Urteil vom 11.05.2023 -
BVerwG 2 WD 12.22ECLI:DE:BVerwG:2023:110523U2WD12.22.0

Beförderungsverbot mit Bezügekürzung wegen fahrlässig unterlassener Meldung eines meldepflichtigen Ereignisses

Leitsatz:

Bei einer vorsätzlich unterlassenen Meldung von Informationen über einen Diebstahl oder eine Unterschlagung von Waffen und Munition der Bundeswehr für politische Zwecke ist Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Höchstmaßnahme, bei einer fahrlässig unterlassenen Meldung solcher Informationen die Dienstgradherabsetzung.

  • Rechtsquellen
    EMRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1
    GG Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3
    SG § 1 Abs. 3 Satz 1 und 2, § 6 Satz 1, §§ 7, 8 Alt. 1 und 2, § 10 Abs. 6, § 11, § 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2, § 23 Abs. 1, § 31 Abs. 1 Satz 1
    StPO § 331
    VorgV § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3
    WDO § 18 Abs. 2, § 38 Abs. 1, § 58 Abs. 1 Nr. 2 und 4, Abs. 4 Satz 2, Abs. 7, § 59 Satz 1, § 60 Abs. 2 Satz 1, §§ 83, 91 Abs. 1 Satz 1, § 93 Abs. 1 Satz 2, § 10 Abs. 1 Satz 1, § 126 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1, § 138 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, § 139 Abs. 3, § 140 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1
    WStG § 2 Nr. 2

  • TDG Nord 2. Kammer - 04.07.2022 - AZ: TDG N 2 VL 83/19

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 11.05.2023 - 2 WD 12.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:110523U2WD12.22.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 12.22

  • TDG Nord 2. Kammer - 04.07.2022 - AZ: TDG N 2 VL 83/19

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 11. Mai 2023, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke,
ehrenamtlicher Richter Oberstleutnant i.G. Dittbrenner und
ehrenamtliche Richterin Oberleutnant Bensch,
Leitender Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ...
als Verteidiger,
Geschäftsstellenverwalterin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung des Soldaten wird das Urteil der 2. Kammer des Truppendienstgerichts ... vom 4. Juli 2022 aufgehoben. Gegen den Soldaten wird ein Beförderungsverbot für die Dauer von 24 Monaten, verbunden mit einer Kürzung seiner Dienstbezüge um 1/5 für die Dauer von 12 Monaten verhängt.
  2. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Soldat, der auch die ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.
  3. Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen tragen der Bund und der Soldat jeweils zur Hälfte.

Gründe

I

1 Das Verfahren betrifft im Wesentlichen den Vorwurf einer fahrlässig unterlassenen Meldung eines meldepflichtigen Ereignisses.

2 1. Der ... geborene Soldat wurde nach dem Abitur, dem Grundwehrdienst und einem abgebrochenen Geschichts- und Germanistikstudium ... Zeitsoldat. Zuletzt wurde er ... zum Oberleutnant befördert. Mit Verfügung vom 5. Mai 2017 wurde ihm die Dienstausübung untersagt. Seit dem 27. April 2018 ist er vorläufig des Dienstes enthoben. Seine Dienstzeit endet mit Ablauf September ...

3 Nach dem Offizieranwärterlehrgang und dem Offizierlehrgang 1 schloss der Soldat an der Universität der Bundeswehr ... das Studium "Mathematical Engineering" ab. Im Anschluss an den Offizierlehrgang 2 wurde er im Offizierlehrgang 3 zum Offizier der ...truppe ausgebildet. Seit dem 20. März 2017 wurde er bis zum Verbot der Dienstausübung im ...bataillon ... in ... verwendet.

4 2. Der bislang weder disziplinarisch noch strafrechtlich vorbelastete Soldat ist verheiratet und Vater eines Kleinkindes. Seine Dienstbezüge belaufen sich auf monatlich ca. 3 300 € netto. Er hat seine wirtschaftlichen Verhältnisse als geordnet bezeichnet. Während der vorläufigen Dienstenthebung hat er ein Informatikstudium begonnen, dessen Bachelor-Abschluss in Kürze bevorsteht. Er ist seit 2012 Mitglied der ... Burschenschaft ...

