Beschluss vom 06.04.2022 -
BVerwG 1 WNB 10.21ECLI:DE:BVerwG:2022:060422B1WNB10.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 06.04.2022 - 1 WNB 10.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:060422B1WNB10.21.0]

Beschluss

BVerwG 1 WNB 10.21

  • TDG Süd 1. Kammer - 12.08.2021 - AZ: TDG S 1 BLa 2/20 und S 1 RL 2/21

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
am 6. April 2022 beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Truppendienstgerichts Süd vom 12. August 2021 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Antragsteller gerügten Verfahrensfehler (§ 22a Abs. 2 Nr. 3 WBO) sind nicht hinreichend dargelegt bzw. liegen nicht vor.

2 1. Die Aufklärungsrügen greifen nicht durch.

3 a) Die ordnungsgemäße Darlegung einer Aufklärungsrüge setzt unter anderem die Angabe voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Truppendienstgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären und inwiefern die angegriffene Entscheidung auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. Dezember 2003 - 8 B 154.03 - NVwZ 2004, 627 <628> und vom 27. Juli 2011 - 2 WNB 3.11 - Rn. 5). Weiter muss dargelegt werden, welche konkreten Beweismittel zur Klärung der für entscheidungserheblich gehaltenen Behauptungen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis die Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte und dass entsprechende Beweisanträge im gerichtlichen Verfahren gestellt wurden oder warum sich dem Gericht die weitere Aufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 f. m.w.N. und vom 27. Juli 2011 - 2 WNB 3.11 - Rn. 5).

4 b) Hieran fehlt es aber.

5 aa) Soweit sich die Aufklärungsrüge auf das Fehlen eines Versetzungsantrages bezieht, ist weder vorgetragen, welcher zusätzliche Tatsachenvortrag unter Beweis gestellt worden wäre, noch ein konkretes Beweismittel bezeichnet. Es wird weder ausgeführt, dass ein entsprechender Beweisantrag in der Vorinstanz gestellt und übergangen worden ist, noch, dass und warum sich die Beweiserhebung dem Truppendienstgericht hätte aufdrängen müssen. Der Antragsteller erläutert auch die Entscheidungserheblichkeit weiteren Tatsachenvortrages nicht. Dieser lässt sich auch sinngemäß seinem Vortrag, das Fehlen eines Versetzungsantrages könne ihm nicht entgegengehalten werden, weil ein solcher Antrag von der Dienststelle nicht als relevant angesehen worden sei, nicht entnehmen. Der Antragsteller missversteht die Begründung der Vorinstanz. Das Truppendienstgericht hält den Antrag nicht deshalb für unstatthaft, weil der Antragsteller keinen Versetzungsantrag gestellt hat. Vielmehr geht es - in Übereinstimmung mit der zitierten Rechtsprechung des Senats - davon aus, dass erst unmittelbar gegen einen Soldaten wirkende truppendienstliche Maßnahmen und nicht bereits diese vorbereitenden Zwischenentscheidungen mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung angreifbar sind. Nach der Rechtsauffassung der Vorinstanz handelt es sich bei dem Ergebnis der Orientierungswoche um eine derartige Zwischenentscheidung. Hiernach hätte der Antragsteller sie auch dann nicht anfechten können, wenn er einen Versetzungsantrag gestellt hätte. Anfechten kann er erst die Ablehnung seiner Versetzung auf den streitgegenständlichen Dienstposten. Soweit sich der Antragsteller gegen die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung wenden will, führt dies nicht zum Erfolg der Rüge eines Verfahrensmangels.

6 bb) Die Rüge unzureichender Aufklärung eines militärischen Über- und Unterordnungsverhältnisses zwischen dem Antragsteller und dem "anonymisierten" Oberstabsfeldwebel enthält ebenfalls keine Ausführungen dazu, welcher Tatsachenvortrag mit welchem Beweismittel aufzuklären gewesen wäre. Soweit der Antragsteller hier rügt, das Truppendienstgericht habe aus der - im angegriffenen Beschluss angeführten, mithin bei der Entscheidung auch berücksichtigten - dienstlichen Erklärung des Oberstabsfeldwebels ... vom 17. August 2020 nicht die für § 3 VorgV richtigen Schlüsse gezogen, rügt er einen - die Zulassung der Rechtsbeschwerde für sich genommen nicht rechtfertigenden - Rechtsfehler, aber keine Verletzung der Aufklärungspflicht. Die Beschwerde tritt hier durch Sach- und Rechtsvortrag der Rechtsansicht des Truppendienstgerichts, eine Beschwerde gegen die dienstliche Erklärung könne als Kameradenbeschwerde nicht zu einem statthaften Antrag auf gerichtliche Entscheidung führen, entgegen. Damit argumentiert sie ähnlich einer Berufung. Mit diesem Vorbringen wird ein Verfahrensmangel oder ein sonstiger gesetzlicher Grund, der die Zulassung der Rechtsbeschwerde begründen könnte, nicht dargelegt (BVerwG, Beschluss vom 14. März 2017 - 1 WNB 1.17 - juris Rn. 13). Dies gilt auch, soweit dadurch sinngemäß die Rüge eines Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO erhoben sein sollte (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2018 - 1 WNB 1.18 - Buchholz 449 § 20 SG Nr. 2 Rn. 10 m.w.N.).

