Beschluss vom 03.08.2021 -
BVerwG 1 B 36.21ECLI:DE:BVerwG:2021:030821B1B36.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 03.08.2021 - 1 B 36.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:030821B1B36.21.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 36.21

  • VG Münster - 14.06.2018 - AZ: VG 2 K 305/18.A
  • OVG Münster - 10.05.2021 - AZ: OVG 14 A 2736/18.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. August 2021
durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke als Vorsitzende,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. Mai 2021 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen (§ 141 i.V.m. § 125 Abs. 2 VwGO). Sie verfehlt die Anforderungen, die § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Bezeichnung und Darlegung der Revisionszulassungsgründe stellt.

2 Mit ihrem Einwand, das Berufungsgericht habe die Maßstäbe nicht berücksichtigt, die der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 19. November 2020 (C-238/19) aufgestellt habe, wird der allein geltend gemachte Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht dargelegt. Die Beschwerde erschöpft sich der Sache nach darin, die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Oberverwaltungsgerichts nach Art eines zugelassenen oder zulassungsfreien Rechtsmittels als fehlerhaft anzugreifen und ihre eigene Würdigung an deren Stelle zu setzen, ohne den geltend gemachten Verfahrensfehler konkret zu bezeichnen. Es wird insbesondere eine Abweichung von dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. November 2020 (C-238/19) und den darin enthaltenen Maßstäben geltend gemacht. Eine Divergenzrüge wäre insoweit nicht in den Blick zu nehmen, weil der Gerichtshof nicht zu den in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO benannten Gerichten gehört und es selbst dann, wenn bis zu einer Umsetzungsentscheidung eines divergenzfähigen Gerichts von einer Regelungslücke auszugehen wäre (s.a. Fritz/Vormeier, GK-AsylG, II-§ 78 Rn. 202.1 f., Stand Dezember 2015), jedenfalls an der hinreichenden Darlegung einander widersprechender abstrakter Rechtssätze fehlte.

3 Sollte die Kritik an der Beweisführung des Oberverwaltungsgerichts als Rüge eines Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) als Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zu verstehen sein, ist auch dieser nicht hinreichend bezeichnet.

4 Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Es darf nicht einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse aus seiner Würdigung ausblenden. Im Übrigen darf es zur Überzeugungsbildung die ihm vorliegenden Tatsachen und Beweise frei würdigen. Die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Grenzen zulässiger Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Diese Grenzen sind erst dann überschritten, wenn das Gericht nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. August 2018 - 1 B 25.18 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 58 Rn. 23). Dies legt die Beschwerde nicht dar.

5 Im Übrigen führt - entgegen der Auffassung der Beschwerde - die vom Gerichtshof der Europäischen Union im Urteil vom 19. November 2020 - C-238/19 - ([ECLI:​EU:​C:​2020:​945] Rn. 57) entwickelte Vermutungsregel hinsichtlich der erforderlichen Verknüpfung zwischen der Verfolgungshandlung und einem Verfolgungsgrund (Art. 9 Abs. 2 Buchst. e und Art. 10 der Richtlinie 2011/95/EU, § 3a Abs. 2 Nr. 5, § 3a Abs. 3 AsylG) nicht zu einer starren Beweisregel. Denn eine durch eine "starke Vermutung" begründete Beweiserleichterung führt nicht zu einer von der tatsächlichen Verfolgungslage und den hierzu heranzuziehenden Erkenntnismitteln unabhängigen, unwiderleglichen Verknüpfung von zu unterstellender Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund (§ 3a Abs. 3 AsylG) (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 3. März 2021 - 1 B 6.21 - juris Rn. 7 und vom 10. März 2021 - 1 B 3.21 - juris Rn. 10).

6 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

7 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.