Beschluss vom 07.06.2022 -
BVerwG 5 B 31.21ECLI:DE:BVerwG:2022:070622B5B31.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.06.2022 - 5 B 31.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:070622B5B31.21.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 31.21

  • VG Greifswald - 27.02.2018 - AZ: 2 A 2158/16 HGW
  • OVG Greifswald - 01.06.2021 - AZ: 1 LB 326/18

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Juni 2022
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und Dr. Harms
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 1. Juni 2021 wird verworfen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1 Die Beschwerde der Kläger hat keinen Erfolg.

2 1. Die Beschwerde ist nicht wegen der ausdrücklich geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, weil die Beschwerdebegründung den Anforderungen an die Darlegung dieses Zulassungsgrundes (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) nicht genügt.

3 Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt und aufzeigt, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der aufgeworfenen Frage zugrunde liegt, zu folgen ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 4. April 2012 - 5 B 58.11 - juris Rn. 2 und vom 12. März 2018 - 5 B 26.17 D - juris Rn. 3 m. w. N.). Soweit sich die Vorinstanz mit der Frage beschäftigt hat, gehört zu der erforderlichen Durchdringung des Prozessstoffes die Erörterung sämtlicher Gesichtspunkte, die im Einzelfall für die erstrebte Zulassung der Revision rechtlich Bedeutung haben könnten (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 2019 - 5 B 40.18 - juris Rn. 3 m. w. N.). Dem wird die Beschwerde nicht gerecht.

4 a) Soweit die Beschwerde die Frage für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig hält,
"ob es - wie vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern vertreten - zutrifft, dass Ansprüche aus §§ 27, 33 und 39 SGB VIII als Dienst- und Sachleistungsansprüche in jedem Fall dem Abtretungsverbot des § 53 Abs. 1 SGB I unterliegen oder ob Erstattungsansprüche für selbstbeschaffte Leistungen, die als solche nicht selbst vom Dienst- oder Sachleistungsträger erbracht werden, nicht von diesem Abtretungsverbot umfasst werden."
legt sie bereits die Entscheidungserheblichkeit vor dem Hintergrund nicht ausreichend dar, dass das Oberverwaltungsgericht nicht davon ausgegangen ist, die Kläger hätten sich eine (der Art nach grundsätzlich) erstattungsfähige Jugendhilfeleistung selbst beschafft. Vielmehr hat das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich ausgeführt, der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der den Klägern als Pflegepersonen entstandenen Kosten für den Umzug in eine neue Wohnung, die Mietkaution und die Miete könne sich allein aus § 39 SGB VIII unter dem Gesichtspunkt der Sicherstellung des Unterhalts als Annex zu der den Eltern der Kinder mit Bescheid der Beklagten vom 1. Dezember 2014 gewährten Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII ergeben.

5 Darüber hinaus setzt sich die Beschwerde nicht ansatzweise mit den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts auseinander, dass sich die Zulässigkeit der Übertragung von Sozialleistungsansprüchen und so auch der Ansprüche nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz nach § 53 SGB I regele, wonach Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen weder übertragen noch verpfändet werden könnten. Dazu führt das Oberverwaltungsgericht weiter aus, die erzieherische Hilfe nach §§ 27, 33 SGB VIII gehöre gemäß § 11 Satz 1 SGB I zu den Dienstleistungen. Als unselbstständiger Annex zum Anspruch auf erzieherische Hilfe nach §§ 27, 33 SGB VIII könnte der Anspruch auf Sicherstellung des notwendigen Unterhalts des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses nach § 39 Abs. 1 SGB VIII sowie auf Gewährung einmaliger Beihilfen oder Zuschüsse nach § 39 Abs. 3 SGB VIII nicht selbstständig bestehen. Diese Ansprüche stünden und fielen vielmehr mit dem Anspruch auf erzieherische Hilfe und setzten diesen voraus. Daraus folge, dass die Ansprüche nach § 39 Abs. 1 und 3 SGB VIII ebenso wie der Anspruch nach §§ 27, 33 SGB VIII allein von den Personensorgeberechtigten (und nicht von den Pflegepersonen) geltend gemacht werden könnten. Personensorgeberechtigte könnten mithin die Befugnis, gemäß § 39 Abs. 1 und 3 SGB VIII mögliche künftige Unterhaltsleistungen, Beihilfen oder Zuschüsse zu verlangen, an die Pflegepersonen nicht abtreten. Sie könnten ihnen gemäß § 53 Abs. 2 SGB I nur das Recht übertragen, die Auszahlung von festgestellten Leistungsansprüche nach § 39 SGB VIII zu verlangen. Auf diese Erwägungen und die vom Oberverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang zitierten gerichtlichen Entscheidungen geht die Beschwerde nicht im Einzelnen ein, sondern beschränkt sich stattdessen auf die Behauptung, das Abtretungsverbot nach § 53 Abs. 1 SGB I erfasse keine Erstattungsansprüche für selbstbeschaffte Leistungen, die als solche nicht selbst vom Dienst- oder Sachleistungsträger erbracht würden. Eine Differenzierung hinsichtlich der Abtretbarkeit von Leistungsansprüchen in Geld und Erstattungsansprüchen in Geld erscheine nicht sachgerecht und im Sinne der Vorschrift des § 53 SGB I. Ausführungen dazu, aus welchem Grund die Differenzierung nicht sachgerecht oder im Sinne des Abtretungsverbotes sei, macht die Beschwerde nicht.

6 Schließlich zeigt die Beschwerde die fallübergreifende Bedeutung der Frage nicht hinreichend auf. Das folgt aus ihren weiteren Ausführungen, die vom Oberverwaltungsgericht nicht vorgenommene Prüfung der Voraussetzungen des § 53 Abs. 2 SGB I würde zu dem Ergebnis führen, dass der Leistungsträger durch seine Mitwirkung am Abschluss des Pflegevertrages und damit der Abtretungsvereinbarung sowie durch die im Rechtsstreit den Klägern gegenüber getroffenen Kostenzusagen nach § 53 Abs. 2 Nr. 2 SGB I festgestellt gehabt habe, dass die Übertragung oder Verpfändung im wohlverstandenen Interesse des Berechtigten liege. Diese Ausführungen sind einzelfallbezogen. Inwieweit hinsichtlich der von den Umständen des Einzelfalles geprägten Frage ein über den konkreten Fall hinausweisender allgemeiner Klärungsbedarf bestehen soll, ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.

7 b) Auch die weitere für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Frage,
"ob es dem Beklagten versagt ist, neben Leistungsansprüchen aus dem Katalog des SGB VIII, Pflegeeltern gegenüber eigenständige Leistungszusagen zu machen, die diese sodann auch selbständig durchsetzen können",
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Sie würde sich in dieser Form im angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen, weil die in ihr enthaltene Prämisse, der Beklagte habe gegenüber einer Pflegeperson eigenständige Leistungszusagen gemacht, in den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts keine Entsprechung findet. Auch die Beschwerde trägt lediglich vor, dass solche Zusagen im Rechtsstreit dahingehend vorgetragen worden seien, dass einerseits für alle vorhandenen bzw. aufzunehmenden Pflegekinder hinreichender Wohnraum vorzuhalten sei und dass dafür erforderliche Aufwendungen übernommen würden. Abgesehen davon ist auch diese Frage mit ihrer Bezugnahme auf eben solche Zusagen maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls geprägt. Dass und inwieweit sie dennoch einen über den konkreten Fall hinausweisenden allgemeinen Klärungsbedarf aufweist, wird von der Beschwerde nicht aufgezeigt.

8 2. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

9 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.