Beschluss vom 15.07.2020 -
BVerwG 9 A 5.20ECLI:DE:BVerwG:2020:150720B9A5.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 15.07.2020 - 9 A 5.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:150720B9A5.20.0]

Beschluss

BVerwG 9 A 5.20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. Juli 2020
durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick
als Einzelrichterin gemäß § 87a Abs. 1 und 3 VwGO
beschlossen:

Der Antrag des Beklagten auf Aussetzung des Verfahrens wird abgelehnt.

Gründe

1 Nach § 4 Abs. 1b Satz 3 UmwRG kann das Gericht auf Antrag anordnen, dass die Verhandlung bis zur Heilung von Verfahrensfehlern im Sinne der Absätze 1 und 1a ausgesetzt wird, soweit dies im Sinne der Verfahrenskonzentration sachdienlich ist.

2 Daran fehlt es hier. Der Zweck der Aussetzung besteht darin, dass über den Streitstoff betreffend die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 2b UmwRG aus Gründen der Prozessökonomie in einem Verfahren konzentriert entschieden werden soll (BVerwG, Beschluss vom 8. Mai 2018 - 9 A 12.17 - DVBl 2018, 1232 Rn. 7). Dies ist nach Auffassung des Senats bereits zum jetzigen Zeitpunkt möglich und prozessökonomisch sinnvoll: Eine mündliche Verhandlung hat bereits am 17. und 18. April 2018 vor dem erkennenden Senat stattgefunden. Der Europäische Gerichtshof hat inzwischen auf die ihm vom Senat mit Vorlagebeschluss vom 25. April 2018 gestellten Fragen geantwortet (Urteil vom 29. Mai 2020 - C-535/18 [ECLI:​EU:​C:​2020:​391] -). Des Weiteren liegt ein ausführlich begründeter Hinweisbeschluss des Senats vom 25. April 2018 vor. Zwar gibt dieser nur die vorläufige Einschätzung des Senats nach der durchgeführten mündlichen Verhandlung wieder. Aus dem Umstand, dass der Beklagte die im Hinweisbeschluss geäußerten Bedenken ausräumen will (s.o.), schließt der Senat aber, dass der Beklagte die im Beschluss aufgezeigten Mängel akzeptiert und nicht etwa in einer erneuten mündlichen Verhandlung in Frage stellen will.

3 Bei dieser Ausgangslage dient es der Verfahrensbeschleunigung besser, das Verfahren möglichst zügig zum Abschluss zu bringen und nicht erst das Ergebnis eines Planergänzungsverfahrens abzuwarten, dessen Einleitung der Beklagte erst für August 2020 angekündigt hat. Zwar soll die Aussetzung nach § 4 Abs. 1b Satz 3 UmwRG mehrfache gerichtliche Auseinandersetzungen in derselben Sache vermeiden. Sie soll insbesondere verhindern, dass ein Planfeststellungsbeschluss allein wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben und dessen materielle Rechtmäßigkeit erst in einem zweiten Verfahren gerichtlich geprüft wird. Hiermit ist die vorliegende Fallkonstellation aber - wie ausgeführt - nicht zu vergleichen; insbesondere steht keineswegs fest, dass es nach Behebung der Mängel zu einem weiteren gerichtlichen Verfahren kommen wird.

Urteil vom 30.11.2020 -
BVerwG 9 A 5.20ECLI:DE:BVerwG:2020:301120U9A5.20.0

Straßenrechtliche Planfeststellung (Ortsumgehung Ummeln)

Leitsätze:

1. § 4 Abs. 3 Satz 2 UmwRG ist auf relative Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1a UmwRG nicht anwendbar (Änderung der Rechtsprechung aufgrund des Urteils des EuGH vom 28. Mai 2020 - C-535/18 -).

2. Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der WRRL verpflichtet die zuständigen Behörden, vor der Zulassungsentscheidung zu prüfen, ob das Projekt mit dem wasserrechtlichen Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot in Einklang steht. Die diesbezüglichen Angaben hat der Vorhabenträger der Planfeststellungsbehörde vorzulegen; sie müssen so beschaffen sein, dass die Auswirkungen des Projekts auf die Gewässer anhand der insbesondere in Art. 4 Abs. 1 WRRL vorgesehenen Kriterien und Pflichten geprüft werden können. Die Informationen sind der betroffenen Öffentlichkeit zugänglich zu machen (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 28. Mai 2020 - C-535/18 - Rn. 76 und 80 ff.).

3. Eine vorhabenbedingte Verschlechterung des chemischen Zustands eines Grundwasserkörpers liegt sowohl dann vor, wenn mindestens eine der Qualitätsnormen oder einer der Schwellenwerte im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Trinkwasser-Richtlinie überschritten wird, als auch dann, wenn sich die Konzentration eines Schadstoffs, dessen Schwellenwert bereits überschritten ist, voraussichtlich erhöhen wird. Die an jeder Überwachungsstelle gemessenen Werte sind individuell zu berücksichtigen (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 28. Mai 2020 - C-535/18 - Rn. 119).

4. Auf einen Verstoß gegen das grundwasserbezogene Verschlechterungsverbot können sich diejenigen Mitglieder der Öffentlichkeit berufen, die in räumlicher Nähe zur geplanten Trasse über einen eigenen genehmigten Trinkwasserbrunnen verfügen, nicht aber diejenigen, die lediglich das öffentliche Wasserversorgungsnetz nutzen (im Anschluss an EuGH, Urteile vom 28. Mai 2020 - C-535/18 - Rn. 132 f. sowie vom 3. Oktober 2019 - C-197/18 - Rn. 40 und 42).

  • Rechtsquellen
    UmwRG § 4 Abs. 1a und 1b, Abs. 3 Satz 2
    VwVfG § 46, § 75 Abs. 1a
    WRRL Art. 4 Abs. 1
    WHG § 27 Abs.1, § 47 Abs. 1
    FStrG § 17c
    UVPG § 9 Abs. 1a Nr.5

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 30.11.2020 - 9 A 5.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:301120U9A5.20.0]

Urteil

BVerwG 9 A 5.20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. November 2020
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Martini und Dr. Dieterich und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Sieveking
ohne erneute mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

  1. Der Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 27. September 2016 für den Neubau der A 33/B 61, Zubringer Ummeln, in der Fassung der in der mündlichen Verhandlung vom 17./18. April 2018 zu Protokoll erklärten Änderungen und Ergänzungen ist rechtswidrig und nicht vollziehbar. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I

1 Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 27. September 2016 für den Neubau der A 33/B 61, Zubringer Ummeln. Der planfestgestellte Abschnitt umfasst eine Länge von rund 3,7 km. Er beginnt bei Bau-km 1+480 auf der Südseite der vorhandenen, autobahnkreuzähnlich ausgebauten Anschlussstelle der A 33 - Anschlussstelle Bielefeld-Zentrum - und endet bei Bau-km 5+200. Dort soll die Trasse an die nach Gütersloh weiterführende B 61 angeschlossen werden. Die geplante Trasse ersetzt die bisherige Ortsdurchfahrt Ummeln und dient so auch als Ortsumgehung. Das Projekt ist in der Anlage zu § 1 Abs. 1 Satz 2 FStrAbG in die Dringlichkeitsstufe "Laufend und fest disponiert" eingeordnet.

