Beschluss vom 04.05.2017 -
BVerwG 1 VR 6.16ECLI:DE:BVerwG:2017:040517B1VR6.16.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.05.2017 - 1 VR 6.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:040517B1VR6.16.0]

Beschluss

BVerwG 1 VR 6.16

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Mai 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp
beschlossen:

  1. Die Anträge der Antragsteller auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klagen gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 25. Oktober 2016 werden abgelehnt.
  2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
  3. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Antragsverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Antragsteller, zwei natürliche Personen, begehren vorläufigen Rechtsschutz gegen ein vom Bundesministerium des Innern erlassenes Verbot der Vereinigung "D.".

2 Der Antragsteller zu 1 betrieb seit 2011 zusammen mit weiteren Personen, u.a. dem Antragsteller zu 2, in verschiedenen Städten Deutschlands Informationsstände, an denen unter Verwendung eines Logos mit der Aufschrift "LIES!" und der Unterschrift "Im Namen deines Herrn, der dich erschaffen hat" kostenlose Übersetzungen des Korans verteilt wurden.

3 Das Bundesministerium des Innern stellte mit Verfügung vom 25. Oktober 2016 fest, dass sich die Vereinigung "D." alias "LIES! S."/"St. LIES" einschließlich ihrer Teilorganisationen "LIES! V.", "Re" und "In." gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung richteten (Ziffer 1), verbot die Vereinigung und die genannten Teilorganisationen und löste sie auf (Ziffer 2). Ferner wurden die Verwendung von Kennzeichen untersagt (Ziffer 3) und bestimmte Internetauftritte verboten (Ziffer 4). Das Vermögen der verbotenen Organisationen sowie näher bezeichnete Forderungen und Sachen Dritter wurden beschlagnahmt und eingezogen (Ziffern 5 - 7). Außerdem ordnete die Behörde die sofortige Vollziehung der Verfügung - mit Ausnahme der Einziehungsanordnung - an (Ziffer 8).

4 Die Verbotsverfügung wurde an "D." und die genannten Teilorganisationen adressiert, wobei u.a. die Antragsteller zu 1 und zu 2 als Vertreter aufgeführt waren. Der Antragsteller zu 1 war zudem als Geschäftsführer des "LIES! V." und "Director" der "Re." benannt. Der Bescheid wurde am 15. November 2016 u.a. den Antragstellern zugestellt und im Tenor am selben Tag im elektronischen Bundesanzeiger öffentlich bekannt gemacht.

5 Zur Begründung des Verbots wurde im Wesentlichen ausgeführt, bei der Vereinigung handele es sich um einen Verein im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG, der 2005 vom Antragsteller zu 1 gegründet worden sei und unter seiner Führung über einen festen, die Vereinsaktivitäten tragenden Personenkreis von mindestens acht Personen - darunter auch der Antragsteller zu 2 - verfüge. "D." richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Sie vertrete über ein Predigernetzwerk im Rahmen von Seminaren, Vorträgen und anlässlich von öffentlichen Verteilaktionen sowie über das Internet Lehren, die auf einem extremistischen Verständnis von Scharia beruhten und im Widerspruch zur Verfassungsordnung des Grundgesetzes stünden. Das Vereinsverbot sei auch unter Berücksichtigung der religiösen Vereinigungsfreiheit verhältnismäßig. Die sofortige Vollziehung der Verfügung liege im öffentlichen Interesse, weil die Vereinigung die Allgemeinheit und das Gemeinwesen in besonders schwerer Weise gefährde und ein wirksames Vorgehen gegen die Vereinigung nur möglich sei, wenn der Vollzug nicht aufgeschoben werde.

6 Am 15. Dezember 2016 haben die Antragsteller Klagen gegen die Verbotsverfügung erhoben, die unter dem Aktenzeichen BVerwG 1 A 13.16 anhängig sind, und zugleich um Gewährung von Eilrechtsschutz nachgesucht. Sie machen zunächst geltend, die Verfügung sei nicht wirksam zugestellt worden, weil der Antragsteller zu 1 unter der Adresse, unter der die Zustellung an ihn erfolgt sei, nicht gemeldet sei. In der Sache tragen die Antragsteller vor, sie hätten deswegen keiner Vereinigung angehört, weil die in der Verbotsverfügung aufgeführten Personen keinen Verein im Sinne des § 2 VereinsG bildeten. Es fehle am Merkmal der Unterwerfung unter eine organisierte Willensbildung. Eine solche setze voraus, dass eine vereinsinterne Gesamtwillensbildung stattfinde. Davon sei nicht auszugehen, wenn - wie in der Verbotsverfügung dargestellt - die einzelnen Mitglieder nur den Willen eines Führers bzw. einer Leitperson befolgten, ohne selbst an der Willensbildung beteiligt zu sein. Abgesehen davon lägen die Verbotsgründe nicht vor. Dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz sei unabhängig davon bereits aufgrund der schwerwiegenden Verletzung der religiösen Vereinigungsfreiheit stattzugeben.