5 3. Nach Presseberichten über Ermittlungen wegen Terrorverdachts gegen den bei der Deutsch-Französischen Brigade (DEUFRA) in ... tätigen Oberleutnant Franco A., der am 3. Februar 2017 am Wiener Flughafen beim Abholen einer dort versteckten, geladenen Pistole vorläufig festgenommen und am 27. April 2017 nach umfangreichen Durchsuchungen und Sicherstellungen in Deutschland erneut vorläufig festgenommen worden war, wurden aufgrund einer Meldung vom 2. Mai 2017 disziplinarische Vorermittlungen auch gegen den Soldaten aufgenommen. Die Sache wurde am 8. Mai 2017 wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, der Volksverhetzung und der Beleidigung an die Staatsanwaltschaft abgegeben. Mit Verfügung vom 18. Januar 2018 wurde das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

6 4. In dem am 27. April 2018 eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren wurde der Soldat beim Truppendienstgericht wie folgt angeschuldigt:
"1. Der Soldat unterließ es, seit einem nicht näher ermittelbaren Zeitpunkt im Februar 2016 entgegen der Zentralen Dienstvorschrift A-2640/34 'Meldewesen Innere und Soziale Lage der Bundeswehr', Nummer 201 (alt), nunmehr A-2600/10, Nummer 201 (neu), wonach alle Angehörigen der Bundeswehr verpflichtet sind, Wahrnehmungen und Ereignisse, die den Verdacht auf ein im Sinne dieser Zentralen Dienstvorschrift Meldepflichtiges Ereignis darstellen oder beinhalten könnten, unverzüglich an den jeweils zuständigen Vorgesetzten zu melden, das ihm der Zeuge Oberleutnant A. zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Februar 2016 während eines Gesprächs in der Truppenküche der Sportschule in ..., sinngemäß erzählt hatte, dass er Kenntnis von Personen im ...bataillon ... in ... habe, die sich für den Fall eines Bürgerkrieges Munition auf Vorrat beschaffen würden, obwohl er hätte erkennen können und müssen, dass es sich bei dieser Wahrnehmung um ein meldepflichtiges Ereignis handelte.
2. Der Soldat äußerte an einem nicht näher ermittelbaren Tag zwischen dem 27. März 2017 und dem 31. März 2017 während der Abendverpflegung in der Truppenküche der ...-Kaserne, ... in ..., gegenüber dem Zeugen Oberleutnant B. sinngemäß, dass er im Falle weiterer Integrationsbestrebungen der Bundesregierung mit der Waffe in der Hand sterben werde, wobei der Soldat billigend in Kauf nahm, dass durch die Äußerung der Eindruck erweckt werde, dass er nicht mit seinem gesamten Verhalten für die freiheitliche demokratische Grundordnung einstehe.
3. Der Soldat äußerte an einem nicht näher ermittelbaren Tag zwischen dem 27. März 2017 und dem 31. März 2017 in der Truppenküche der ...-Kaserne, ... in ..., gegenüber den Zeugen Oberleutnant B. und Oberfähnrich C., dass als Gastarbeiter aus der Türkei nur das 'Pack' nach Deutschland geschickt worden sei, das in der Türkei eh keiner haben wollte, um Gastarbeiter aus der Türkei, die nach Deutschland gekommen sind, aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Bevölkerungsgruppe böswillig verächtlich zu machen und dadurch in ihrer Menschenwürde anzugreifen.
4. Der Soldat äußerte an einem nicht näher ermittelbaren Tag zwischen dem 10. April 2017 und dem 13. April 2017 nach Dienst gegen 17:30 Uhr in der ...-Kaserne in ... während einer Autofahrt von der Abendverpflegung zur Unterkunft gegenüber dem Zeugen Oberleutnant B. sinngemäß, dass das Schlimmste an der Flüchtlingskrise sei, dass die Flüchtlinge nicht bewaffnet an der Grenze ankämen, denn sonst 'könnten wir sie zumindest erschießen', wobei der Soldat billigend in Kauf nahm, dass durch die Äußerung der Eindruck erweckt werde, dass er nicht mit seinem gesamten Verhalten für die freiheitliche demokratische Grundordnung einstehe.
5. Der Soldat äußerte zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt zwischen dem 22. März 2017 und dem 5. April 2017 in seinem Dienstzimmer in der ...-Kaserne, ... in ..., in Anwesenheit der Zeugen Hauptmann D. und Oberleutnant E., dass Königsberg immer deutsch bleibe und Polen keine legitimen Ansprüche auf die deutschen Ostgebiete habe, wobei der Soldat billigend in Kauf nahm, dass durch die Äußerung der Eindruck erweckt werde, dass er nicht mit seinem gesamten Verhalten für die freiheitliche demokratische Grundordnung einstehe.
6. Der Soldat äußerte zu einem nicht näher ermittelbaren Zeitpunkt zwischen dem 20. März 2017 und dem 2. Mai 2017 in seinem Dienstzimmer in der ...-Kaserne, ... in ..., gegenüber dem Zeugen Oberleutnant B. im Zusammenhang mit der Abbildung eines asiatisch aussehenden Soldaten der Bundeswehr in der Zentralen Dienstvorschrift A2-2630/0-0-5 (alt), nunmehr Zentralvorschrift A1-2630/0-9804 (neu) sinngemäß, dass man davor vor nicht allzu langer Zeit Frauen noch gewarnt habe sowie bei der Betrachtung einer nicht näher bekannten Intranet-Seite der Bundeswehr, auf der ein dunkelhäutiger Angehöriger des Wachbataillons abgebildet war, was der 'Neger' da verloren habe, um die abgebildeten Personen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Bevölkerungsgruppe böswillig verächtlich zu machen und dadurch in ihrer Menschenwürde anzugreifen.
7. Der Soldat äußerte in seinem Dienstzimmer in der ...-Kaserne, ... in ..., zu einem nicht näher ermittelbaren Zeitpunkt zwischen dem 20. März 2017 und dem 2. Mai 2017 gegenüber dem Zeugen Oberleutnant B., nach dessen Frage, warum der Soldat glaube, dass sich Polen besser in Deutschland integrieren würden, dass dies kein Problem sei, weil sich in Polen die Rassen deutlich besser vermischt hätten als in anderen osteuropäischen Staaten, wobei der Soldat billigend in Kauf nahm, dass durch die Äußerung der Eindruck erweckt werde, dass er nicht mit seinem gesamten Verhalten für die freiheitliche demokratische Grundordnung einstehe."