2 Durch den Planfeststellungsbeschluss erhält der Vorhabenträger die Erlaubnis, das auf den Straßenoberflächen anfallende Niederschlagswasser über Regenrückhaltebecken und Leichtflüssigkeitsabscheider mit vorgeschaltetem Öl- und Schlammfang (Einleitungen E 2 und E 3) sowie über die belebte Bodenzone (Einleitung 4) an den näher definierten Einleitungsstellen in den Trüggelbach, in ein namenloses Gewässer zum Reiherbach bzw. in das Grundwasser einzuleiten. Sowohl zur Einleitung als auch zur Versickerung enthält der Beschluss Nebenbestimmungen, die den Gewässerschutz sicherstellen sollen.

3 Die Planunterlagen lagen in der Zeit vom 30. August bis zum 29. September 2010 bei der Stadt Bielefeld sowohl im Bezirksamt Brackwede als auch im Amt für Verkehr öffentlich aus. Am 10. und 11. April 2013 fand ein Erörterungstermin statt. Nach Auswertung der Ergebnisse des Anhörungsverfahrens nahm der Vorhabenträger diverse Planänderungen vor und brachte diese im April 2014 über das Deckblatt 1 in das Verfahren ein. Dabei ging es unter anderem um die Errichtung einer Versickerungsanlage unter Verzicht auf ein zunächst vorgesehenes Regenrückhalte- und Klärbecken im Anschlussstellenohr Ummeln, vergrößerte Gewässerunterführungen, einen neuen landschaftspflegerischen Begleitplan sowie ein neues Verkehrsgutachten, eine neue lärmtechnische Unterlage und ein neues Luftschadstoffgutachten.

4 Aufgrund dieser Planänderungen erfolgte eine Neuauslegung in der Zeit vom 19. Mai bis 18. Juni 2014. Dabei wurden die Unterlagen des Deckblatts ausgelegt, in das unter Kenntlichmachung bzw. Beschreibung der Planänderungen nochmals alle Planunterlagen - d.h. auch die unverändert gebliebenen - und Gutachten aufgenommen wurden. Die Unterlagen wurden darüber hinaus auf der Homepage der Bezirksregierung Detmold für den Zeitraum der Auslegung auch im Internet zur Einsichtnahme bereitgestellt.

5 Die Kläger sind acht unmittelbar durch Grundstücksinanspruchnahmen und fünf mittelbar von der Planung Betroffene. Die Kläger zu 3 und 10 sollen ihre bebauten Wohngrundstücke verlieren; andere Enteignungsbetroffene - die Kläger zu 1 und 5 - machen Existenzgefährdungen geltend. Mit Ausnahme des Klägers zu 2 verfügen alle Kläger über einen genehmigten Trinkwasserbrunnen. Die nur mittelbar von der Planung Betroffenen - die Kläger zu 7, 8, 9, 11 und 12 - machen Lärmbelastungen geltend und befürchten eine Verschlechterung der Wasserqualität ihrer Brunnen.

6 Die Kläger haben fristgerecht am 13. Dezember 2016 Klage erhoben.

7 Sie halten den Planfeststellungsbeschluss schon für formell, darüber hinaus aber auch für materiell rechtswidrig. So liege ein Verstoß gegen die Vorgaben des Wasserhaushaltsgesetzes vor, auch gebe es verschiedene Verstöße gegen das Abwägungsgebot.

8 Der Beklagte hat Ende Dezember 2017 einen wasserrechtlichen Fachbeitrag sowie eine ergänzende Stellungnahme der Unteren Wasserbehörde der Stadt Bielefeld vom 12. Dezember 2017 zum Versickerungskonzept im Entwässerungsbereich 4 vorgelegt. Die Vorlage erfolgte im Zusammenhang mit einer Hinweisverfügung der Berichterstatterin vom 14. September 2017. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf die Verfügung Bezug genommen.

9 Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung, die am 17. und 18. April 2018 stattgefunden hat, beantragt,
1. den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Detmold für den Neubau der A 33/B 61, Zubringer Ummeln, vom 27. September 2016 in der Fassung der in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Protokollerklärungen des Beklagten aufzuheben,
2. hilfsweise: festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig und nicht vollziehbar ist,
3. weiter hilfsweise: den Beklagten zu verpflichten, dem Träger des Vorhabens geeignete Vorkehrungen bzw. die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen aufzugeben, die zur Vermeidung, hilfsweise zur Kompensation nachteiliger Wirkungen aus dem Planfeststellungsbeschluss auf die Eigentumsflächen der Kläger erforderlich sind.

10 Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

11 Er ist dem Vorbringen der Kläger entgegengetreten.

12 Der Senat hat mit Beschluss vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union um die Klärung mehrerer Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten - im Folgenden: UVP-RL - sowie der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, zuletzt geändert durch Art. 1 der Richtlinie 2014/101/EU der Kommission vom 30. Oktober 2014 (ABl. Nr. L 311 S. 32) - im Folgenden: Wasserrahmenrichtlinie - (WRRL) gebeten (im Folgenden: Vorlagebeschluss). Mit weiterem Beschluss desselben Datums hat der Senat seine vorläufige Einschätzung aufgrund der mündlichen Verhandlung festgehalten (im Folgenden: Hinweisbeschluss). Der Gerichtshof hat mit Urteil vom 28. Mai 2020 - C-535/18 [ECLI:​EU:​C:​2020:​391] - über die Vorlage entschieden.

13 Einen Antrag des Beklagten auf weitere Aussetzung des Verfahrens bis zur Beendigung des vor der Einleitung stehenden Planänderungsverfahrens hat der Senat nach Anhörung der Kläger mit Beschluss vom 15. Juli 2020 abgelehnt.

