsfähigkeit und nachhaltige Leistungsfähigkeit der Naturgüter sowie die Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Natur und Landschaft in ihrer Gesamtheit dauerhaft gesichert werden. Die Vertragsparteien vereinbaren nach Art. 2 Abs. 3 Alpenkonvention Protokolle, in denen Einzelheiten zur Durchführung dieses Übereinkommens festgelegt werden. Die Alpenkonvention wurde durch Beschluss 96/191/EG des Rates vom 26. Februar 1996 (ABl. L 61 S. 31) genehmigt und u. a. von den Mitgliedstaaten, die - wie Deutschland - zugleich Alpenanrainerstaaten sind, bis 1999 ratifiziert. Sie bindet nach Art. 216 Abs. 2 AEUV, als von der Union geschlossene Übereinkunft, die Organe der Union und die Mitgliedstaaten. Die Alpenkonvention ist Teil des Unionsrechts.

23 Nach Art. 11 Abs. 1 ProtNatSch verpflichten sich die Vertragsparteien, bestehende Schutzgebiete im Sinne ihres Schutzzwecks zu erhalten, zu pflegen und, wo erforderlich, zu erweitern sowie nach Möglichkeit neue Schutzgebiete auszuweisen. Sie treffen alle geeigneten Maßnahmen, um Beeinträchtigungen oder Zerstörungen dieser Schutzgebiete zu vermeiden. Das Protokoll "Naturschutz und Landschaftspflege" ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der durch Zustimmungsgesetz vom 16. August 2002 (BGBl. II S. 1785) in Bundesrecht transformiert wurde. Laut der Präambel haben die Vertragsparteien das Protokoll in Erfüllung ihrer Verpflichtungen gemäß Art. 2 Abs. 2 und 3 des Übereinkommens zum Schutz der Alpen vom 12. März 1996 (ABl. L 61 S. 32 - Alpenkonvention) unterzeichnet.

24 Art. 11 Abs. 1 ProtNatSch dient als umweltbezogene Rechtsvorschrift des nationalen Rechts der Durchführung des Rechts der Union im Sinne von Art. 51 Abs. 1 Satz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh). Um festzustellen, ob eine nationale Regelung in den Anwendungsbereich des Unionsrechts im Sinne von Art. 51 GRCh fällt, ist zu prüfen, ob mit ihr die Durchführung einer Bestimmung des Unionsrechts bezweckt wird, welchen Charakter diese Regelung hat und ob mit ihr nicht andere als die unter das Unionsrecht fallenden Ziele verfolgt werden. Es muss ein hinreichender, über eine rein mittelbare Beeinflussung hinausgehender Zusammenhang mit dem Unionsrecht bestehen (EuGH, Urteil vom 6. März 2014 - C-206/13 [ECLI:​EU:​C:​2014:​126], Siragusa - Rn. 25, 29, 35 m. w. N.). Hieran gemessen fällt Art. 11 Abs. 1 ProNatSch in den Anwendungsbereich des Unionsrechts. Die Regelung bezweckt die Erfüllung eines unionsrechtlich verbindlichen Ziels aus Art. 2 Abs. 2 Buchst. f Alpenkonvention. Dass die Alpenkonvention selbst die erforderlichen Maßnahmen zum Natur- und Landschaftsschutz nicht konkretisiert, sondern nur die anzustrebenden Ziele definiert und es im Übrigen den Vertragsparteien überlässt, die Einzelheiten der Durchführung des Übereinkommens und damit auch der Verpflichtungen nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. f Alpenkonvention festzulegen, ändert nichts an der eindeutigen Zweckrichtung der dort niedergelegten unionalen Verpflichtungen der Vertragsstaaten. Das Protokoll hat als Norm im Range von Bundesrecht (Art. 59 Abs. 2 GG) auch verbindlichen Charakter und verfolgt keine anderen als die unter das Unionsrecht fallenden Ziele. Die EU-Grundrechte-Charta, namentlich Art. 47 Abs. 1 GRCh, der das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf garantiert, ist demnach anwendbar.