7 Die Antragsgegnerin weist darauf hin, dass die Antragsteller als natürliche Personen nur insoweit antragsbefugt seien, als sie geltend machten, die Vereinigung "D." habe im Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung nicht existiert. Mit diesem Einwand könnten sie jedoch nicht durchdringen. Sie vertieft insofern die Darlegungen in der angegriffenen Verfügung, wonach "D." als Verein im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG zu qualifizieren sei.

8 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen.

II

9 Die Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klagen, über die der Senat ohne weiteres Zuwarten entscheiden kann (1.), sind nach § 80 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 VwGO statthaft und zulässig (2.). Sie sind jedoch nicht begründet, weil das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verbotsverfügung das Interesse der Antragsteller an der Aussetzung der Vollziehung überwiegt (3.).

10 1. Der Senat entscheidet über die Eilrechtsschutzgesuche, ohne auf den Antrag des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller hin die gewährte Frist für eine Stellungnahme zur Antragserwiderung der Antragsgegnerin nochmals um einen nicht näher bezeichneten Zeitraum deswegen zu verlängern, weil der Antragsteller zu 1 sich seit Ende September 2016 im Ausland aufhalte und an der - für Ende März 2017 vorgesehenen - Rückreise gehindert worden sei. Die Antragsteller hatten hinreichend Gelegenheit, zur Sach- und Rechtslage einschließlich der Tatsachen vorzutragen, die sich aus dem Vorbringen der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 20. Februar 2017 und den Ende Januar 2017 vorgelegten Verwaltungsvorgängen ergeben.

11 Auch dem Antragsteller zu 1 ist rechtliches Gehör in ausreichender Weise gewährt worden. Die Verbotsverfügung, die das Bestehen der Vereinigung "D." im Einzelnen darlegt, ist den Antragstellern jedenfalls seit Mitte Dezember 2016 bekannt (dem Zeitpunkt der Klageerhebung); in der Klage- und Antragsschrift ist das Bestehen einer verbotsfähigen Vereinigung vor allem aus Rechtsgründen in Abrede gestellt worden, ohne dass den Tatsachenausführungen in der angegriffenen Verfügung substantiiert entgegengetreten worden wäre. Die Verwaltungsvorgänge sind bei dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller bereits am 26. Januar 2017 eingegangen, und der Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin vom 20. Februar 2017 liegt dort seit mehr als zwei Monaten vor. Vor dem Hintergrund dieses langen Zeitraums und der Tatsache, dass es sich um ein Eilverfahren handelt, war der Senat zu einer weiteren Fristverlängerung nicht gehalten. Der Antragsteller zu 1 ist, um sich Gehör zu verschaffen, auch darauf zu verweisen, bestehende Möglichkeiten - auch sicherer, etwa verschlüsselter - elektronischer oder telefonischer Kommunikation mit seinem Prozessbevollmächtigten zu nutzen; dass auf diesem Wege eine für die Rechtsverteidigung hinreichende Kommunikation mit dem Antragsteller zu 1 nicht möglich gewesen wäre, ist substantiiert nicht dargelegt. Namentlich werden mögliche Tatsachenfragen oder -komplexe nicht benannt, zu denen nur aufgrund einer auch persönlichen Kommunikation mit seinem Prozessbevollmächtigten oder in vollständiger Kenntnis der vollständigen Verwaltungsvorgänge durch den Antragsteller zu 1 sachgerecht hätte vorgetragen werden können. Unabhängig davon hat der Antragsteller zu 1 die behaupteten Rückreiseschwierigkeiten bis heute nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

12 Für den Antragsteller zu 2 sind keine Gründe vorgetragen, die eine auch persönliche Kommunikation mit dem gemeinsamen Prozessbevollmächtigten zur Förderung sachgerechten Vortrages in Verfolgung des gemeinsamen Rechtsschutzziels behindert oder gar verhindert hätten.