II

14 Mit Einverständnis der Beteiligten kann der Senat ohne erneute mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

15 Die zulässigen Klagen (A) sind nur zum Teil begründet. Zwar enthält der Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 27. September 2016 in Gestalt der in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärten Änderungen und Ergänzungen entscheidungserhebliche Fehler in Bezug auf die Auslegungsbekanntmachungen, die Prüfung des wasserrechtlichen Verschlechterungsverbots bzw. Verbesserungsgebots sowie hinsichtlich der Alternativenprüfung (B); auf die Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses können sich im Ergebnis auch sämtliche Kläger berufen (C). Die Fehler haben aber nicht die mit dem Hauptantrag begehrte Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, sondern lediglich die hilfsweise beantragte Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit zur Folge (D).

16 A. Die Klagen sind sämtlich zulässig. Zur Begründung nimmt der Senat auf den zum früheren Aktenzeichen 9 A 16.16 ergangenen Hinweisbeschluss vom 25. April 2018 Bezug (dort Rn. 3 - 6).

17 B. Der Planfeststellungsbeschluss enthält formelle und materielle Mängel, die auch überwiegend entscheidungserheblich sind.

18 1. Die Auslegungsbekanntmachungen vom 21. August 2010 und vom 10./11. Mai 2014 sind beide fehlerhaft (a) und (b); die Verfahrensfehler sind auch nicht nach § 4 Abs. 1a Satz 1 UmwRG i.V.m. § 46 VwVfG unbeachtlich, soweit es um wasserbezogene Unterlagen geht (c); die Unbeachtlichkeit ergibt sich insbesondere nicht aus § 4 Abs. 3 Satz 2 UmwRG (d).

19 a) Für beide Auslegungsbekanntmachungen galt § 9 Abs. 1a Nr. 5 UVPG in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 94). Danach hat die zuständige Behörde zu Beginn des Beteiligungsverfahrens die Öffentlichkeit unter anderem über die nach § 6 UVPG vorgelegten Unterlagen zu unterrichten; hierzu zählen die entscheidungserheblichen Unterlagen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens (§ 6 Abs. 1 Satz 1 UVPG).

20 Zwar erfordert § 9 Abs. 1a Nr. 5 UVPG keine vollständige Auflistung aller vom Vorhabenträger vorgelegten Unterlagen, sondern lässt einen aussagekräftigen Überblick genügen (BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 21). Doch auch diesen Anforderungen wird der Bekanntmachungstext vom 11. August 2010 nicht gerecht. Denn in Bezug auf die umweltrelevanten Themen Lärm und Wasser wurde auf keine der hierzu vorgelegten Antragsunterlagen hingewiesen; stattdessen beschränkte sich die Bekanntmachung auf das Verkehrsgutachten, den artenschutzrechtlichen Fachbeitrag sowie zwei faunistische Untersuchungen.

21 b) Auch die weitere Bekanntmachung vom 10./11. Mai 2014 ist fehlerhaft. Zwar musste nicht zwingend erneut auf die UVP-Pflicht hingewiesen werden, da sich ein solches Erfordernis weder aus dem UVP-Gesetz noch aus der zugrunde liegenden EU-Richtlinie ergibt. Allerdings wäre auch hier eine Erwähnung der wassertechnischen Unterlage erforderlich gewesen, da der Entwässerungsabschnitt 4 wesentlich geändert wurde (Versickerung in das Grundwasser, keine Einleitung mehr in ein Oberflächengewässer). Der in der Bekanntmachung enthaltene Hinweis auf den geänderten Landespflegerischen Begleitplan reichte insoweit nicht aus, da dort nichts zur geplanten Änderung in Bezug auf die Entwässerung steht.

22 c) Die Bekanntmachungsfehler sind nicht sämtlich nach § 4 Abs. 1a Satz 1 UmwRG i.V.m. § 46 VwVfG unbeachtlich. Denn nur hinsichtlich des fehlenden Hinweises auf die Lärmunterlage kann nach der Überzeugung des Senats festgestellt werden, dass der Fehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

23 Mit § 4 Abs. 1a UmwRG hat der Gesetzgeber dreierlei geregelt (vgl. im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 41 ff. m.w.N.): Zum Ersten hat er klargestellt, dass § 46 VwVfG für nicht unter § 4 Abs. 1 UmwRG fallende - relative - Verfahrensfehler weiterhin maßgeblich ist mit der Folge, dass eine Aufhebung eines Verwaltungsakts nicht allein wegen dieses Fehlers beansprucht werden kann, wenn offensichtlich ist, dass der Fehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Zum Zweiten hat er die nach § 86 VwGO insoweit bestehende Pflicht des Gerichts zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen hervorgehoben. Zum Dritten hat er die Folgen eines non liquet dahingehend geregelt, dass die Kausalität des Verfahrensfehlers vermutet wird (s. auch § 4 Abs. 1a Satz 2 UmwRG).

24 Sieht sich das Gericht auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnismittel zu der Feststellung in der Lage, dass die angegriffene Entscheidung ohne den vom Rechtsbehelfsführer geltend gemachten Verfahrensfehler nicht anders ausgefallen wäre, führt der Fehler gemäß § 46 VwVfG weder zur Aufhebung noch zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Verwaltungsakts. Dies entspricht den Voraussetzungen, die der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 7. November 2013 - C-72/12 [ECLI:​EU:​C:​2013:​712] - Rn. 53) dafür genannt hat, dass das nationale Recht eine Rechtsverletzung im Sinne von Art. 11 Abs. 1 Buchst. b der UVP-Richtlinie verneinen kann.

25 Bei den hier festgestellten Bekanntmachungsfehlern handelt es sich um nur "relative" Fehler, bei denen nach den vorgenannten Kriterien eine Kausalitätsbetrachtung anzustellen ist. Sie fallen weder unter die in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 UmwRG normierten absoluten Verfahrensfehler noch sind sie mit ihnen im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG nach Art und Schwere vergleichbar.

26 Ausgehend von den oben genannten Maßstäben führt der Bekanntmachungsfehler in Bezug auf die fehlenden Lärmunterlagen in der Auslegungsbekanntmachung vom 21. August 2010 nicht zur Feststellung der Rechtswidrigkeit. Insoweit steht auf der Grundlage der verfügbaren Unterlagen zur Überzeugung des Senats fest, dass der Fehler die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst hat, die angegriffene Entscheidung also ohne den Fehler nicht anders ausgefallen wäre. Dies schließt der Senat aus den zum Protokoll genommenen Angaben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 17. April 2018. Danach haben sich von den 311 erhobenen Einwendungen nahezu alle, nämlich 300, (auch) auf Lärmbelange bezogen. Vor diesem Hintergrund steht für den Senat fest, dass der fehlende Hinweis auf die Auslegung der Lärmunterlage den Zugang der betroffenen Öffentlichkeit zu den Informationen und der Beteiligung am Entscheidungsprozess nicht erschwert hat; dass über die bereits zahlreich vorgebrachten Einwendungen zum Thema Lärm hinaus weitere Lärmbelange unberücksichtigt geblieben sein könnten, hält der Senat für ausgeschlossen.

