Beschluss vom 21.01.2021 -
BVerwG 9 B 6.20ECLI:DE:BVerwG:2021:210121B9B6.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.01.2021 - 9 B 6.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:210121B9B6.20.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 6.20

  • OVG Bautzen - 22.07.2016 - AZ: OVG 7 C 5/15.F

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Januar 2021
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dieterich und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Sieveking
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. Juli 2016 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Die Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) greift nicht durch. Soweit die Beschwerde geltend macht, das Oberverwaltungsgericht widerspreche mit seinen Ausführungen zur Minderausweisung (§ 44 Abs. 3 Satz 2 FlurbG) Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 13. Januar 1959 - 1 C 155.58 - BVerwGE 8, 95 <97> und vom 10. Dezember 2014 - 9 C 11.13 - BVerwGE 151, 89 Rn. 22 ff.), erfüllt sie schon nicht die Anforderungen, die § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung eines solchen Zulassungsgrundes stellt. Eine Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Vorschrift widersprochen hat. Dagegen genügt es nicht, eine bloß fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung derartiger Rechtssätze des Bundesverwaltungsgerichts aufzuzeigen (stRspr, vgl. etwa Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> Nr. 26 S. 14 und vom 2. Juli 2020 - 9 B 54.19 - juris Rn. 3). Hierauf beschränkt sich die Beschwerde jedoch.

3 Eine weitere Abweichung besteht nach Auffassung der Beschwerde darin, dass das Oberverwaltungsgericht den Rechtssatz aufgestellt habe, aufgrund des faktischen Vorhandenseins von befahrbaren Flächen auf einem Privatgrundstück seien diese Flächen zur Vermeidung weiterer Aufwendungen für die Erschließung eines Hinterliegergrundstücks zu nutzen. Das Oberverwaltungsgericht unterstelle dabei inzident, dass im Rahmen eines Bodenordnungsverfahrens primär schon vorhandene private Flächen zum Zwecke der Erschließung von neuen Abfindungsflurstücken zu nutzen seien und objektiv vorhandene Alternativen allein aus finanziellen Gründen ausschieden. Damit weiche das Gericht vom Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Juli 1964 - 1 CB 43.64 - RdL 1964, 328 ab. Darin habe das Bundesverwaltungsgericht den Rechtssatz aufgestellt, das Flurbereinigungsgesetz sehe nicht nur die Ausweisung von Wegeflächen, sondern auch die Herstellung befahrbarer Wege vor.

4 Eine Divergenz wird damit nicht dargetan. Die Aussage im Beschluss vom 9. Juli 1964, im Flurbereinigungsgebiet seien "Wege zu schaffen", lässt nicht den Schluss zu, Wege könnten nicht auch auf bereits vorhandenen Wegeflächen (neu) ausgewiesen und ausgebaut werden. Einen solchen Rechtssatz hat das Bundesverwaltungsgericht weder ausdrücklich noch der Sache nach aufgestellt. Das Gericht stellt in dem benannten Beschluss vielmehr klar, dass nach § 44 Abs. 3 FlurbG Zuteilungsgrundstücke nicht nur durch die Ausweisung entsprechender Flächen zugänglich zu machen, sondern auch befahrbare Wege herzustellen sind. In welchem Umfang und wie der Ausbau der Wege im Flurbereinigungsgebiet vorzunehmen sei, hänge dabei von den Umständen im Verfahrensgebiet ab. Bereits vorhandene Wege seien entsprechend ihrer zukünftigen Belastung auszubauen. Hieraus wird deutlich, dass auch und gerade vorhandene Wege ausgebaut werden dürfen und gegebenenfalls müssen.

5 Auch das Oberverwaltungsgericht hat nicht den ihm von der Beschwerde zugeschriebenen Rechtssatz aufgestellt, es seien für die Herstellung von Wegeflächen primär bereits vorhandene private Flächen heranzuziehen. Das Gericht hat vielmehr zunächst geprüft, ob ein Ausgleich der Teilfläche von 73 m² mittels Landabfindung möglich ist und dies verneint (UA Rn. 33 f.). Sodann hat es geprüft, ob unter Berücksichtigung der Gestaltung des Bodenordnungsverfahrens und unter Berücksichtigung der Interessen der übrigen Teilnehmer eine andere geeignete Erschließung möglich ist, und hat auch dies verneint (UA Rn. 36 f.). Der Sache nach wendet sich die Beschwerde gegen diese rechtliche Würdigung. Darauf kann eine Divergenzrüge nicht gestützt werden.

6 2. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

7 a) Der geltend gemachte Gehörsverstoß und der geltend gemachte Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht des Flurbereinigungsgerichts haben sich jedenfalls nicht ausgewirkt. Insoweit hat sich das angegriffene Urteil im Ergebnis als richtig erwiesen (§ 144 Abs. 4 VwGO).

8 Aufgrund der Rüge, das Flurbereinigungsgericht habe den Schriftsatz vom 12. Juli 2016 übergangen, mit dem die Kläger mitgeteilt hatten, dass sie einen Antrag gemäß § 9 FlurbG auf Einstellung des Bodenordnungsverfahrens wegen der Nutzungsaufgabe des Hinterliegergrundstücks gestellt haben, hat der Senat das Beschwerdeverfahren ausgesetzt bis zur bestandskräftigen Entscheidung über den genannten Antrag der Kläger. Durch das rechtskräftige Urteil des Flurbereinigungsgerichts vom 8. November 2019 - 7 C 5/18.F - steht nunmehr fest, dass der Beklagte den Antrag auf Einstellung des Bodenordnungsverfahrens fehlerfrei abgelehnt hat. Deshalb sind die gerügten Verfahrensmängel jedenfalls nicht mehr erheblich für das angegriffene Urteil. Auf die entsprechende Anwendung der Regelung des § 144 Abs. 4 VwGO im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Dezember 2010 - 9 B 45.10 - Buchholz 406.11 § 133 BauGB Nr. 138 Rn. 3; Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2020, § 133 Rn. 76) hat der Senat die Beteiligten durch Verfügung vom 8. Mai 2017 hingewiesen.

9 b) Ein Verstoß gegen § 65 Abs. 2 VwGO liegt nicht vor. Weder der Gebäudeeigentümer (Ordnungsnummer 7) noch die Grundstückseigentümer des künftig der beigeladenen Stadt zuzuordnenden Flurstücks neu 410 (alt 185/3) waren notwendig beizuladen. Die Entscheidung des Flurbereinigungsgerichts berührt nicht den Rechtskreis der benannten Personen. Zwar kann das Flurbereinigungsgericht gemäß § 144 Satz 1 FlurbG, soweit es die Klage für begründet hält, den angefochtenen Bodenordnungsplan nicht nur aufheben, sondern neu gestalten. Eine Pflicht zur Beiladung folgt daraus aber nur dann, soweit tatsächlich eine Neugestaltung vorgenommen wird, durch die gleichzeitig in die Rechte anderer Teilnehmer eingegriffen wird (vgl. Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Aufl. 2018, § 144 Rn. 8). So liegt es hier nicht. Vielmehr hat das Flurbereinigungsgericht den Plan für rechtmäßig gehalten und die Klage abgewiesen.

10 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.