13 2. Die Anträge sind zulässig. Insbesondere fehlt es nicht an der Antragsbefugnis der Antragsteller (§ 42 Abs. 2 VwGO analog). Zur Anfechtung des Verbots einer Vereinigung ist nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich zwar nur die verbotene Vereinigung selbst befugt, weil die Verbotsverfügung nicht die individuelle Rechtsstellung ihrer Mitglieder, sondern die Rechtsstellung der verbotenen Vereinigung als einer Gesamtheit von Personen betrifft. Einzelne Personen können eine vereinsrechtliche Verbotsverfügung im eigenen Namen indes dann anfechten, wenn die Verbotsverfügung zu ihren Händen ergangen ist und sie in materieller Hinsicht geltend machen, sie bildeten keinen Verein im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG (BVerwG, Urteile vom 14. Mai 2014 - 6 A 3.13 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 62 Rn. 11 m.w.N. und 4. November 2016 - 1 A 5.15 - juris Rn. 15). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Antragsteller zu 1 und zu 2 haben ihre Klagen und Anträge in eigenem Namen erhoben und wenden gegen die (auch) zu ihren Händen ergangene Verfügung u.a. ein, dass der darin verbotene Verein als solcher nicht existiere.

14 Eine Auslegung der Rechtsmittel dahin, dass Klagen und Anträge nur oder auch im Namen der Vereinigung "D." erhoben sein sollten, ist - ungeachtet der sich dann ergebenden Frage, ob die Antragsteller insoweit vertretungsbefugt wären - nicht möglich. Zwar machen die Antragsteller nicht nur geltend, dass die in der Verbotsverfügung aufgeführten Personen keinen Verein im Sinne des Vereinsgesetzes bildeten, sondern wenden sich auch gegen das Vorliegen von Verbotsgründen. Sie haben sich aber - anwaltlich vertreten - ausdrücklich nur selbst als Antragsteller bzw. Kläger bezeichnet. Hieran haben sie auch auf die gerichtliche Mitteilung hin festgehalten, es werde davon ausgegangen, dass die Klagen allein durch die Antragsteller in eigener Person und nicht zugleich auch im Namen der in der Verbotsverfügung benannten Organisation erhoben worden seien. Auch sonst fehlt es an tragfähigen Anhaltspunkten, es habe - auch oder nur - für und im Namen einer Vereinigung um Rechtsschutz nachgesucht werden sollen, deren Existenz in Abrede gestellt worden ist.

15 3. Die Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sind aber unbegründet. Bei der im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung gebührt dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verbotsverfügung der Vorrang vor dem Interesse der Antragsteller am Aufschub der Vollziehung. Es fehlt an einem beachtlichen Interesse der Antragsteller am Aufschub der Vollziehung, weil nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand auch bei einer umfassenden Prüfung der Rechtslage die von den Antragstellern erhobenen Klagen keinen Erfolg haben werden. Die Antragsteller können mit den vorliegenden Klagen lediglich geltend machen, dass die Vereinigung "D." als verbotsfähige Vereinigung nicht bestehe (dazu a)). Dies ist indes nach den in der Verbotsverfügung mitgeteilten Tatsachen und dem vorgelegten Beweismaterial nicht der Fall, ohne dass der Senat insoweit Anlass zu weiterer Sachaufklärung sieht.

16 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung ist die Sach- und Rechtslage bei ihrem Erlass. Dabei können - wie auch sonst im Gefahrenabwehrrecht - zurückliegende Umstände herangezogen werden, soweit sie im maßgeblichen Zeitpunkt noch aussagekräftig sind (BVerwG, Urteil vom 4. November 2016 - 1 A 5.15 - juris Rn. 12).

17 a) Rechtsgrundlage für das Verbot und die Auflösung von "D." ist § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG. Nach Art. 9 Abs. 2 GG sind Vereinigungen verboten, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG darf ein Verein erst dann als verboten behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass er einen dieser Verbotsgründe erfüllt; mit der Feststellung ordnet die Verbotsbehörde zugleich die Auflösung des Vereins an. Das gleichzeitig ausgesprochene konkretisierte Betätigungsverbot, den Betrieb der in der Verbotsverfügung genannten Internetseiten einzustellen, ergibt sich aus der Natur des Vereinsverbots und der Auflösungsanordnung, ohne dass es einer eigenen Rechtsgrundlage bedarf. Die in der Verbotsverfügung weiter zu Lasten von "D." und der genannten Teilorganisationen getroffenen Entscheidungen beruhen auf § 9 Abs. 1 Satz 1 VereinsG (Kennzeichenverbot), §§ 10 und 11 VereinsG (Vermögensbeschlagnahme und -einziehung) sowie § 12 Abs. 1 und 2 VereinsG (Einziehung bestimmter Forderungen und Sachen Dritter).