7 In der Hauptverhandlung hat der Wehrdisziplinaranwalt eine Nachtragsanschuldigungsschrift vorgelegt. Darin ist der Soldat hilfsweise angeschuldigt worden, die Anschuldigungspunkte 2 bis 4 und 6 fahrlässig begangen zu haben; der zweite Vorwurf aus dem Anschuldigungspunkt 6 ist nicht mehr erwähnt worden. Der Soldat hat auf das Schlussgehör, eine Einlassungsschrift und die Ladungsfrist verzichtet.

8 5. Das Truppendienstgericht hat den Soldaten mit Urteil vom 4. Juli 2022 in den Dienstgrad eines Leutnants herabgesetzt. Es hat nur die Anschuldigungspunkte 1, 3, 4 und 6 (ohne den zweiten Vorwurf) im Wesentlichen als erwiesen angesehen.

9 Hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 1 sei die Kammer überzeugt, dass der Soldat im Februar 2016 von Oberleutnant A. erfahren habe, dass in der DEUFRA seit der Kölner Silvesternacht 2015/16 Waffen und Munition zur Seite gelegt worden seien. Dies habe der Soldat bis Mai 2017 keinem Vorgesetzten gemeldet. Von seinem Gespräch mit Oberleutnant A. habe der Soldat seinen Kameraden B. und C. erzählt. Dies sei von diesen glaubhaft bezeugt und vom Soldaten eingeräumt worden.

10 Zum Anschuldigungspunkt 3 stehe fest, dass der Soldat sich über in Deutschland lebende türkische Gastarbeiter als "Pack" geäußert habe. Er habe bekundet, dies sei zwar nicht sachlich, aber keineswegs pauschal auf alle türkischen Gastarbeiter in Deutschland bezogen gewesen. Er habe als Kind Urlaub in der Türkei gemacht. Selbst die dortigen Landsleute hätten sich nicht positiv über die nach Deutschland ausgewanderten Türken geäußert. Die Bemerkung sei durch die Aussagen seiner Kameraden B. und C. bestätigt worden, wobei diese sich nicht erinnert hätten, ob der Begriff "Pack" auf Menschen aus der Türkei bezogen gewesen sei oder allgemein auf Ausländer, deren Integration in Deutschland sich aus Sicht des Soldaten zum Teil schwierig gestalte.