27 Anders verhält es sich bei den wasserbezogenen Unterlagen. Da sich von den 311 Einwendungen nur 80 auf die Thematik Trinkwasser/Hausbrunnen bezogen haben und andere aussagekräftige Anhaltspunkte in den Akten nicht ersichtlich sind, vermag der Senat keine vergleichbare Bewertung vorzunehmen. Daher ist insoweit von entscheidungserheblichen Fehlern der Auslegungsbekanntmachungen auszugehen.

28 d) Die Unbeachtlichkeit der Verfahrensfehler ergibt sich nicht aus § 4 Abs. 3 Satz 2 UmwRG.

29 Nach dieser Vorschrift ist § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Aufhebung einer Entscheidung nur verlangt werden kann, wenn der Verfahrensfehler dem Beteiligten die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat. Der Senat ist im Vorlagebeschluss von der Anwendbarkeit der Vorschrift auf den vorliegenden Fall ausgegangen und hat zudem die Auffassung vertreten, die Regelung sei europarechtskonform (BVerwG, Vorlagebeschluss vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - Buchholz 451.91 Europ UmweltR Nr. 73 Rn. 24 ff. unter Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 21. Juni 2016 - 9 B 65.15 - Buchholz 406.254 UmwRG Nr. 20 Rn. 5). Infolgedessen ist er bei seiner vorläufigen Bewertung des Falles zu dem Ergebnis gelangt, die nur "relativen" Fehler hätten sich im Ergebnis auf die Kläger offensichtlich nicht ausgewirkt, denn diese hätten sämtlich im Rahmen beider Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren Einwendungen - auch in wasserrechtlicher Hinsicht - erhoben, sich also in der Sache mit den ausgelegten Planunterlagen auseinandergesetzt. Etwaige Auswirkungen auf andere Mitglieder der Öffentlichkeit seien nach § 4 Abs. 3 Satz 2 UmwRG nicht relevant (BVerwG, Hinweisbeschluss vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - juris Rn. 15).

30 Es bleibt offen, ob die Regelung nach dem Maßstab des nationalen Rechts auf relative Verfahrensfehler, um die es hier geht, überhaupt anwendbar ist (verneinend Dingemann, NVwZ 2020, 1177 <1184>). Zwar unterscheidet der Wortlaut des § 4 UmwRG nach der Art des Verfahrensfehlers und wendet § 4 Abs. 3 Satz 2 UmwRG nur auf "absolute" Verfahrensfehler an. Die Erstreckung auf relative Verfahrensfehler lässt sich aber gesetzessystematisch mit einem Erst-Recht-Schluss begründen: Wenn ein Kläger sogar im Hinblick auf einen in § 4 Abs. 1 UmwRG geregelten besonders schweren Verfahrensfehler auf die Rüge beschränkt ist, ihm selbst sei die Beteiligung am Verwaltungsverfahren vorenthalten geblieben, ist diese Beschränkung erst recht in Bezug auf weniger schwerwiegende Verfahrensmängel (§ 4 Abs. 1a UmwRG) in Betracht zu ziehen. Dem lässt sich allerdings möglicherweise entgegenhalten, dass § 46 VwVfG nach § 4 Abs. 1a Satz 1 für Verfahrensfehler gilt, die "nicht unter Absatz 1 fallen". Dies könnte bedeuten, dass auch für solche Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 UmwRG, auf die die Beschränkung des § 4 Abs. 3 Satz 2 UmwRG Anwendung findet, stets eine weitergehende Prüfung anhand des § 46 VwVfG gefordert wird. Für einen Erst-Recht-Schluss wäre bei einer solchen Auslegung kein Raum.

31 Unbeschadet dessen hält der Senat an der Auslegung des § 4 Abs. 1a, Abs. 3 Satz 2 UmwRG, die er im Vorlagebeschluss vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - (Buchholz 451.91 Europ UmweltR Nr. 73 Rn. 24) und im Beschluss vom 21. Juni 2016 - 9 B 65.15 - Buchholz 406.254 UmwRG Nr. 20 Rn. 5 vertreten hat, unter Berücksichtigung der Antwort des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 20. Mai 2020 - C-535/18 -) im Hinblick auf Art. 11 Abs. 1 und 3 UVP-RL nicht fest. Zwar hat sich dem Gerichtshof der Sinn der betreffenden Vorlagefrage möglicherweise nicht mit letzter Klarheit erschlossen, denn diese bezog sich ausschließlich auf die beiden Bekanntmachungsfehler, nicht aber auf weitere Verfahrensfehler im Zusammenhang mit dem wasserrechtlichen Verschlechterungsverbot. Dennoch hat er aber deutlich zum Ausdruck gebracht, dass der Erfolg eines auf einen Verfahrensfehler gestützten Rechtsbehelfs (nur) für den Fall, dass dieser Fehler keine Veränderung des Entscheidungsinhalts bewirkt haben kann, davon abhängig gemacht werden darf, dass der Rechtsbehelfsführer gerade wegen des Fehlers an der Beteiligung am Verfahren gehindert war (EuGH, a.a.O. Rn. 61). Für dieses Verständnis sprechen ferner die Bezugnahme auf die Altrip-Entscheidung (vgl. Rn. 58), die eine "konkrete Kausalitätsprüfung" verlangt, sowie der besonders hervorgehobene Hinweis (vgl. Rn. 62) auf den Sinn der Auslegung, die Öffentlichkeit in die Lage zu versetzen, sich zweckdienlich am Entscheidungsverfahren zu beteiligen. Dieser Zweck würde bei einer Auslegung, wie sie der Senat im Vorlagebeschluss vorgenommen hat, nicht zur vollen Geltung kommen.

32 2. Die auf eine zweiseitige, undatierte und nicht unterzeichnete Zusammenstellung angeblicher weiterer Auslegungsfehler gestützte Kritik der Kläger ist ebenso unbegründet wie ihr Einwand, der Planfeststellungsbeschluss sei inhaltlich unbestimmt und die technische Entwässerungsplanung sei materiell unzureichend. Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf den zum früheren Aktenzeichen 9 A 16.16 ergangenen Hinweisbeschluss vom 25. April 2018 (dort Rn. 16 - 44).