18 Ob materiell ein Verbotsgrund im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG tatsächlich vorliegt, bedarf nur dann der Prüfung, wenn die verbotene Vereinigung die Verbotsverfügung angefochten hat. Haben lediglich einzelne Personen, die in der Verbotsverfügung als vertretungsberechtigte Mitglieder der Vereinigung bezeichnet wurden, Klage erhoben, ist nur eine eingeschränkte Rechtmäßigkeitsprüfung vorzunehmen. Sie ist darauf gerichtet, ob ein Verein besteht. Ist dies nicht der Fall, ist die Verfügung bereits aus diesem Grund aufzuheben und der Klage stattzugeben. Ansonsten ist die Klage abzuweisen, ohne dass das Vorliegen von Verbotsgründen nach § 3 Abs. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG zu prüfen ist (BVerwG, Urteil vom 14. Mai 2014 - 6 A 3.13 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 62 Rn. 11 m.w.N.). Nicht zu überprüfen ist dann auch, ob die Verbotsverfügung nach § 3 Abs. 4 Satz 3 VereinsG durch Zustellung bzw. Bekanntmachung im Bundesanzeiger wirksam geworden und formell rechtmäßig ergangen ist. Denn wenn die Voraussetzungen eines Vereins vorliegen, ist dieser nicht gehindert, selbst eine gerichtliche Prüfung herbeizuführen (BVerwG, Urteil vom 4. November 2016 - 1 A 5.15 - juris Rn. 15 und Beschluss vom 4. Juli 2008 - 6 B 39.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 45 Rn. 5). Dann betrifft die Verbotsverfügung nicht die individuelle Rechtsstellung natürlicher Personen, sondern die Rechtsstellung der verbotenen Vereinigung als einer Gesamtheit von Personen. Nimmt der Verein die Verbotsverfügung hin oder versäumt er einen möglichen Rechtsbehelf, so können nicht ersatzweise einzelne seiner Mitglieder oder sonstige interessierte Personen eine umfassende gerichtliche Kontrolle herbeiführen (siehe auch VGH München, Urteil vom 20. Oktober 2015 - 4 A 14.17 87 - juris Rn. 22 m.w.N.; a.A. - hinsichtlich der Zuständigkeit nach § 3 Abs. 2 VereinsG - OVG Koblenz, Urteil vom 17. Januar 2017 - 7 C 10326/16 - juris Rn. 21).

19 b) Nach diesen Grundsätzen werden die Klagen der Antragsteller nach derzeitigem Erkenntnisstand keinen Erfolg haben. Die durch die angefochtene Verfügung verbotene Vereinigung "D." erfüllt nach Aktenlage alle Voraussetzungen eines Vereins im Sinne des Vereinsgesetzes, so dass die Klagen ohne Prüfung, ob materielle Verbotsgründe vorliegen, abzuweisen sein werden.

20 aa) Nach § 2 Abs. 1 VereinsG ist ein Verein im Sinne des Vereinsgesetzes - in Abgrenzung zu Versammlungen und ähnlichen lockeren Zusammenschlüssen - ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat. Dabei sind die Begriffsmerkmale des § 2 Abs. 1 VereinsG weit auszulegen (BVerwG, Urteil vom 4. November 2016 - 1 A 5.15 - juris Rn. 16 m.w.N.). Dies entspricht einerseits dem gefahrenabwehrrechtlichen Zweck des Vereinsgesetzes, dient andererseits aber auch dem Schutz der Vereinigungsfreiheit, da die Existenz einer Vereinigung, welche die Voraussetzungen eines Vereins im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG erfüllt, nur gemäß § 3 Abs. 1 VereinsG und nach Feststellung des Vorliegens eines Verbotsgrunds nach Art. 9 Abs. 2 GG beendet werden darf (BT-Drs. 4/430 S. 13).