11 Zum Anschuldigungspunkt 4 sei aufgrund der Aussage des Zeugen B. die Äußerung des Soldaten erwiesen, es sei schade, dass die Flüchtlinge nicht bewaffnet an der Grenze erschienen, da man sie sonst erschießen könne.

12 Zum Anschuldigungspunkt 6 habe der Soldat geständig angegeben, sich beim Anblick der "Anzugsordnung für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr" über das ein oder andere Bild amüsiert zu haben, auf denen die Dargestellten asiatisch ausgesehen hätten; abwertende Bemerkungen habe er jedoch nicht gemacht. Letzterem sei die Kammer nicht gefolgt. Denn der Soldat habe ein Gespräch über asiatisch aussehende Personen eingeräumt und nur die kritischen Details bestritten. Die Kammer sei den glaubhaften Angaben des Zeugen B. gefolgt.

13 Alle weiteren Anschuldigungen seien nicht erwiesen, ebenso wenig eine verfassungsfeindliche Gesinnung.

14 Der Soldat habe ein Dienstvergehen begangen. Mit der unterlassenen Meldung gemäß Anschuldigungspunkt 1 habe er fahrlässig gegen Nr. 201 der Zentralen Dienstvorschrift A2-2640/34 verstoßen und damit § 7 SG verletzt. Die Kammer habe dem Soldaten geglaubt, dass er dem Gespräch mit Oberleutnant A. zunächst keine Bedeutung beigemessen habe. Mit dem Bekanntwerden der Presseberichte über Franco A. hätte er jedoch die Ernsthaftigkeit des Gesprächsinhalts erkennen können und müssen. Mit den zu den Anschuldigungspunkten 3, 4 und 6 erwiesenen Äußerungen habe er jeweils § 17 Abs. 2 Satz 1 und § 8 Alt. 2 SG verletzt, mit der Bemerkung zum asiatisch aussehenden Kameraden zudem § 12 SG und mit der Äußerung gemäß Anschuldigungspunkt 3, bei der ein Kamerad mit niedrigerem Dienstgrad anwesend gewesen sei, auch § 10 Abs. 6 SG. Er habe bei den Äußerungen bedingt vorsätzlich gehandelt.

15 Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen sei für Verhaltensweisen, die - wie hier - den falschen Eindruck einer verfassungsfeindlichen Gesinnung vermittelten, eine Dienstgradherabsetzung. Davon sei nicht abzuweichen. Für den Soldaten sprächen zwar sein sehr gutes Beurteilungsbild, die fehlende Vorbelastung und die teilweise geständigen Einlassungen. Zu seinen Lasten gingen indes die nachteiligen Auswirkungen des Dienstvergehens. Ihm habe die Dienstausübung untersagt und er habe vorläufig des Dienstes enthoben werden müssen. Das Dienstvergehen sei in der Truppe bekannt geworden. Hinsichtlich des Umstands, dass der Vorgang zudem an die Presse gelangt sei, höben sich allerdings die negative Außenwirkung für die Bundeswehr und die vom Soldaten durch seine Namensnennung erlittenen Nachteile gegenseitig auf. Unter Berücksichtigung der überlangen Verfahrensdauer, die zu einem faktischen Beförderungsverbot geführt habe, sei eine Herabsetzung um einen Dienstgrad angemessen.

16 6. Der Soldat hat mit dem Ziel eines Freispruchs Berufung eingelegt, soweit er verurteilt worden ist. Auf gerichtlichen Hinweis, dass eine Berufung nur maßnahmebeschränkt oder vollumfänglich eingelegt werden könne, hat er erklärt, die Berufung vollumfänglich eingelegt zu haben.