25 Nach Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Gesetz vom 9. Dezember 2006, BGBl. II S. 1251 - Aarhus-Konvention - AK), dessen Vorschriften Teil des Unionsrechts sind (BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 20), müssen Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen. Zwar hat diese Regelung im Unionsrecht als solche keine unmittelbare Wirkung. In Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 GRCh verpflichtet sie die Mitgliedstaaten aber dazu, einen wirksamen gerichtlichen Schutz der durch das Recht der Union garantierten Rechte, insbesondere der Vorschriften des Umweltrechts, zu gewährleisten (vgl. EuGH, Urteile vom 8. März 2011 - C-240/09 [ECLI:​EU:​C:​2011:​125], Lesoochranarske zoskupanie - Rn. 45 und 51, vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:​EU:​C:​2017:​987], Protect - Rn. 45 und vom 8. November 2022 - C-873/19 [ECLI:​EU:​C:​2022:​857], Deutsche Umwelthilfe - Rn. 66).

26 Daher muss das nationale Gericht die Bestimmungen des nationalen Rechts unangewendet lassen, die es einer anerkannten Umweltvereinigung verwehren, Regelungen in einer Landschaftsschutzgebietsverordnung, die möglicherweise gegen Art. 11 Abs. 1 ProtNatSch verstoßen, anzufechten (vgl. EuGH, Urteile vom 20. Dezember 2017 - C-664/15, Protect - Rn. 56 f. und vom 8. November 2022 - C-873/19, Deutsche Umwelthilfe - Rn. 80). Dies beinhaltet in der vorliegenden Konstellation den Verzicht auf die tatbestandliche Voraussetzung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG, dass eine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung bestehen kann. Auf andere Weise ist ein effektiver und angemessener Rechtsschutz nicht zu gewährleisten. Für die Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 AK ist es nicht ausreichend, den Antragsteller auf die Möglichkeit der Anfechtung einzelner nach § 5 der "Inntal Süd"-Verordnung erteilter Erlaubnisse zu verweisen, um in diesem Rahmen die Schutzgebietsausweisung inzident auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen (vgl. Compliance Committee der Aarhus-Konvention, Bericht vom 31. Juli 2017, Rn. 39). Es kann offen bleiben, ob diese Möglichkeit den Anforderungen an einen effektiven Rechtsschutz genügt. Denn jedenfalls ist sie nicht umfassend gegeben. Eine inzidente Kontrollmöglichkeit besteht nicht bei erlaubnisfreien Tätigkeiten im Landschaftsschutzgebiet. Auch wird es anerkannten Umweltvereinigungen in aller Regel an der Kenntnisnahmemöglichkeit fehlen. Zudem entfallen mit der Verkleinerung des Landschaftsschutzgebietes die dort bisher bestehenden Verbote aller Handlungen, die den Charakter des Gebiets verändern oder dem Schutzzweck zuwiderlaufen (§ 4 der "Inntal Süd"-Verordnung), ohne dass der Antragsteller hiergegen im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens vorgehen könnte.

27 3. Der Normenkontrollantrag ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere hat sich der Antragsteller im Verwaltungsverfahren geäußert und macht die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b und Satz 2 UmwRG).

28 C. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die tatsächlichen, den Senat bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs, auf deren Grundlage er die Zulässigkeit des Normenkontrollantrages abgelehnt hat, reichen nicht aus, um im Revisionsverfahren zu Lasten des Antragstellers annehmen zu können, der Normenkontrollantrag sei unbegründet.

29 D. Da die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz auch eine stattgebende Entscheidung nicht tragen, verweist der Senat das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurück (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Bei seiner erneuten Entscheidung wird das Normenkontrollgericht zu berücksichtigen haben, dass der Antrag, die "Inntal Süd"-Verordnung für unwirksam zu erklären, nicht allein deshalb unbegründet sein kann, weil nach § 2 Abs. 4 Satz 2 UmwRG eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltprüfung im Sinne von § 2 Abs. 10 UVPG bestehen muss. Auch insoweit steht die Durchführung von Unionsumweltrecht inmitten und erfordert dessen Anwendungsvorrang, dass diese Tatbestandsvoraussetzung unangewendet bleibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 C 3.19 - BVerwGE 168, 20 Rn. 24 zu Luftreinhalteplänen). Weiter wird der Verwaltungsgerichtshof davon auszugehen haben, dass Art. 11 Abs. 1 ProtNatSch unmittelbar anwendbar ist und zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Änderung einer Landschaftsschutzgebietsverordnung die Durchführung einer Interessenabwägung verlangt (vgl. Oberdanner/Starchl, NuR 2022, 831 <834> zur Erkenntnis des österreichischen VfGH vom 15. Dezember 2021 - V 425/2020-9).