21 Ein Zusammenschluss setzt schon nach seinem Wortlaut ein bewusstes und gewolltes Handeln voraus. Auch bei einer extensiven Interpretation des Vereinsbegriffs kann ein Zusammenschluss von Personen nur angenommen werden, wenn diese sich durch einen konstitutiven Akt verbunden haben. Dabei dürfen an die Qualität dieses Aktes aber keine hohen Anforderungen gestellt werden; eine stillschweigende Übereinkunft reicht aus. Auch hinsichtlich des gemeinsamen Zwecks genügt eine faktische Übereinstimmung über die wesentlichen Ziele des Zusammenschlusses. Die vom Willen der einzelnen Mitglieder losgelöste und organisierte Gesamtwillensbildung, der die Mitglieder kraft der Verbandsdisziplin prinzipiell untergeordnet sein müssen bzw. die diese kraft eigenen Entschlusses als prinzipiell beachtlich werten, erfordert weder eine Satzung noch spezifische Vereinsorgane. Ausreichend ist eine Organisationsstruktur, die faktisch auf eine organisierte Willensbildung schließen lässt (BVerwG, Urteile vom 14. Mai 2014 - 6 A 3.13 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 62 Rn. 25 und vom 4. November 2016 - 1 A 5.15 - juris Rn. 17).

22 Bei der gerichtlichen Überprüfung einer vereinsrechtlichen Verbotsverfügung hat das Gericht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen; seine Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 VwGO) beruht der Eigenart der Materie entsprechend regelmäßig und so auch hier in erheblichem Umfang auf der zusammenfassenden tatrichterlichen Wertung von Indizien. Dabei kann das Vorliegen sämtlicher Begriffsmerkmale des § 2 Abs. 1 VereinsG aus Indizien hergeleitet werden (BVerwG, Urteil vom 4. November 2016 - 1 A 5.15 - juris Rn. 17 f. m.w.N.).

23 bb) Auf dieser Grundlage und nach Würdigung des Vorbringens der Beteiligten, insbesondere der von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen und Medien, besteht für den Senat nach umfassender Prüfung des bislang vorliegenden Sach- und Streitstandes kein Zweifel, dass es sich bei der Vereinigung "D." um einen Verein im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG und § 2 Abs. 1 VereinsG handelt.

24 (1) Der Wille eines bewussten Zusammenschlusses einer Mehrzahl von Personen zu einem gemeinsam verfolgten Zweck wird bereits durch den Inhalt der Selbstdarstellung der Vereinigung auf der der Gruppierung zuzurechnenden Internetseite www.d...de deutlich. Dort wurde das "LIES! Projekt" als gemeinschaftliches Projekt mit dem Ziel, Nicht-Muslimen den Islam insbesondere durch die Verteilung kostenloser Koranexemplare näherzubringen, vorgestellt. Im gleichen Zusammenhang präsentierte sich "D." als private Initiative, die im Jahr 2005 begonnen habe, die Dawa-Tätigkeiten (= "Ruf zum Islam" in Form von missionarischer Aktivität) in Deutschland in moderner Form und unter Zuhilfenahme neuer Medien auszuweiten, um das Bild der Muslime und des Islam in Deutschland zu verbessern. Dabei verwendeten die Verfasser der Texte die Begriffe "LIES! S.", "Lies! Projekt" und "Lies! Team" sowie "D. Team" und formulierten den Text durchweg in der Wir-Form, was belegt, dass "D." aus einer Mehrzahl von Personen bestand, die sich selbst als Team verstanden (VV, Beleg 2.1).

25 Dass dieser selbst erklärte Zweck auch aktiv betätigt wurde und damit eine faktische Übereinstimmung der Mitglieder von "D." über die wesentlichen Ziele ihres Zusammenschlusses bestand, belegen die zahlreichen in verschiedenen Städten Deutschlands durchgeführten Verteilaktionen kostenloser in die deutsche Sprache übersetzter Koran-Exemplare, wobei die Informationsstände nach einem einheitlichen Muster mit dem "LIES!"-Logo gestaltet waren und die jeweiligen Mitwirkenden einheitliche Kleidung in Form von T-Shirts bzw. Jacken mit dem aufgedruckten "LIES!"-Logo trugen (VV, Beleg 8.10). Dadurch dokumentierten die Teilnehmer mit einem Wiedererkennungseffekt gegenüber Außenstehenden ihre Zugehörigkeit zum "LIES! Projekt" und damit zur Vereinigung "D.". Gleichzeitig stellt das Tragen einheitlicher Kennzeichen bzw. Kleidung und das damit zum Ausdruck gebrachte Zusammengehörigkeitsgefühl ein gewichtiges Indiz für einen bewussten und gewollten freiwilligen Zusammenschluss dar. Aus der Dauer des Aktivitätszeitraums - Koran-Verteilaktionen wurden zumindest seit 2011 festgestellt - sowie der erheblichen Anzahl der durchgeführten Veranstaltungen und den verschiedenen Veranstaltungsorten (Bericht des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen vom August 2015 mit Dokumentation der Infostände, VV, Beleg 8.10) ergibt sich auch, dass es sich nicht um einmalige bzw. vereinzelt durchgeführte begrenzte Aktionen handelte, sondern um einen auf längere Zeit angelegten Zusammenschluss.