17 Beim Anschuldigungspunkt 1 könne ihm kein Schuldvorwurf gemacht werden. Er habe das Gespräch mit Oberleutnant A. als "Kantinengeschwätz" abgetan. Er habe erstmals am 28. April 2017 im Radio einen Bericht über Franco A. gehört. Dabei sei nur unter dem Oberbegriff "syrischer Flüchtling" berichtet worden. Von Waffen und Munition sei nicht die Rede gewesen. Auch in den ersten Zeitungsartikeln sei es nur darum gegangen, dass sich Franco A. als syrischer Flüchtling ausgegeben habe. Er habe erst wieder am 2. Mai 2017 Dienst gehabt. An dem Tag sei er schon mittags zur Vernehmung gerufen worden. Somit hätte er nur einen Vormittag lang Gelegenheit zu einer Meldung gehabt. Dafür hätte für ihn eine Verbindung zwischen Oberleutnant A. und Franco A. erkennbar sein müssen. Dies sei wegen des Inhalts der Rundfunkmeldungen und der von ihm angenommenen Stationierung von Oberleutnant A. in ... nicht der Fall gewesen.

18 Zum Anschuldigungspunkt 3 habe er nicht eingeräumt, das Wort "Pack" benutzt zu haben. Er habe vielmehr erklärt, sich daran nicht zu erinnern. Auch der Zeuge C. habe erstinstanzlich nicht von sich aus zweifelsfrei die Verwendung des Wortes "Pack" bekundet, sondern erst auf einen nicht protokollierten Vorhalt hin, und habe den Begriff dann auf straffällige Personen bezogen.

19 Anschuldigungspunkt 4 werde bestritten. Das erstinstanzlich protokollierte Wort "schade" sei nie gefallen. Er habe kein Bedauern zum Ausdruck gebracht, dass man Flüchtlinge nicht erschießen könne.

20 Beim Anschuldigungspunkt 6 sei das Truppendienstgericht von einem beleidigenden Charakter einer scherzhaften Äußerung ausgegangen, deren Wortlaut es nicht festgestellt habe.

21 Bei der Maßnahmebemessung sei die unzureichende Anonymisierung seiner personenbezogenen Daten gegenüber der Presse durch die Bundeswehr mildernd zu berücksichtigen. Auch seien seine dienstlichen Leistungen nicht hinreichend gewürdigt worden. Wegen der Verfahrensüberlänge werde ihm seit 2019 eine Beförderung zum Hauptmann vorenthalten.

22 7. Der Bundeswehrdisziplinaranwalt hält die Anschuldigungen mit Ausnahme des Anschuldigungspunktes 4, des zweiten Vorwurfs im Anschuldigungspunkt 5 und des als nicht mehr angeschuldigt angesehenen zweiten Vorwurfs im Anschuldigungspunkt 6 im Wesentlichen für erwiesen und eine einstufige Degradierung für angemessen.

23 8. Hinsichtlich der Einzelheiten zur Person des Soldaten und zur Begründung des erstinstanzlichen Urteils wird auf dieses und hinsichtlich der im Berufungsverfahren eingeführten Unterlagen und der dortigen Beweisaufnahme auf das Protokoll der Berufungshauptverhandlung Bezug genommen.

II

24 Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Da sie unbeschränkt ist, hat der Senat im Rahmen der Anschuldigung eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, diese rechtlich zu würdigen und unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbots (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i. V. m. § 331 StPO) über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden. Danach ist ein 24monatiges Beförderungsverbot, verbunden mit einer Kürzung der Dienstbezüge um 1/5 für die Dauer von zwölf Monaten, angemessen.

25 1. In tatsächlicher Hinsicht treffen die Anschuldigungspunkte 1, 3 und 6 (mit Ausnahme des nicht mehr angeschuldigten zweiten Vorwurfs) im Wesentlichen zu. Beim Anschuldigungspunkt 5 kann offenbleiben, ob eine wirksame Anschuldigung vorliegt und in dem Fall der erste Vorwurf darin zutrifft. Nicht erwiesen sind der darin erhobene zweite Vorwurf sowie die Anschuldigungspunkte 2, 4 und 7. Die hilfsweise erhobenen Nachtragsanschuldigungen sind zum Teil nicht mehr zu prüfen und ansonsten nicht erwiesen.