33 3. Der Planfeststellungsbeschluss leidet des Weiteren an Fehlern in Bezug auf das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot bzw. Verbesserungsgebot.

34 a) Die Verschlechterungsverbote und Verbesserungsgebote der §§ 27 Abs. 1 und 47 Abs. 1 WHG sind zwingende Vorgaben für die Zulassung von Vorhaben. Sie müssen deshalb bei der Zulassung eines Projekts - auch im Rahmen der Planfeststellung eines fernstraßenrechtlichen Vorhabens nach § 17 FStrG - strikt beachtet werden (vgl. EuGH, Urteil vom 1. Juli 2015 - C-461/13 [ECLI:​EU:​C:​2015:​433], BUND/Bundesrepublik - Rn. 50 f.; BVerwG, Urteile vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 160 und vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 - BVerwGE 156, 215 Rn. 96).

35 Der Europäische Gerichtshof hat mit seinem Urteil vom 28. Mai 2020 - C-535/18 - klargestellt, dass Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der WRRL nicht nur einen materiell-rechtlichen Prüfungsmaßstab enthält, sondern darüber hinaus auch Vorgaben für das behördliche Zulassungsverfahren. Danach sind die zuständigen Behörden verpflichtet, im Laufe des Genehmigungsverfahrens, und somit, zu prüfen, ob das Projekt negative Auswirkungen auf die Gewässer haben kann, die den Pflichten zuwiderliefen, die Verschlechterung des Zustands der Oberflächen- und Grundwasserkörper zu verhindern und diesen Zustand zu verbessern. Die diesbezüglichen Angaben hat der Vorhabenträger der Planfeststellungsbehörde vorzulegen; sie müssen so beschaffen sein, dass die Auswirkungen des Projekts auf die Gewässer anhand der insbesondere in Art. 4 Abs. 1 WRRL vorgesehenen Kriterien und Pflichten geprüft werden können. Die Informationen sind sodann der betroffenen Öffentlichkeit zugänglich zu machen (EuGH, Urteil vom 28. Mai 2020 - C-535/18 - Rn. 76 und 80 ff.). Zwar müssen die Informationen nicht unbedingt in einem einzigen Dokument enthalten sein, doch muss die Öffentlichkeit jedenfalls anhand der ihr zugänglich gemachten Unterlagen einen Überblick über die Auswirkungen erhalten können. Unvollständige Akten oder unzusammenhängend in einer Vielzahl von Dokumenten verstreute Angaben sind hierfür ungeeignet (Rn. 85 ff.).

36 Diese Vorgaben wurden hier nicht beachtet, denn eine wasserkörperbezogene Prüfung wurde vor dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses nicht durchgeführt; sie war dementsprechend auch nicht Gegenstand der Öffentlichkeitsbeteiligung. Damit ist der Planfeststellungsbeschluss insoweit formell und - vorbehaltlich der Ergebnisse der Prüfung - materiell fehlerhaft.

37 b) Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass auch der im gerichtlichen Verfahren nachgereichte wasserrechtliche Fachbeitrag nicht frei von Fehlern ist. Insoweit nimmt der Senat wiederum Bezug auf den Hinweisbeschluss (dort Rn. 48 - 51).

38 Hiervon abgesehen hat der Europäische Gerichtshof nun mit Urteil vom 28. Mai 2020 - C-535/18 - den Bewertungsmaßstab für die Prüfung der Verschlechterung von Grundwasser präzisiert. Auch diese Vorgaben sind in dem beabsichtigten Fehlerheilungsverfahren zu beachten. Danach ist Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Nr. i der WRRL dahin auszulegen, dass von einer projektbedingten Verschlechterung des chemischen Zustands eines Grundwasserkörpers sowohl dann auszugehen ist, wenn mindestens eine der Qualitätsnormen oder einer der Schwellenwerte im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2006/118/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Schutz des Grundwassers vor Verschmutzung und Verschlechterung (ABl. 2006 L 372 S. 19 - im Folgenden: Trinkwasser-Richtlinie) überschritten wird, als auch dann, wenn sich die Konzentration eines Schadstoffs, dessen Schwellenwert bereits überschritten ist, voraussichtlich erhöhen wird. Die an jeder Überwachungsstelle gemessenen Werte sind individuell zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 28. Mai 2020 - C-535/18 - Rn. 119; kritisch hierzu Dingemann, NVwZ 2020, 1184 <1185 f.>, Durner, W+B 2020, 99 <101> und Reinhardt, NVwZ 2019, 1591 <1592>).