26 Des Weiteren belegen die von der Antragsgegnerin vorgelegten zahlreichen Videos mit Ansprachen oder Vorträgen verschiedener Redner - insbesondere des Antragstellers zu 1 - bzw. mit Bezug zu den Koran-Verteilaktionen des "LIES!"-Projektes die Umsetzung der gemeinsamen Ziele des Zusammenschlusses. Diese Videos wurden etwa über die von der Vereinigung betriebene Internetseite (www.d...de) oder den bereits 2010 eröffneten YouTube-Kanal "D." öffentlich zugänglich gemacht (VV, Beleg 11.1) und/oder waren mit dem D.-Logo bzw. dem "LIES!"-Logo und/oder Verweisen auf die verschiedenen Internetseiten von "D." versehen (z.B. VV, Beleg 32.5 mit Beleganlage 1, Beleg 42.1, Beleg 43.1, Beleg 49.1). Überdies kamen die gemeinsamen Ziele der Vereinigung auch auf einem eigenen Facebook-Account unter der Bezeichnung "D." zum Ausdruck, auf welchem unter Verwendung des D.-Logos für Vorträge - auch der Antragsteller - geworben wurde (VV, Beleg 12.1).

27 (2) Dem Zusammenschluss lag auch eine vom Willen der einzelnen Mitglieder losgelöste organisierte Gesamtwillensbildung zugrunde, welche maßgeblich vom Antragsteller zu 1 gesteuert wurde und der sich die übrigen Mitglieder der Vereinigung unterordneten. Das zeigt sich insbesondere daran, dass die zahlreichen Verteilaktionen der kostenlosen Koran-Übersetzungen in vielen deutschen Städten nach einheitlichen, zentralgesteuerten Vorgaben durchgeführt wurden. Die "LIES!"-Informationsstände waren nach einem einheitlichen Muster gestaltet (VV, Beleg 8.10), das dem von der Vereinigung über die Internetpräsenz vorgegebenen Muster entsprechen musste (VV, Beleg 9.1). Dazu stellte der Antragsteller zu 1 bereits im Februar 2012 in einem Internet-Video detailliert dar, wie die Stände einheitlich aufzubauen seien. Diese würden dazu kostenlos mit bestimmten zu verwendenden Materialien (Tischdecken und Plakate mit dem "LIES!"-Logo) und den Koran-Übersetzungen beliefert (VV, Beleg 32.5 - Beleganlage 4). Die herausgehobene Stellung des Antragstellers zu 1 als "Chef" des Vereins wird auch daran deutlich, dass er sich auf Fotos an den Koranverteilungsständen regelmäßig vom übrigen Team optisch abhebt, indem er als einziger nicht die einheitlichen Shirts mit dem "LIES!"-Logo trägt.

28 Dass diese Vorgaben hinsichtlich der Gestaltung der Stände als verbindlich betrachtet wurden, geht auch aus einem mit dem Namen des Antragstellers zu 1 versehenen Facebook-Eintrag vom 28. April 2014 hervor, wonach zwei Teams vom "LIES!"-Projekt ausgeschlossen wurden, weil sie sich nicht an die "Abmachung" gehalten und neben dem Koran weitere projektfremde Bücher verteilt hätten. Im unmittelbaren Anschluss folgte der mahnende Hinweis, dass die Annahme und Akzeptanz der Anweisungen ein verbindlicher Vertrag seien und die Anweisungen 1:1 befolgt werden müssten (VV, Beleg 4.1).

