Beschluss vom 03.11.2021 -
BVerwG 9 KSt 4.21ECLI:DE:BVerwG:2021:031121B9KSt4.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 03.11.2021 - 9 KSt 4.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:031121B9KSt4.21.0]

Beschluss

BVerwG 9 KSt 4.21

  • VG Würzburg - 06.08.2021 - AZ: VG W 2 K 21.865

In den Verwaltungsstreitsachen hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. November 2021
durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Sieveking
als Einzelrichterin gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1, Abs. 7 Satz 2 GKG
beschlossen:

  1. Die Erinnerungen des Klägers gegen die Beitreibung von Gerichtskosten für die Verfahren BVerwG 9 B 53.16 , 9 B 59.16 , 9 B 12.17 und 9 B 36.18 auf der Grundlage der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse des Erinnerungsgegners vom 19. März 2021 gegenüber der Bankhaus ... KG (9 KSt 4.21 ), vom 1. Juni 2021 gegenüber der ... AG & Co. KG (9 KSt 6.21 ) und vom 1. Juni 2021 gegenüber der ... (9 KSt 8.21 ) werden zurückgewiesen.
  2. Die Anträge auf Anordnung der vorläufigen Einstellung der Beitreibung der Gerichtskosten für die Verfahren BVerwG 9 B 53.16 , 9 B 59.16 , 9 B 12.17 und 9 B 36.18 auf der Grundlage der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse des Erinnerungsgegners vom 19. März 2021 gegenüber der Bankhaus ... KG (9 KSt 5.21 ), vom 1. Juni 2021 gegenüber der ... AG & Co. KG (9 KSt 7.21 ) und vom 1. Juni 2021 gegenüber der ... (9 KSt 9.21 ) werden abgelehnt.
  3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.
  4. Gerichtsgebühren werden nicht erhoben; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I

1 Der Kläger wendet sich gegen die Beitreibung von Gerichtskosten für mehrere Beschwerdeverfahren, die er vor dem Bundesverwaltungsgericht geführt hat.

2 Streitgegenstand vor den Instanzgerichten war ein Vorausleistungsbescheid für Wasserbeiträge, gegen den der Kläger mit Klage und einstweiligem Rechtsschutzantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO vorging. Mit Beschlüssen vom 15. September 2016 - 9 B 53.16 - und 27. September 2016 - 9 B 59.16 - hat das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden des Klägers gegen die Beschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, mit denen der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt und die dagegen erhobene Anhörungsrüge zurückgewiesen worden waren, jeweils als unstatthaft verworfen. Mit Beschluss vom 24. April 2017 - 9 B 12.17 - hat das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, mit dem die Beschwerde des Klägers im Erinnerungsverfahren gegen die vom Verwaltungsgericht für das Eilverfahren festgesetzten Kosten zurückgewiesen worden war, ebenfalls als unstatthaft verworfen. Schließlich hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 8. November 2018 - 9 B 36.18 - auch die Beschwerde gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Würzburg, mit dem die Klage gegen den Vorausleistungsbescheid abgewiesen worden war, verworfen.

3 Für die Verfahren BVerwG 9 B 53.16 und 9 B 59.16 wurden mit Kostenrechnung vom 2. November 2016 insgesamt 120 € Gerichtskosten in Ansatz gebracht. Die dagegen erhobene Erinnerung des Klägers wurde mit Beschluss vom 2. Dezember 2016 - 9 KSt 6.16 - zurückgewiesen; seine Anhörungsrüge blieb ohne Erfolg (Beschluss vom 20. Dezember 2016 - 9 KSt 7.16 -).

4 Mit weiteren Kostenrechnungen vom 16. Juni 2017 und 7. Dezember 2018 wurden für die Verfahren BVerwG 9 B 12.17 und 9 B 36.18 jeweils Gerichtskosten in Höhe von 60 € in Ansatz gebracht.

5 Unter dem 19. März 2021 und 1. Juni 2021 erließ die Antragsgegnerin insgesamt drei Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse, die an unterschiedliche Drittschuldner gerichtet waren und jeweils der Beitreibung der Gerichtskosten für die Verfahren BVerwG 9 B 53.16 , 9 B 59.16 , 9 B 12.17 und 9 B 36.18 einschließlich Mahn- und Pfändungsgebühren, Beitreibungskosten sowie Zustellkosten in Höhe von insgesamt 377,52 € (Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 19. März 2021) bzw. 410,02 € (Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 1. Juni 2021) dienten.

