Beschluss vom 03.05.2023 -
BVerwG 1 WB 9.23ECLI:DE:BVerwG:2023:030523B1WB9.23.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 03.05.2023 - 1 WB 9.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:030523B1WB9.23.0]
Beschluss
BVerwG 1 WB 9.23
In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
am 3. Mai 2023 beschlossen:
- Der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten ist unzulässig.
- Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht Aachen verwiesen.
- Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung des Verwaltungsgerichts vorbehalten.
Gründe
I
1 Das Verfahren betrifft eine wegen eines anhängigen gerichtlichen Disziplinarverfahrens unterbliebene Beförderung.
2 Der ... geborene Antragsteller ist Diplom-Informatiker und Berufssoldat. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem 31. März ... enden. Im Juni 2019 wurde er zum Major befördert und mit Wirkung vom 1. April 2019 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 13 H eingewiesen. Zum 1. April 2019 wurde er zum ... versetzt, wo er als IT-Stabsoffizier auf einem mit A 13 H - A 14 gebündelt bewerteten Dienstposten verwendet wird.
3 Am 23. Juni 2021 verurteilte das Amtsgericht Daun den Antragsteller wegen des Missbrauchs der Befehlsbefugnis zu unzulässigen Zwecken tateinheitlich mit Anmaßen von Befehlsbefugnissen zu einer Geldstrafe. Mit Urteil vom 6. Oktober 2021 verwarf das Landgericht Trier die Berufung des Antragstellers gegen dieses Urteil. Das Oberlandesgericht Koblenz verwarf durch Beschluss vom 11. Januar 2022 die Revision des Antragstellers mit der Maßgabe, dass er des Missbrauchs der Dienststellung als Offizier mit höherem Dienstgrad zu unzulässigen Zwecken in Tateinheit mit Anmaßen von Befehlsbefugnissen schuldig ist. Wegen des Sachverhaltes, der dem (unstreitig rechtskräftigen) strafgerichtlichen Urteil zugrunde liegt, ist beim Truppendienstgericht Süd ein gerichtliches Disziplinarverfahren (Az. S 6 VL 34/20) anhängig.
4 Ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, in dem der Antragsteller beantragt hatte, das Bundesministerium der Verteidigung im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ein gegen ihn bestehendes Förderungsverbot vorläufig aufzuheben und erneut über seine Beförderung ohne Berücksichtigung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens und eines Strafurteils zu beraten, hat der Senat mit Beschluss vom 1. Dezember 2022 an das Verwaltungsgericht Aachen verwiesen (1 W-VR 26.22 ).
5 Nachdem sein Antrag auf Aufhebung des Beförderungsverbotes abgelehnt und eine Beschwerde gegen den Ablehnungsbescheid zurückgewiesen worden war, stellte der Antragsteller unter dem 14. Oktober 2022 Antrag auf gerichtliche Entscheidung, die das Bundesministerium der Verteidigung unter Verweis auf die Unzuständigkeit der Wehrdienstgerichte für Rechtsstreitigkeiten um Beförderungen auf ausdrückliches Verlangen des Antragstellers mit Schriftsatz vom 21. März 2023 dem Senat vorgelegt hat.
6 Der Antragsteller begehrt, das Bundesministerium der Verteidigung unter Aufhebung eines Beschwerdebescheides zu verpflichten, über seine Beförderung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Hierzu sei festzustellen, dass das gegen ihn ergangene Strafurteil rechtswidrig, die im gerichtlichen Disziplinarverfahren erhobenen Vorwürfe unbegründet und die Einleitung des Disziplinarverfahrens missbräuchlich bzw. missbräuchlich verzögert worden und die wegen des Beförderungshemmnisses unterlassene Beförderung rechtswidrig sei.
7 Mit Verfügung vom 29. März 2023 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass aus den Gründen des Beschlusses vom 1. Dezember 2022, 1 W-VR 26.22 , auch eine Verweisung des Hauptsacheverfahrens an das Verwaltungsgericht Aachen in Betracht kommt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat der von ihm bereits zuvor beantragten Verweisung zugestimmt. Der Antragsteller hat erläutert, den Antrag zur Fristwahrung und zur Vermeidung von Rechtsnachteilen aufrechterhalten zu wollen. Er sei mit einer Aussetzung aus Kostengründen einverstanden. Seine weiteren Anträge seien inzidenter Natur und sollten das Bundesministerium der Verteidigung zum Nachdenken bewegen.