29 Dass vom Bestehen einer organisierten Willensbildung auszugehen ist, folgt weiterhin daraus, dass die Koran-Verteilaktionen bereits angesichts des aufgezeigten Umfangs und der jeweils verwendeten Materialien denknotwendig nur arbeitsteilig vorbereitet und durchgeführt werden konnten. Anhand der im Verwaltungsvorgang dokumentierten Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden der Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ist belegt, dass die Koran-Verteilaktionen - gesteuert durch den Antragsteller zu 1 - über Regional- und Lokalverantwortliche organisiert und ausgerichtet wurden (VV, Beleg 127 - Ordner 4 - 9). Die örtlichen Verteilstände wurden von einer Vielzahl unterschiedlicher Personen angemeldet bzw. verantwortlich geleitet. Die Regionalverantwortlichen hatten eine gegenüber den örtlichen Organisatoren herausgehobene, mit Weisungsbefugnissen verbundene Stellung. Auf ein arbeitsteiliges organisiertes Zusammenwirken lassen auch die zahlreichen produzierten und über das Internet bereitgestellten Videos schließen. Das Vorhandensein einer zentralen Leitung wird ferner durch einen Facebook-Eintrag vom 22. Januar 2014 dokumentiert, wonach nur noch die besten "LIES!"-Infostände weiterhin unterstützt und dauerhaft mit Exemplaren versorgt würden (es folgte eine Aufzählung der Orte, VV, Beleg 10.1). Auch die zuweilen zeitgleich an zahlreichen Orten in mehreren europäischen Ländern stattfindenden Infostände und "Street-Dawa" weisen auf eine übergreifende organisatorische Koordination hin (vgl. etwa Facebook-Eintrag vom 14. Februar 2014, VV, Beleg 26.5).

30 Der Einwand der Antragsteller, es fehle am Merkmal der organisierten Willensbildung, weil keine vereinsinterne Gesamtwillensbildung unter Beteiligung der Mitglieder stattfinde, sondern (nach Darstellung in der Verbotsverfügung) der Wille einer Leitperson - des Antragstellers zu 1 - befolgt werde, greift nicht durch. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts reicht für die Annahme einer vom Willen des einzelnen Mitglieds losgelösten organisierten Gesamtwillensbildung eine allein auf faktischer Unterwerfung beruhende autoritäre Organisationsstruktur aus (BVerwG, Urteil vom 7. Januar 2016 - 1 A 3.15 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 68 Rn. 34; vgl. auch Urteil vom 27. November 2002 - 6 A 4.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 35). Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 VereinsG setzt die Legaldefinition des Vereinsbegriffes eine "organisierte", nicht etwa eine demokratische Willensbildung innerhalb der Vereinigung voraus. Organisiert ist die Willensbildung aber auch dann, wenn sie - wie hier - von nur einer Person bzw. einem engen Personenkreis vorgegeben und von den Vereinsmitgliedern als Wille der Vereinigung akzeptiert und dann im Großen und Ganzen auch umgesetzt wird.

31 (3) Darüber hinaus geht aus einem im Rahmen der Umsetzung der Verbotsverfügung sichergestellten Schriftstück hervor, dass der Antragsteller zu 1 im Gegensatz zum Antragsvorbringen selbst davon ausging, dass die Infostände für und im Namen eines Vereins angemeldet und durchgeführt wurden. Denn das vom Antragsteller zu 1 als "Director" unter dem Briefkopf der "LIES! S." unterzeichnete und mit dem "LIES!"-Logo versehene Schreiben beinhaltet eine Bevollmächtigung für Herrn B., "im Namen unseres Vereins" Infostände in Düsseldorf durchzuführen (Beweismittel Ag1, Bl. 115 d.A.).

32 (4) Das Vorbringen, in einem Sicherstellungsbescheid des Landeskriminalamts werde der Antragsteller zu 2 unklar und widersprüchlich als "Mitglied oder Hintermann" der Vereinigung bezeichnet, führt zu keinem anderen Ergebnis. "D." erfüllt nach den vorstehenden Ausführungen unabhängig davon, ob der Antragsteller zu 2 Mitglied oder Hintermann war, alle Anforderungen an einen Verein im Sinne des Vereinsgesetzes. Nur hierauf kommt es im Rahmen des Antrags, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklagen gegen die Verbotsverfügung wiederherzustellen, an. Eine Klage auf Feststellung, er sei nicht Mitglied des (existenten) Vereins "D." gewesen, hat der Antragsteller zu 2 nicht erhoben; dementsprechend ist dem Senat auch kein hierauf bezogenes Eilrechtsschutzbegehren unterbreitet worden.