6 Gegen diese Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse erhob der Kläger vor dem Verwaltungsgericht Würzburg "Klage" und begehrte die Aufhebung dieser Beschlüsse sowie der "Kostengrundbeschlüsse" des Bundesverwaltungsgerichts, die Aussetzung der Vollstreckung der Beschlüsse und die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Mit Beschlüssen vom 6. August 2021 hat sich das Verwaltungsgericht in den drei getrennt geführten, jeweils auf einen der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse bezogenen Klageverfahren sowie den drei dazu gehörigen Eilverfahren für unzuständig erklärt und die Rechtssachen jeweils an das Bundesverwaltungsgericht verwiesen.

II

7 1. Die "Klage" gegen die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse der Antragsgegnerin ist - auf der Grundlage der bindenden Verweisungsbeschlüsse des Verwaltungsgerichts - als Erhebung von Einwendungen i.S.d. § 8 JBeitrG gegen die Beitreibung der Gerichtskosten für die vier benannten Beschwerdeverfahren auszulegen, über die im Erinnerungsverfahren gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG die Berichterstatterin als Einzelrichterin zu entscheiden hat.

8 Die Erinnerungen haben keinen Erfolg.

9 a) Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 4 JBeitrG sind Einwendungen gegen einen Gerichtskostenanspruch, die den beizutreibenden Anspruch selbst betreffen, vom Schuldner gerichtlich nach den Vorschriften über Erinnerungen gegen den Kostenansatz geltend zu machen. Damit wird der Anwendungsbereich des Rechtsbehelfs der Erinnerung, der sich gemäß § 66 GKG auf Einwendungen gegen den Kostenansatz bezieht, um dieses Spektrum an Einwendungen erweitert (vgl. Berendt/Rieder, in: Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn, BeckOK Kostenrecht, Stand 1. Oktober 2021, § 8 JBeitrG Rn. 9). Der Begriff der Einwendungen gegen den Anspruch selbst ist dabei weit auszulegen und entspricht dem Anwendungsbereich der - im Übrigen nicht über § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG sinngemäß anwendbaren - Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 Abs. 1 ZPO (vgl. etwa BFH, Beschluss vom 15. November 2007 - IX E 11/07 - juris Rn. 13 m.w.N.; Berendt/Rieder, in: Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn, BeckOK Kostenrecht, Stand 1. Oktober 2021, § 8 JBeitrG Rn. 2), deren Funktion die Erinnerung hier in Bezug auf nachträglich entstandene Einwendungen übernimmt (BVerwG, Beschlüsse vom 5. Dezember 2017 - 6 KSt 6.17 - juris Rn. 3 und vom 19. Juni 2020 - 6 KSt 3.20 - juris Rn. 5).

10 Wie bei der Vollstreckungsabwehrklage (vgl. § 767 Abs. 2 ZPO) können allerdings solche Einwendungen nicht mehr vorgetragen werden, die bereits mit den Rechtsbehelfen gegen die zu vollstreckende Entscheidung hätten geltend gemacht werden können und müssen (Berendt/Rieder, in: Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn, BeckOK Kostenrecht, Stand 1. Oktober 2021, § 8 JBeitrG Rn. 3). Dem Kostenschuldner ist auch nicht die Möglichkeit eröffnet, durch eine weitere Erinnerung solche Einwendungen gegen Grund und Höhe des durch den Kostenansatz festgesetzten Anspruchs zur gerichtlichen Nachprüfung zu stellen, die er mit einer früheren, bereits beschiedenen Erinnerung geltend gemacht hat oder hätte geltend machen können; derartige Einwendungen sind vielmehr ohne inhaltliche Prüfung zurückzuweisen (BVerwG, Beschlüsse vom 5. Dezember 2017 - 6 KSt 6.17 - juris Rn. 4 und vom 19. Juni 2020 - 6 KSt 3.20 - juris Rn. 5).

11 b) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe haben die Einwendungen des Klägers, die er mit der Klageschrift vom 27. Juni 2021 sowie der "Erinnerung" vom 13. Juli 2021 erhoben und mit Schriftsätzen vom 15. Juli 2021, 28. Juli 2021 und 28. Oktober 2021 wiederholt, vertieft und ergänzt hat, insgesamt keinen Erfolg.

12 Der Kläger hält die der Gerichtskostenbeitreibung zugrunde liegenden Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts, mit denen seine Beschwerden jeweils wegen Unstatthaftigkeit kostenpflichtig verworfen wurden, für fehlerhaft, anfechtbar und nichtig und deshalb für ungeeignet als Grundlage für eine Vollstreckung. Er leitet dies insbesondere aus der Fehlerhaftigkeit und Nichtigkeit der jeweils angegriffenen Entscheidungen der Vorinstanz, die der Sache nach durch die Beschwerdeentscheidungen begünstigt und bestätigt worden seien, ab und hält deshalb auch den Verweis in den Beschwerdeentscheidungen auf die Vorschriften über die (Un-)Statthaftigkeit seiner Beschwerden nach § 152 VwGO bzw. § 84 Abs. 2 Nr. 4 VwGO für falsch. Damit kann er im Erinnerungsverfahren nicht gehört werden.