7 cc) Nicht ordnungsgemäß dargelegt ist schließlich die auf die fehlende Übersendung der nicht anonymisierten Fassung der dienstlichen Erklärung vom 17. August 2020 bezogene Aufklärungsrüge. Der Antragsteller erläutert auch in diesem Kontext nicht, welchen Beweisantrag er gestellt hätte und welche auf der Grundlage der Rechtsauffassung der Vorinstanz erhebliche Tatsache er damit unter Beweis gestellt hätte oder weswegen sich dem Truppendienstgericht weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen. Es kommt daher nicht darauf an, dass sich nach der Stellungnahme des Präsidenten des Truppendienstgerichts vom 13. Januar 2022 nicht ausschließen lässt, dass die auch hierauf bezogene Versendungsverfügung durch ein Büroversehen nicht vollständig ausgeführt worden ist.

8 2. Der sinngemäß geltend gemachte Verfahrensmangel einer Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor.

9 a) Dieser in Art. 103 Abs. 1 GG verankerte Grundsatz gilt auch im wehrbeschwerderechtlichen Antragsverfahren und erstreckt sich über den Wortlaut des § 18 Abs. 2 Satz 4 WBO hinaus auf alle für die Entscheidung maßgeblichen Sachfragen sowie auf die Beweisergebnisse, ferner auf entscheidungsrelevante Rechtsfragen, wenn der Einzelfall dazu Veranlassung gibt (BVerwG, Beschluss vom 24. März 2010 - 1 WNB 3.10 - Buchholz 450.1 § 22a WBO Nr. 4 Rn. 5). Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das zur Entscheidung berufene Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 18. Dezember 2015 - 1 WNB 1.15 - NZWehrr 2016, 85 <85> m.w.N. und vom 9. Mai 2017 - 1 WNB 3.16 - NZWehrr 2017, 216 <216>). Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht dieser Pflicht Rechnung trägt. Es ist nicht gehalten, sich in den Gründen seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen zu befassen; insbesondere begründet Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Verfahrensbeteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen. Aus Art. 103 Abs. 1 GG ergibt sich auch keine Pflicht eines Gerichts, der von der Partei vertretenen Rechtsauffassung zu folgen (BVerwG, Beschluss vom 2. Februar 2018 - 1 WNB 6.17 - Rn. 9).

10 b) Eine Verletzung dieser Grundsätze ist weder substantiiert dargelegt noch liegt sie vor. Insbesondere liegt keine Überraschungsentscheidung (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188 <190>) darin, dass die Vorinstanz die Unstatthaftigkeit des Antrages damit begründet, dass dieser sich gegen eine nur vorbereitende Zwischenentscheidung und damit nicht gegen eine truppendienstliche Maßnahme wendet, welche erst in der Versetzung oder ihrer Ablehnung läge. Denn damit nimmt sie auf die von ihr auch zitierte ständige Rechtsprechung des Senats Bezug. Hiermit konnte und musste ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter rechnen. Die Rüge, das Truppendienstgericht habe aus seinem Vortrag und dem Akteninhalt nicht die vom Antragsteller für zutreffend gehaltenen Schlüsse gezogen, kann eine durchgreifende Gehörsrüge nicht begründen.

11 Auch in diesem Kontext ist unerheblich, dass dem Antragsteller die nicht anonymisierte dienstliche Erklärung vom 17. August 2020 möglicherweise durch ein Büroversehen nicht übersandt wurde. Zwar kann die unterbliebene Übersendung von Schriftsätzen einschließlich ihrer Anlagen eine Gehörsverletzung begründen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Juli 2019 - 1 WNB 7.18 - Buchholz 310 § 86 Abs. 4 VwGO Nr. 2 Rn. 3 ff.). Jedoch waren dem Antragsteller der Inhalt der dienstlichen Erklärung und der Dienstgrad des Verfassers bekannt, hatte er doch selbst die anonymisierte Fassung als Anlage zu seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 2. November 2020 vorgelegt. Welcher Vortrag ihm durch die fehlende Kenntnis des Namens des Verfassers abgeschnitten worden und warum dieser auch nach der Rechtsauffassung des Truppendienstgerichts erheblich gewesen wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

12 3. Aus diesem Grund greift auch die auf die unterbliebene Versendung der nicht anonymisierten Stellungnahme bezogene Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 6 EMRK) nicht durch (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Juli 2019 - 1 WNB 7.18 - Buchholz 310 § 86 Abs. 4 VwGO Nr. 2 Rn. 5).

13 4. Soweit die Beschwerde vorbringt, das Truppendienstgericht verletze Denkgesetze, wenn es in der Anfechtung der dienstlichen Erklärung vom 17. August 2020 eine unzulässige Antragserweiterung sehe, rügt sie sinngemäß einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2018 - 1 WNB 1.18 - Buchholz 449 § 20 SG Nr. 2 Rn. 10 m.w.N.). Diese Rüge greift ebenfalls nicht durch. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass ein solcher Verfahrensfehler entscheidungserheblich wäre. Das Truppendienstgericht stützt seine Rechtsauffassung, der Antrag sei trotz des entsprechenden Vortrages unzulässig, selbstständig tragend auf den Gesichtspunkt, dass eine Kameradenbeschwerde nicht zulässig Gegenstand eines gerichtlichen Antragsverfahrens sein könne. Wie ausgeführt wird diese Rechtsauffassung nicht mit durchgreifenden Rügen angegriffen.

14 Die Kostenentscheidung beruht auf § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.