33 Unabhängig davon belegen die Teilnahme des Antragstellers zu 2 an den Koran-Verteilaktionen über die "LIES!"-Informationsstände sowie seine Rolle als Redner bei "D.", dass auch er aktives Mitglied der Vereinigung war. So wurde er im Rahmen der Internetpräsenz von "D." in einer eigenen Kategorie unter dem Namen "Abu D." als Prediger aufgeführt, und seine Vorträge sind in Videoform bereitgestellt worden. Zudem sind in zumindest einem Video mit einer Aufnahme einer Rede des Antragstellers zu 2 im Hintergrund die Symbole der "LIES!"-Kampagne erkennbar. Dass die Rolle des Antragstellers zu 2 in der Vereinigung von einigem Gewicht war, wird aus der Gestaltung einer Einladung für die "1. LIES-Veranstaltung" im Juli 2014 in Köln deutlich, auf dem ein Bildnis und der Name des Antragstellers zu 2 im Kopf des Flyers abgebildet waren (VV, Beleg 12.1 und 16.1 mit den Beleganlagen 1 und 3).

34 c) Die Antragsteller können in eigenem Namen auch nicht geltend machen, dass "D." als Verein einen religiösen Charakter habe und sich deshalb auf das Grundrecht der religiösen Vereinigungsfreiheit berufen könne, die von dem Grundrecht der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG umfasst wird (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <293 f.>). Zwar ist bei der Prüfung der auch für Religionsgesellschaften und religiöse Vereine anwendbaren Verbotsgründe des § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG im Rahmen der materiellen Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung die religiöse Vereinigungsfreiheit besonders zu berücksichtigen und insbesondere den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen (BVerwG, Urteil vom 14. Mai 2014 - 6 A 3.13 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 62 Rn. 70 m.w.N.). Die religiöse Vereinigungsfreiheit steht einem Vereinsverbot aber nicht schlechthin in einer Weise entgegen, die einzelnen Angehörigen einer Vereinigung eine von der Vereinigung unabhängige Prüfung eröffnete. Die Antragsteller sind mithin auch insoweit nicht befugt, im eigenen Namen die Verfügung auf das Vorliegen von Verbotsgründen überprüfen zu lassen.

35 d) Das Verbot und die Auflösung der Teilorganisationen "LIES! V.", "Re." und "In." ist eine Folgeentscheidung zu dem Verbot der Vereinigung "D." und unterliegt hinsichtlich der Anfechtbarkeit durch die Antragsteller denselben Begrenzungen. Die Antragsteller haben Klage auch nicht im Namen einer dieser Teilorganisationen erhoben; zum Bestehen dieser Organisationen haben sie nichts substantiiert vorgetragen.

36 Unabhängig davon finden diese Maßnahmen nach derzeitigem Erkenntnisstand eine hinreichende Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 3 Satz 1 und 2 VereinsG. Danach erstreckt sich das Verbot eines Vereins, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, dass sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Für nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit gilt dies nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Voraussetzung einer Teilorganisation dann gegeben, wenn eine Identität zwischen dem Verein als Ganzem und seiner Gliederung besteht, die Gliederung tatsächlich in die Gesamtorganisation eingebunden ist und im Wesentlichen von ihr beherrscht wird, wobei als maßgebende Kriterien u.a. die personellen Zusammensetzungen und die verfolgten Ziele herangezogen werden können (BVerwG, Urteil vom 5. August 2009 - 6 A 2.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 49 Rn. 17 m.w.N.).

37 Bei summarischer Prüfung handelt es sich danach bei "LIES! V.", "Re." und "In." um Teilorganisationen des Vereins "D.", die vom Vereinsverbot umfasst sind. Beim "LIES! V." kommt der Bezug zu der verbotenen Vereinigung bereits in der Bezeichnung zum Ausdruck, weil der Titel der Kampagne zur Verteilung der Koranübersetzungen darin abgebildet ist. Zudem übte der "LIES! V." eine technische Unterstützungsfunktion gegenüber "D." aus, indem er deren Internetauftritt www.d...de betrieb (VV, Beleg 2.1). Darüber hinaus bestand durch den Antragsteller zu 1, der alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer des "LIES! V." war, eine personelle Verflechtung (VV, Beleg 33.1). Dies gilt auch für die "Re." mit Sitz in Le. in Großbritannien, bei welcher der Antragsteller zu 1 alleiniger Gesellschafter und zugleich "Director" war. Das Konto dieser Gesellschaft wurde als Bankverbindung des "LIES! V." und als Spendenkonto der "LIES!-Kampagne" verwendet (VV, Beleg 34.1a). Bei der "In." handelt es sich um eine Spendensammelstiftung mit Sitz in M./Schweden, die seit 2016 in Ergänzung zur "Re." der Kontoführung des Vereins diente (VV, Belege 2.1 und 34.1 b).

38 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 159 Satz 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG; Nr. 1.5 und 45.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.