26 a) Zum Anschuldigungspunkt 1 hat die Beweiserhebung Folgendes ergeben:

27 aa) Fest steht, dass der Soldat mit dem Zeugen Oberleutnant d. R. A. (Zeuge A.) bekannt ist. Der Soldat hat erklärt, ihn schon von der Universität zu kennen und ihn später bei einer Wallfahrt sowie im Februar 2016 in der Truppenküche in ... wiedergesehen zu haben. Der Zeuge A. hat in der Berufungshauptverhandlung bestätigt, den Soldaten bereits von der Universität zu kennen.

28 bb) Der Senat ist ferner davon überzeugt, dass der Soldat mit dem Zeugen A. im Februar 2016 in der Truppenküche der Sportschule in ... ein Gespräch führte, in dem dieser ihm berichtete, dass er zur DEUFRA versetzt worden sei, man dort nach den Vorkommnissen in der Silvesternacht in Köln besorgt sei und die DEUFRA das Recht verteidigen würde; man habe Munition "für den Fall". Des Weiteren ist er davon überzeugt, dass der Zeuge A. gegenüber dem Soldaten äußerte: "wenn's kracht, haben wir Munition" und "sollen sie nur kommen, wir haben die Munition". Denn der Soldat hat dies in der Berufungshauptverhandlung eingeräumt. Zwar hat demgegenüber der Zeuge A. erklärt, er habe den Soldaten nach dem Studium nicht mehr wiedergetroffen, auch nicht in ... Der Senat glaubt jedoch der gegenteiligen Aussage des Soldaten. Dieser hat keinen Grund, sich selbst fälschlich zu belasten. Seine Angabe, dass er mit dem Zeugen A. im Februar 2016 in ... ein Gespräch zu der genannten Thematik führte, stehen im Einklang mit den früheren Aussagen des Soldaten. Zudem sprechen die nachfolgend dargestellten, von den Zeugen Major d. R. B. (Zeuge B.), Hauptmann d. R. E. (Zeuge E.) und Oberleutnant C. (Zeuge C.) wiedergegebenen Äußerungen des Soldaten ihnen gegenüber dafür, dass das vom Soldaten eingeräumte Gespräch mit dem Zeugen A. stattfand. Demgegenüber machte der Zeuge A. auf den Senat einen unglaubwürdigen Eindruck. Er war ersichtlich darauf bedacht, soweit er sich nicht auf sein Auskunftsverweigerungsrecht berief, möglichst wenig Informationen preiszugeben.

29 cc) Der Senat geht aufgrund der Aussagen der Zeugen B. und E. in der Berufungshauptverhandlung sowie der im Einverständnis mit dem Soldaten und dem Bundeswehrdisziplinaranwalt im Selbstleseverfahren eingeführten erstinstanzlichen Aussage des Zeugen C. davon aus, dass der Zeuge A. in dem Gespräch über den vom Soldaten eingeräumten Inhalt hinaus zudem Anhaltspunkte für eine nicht dienstliche Eindeckung von Soldaten der DEUFRA nicht nur mit Munition, sondern auch mit Waffen der Bundeswehr zwecks Verwendung im Fall eines bürgerkriegsähnlichen Zustandes aufzeigte.

30 Alle drei Zeugen haben bekundet, dass der Soldat ihnen von seinem Gespräch mit dem Zeugen A. erzählte, nachdem der Soldat am 20. März 2017 zuversetzt und bevor Ende April/Anfang Mai 2017 über den Fall Franco A. in der Presse berichtet worden war.

31 Der Zeuge C. hat erklärt, der Soldat habe in seinem Beisein erzählt, dass er Kontakte "nach ..." habe und wisse, dass da Waffen und Munition gehortet werden sollten. Er könne sich auch dunkel erinnern, dass sie über Franco A. gesprochen hätten.