39 4. Der Planfeststellungsbeschluss beruht zudem auf einem erheblichen Fehler der Abwägung zwischen der Variante 3 und 3.1 . Insoweit hält der Senat an den Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 25. April 2018 (Rn. 57 - 62) fest:
a) Die Auswahl unter verschiedenen in Frage kommenden Trassenvarianten ist gerichtlicher Kontrolle nur begrenzt auf Abwägungsmängel hin zugänglich. Bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials müssen einerseits alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativlösungen berücksichtigt und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange eingestellt werden. Eine Planfeststellungsbehörde handelt andererseits nicht schon dann abwägungsfehlerhaft, wenn eine von ihr verworfene Trassenführung ebenfalls mit guten Gründen vertretbar gewesen wäre. Vielmehr sind die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit erst dann überschritten, wenn sich eine andere als die gewählte Trassenführung unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere, hätte aufdrängen müssen oder wenn der Planfeststellungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 3. März 2011 - 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 Rn. 66 und vom 10. Februar 2016 - 9 A 1.15 - BVerwGE 154, 153 Rn. 14, jeweils m.w.N.).
Der Planfeststellungsbeschluss ist der Sache nach von dem zutreffenden Maßstab ausgegangen (vgl. S. 292 f.). Die von den Klägern kritisierte ergänzende Erwähnung des gerichtlichen Kontrollmaßstabes (S. 293, 322) hält der Senat für unschädlich. Den unter Bezugnahme auf die frühere UVS vorgenommenen Vergleich der Hauptvarianten 1 bis 3 (vgl. Planfeststellungsbeschluss S. 300 ff.) beanstanden die Kläger ausdrücklich nicht, so dass kein Anlass für eine gerichtliche Kontrolle besteht. Demgegenüber machen sie aber zu Recht geltend, dass der Planfeststellungsbeschluss es versäumt hat, einen Vergleich der Trassenvarianten 3 und 3.1 vorzunehmen. Insoweit war ihm eine Bezugnahme auf die UVS des Linienbestimmungsverfahrens nicht möglich, denn diese hatte lediglich mit dem Vorschlag geendet, eine "aus städtebaulicher Sicht durch ein weiteres Abrücken von der Wohnbebauung 'Auf der Hart' optimierte Variante 3.1 zugrunde" zu legen (vgl. Kurzfassung der UVS S. 8 f.).
Diese Optimierung hätte auf der Ebene der Planfeststellung vorgenommen werden müssen. Denn eine Enteignung verlangt nach Art. 14 Abs. 3 GG eine Gesamtabwägung der für das Vorhaben sprechenden Gemeinwohlbelange mit den durch seine Verwirklichung beeinträchtigten öffentlichen und privaten Belangen; erforderlich ist eine Gewichtung der in der Summe betroffenen privaten Belange (BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139/08 u.a. - BVerfGE 134, 242 Rn. 211, 229). Dies bedeutet, dass insbesondere die Zahl und das Ausmaß der mit den beiden Varianten verbundenen Gebäudeabrisse bzw. Existenzgefährdungen hätte ermittelt und mit den übrigen Belangen (etwa städtebauliche Argumente, Schutz des Landschaftsbildes, Kosten für Lärmschutz, naturschutzfachliche Gründe) abgewogen werden müssen. Hieran fehlt es. Soweit dies in der Klageerwiderung (Kosten für Lärmschutz) bzw. in der mündlichen Verhandlung (Erläuterung der Gebäudeabrisse sowie städtebauliche Erwägungen) nachträglich geschehen ist, handelt es sich nach Auffassung des Senats nicht um eine bloße Vertiefung einer bereits im Planfeststellungsbeschluss vorgenommenen Abwägungsentscheidung, sondern um eine erstmals vorgenommene Abwägung. Dies zeigt sich schon daran, dass die Planfeststellungsbehörde auf Nachfrage keinerlei Unterlagen aus dem Verwaltungsverfahren (etwa Karten, Aktenvermerke, tabellarische Übersichten o.Ä.) zu diesen Fragen vorlegen konnte. Die in der mündlichen Verhandlung gezeigten Karten zum "Detailplanungskonzept Variante 3/3.1" (Anlagen 1a und 1b zum Protokoll vom 17. April 2018) wurden erst für das gerichtliche Verfahren erstellt.
b) Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass der vorgenannte offensichtliche Abwägungsmangel auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen und damit gemäß § 17c FStrG i.V.m. § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG erheblich ist.
Eine Erheblichkeit kann nur verneint werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür nachweisbar sind, dass die Planfeststellungsbehörde auch im Falle einer ordnungsgemäßen Abwägung die gleiche Entscheidung getroffen hätte. Solche Anhaltspunkte können sich etwa aus dem Planfeststellungsbeschluss ergeben. Das Gericht darf keine eigene hypothetische Abwägungsentscheidung an die Stelle der Entscheidung durch die Planfeststellungsbehörde setzen (BVerwG, Urteil vom 10. Februar 2016 - 9 A 1.15 - BVerwGE 154, 153 Rn. 30 unter Hinweis auf BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. Dezember 2015 - 1 BvR 685/12 - WM 2016, 184 <186>). An derartigen konkreten Anhaltspunkten fehlt es hier.
Sollte die Variantenprüfung in einem ergänzenden Verfahren nachgeholt werden, weist der Senat mit Blick auf die Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss zu den erforderlichen Gebäudeabrissen (S. 310) vorsorglich darauf hin, dass der Erhalt von Wohnungseigentum und landwirtschaftlichen Betrieben über Art. 14 GG einen hohen Schutz genießt und daher mit einem entsprechend hohen Gewicht in die Abwägung eingestellt werden muss. Dies ist nicht dadurch gemindert, dass die abzureißenden Gebäude keine kulturhistorische Bedeutung haben. Allenfalls umgekehrt kann demkulturhistorisch wertvoller Gebäude ein besonderes Gewicht zukommen.

40 5. Im Übrigen hält der Planfeststellungsbeschluss der gerichtlichen Überprüfung stand. Insoweit nimmt der Senat erneut Bezug auf den Hinweisbeschluss vom 25. April 2018 (vgl. dort Rn. 65 - 78 zur Inanspruchnahme der enteignungsbetroffenen Kläger zu 1 - 6, 10 und 14, Rn. 79 - 115 zu den Lärmbelangen, Rn. 116 - 122 zum Artenschutz und zur verkehrsrechtlichen Relevanz des Vorhabens sowie Rn. 123 - 126 zu den Luftschadstoffen und zur Beeinträchtigung des Wegenetzes).

41 C. Im Ergebnis können sich sämtliche Kläger auf die Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses berufen, auch wenn sowohl der Abwägungsfehler in Bezug auf die Variantenprüfung (1) als auch der wasserrechtliche Verstoß (2) jeweils nur einige der Kläger in ihren Rechten verletzt.

42 1. Auf den Fehler bei der Auswahl der Trassenvariante können sich nur diejenigen Kläger berufen, zu deren Gunsten sich der Abwägungsfehler auswirken könnte, mit anderen Worten nur diejenigen, die im Falle einer Verwirklichung der Variante 3 besser stünden als bei Variante 3.1. Danach können sich die Kläger zu 1 bis 4, zu 6, 11, 12 und 14 auf den Abwägungsfehler berufen, nicht aber die Kläger zu 7 bis 10, die schon aus räumlichen Gründen nicht von dem in Rede stehenden Abschnitt der Trasse betroffen sind, und ebenfalls nicht der Kläger zu 5, denn dessen Grundstück würde durch die Variante 3 stärker und nicht geringer beeinträchtigt.

43 2. Auf einen Verstoß gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot bzw. Verbesserungsgebot können sich - neben Umweltverbänden, die hier indes nicht zu den Klägern zählen - auch "Mitglieder der von einem Projekt betroffenen Öffentlichkeit" berufen. Der Europäische Gerichtshof hat inzwischen in zwei Entscheidungen klargestellt, dass es sich hierbei um einehandeln muss (EuGH, Urteile vom 28. Mai 2020 - C-535/18 - Rn. 123 f., 135 und vom 3. Oktober 2019 - C-197/18, Wasserleitungsverband nördliches Burgenland - NVwZ 2019, 1587 Rn. 35).