8 Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II
9 Für das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist der Rechtsweg nicht zu den Wehrdienstgerichten, sondern zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten eröffnet. Die Sache ist deshalb nach Anhörung der Beteiligten (§ 23a Abs. 2 WBO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG) gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 18 Abs. 3 Satz 1 WBO an das zuständige Verwaltungsgericht Aachen zu verweisen. Über die Verweisung entscheidet der Senat in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. März 2009 - 1 WB 77.08 - Buchholz 449 § 82 SG Nr. 4 Rn. 26 m. w. N.).
10 Gemäß § 82 Abs. 1 SG ist für Klagen der Soldaten aus dem Wehrdienstverhältnis der Verwaltungsrechtsweg gegeben, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gesetzlich vorgeschrieben ist. Der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten ist gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) für die Fälle vorgesehen, in denen Gegenstand der Beschwerde des Soldaten eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Pflichten eines Vorgesetzten ihm gegenüber ist, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind.
11 Statusrechtliche Angelegenheiten, insbesondere Ernennungen wie die hier gegenständliche (künftige) Beförderung des Antragstellers (§ 42 SG), sind nicht im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts, sondern im Zweiten Abschnitt des Soldatengesetzes (§§ 37 bis 57 SG) geregelt und gehören deshalb nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht zu den gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO den Wehrdienstgerichten zugewiesenen Angelegenheiten. Für sie verbleibt es gemäß § 82 Abs. 1 SG bei der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. November 2019 - 1 WB 28.18 (1 WB 74.19 ) - juris Rn. 6 m. w. N. und vom 23. Januar 2020 - 1 WB 71.19 , 1 WB 2.20 - juris Rn. 6 ff.).
12 Um eine derartige statusrechtliche Angelegenheit geht es vorliegend, weil der Antragsteller eine erneute Entscheidung über seine Beförderung und die Ausräumung eines Beförderungshindernisses erreichen will. Da der Antragsteller bereits auf einem mit A 13 H bis A 14 gebündelt bewerteten Dienstposten verwendet wird, steht hier nicht eine in die Zuständigkeit der Wehrdienstgerichte fallende Verwendung auf einem höherwertigen Dienstposten als notwendige Voraussetzung seiner künftigen Beförderung in Streit. Ob einer Beförderung des Antragstellers das Förderungsverbot nach Nr. 246 der bis zum 8. September 2022 geltenden Zentralen Dienstvorschrift A-1340/49 bzw. Nr. 2036 Satz 2 Punkt 3 der ab dem 9. September 2022 geltenden Allgemeinen Regelungen A-1340/49 entgegensteht, ist hiernach durch die für die statusrechtlichen Entscheidungen zuständige Verwaltungsgerichtsbarkeit und nicht durch die für Verwendungsentscheidungen zuständige Wehrdienstgerichtsbarkeit inzident zu prüfen. Eine isolierte Vorabprüfung einzelner Beförderungshindernisse sieht die Wehrbeschwerdeordnung nicht vor. Den vom Antragsteller im Schriftsatz vom 14. Oktober 2022 formulierten Feststellungsanträgen kommt keine selbständige Bedeutung zu. Der Antragsteller hat selbst auf die "inzidente Natur" seiner weiteren Anträge verwiesen.
13 Nach §§ 45 und 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO ist für alle Klagen aus einem gegenwärtigen Wehrdienstverhältnis das Verwaltungsgericht sachlich und örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger oder Beklagte seinen dienstlichen Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Wohnsitz hat. Dienstlicher Wohnsitz eines Soldaten ist gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BBesG sein Standort; die Legaldefinition des dienstlichen Wohnsitzes in § 15 BBesG ist auch im Rahmen des § 52 Nr. 4 VwGO maßgeblich (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2020 - 1 WB 64.19 , 1 WB 5.20 - juris Rn. 6 m. w. N.). Örtlich zuständig ist damit gemäß § 17 Nr. 1 des Gesetzes über die Justiz im Land Nordrhein-Westfalen (Justizgesetz Nordrhein-Westfalen - JustG NRW) vom 26. Januar 2010 (GV. NRW. 2010 S. 30) das Verwaltungsgericht Aachen. Denn der Antragsteller wird aktuell beim ... verwendet und hat daher dort seinen dienstlichen Wohnsitz. Das Verwaltungsgericht Aachen wird als das dafür zuständige Gericht auch über den Wunsch des Antragstellers auf Aussetzung zu entscheiden haben.