13 Mit der Erinnerung kann eine Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der rechtskräftigen Entscheidung weder hinsichtlich des Sachausspruchs noch hinsichtlich der Kostenentscheidung erreicht werden (vgl. etwa BFH, Beschluss vom 2. August 2006 - VII E 20/05 - juris Rn. 4 m.w.N.). Die Erinnerung ist kein Mittel, um ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren nachträglich wieder aufzurollen (BVerwG, Beschluss vom 30. September 2010 - 5 KSt 4.10 - juris Rn. 4). Dies gilt nicht nur für das Erinnerungsverfahren wegen des Kostenansatzes nach § 66 GKG, sondern auch für die Erinnerung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 4 JBeitrG. Auch diese dient grundsätzlich nicht der Überprüfung der Sachentscheidung selbst (vgl. nur BFH, Beschluss vom 15. November 2007 - IX E 11/07 - juris Rn. 16 m.w.N.).

14 Etwas Anderes mag ausnahmsweise gelten, wenn es um den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung oder des Rechtsmissbrauchs geht (vgl. BFH, Beschluss vom 15. November 2007 - IX E 11/07 - juris Rn. 16 m.w.N.), ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch ersichtlich nicht vor. Der Kläger erhebt zwar den Vorwurf rechtsmissbräuchlicher Verfahrensweisen und Entscheidungen, dies lässt sich jedoch aus den geltend gemachten Rügen, ihm seien im damaligen Eilverfahren und Hauptsacheverfahren zu Unrecht die Sachentscheidungen unter Verweigerung von Prozesskostenhilfe vorenthalten worden, nicht ableiten. In der Sache rügt er letztlich eine falsche Rechtsanwendung der Vorinstanzen, die wegen der gesetzlichen Regelungen zu den Rechtsmittelbeschränkungen im Verwaltungsprozess vom Bundesverwaltungsgericht inhaltlich nicht überprüft werden konnten. Dies genügt nicht zur Begründung eines Rechtsmissbrauchs.

15 Der Hinweis auf - noch nicht entschiedene - Wiederaufnahmeverfahren ist ebenfalls nicht geeignet, die Beitreibung der Gerichtskosten in Frage zu stellen. Der Kostenanspruch bezieht sich nur auf die rechtskräftig abgeschlossenen Beschwerdeverfahren, die jeweils durch die vom Kläger eingereichten Beschwerdeschriftsätze in Gang gesetzt und durch die Beschwerdeentscheidungen rechtskräftig beendet wurden, und besteht unabhängig vom Ausgang anderer gerichtlicher Verfahren. Deshalb sind auch die gerichtlichen Entscheidungen, die in den vom Kläger geführten Zivilprozessen und Zwangsvollstreckungsverfahren ergangen sind, für die hier streitgegenständlichen Gerichtskosten ohne Bedeutung.

16 Mit den Einwendungen und Argumenten des Klägers zur Anwendbarkeit und Verfassungsmäßigkeit des Beschwerdeausschlusses nach § 152 VwGO auch in Abgrenzung zu den Regelungen im Zivilprozess hat der Senat sich im Übrigen bereits in früheren Entscheidungen auseinandergesetzt (vgl. dazu Beschlüsse vom 5. Dezember 2018 - 9 PKH 19.18 - juris und vom 19. Februar 2019 - 9 PKH 2.19 - n.v.). Zur Frage der Kostentragungspflicht trotz Prozesskostenhilfeantrag hat der Senat im Beschluss vom 19. Februar 2019 - 9 PKH 2.19 - ebenfalls bereits Stellung genommen. Der Kläger mag die gesetzlichen Regelungen ebenso wie deren Anwendung und Auslegung durch die Gerichte weiterhin für falsch halten. Der Beitreibung der durch die Beschwerdeentscheidungen angefallenen Gerichtskosten steht dies jedoch nicht entgegen.

17 2. Mit der beantragten Aussetzung der Vollstreckung begehrt der Kläger der Sache nach die gerichtliche Anordnung nach § 8 Abs. 1 Satz 3 JBeitrG, dass die Beitreibung bis zum Erlass der Entscheidung über die Einwendungen eingestellt wird. Für eine solche Anordnung besteht vorliegend jedoch kein Raum mehr, nachdem über die Einwendungen nach § 8 Abs. 1 Satz 1 JBeitrG abschließend entschieden worden ist (vgl. etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. Juni 2017 - 1 BvR 2324/16 - juris Rn. 5 f.).

18 3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung aus den dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1, § 121 Abs. 1 ZPO).

19 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 8 GKG.