44 Um festzustellen, welche Personen von einer Verletzung der Pflichten aus Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der WRRL unmittelbar betroffen sind, müssen die Zielsetzung der Richtlinie sowie der Gehalt der Bestimmung, um deren ordnungsgemäße Anwendung es geht, geprüft werden (EuGH, Urteile vom 28. Mai 2020 - C-535/18 - Rn. 125 und vom 3. Oktober 2019 - C-197/18 - Rn. 35). Der mit der Wasserrahmenrichtlinie bezweckte "gute Zustand" aller Oberflächengewässer und des gesamten Grundwassers soll dazu beitragen, eine ausreichende Versorgung mit Grundwasser guter Qualität zu gewährleisten, wie es für eine "nachhaltige, ausgewogene und gerechte Wassernutzung" erforderlich ist; das Grundwasser soll "als Ressource für die menschliche Nutzung" geschützt werden. Diese Zielsetzungen folgen aus Art. 1 Abs. 1 Buchst. d, Art. 1 Abs. 2 erster und zweiter Gedankenstrich sowie Art. 2 Nr. 33 der WRRL (EuGH, Urteil vom 28. Mai 2020 - C-535/18 - Rn. 126 ff.).

45 Daher zählt zum Kreis der unmittelbar Betroffenen derjenige, der "zur Grundwasserentnahme und -nutzung berechtigt ist, (er) nutzt das Grundwasser legitim in diesem Sinne". Dabei kommt es angesichts der Vielfalt der Nutzungen von Grundwasser nicht darauf an, ob die Überschreitung nur einer der Qualitätsnormen bzw. nur eines der Schwellenwerte im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Trinkwasser-Richtlinie für den Kläger gesundheitlich bedenklich ist (EuGH, Urteile vom 28. Mai 2020 - C-535/18 - Rn. 132 f. sowie vom 3. Oktober 2019 - C-197/18 - Rn. 40 und 42).

46 Nicht unmittelbar betroffen ist demgegenüber derjenige, der lediglich das öffentliche Wasserversorgungsnetz nutzt, ohne über ein besonderes Entnahmerecht zu verfügen. Der Europäische Gerichtshof ist insoweit nicht der weitergehenden Auffassung des Generalanwalts Hogan in dessen Schlussanträgen vom 12. November 2019 (Rn. 75) gefolgt (ebenso Dingemann, NVwZ 2020, 1184 <1186>).

47 Dies zugrunde gelegt können sich - mit Ausnahme des Klägers zu 2 - sämtliche Kläger auf das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot berufen, da sie in räumlicher Nähe zur geplanten Trasse über einen eigenen genehmigten Trinkwasserbrunnen verfügen und damit "zur Grundwasserentnahme und -nutzung berechtigt" sind.

48 D. Die festgestellten Fehler führen nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, sondern lediglich zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit. Denn sie betreffen kein zwingendes Planungshindernis; es besteht die konkrete Möglichkeit, dass sie in einem ergänzenden Verfahren behoben werden können, ohne die Gesamtplanung infrage zu stellen (§ 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG i.V.m. § 4 Abs. 1b Satz 2 Nr. 2 UmwRG). Der Beklagte hat in seinem Aussetzungsantrag bereits ein solches ergänzendes Verfahren angekündigt. Dabei wird er zu beachten haben, dass sich die festgestellten Verfahrensfehler nicht nur auf den wasserrechtlichen Fachbeitrag, sondern auch auf die wassertechnischen Unterlagen beziehen.

49 E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss vom 27.04.2022 -
BVerwG 9 KSt 10.21ECLI:DE:BVerwG:2022:270422B9KSt10.21.0

Rechtsanwaltsgebühren für das Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof

Leitsatz:

Die Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltsgebühren für das Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union setzt nicht voraus, dass die dort entstandenen Kosten in der Kostengrundentscheidung des mitgliedstaatlichen Gerichts ausdrücklich erwähnt wurden.

  • Rechtsquellen
    RVG § 38
    VwGO § 162 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1
    AEUV Art. 267
    VerfO-EuGH Art. 102

  • Bundesverwaltungsgericht - 07.10.2021 - AZ: BVerwG 9 A 5.20

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 27.04.2022 - 9 KSt 10.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:270422B9KSt10.21.0]

Beschluss

BVerwG 9 KSt 10.21

  • Bundesverwaltungsgericht - 07.10.2021 - AZ: BVerwG 9 A 5.20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. April 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Martini und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Schübel-Pfister
beschlossen:

  1. Auf die Erinnerung der Kläger wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 7. Oktober 2021 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 22. November 2021 geändert.
  2. Die aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. November 2020 - 9 A 5.20 - vom Beklagten den Klägern zu erstattenden Kosten werden auf weitere 7 449,76 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. März 2021 festgesetzt.
  3. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei.

Gründe

I

1 Im Ausgangsverfahren (9 A 16.16 ) richtete der Senat gemäß Art. 267 AEUV ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: Europäischer Gerichtshof), das dieser mit Urteil vom 28. Mai 2020 (Rs. C-535/18) beantwortete. Der Senat führte das Verfahren sodann unter neuem Aktenzeichen fort, erklärte den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für rechtswidrig und nicht vollziehbar und erlegte dem Beklagten die Kosten des Verfahrens auf (Urteil vom 30. November 2020 - 9 A 5.20 - BVerwGE 170, 378). Der Streitwert wurde mit Beschluss desselben Tages auf 195 000 € festgesetzt.

2 Auf den Kostenfestsetzungsantrag der Kläger wurden im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 7. Oktober 2021, geändert durch Teilabhilfebeschluss vom 22. November 2021, u.a. Gebühren des Klägerbevollmächtigten für ein Verfahren aus dem Streitwert von 195 000 € für erstattungsfähig erklärt. Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof seien gebührenrechtlich eine Angelegenheit; die Vorlage an den Europäischen Gerichtshof sei als Zwischenstreit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 RVG nicht gesondert zu vergüten. Allein hiergegen richtet sich die Erinnerung der Kläger, zu der der Beklagte Gelegenheit zur Stellungnahme erhielt, nach der Teilabhilfe noch.

II

3 1. Die Erinnerung der Kläger gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss, über die gemäß § 165 Satz 2, § 152 Abs. 2, § 151 VwGO der Senat in der Besetzung von drei Richtern entscheidet (§ 10 Abs. 3 Halbs. 2 VwGO), ist zulässig und begründet. Die im Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof angefallenen Rechtsanwaltsgebühren sind den Klägern neben den Gebühren des Ausgangsverfahrens gesondert zu erstatten.

4 a) Gemäß § 162 Abs. 1 VwGO erfassen die erstattungsfähigen Kosten die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Hierzu gehören u.a. die gesetzlich vorgesehenen Gebühren eines Rechtsanwalts (§ 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO). In Ermangelung einer unionsrechtlichen Regelung richtet sich die Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltsgebühren in Vorlageverfahren nach dem nationalen Recht; die Festsetzung obliegt ebenso wie der Kostenausspruch dem nationalen Gericht (EuGH, Urteil vom 6. Dezember 2001 - Rs. C-472/99 [ECLI:​EU:​C:​2001:​663] - Rn. 23 ff.; vgl. Art. 102 EuGH-Verfahrensordnung).

