Beschluss vom 10.01.2022 -
BVerwG 1 B 80.21ECLI:DE:BVerwG:2022:100122B1B80.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 10.01.2022 - 1 B 80.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:100122B1B80.21.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 80.21

  • VG Würzburg - 06.10.2016 - AZ: VG W 2 K 16.31341
  • VGH München - 23.06.2021 - AZ: VGH 21 B 19.33586

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. Januar 2022
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dollinger und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fenzl
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Juni 2021 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.

2 1. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

3 1.1 Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung entscheidungserhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt und im Einzelnen aufzeigt, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der Frage zugrunde liegt, zu folgen ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. Juni 2006 - 6 B 22.06 - NVwZ 2006, 1073 Rn. 4 f. und vom 10. August 2015 - 5 B 48.15 - juris Rn. 3 m.w.N.).

4 1.2 Nach diesen Grundsätzen ist die Revision nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Frage zuzulassen,
"unter welchen Voraussetzungen die vom EuGH angenommene starke Vermutung von Verknüpfung von Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund widerlegt ist",
weil allein mit der Benennung dieser Frage eine revisionsrechtlich klärungsfähige Rechtsfrage fallübergreifender Bedeutung, die einer abstrakten Klärung zugänglich wäre, weder ausdrücklich noch sinngemäß darlegt ist, es insoweit auch an einer Darlegung der Entscheidungserheblichkeit in Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung fehlt und die Beschwerde daher den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 VwGO nicht genügt. Keine andere Beurteilung rechtfertigt daher, dass der Senat mit Beschluss vom 20. Juli 2021 - 1 B 26.21 (1 C 21.21 ) - wegen einer im Zulassungsbeschluss ähnlich formulierten Frage die Revision gegen ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (Urteil vom 29. Januar 2021 - OVG 3 B 109.18 -) wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat.

5 2. Ein Verfahrensfehler, der zur Zulassung der Revision führte (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), ist ebenfalls nicht hinreichend dargelegt (§ 133 Abs. 3 VwGO).

6 2.1 Die auf § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu beziehende Rüge, das Berufungsgericht habe bei seiner Bewertung, es sei die vom Gerichtshof der Europäischen Union angenommene starke Vermutung einer Verknüpfung von Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund widerlegt, gegen grundlegende Beweisregeln verstoßen, legt schon im Ansatz einen Verfahrensfehler nicht dar. Grundsätze der Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind in aller Regel revisionsrechtlich dem sachlichen Recht zuzuordnen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1990 - 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 <272> und Beschluss vom 4. Mai 2020 - 1 B 17.20 -). Ein einen Verfahrensfehler begründender Verstoß gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung ("Überzeugungsgrundsatz") im Sinne von § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann ausnahmsweise insbesondere dann gegeben sein, wenn die tatrichterliche Beweiswürdigung auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze, insbesondere gesetzliche Beweisregeln, Natur- oder Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze missachtet werden (BVerwG, Beschluss vom 25. April 2018 - 1 B 11.18 - juris Rn. 3 m.w.N.; zum Übergehen eines nach der Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserheblichen Akteninhalts oder zur Annahme aktenwidriger Tatsachen sowie denkgesetzwidriger Schlussfolgerungen s.a. BVerwG, Beschlüsse vom 8. August 2018 - 1 B 25.18 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 58 Rn. 23 und vom 5. Oktober 2021 - 1 B 63.21 -).

7 2.2 Dies legt die Beschwerde nicht dar (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Berufung auf Feststellungen des Auswärtigen Amts in seinem Bericht vom 4. Dezember 2020 über die Lage in Syrien, die eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck brächten, welcher unkalkulierbar großen Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, der Einzelne ausgesetzt sei, die das Berufungsgericht nicht berücksichtigt und als zu "allgemein" abgewertet habe, womit gegen grundlegende Beweisregeln im Asylprozess verstoßen worden sei, verkürzt die Feststellungen und Bewertungen des Berufungsgerichts zur Gefährdung zurückkehrender Personen im wehrpflichtigen Alter, die sich auf eine Reihe von Erkenntnismitteln stützt, und stellt lediglich die Bewertung des Klägers - auch die des punktuell herangezogenen Lageberichts des Auswärtigen Amtes - gegen jene des Berufungsgerichts. Aus der weiterhin herangezogenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Offenlegung der Erkenntnisquellen des Auswärtigen Amts (BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 1985 - 9 B 71.85 -) folgt jedenfalls nichts für eine Beweis(würdigungs)regel oder ein Gebot, dessen Auskünften stets und unabhängig von der Erkenntnislage, wie sie sich aus weiteren Erkenntnisquellen ergibt, auch in der Sache zu folgen. Die als in sich widersprüchliche und logisch nicht erklärbare gerügte Aussage des Berufungsgerichts, dass sich der "syrische Staat trotz der im Einzelnen weit verbreiteten Willkür an seinen Zielen orientiert und sich insoweit nicht unberechenbar" verhalte, ist aus dem Kontext gelöst.

8 3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

9 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.