Beschluss vom 05.01.2023 -
BVerwG 1 B 77.22ECLI:DE:BVerwG:2023:050123B1B77.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 05.01.2023 - 1 B 77.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:050123B1B77.22.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 77.22

  • VG Köln - 12.02.2019 - AZ: 7 K 1006/18
  • OVG Münster - 13.06.2022 - AZ: 11 A 1317/19

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Januar 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. November 2022 - BVerwG 1 B 64.22 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rügeverfahrens.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg.

2 Der Senat hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör in seinem Beschluss vom 7. November 2022 - BVerwG 1 B 64.22 - nicht verletzt.

3 Die Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO, deren Verletzung nach § 152a VwGO gerügt werden kann, verpflichtet das Gericht, das Vorbringen jedes Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht wird dadurch jedoch nicht verpflichtet, dem Vorbringen der Beteiligten zu folgen. Es muss in seiner Entscheidung auch nicht ausdrücklich und im Einzelnen sämtliche von den Beteiligten im Lauf des Verfahrens vorgetragenen Tatsachen und Rechtsansichten erörtern. Vielmehr sind in der Entscheidung nur diejenigen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das Gericht kann sich auf die Darstellung und Würdigung derjenigen rechtlichen Gesichtspunkte beschränken, auf die es nach seinem Rechtsstandpunkt entscheidungserheblich ankommt. Daher kann aus dem Umstand, dass das Gericht nicht auf sämtliche Begründungselemente des Beteiligtenvorbringens eingegangen ist, nur dann geschlossen werden, es habe diesen Aspekt nicht berücksichtigt, wenn er nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts eine Frage von zentraler Bedeutung betrifft (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <145 f.>; BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <209 f.> und Beschlüsse vom 21. Juni 2007 - 2 B 28.07 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 3 Rn. 6 und vom 1. März 2017 - 6 B 23.17 - juris Rn. 2).

4 Nach diesen Maßstäben zeigt die Anhörungsrüge der Klägerin eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch den Senat nicht auf. Entgegen ihrer Auffassung hat der Senat ihr Vorbringen, sie habe im Zusammenhang mit der Ausstellung ihres ersten Inlandspasses kein Gegenbekenntnis abgegeben, sowie die hierzu angeführten Tatsachen zur Kenntnis genommen und erwogen. Er hat in Randnummer 13 des angegriffenen Beschlusses sinngemäß ausgeführt, dass dies die Zulassung der Revision wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht rechtfertige, weil die Rüge auf die Unrichtigkeit der Berufungsentscheidung zielt, die keinen Revisionszulassungsgrund darstellt.

5 Der Umstand, dass der Senat auf dieses Vorbringen nicht auch im Rahmen der Verfahrensrüge der fehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrags eingegangen ist, begründet ebenfalls keinen Gehörsverstoß. Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt keinen Schutz davor, dass ein Gericht aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts Parteivorbringen nicht weiter erwähnt (BVerfG, Beschluss vom 21. April 1982 - 2 BvR 810/81 - BVerfGE 60, 305 <310>; BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2018 - 10 C 8.17 - BVerwGE 162, 244 Rn. 26). So lag der Fall hier. Bei der Prüfung der Begründetheit der erhobenen Verfahrensrüge war nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - wie in Randnummer 8 der angegriffenen Entscheidung erläutert - die materiell-rechtliche Beurteilung der Vorinstanz zugrunde zu legen, selbst wenn diese verfehlt sein sollte. Das Berufungsgericht war aber vom rechtserheblichen Vorliegen eines Gegenbekenntnisses ausgegangen. Einwände gegen diese materiell-rechtliche Rechtsauffassung waren für die Frage, ob der Beweisantrag verfahrensfehlerhaft abgelehnt worden ist, mithin unerheblich, weshalb der Senat darauf nicht eingehen musste.

6 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.