5 Nach § 38 RVG gelten in Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof die Gebührenvorschriften für das Revisionsverfahren in Teil 3 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 des Vergütungsverzeichnisses nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG entsprechend. Das Vorlageverfahren wird wegen seiner besonderen Bedeutung gebührenrechtlich als eigenständiger Rechtszug behandelt, der gesonderte Gebühren für die daran beteiligten Rechtsanwälte entstehen lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Mai 2012 - VIII ZB 3/11 - NJW 2012, 2118 Rn. 14 unter Hinweis auf BT-Drs. 15/1971 S. 193, 197). Denn das Vorabentscheidungsverfahren erfordert nach Inhalt und Form regelmäßig ein umfangreiches Tätigwerden des Rechtsanwalts, welches allein durch die Gebühren des Ausgangsverfahrens nicht mehr angemessen abgegolten wird (vgl. BT-Drs. 7/2016 S. 105 f. zur Vorgängervorschrift des § 113a BRAGO). Eine Anrechnung der Verfahrensgebühr des Ausgangsverfahrens auf die Verfahrensgebühr des Vorlageverfahrens findet nach § 38 Abs. 3 RVG nicht statt, wenn wie hier eine schriftliche Stellungnahme gegenüber dem Europäischen Gerichtshof abgegeben wurde.

6 b) Die Erstattungsfähigkeit der Gebühren setzt nicht voraus, dass die Kosten des Vorabentscheidungsverfahrens im Tenor oder in den Entscheidungsgründen des mitgliedstaatlichen Urteils ausdrücklich erwähnt wurden. Eine Tenorierung im Rahmen der Kostengrundentscheidung nach §§ 154 ff. VwGO ist weder gesetzlich vorgesehen noch aus anderen Gründen erforderlich. Nach der Systematik der Verwaltungsgerichtsordnung erfolgt ein eigenständiger Kostenausspruch nur dann, wenn nach einer gesetzlichen Regelung über bestimmte Kosten ausdrücklich gesondert zu entscheiden ist (vgl. § 162 Abs. 2 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO) oder hinsichtlich eines Teils der Kosten eine von der allgemeinen Kostenverteilung abweichende Kostenentscheidung in Betracht kommt (vgl. etwa § 155 Abs. 3, Abs. 4 VwGO). Dies ist hinsichtlich der im Vorlageverfahren entstandenen Rechtsanwaltsgebühren nicht der Fall. Die diesbezügliche Kostenentscheidung kann nicht anders ausfallen als die abschließende Kostengrundentscheidung. Danach trägt der letztlich unterliegende Beteiligte die Kosten aller Instanzen einschließlich des Vorabentscheidungsverfahrens; ein isoliertes Obsiegen oder Unterliegen vor dem Europäischen Gerichtshof ist nicht möglich.

7 Aus der vorhandenen Rechtsprechung ergibt sich nichts Gegenteiliges. Soweit der Bundesgerichtshof auf einen Senatsbeschluss Bezug genommen hat, mit dem der Klägerin "die Kosten der Revision einschließlich der Kosten des Verfahrens vor dem Gerichtshof auferlegt worden" sind, wird dies lediglich referierend wiedergegeben, ohne damit eine entsprechende Verpflichtung zum Ausdruck zu bringen (BGH, Beschluss vom 8. Mai 2012 - VIII ZB 3/11 - juris Rn. 1; in NJW 2012, 2118 insoweit nicht abgedruckt). Auch in anderen Entscheidungen wird auf die Kosten des Zwischenverfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof allenfalls beiläufig Bezug genommen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. April 2015 - 1 C 7.15 - juris Rn. 6; aus der obergerichtlichen Rechtsprechung z.B. OVG Koblenz, Urteil vom 23. Juni 2020 - 2 A 10461/20 - NVwZ-RR 2020, 1030 Rn. 30). Die Kosten des Vorabentscheidungsverfahrens sind somit Bestandteil der Kosten(grund-)entscheidung des Ausgangsverfahrens und von dieser mitumfasst (vgl. Burhoff, in: Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl. 2021, § 38 Rn. 6; Hofmann-Hoeppel, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, § 38 RVG Rn. 10a).

8 c) Das Fehlen einer gesonderten Gegenstandswertfestsetzung für das Vorabentscheidungsverfahren steht der Erstattungsfähigkeit der Rechtsanwaltsgebühren ebenfalls nicht entgegen. Nach § 38 Abs. 1 Satz 3 RVG setzt das vorlegende Gericht den Gegenstandswert auf Antrag durch Beschluss fest, wobei sich der Gegenstandswert nach den Wertvorschriften des Ausgangsverfahrens richtet (§ 38 Abs. 1 Satz 2 RVG). Einer speziellen Gegenstandswertfestsetzung bedarf es dementsprechend nur dann, wenn dies ausdrücklich beantragt wurde, weil der Gegenstandswert des Vorlageverfahrens vom Streit- bzw. Gegenstandswert des Ausgangsverfahrens abweicht (dazu Burhoff, in: Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl. 2021, § 38 Rn. 11; Mayer, in: Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl. 2021, § 38 Rn. 8; Hellstab, in: Bischof/Jungbauer u.a., RVG, 9. Aufl. 2021, § 38 Rn. 38). Hierfür bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte; vielmehr geht auch der Klägerbevollmächtigte von einem übereinstimmenden Gegenstandswert aus (vgl. S. 5 seines Kostenfestsetzungsantrags). Der mit Senatsbeschluss vom 30. November 2020 festgesetzte Streitwert von 195 000 € ist daher auch für das Vorabentscheidungsverfahren maßgeblich.

9 d) Die geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren sind in der beantragten Höhe von 7 449,76 € erstattungsfähig. Der - auch im erstinstanzlichen Verfahren nach den Gebührentatbeständen für das Revisionsverfahren zu bestimmende - Betrag setzt sich aus einer 1,6-fachen Verfahrensgebühr entsprechend Nr. 3206 VV-RVG (3 220,80 €) und einer 1,5-fachen Terminsgebühr entsprechend Nr. 3210 VV-RVG (3 019,50 €) nebst der Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 VV-RVG (20,00 €) sowie der hierauf entfallenden Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV-RVG (1 189,46 €) zusammen. Die Verzinsung ergibt sich aus § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

10 2. Einer Entscheidung über die Gerichtskosten und einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil das Erinnerungsverfahren gerichtsgebührenfrei ist. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.