Beschluss vom 16.05.2025 -
BVerwG 5 B 8.25ECLI:DE:BVerwG:2025:160525B5B8.25.0

Wiedereinsetzungsantrag

Leitsatz:

Zu den anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs gehört die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO erteilt wurde.

  • Rechtsquellen
    VwGO § 55a Abs. 5 Satz 2, § 60 Abs. 1

  • VG Berlin - 24.05.2023 - AZ: 26 K 57/23
    OVG Berlin-Brandenburg - 26.09.2024 - AZ: 6 B 6/23

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 16.05.2025 - 5 B 8.25 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:160525B5B8.25.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 8.25

  • VG Berlin - 24.05.2023 - AZ: 26 K 57/23
  • OVG Berlin-Brandenburg - 26.09.2024 - AZ: 6 B 6/23


In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts


am 16. Mai 2025


durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner


beschlossen:

  1. Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgelehnt.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
  3. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1 Der Senat hat die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. September 2024 mit Beschluss vom 26. Februar 2025 - 5 B 4.25 - verworfen, weil sie nicht fristgerecht begründet worden war. Sein am 7. März 2025 bei Gericht eingegangener Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO hat keinen Erfolg, weil sein Prozessbevollmächtigter nicht ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Frist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzuhalten.

2 Verschuldet im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO ist ein Fristversäumnis dann, wenn der Beteiligte die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten ist und die ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. September 2023 - 1 C 10.23 - NVwZ 2023, 1913 Rn. 12 m. w. N.). Dabei ist ihm ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zuzurechnen (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO). Der Kläger hat nicht im Sinne von § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO Tatsachen zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags dargelegt, die darauf schließen lassen, dass das Fristversäumnis für seinen Prozessbevollmächtigten unverschuldet war. Vielmehr ist das Fristversäumnis eingetreten, weil Letzterer die ihn treffenden Sorgfaltspflichten nicht gewahrt hat.

3 Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per besonderem elektronischen Anwaltspostfach entsprechen denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Auch hier ist es unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen. Die Überprüfung der ordnungsgemäßen Übermittlung erfordert dabei die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO erteilt wurde. Nach § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO erhält der Absender eines elektronischen Dokuments, sobald dieses auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist, eine automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs. Diese Eingangsbestätigung soll dem Absender unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen eines Justizbediensteten Gewissheit darüber verschaffen, ob die Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind. Hat der Rechtsanwalt eine Eingangsbestätigung nach § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO erhalten, besteht Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich war. Sie ist etwa daran erkennbar, dass im Ordner "Gesendet" in der Zeile unterhalb des Nachrichtentexts unter dem Punkt "Meldungstext" der Eintrag "request executed" und unter dem Punkt "Übermittlungsstatus" die Meldung "erfolgreich" erscheint. Bleibt die Eingangsbestätigung aus, muss dies den Rechtsanwalt zur Überprüfung und gegebenenfalls erneuten Übermittlung veranlassen (vgl. zu § 130a ZPO: BGH, Beschlüsse vom 11. Mai 2021 - VIII ZB 9/20 - NJW 2021, 2201 Rn. 21 ff., 33 und vom 18. April 2023 - VI ZB 36/22 - NJW 2023, 2433 Rn. 14, 19 m. w. N.; zu § 55a VwGO: VGH München, Beschluss vom 11. Januar 2023 - 11 CS 22.23 08 - BayVBl 2023, 349 Rn. 7; Ulrich, in: Schoch/​Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2024, § 55a VwGO Rn. 113). Gemessen daran kann dem Kläger Wiedereinsetzung nicht gewährt werden, da nicht dargelegt ist, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Versandvorgang ordnungsgemäß kontrolliert hat.

4 Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat den Wiedereinsetzungsantrag damit begründet, dass er selbst die Beschwerdebegründung am 19. Dezember 2024 signiert, an das Oberverwaltungsgericht versandt und die Versendung anhand des Signaturprotokolls geprüft habe. Seine Software unterstütze jedoch den Versand bestimmter Anlagen nicht, weshalb auch der hier in Rede stehende Schriftsatz aus technischen Gründen nicht habe übermittelt werden können. Von diesen Umständen habe er zuvor nichts gewusst; auch dem Softwareanbieter sei das Problem noch nicht lange bekannt gewesen.

5 Hiermit ist allerdings nicht zugleich dargelegt, dass der Prozessbevollmächtigte, der nach eigenem Vortrag selbst die Verantwortung für die Kontrolle übernommen hat, sich über den Erfolg des Versandvorgangs durch eine Prüfung der Eingangsmitteilung nach § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO vergewissert hat. Eine solche Mitteilung konnte es von vornherein nicht geben, weil der Schriftsatz seinem eigenen Vortrag nach gar nicht übermittelt wurde und deshalb auch nicht beim Oberverwaltungsgericht eingehen konnte (vgl. § 55a Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Prüfung des von dem Prozessbevollmächtigten beigefügten Signaturprotokolls stellt keine hinreichende Vergewisserung über den Versandvorgang dar. Denn dieses belegt weder die Versendung noch den Eingang des Schriftsatzes, sondern zeigt nur, dass der Signaturvorgang (§ 55a Abs. 3 Satz 1 VwGO) ordnungsgemäß erfolgt ist. Auch nach erfolgreicher Signatur verbleibt die Möglichkeit, dass die signierte Datei infolge eines Fehlers nicht oder nicht lesbar an das Gericht übermittelt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 18. April 2023 - VI ZB 36/22 - NJW 2023, 2433 Rn. 16 m. w. N.). Hätte der Prozessbevollmächtigte die in seine Verantwortung fallende Prüfung, ob eine Eingangsbestätigung erteilt und übermittelt worden ist, vorgenommen, wäre eine fristgerechte Einreichung der Beschwerdebegründung ohne Weiteres möglich gewesen, weil die Frist noch bis zum 30. Dezember 2024 lief.

6 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO nicht erhoben.