32 Der Zeuge B. hat ausgesagt, der Soldat habe etwa eine Woche vor dem Bekanntwerden des Falls Franco A. in der Truppenküche am Mittagstisch in Anwesenheit auch des Zeugen C. darüber gesprochen, Verbindungen zur DEUFRA zu haben. Er kenne dort jemanden, der Waffen und Munition sammle, um sich für den Fall vorzubereiten, dass alles zusammenbreche. Inhaltlich sei es um ein Weltuntergangsszenario gegangen. Auf Nachfrage des Gerichts, ob damit auch ein Bürgerkrieg gemeint sein könne, hat er geantwortet, es habe die Äußerung gegeben, man sei auf den Zusammenbruch der Rechtsordnung vorbereitet. An den genauen Wortlaut erinnere er nicht, aber es sei in diese Richtung gegangen. Zwar könne er nicht mehr sagen, ob hinsichtlich Waffen und Munition die Worte "beschaffen", "einlagern" und/oder "horten" gefallen seien. Jedenfalls aber sei nicht von einem dienstlichen Aufbewahren die Rede gewesen. Er selbst habe die Äußerungen des Soldaten zunächst nicht ernstgenommen. Nach der Pressemeldung zu Franco A. sei das aber in ein anderes Licht gerückt. Das seien ihm dann zu viele Zufälle gewesen. Er habe auf die Schlagzeile "Offizier der DEUFRA sammelt Waffen" reagiert, das Bedürfnis verspürt, mit einem Kameraden über die Angelegenheit zu sprechen und sich dann an seinen "S2" gewandt, der es weitergemeldet habe.

33 Auch der Zeuge E. hat bekundet, der Soldat habe kurz vor den Veröffentlichungen zu Franco A. erzählt, dass jemand in der DEUFRA Munition gesammelt habe. Es sei um Munition für einen Bürgerkrieg gegangen. Es habe völlig verrückt geklungen und sei von ihm nicht ernstgenommen worden. Nach den Medienberichten zu Franco A. sei er vom Zeugen B. auf dem Weg zur Kaserne angerufen und gefragt worden, ob er die Nachricht gehört habe, dazu habe der Soldat doch was erzählt. Er habe die Information vor dem Bekanntwerden des Falls Franco A. nicht für meldepflichtig gehalten, sondern dem neu zuversetzten Soldaten eher das Streben nach Profilierung unterstellt. Nach Herstellung eines Sachzusammenhangs habe er die Situation aber anders bewertet.

34 Alle drei Zeugenaussagen sind glaubhaft. Sie sind jeweils in sich schlüssig und ergeben zusammen ein stimmiges Gesamtbild.

35 Dass sich in der Berufungshauptverhandlung der Zeuge B. nicht mehr an den genauen Wortlaut seines Gesprächs mit dem Soldaten erinnern konnte und sich der Zeuge E. nicht mehr erinnern konnte, ob er dieses Gespräch selbst hörte oder es sich um den Zutrag eines anderen handelte, ist der zeitlichen Distanz zum Vorfall geschuldet. Beide Zeugen waren erkennbar bemüht, ausschließlich das wiederzugeben, an das sie sich im Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung noch erinnerten, und waren sich sicher, dass die Äußerungen des Soldaten in die von ihnen erläuterte Richtung gingen.

36 Zwar sind bei der Aussage des Zeugen B. kleinere Unstimmigkeiten gegenüber früheren Aussagen festzustellen. So hatte er erstinstanzlich noch erklärt, der Soldat habe erwähnt, dass er jemanden bei der DEUFRA kenne, der Waffen und Munition für ein Weltuntergangsszenario horten solle, weil eine "Überfremdung" vermieden werden solle. Demgegenüber hat er in der Berufungshauptverhandlung von sich aus keine "Überfremdung" erwähnt. Auf Vorhalt hat er aber bestätigt, dass eine "Überfremdung" in vielen Gesprächen mit dem Soldaten Inhalt gewesen sei, sodass seine Aussagen insoweit nicht widersprüchlich sind. Des Weiteren hatte der Zeuge vorgerichtlich erklärt, er habe den Soldaten vor der Meldung vorsichtig ansprechen wollen und zu ihm gesagt, dass er doch auch Personen in ... kenne, woraufhin der Soldat Zusammenhänge mit dem Fall Franco A. verneint habe; er habe weitere Nachfragen ausgelassen, um eine Verdunkelungsgefahr auszuschließen. Hingegen hat er in der Berufungshauptverhandlung erklärt, vor seiner Meldung nicht mit dem Soldaten darüber gesprochen zu haben, weil er befürchtet habe, dass Verdunkelungsgefahr bestehe und Beweise vernichtet werden könnten. Da aber beide Aussagen insoweit übereinstimmen, als wegen befürchteter Verdunkelungsgefahr Nachfragen ausgelassen wurden, geht der Senat davon aus, dass der Zeuge den Soldaten vor der Meldung nur sehr oberflächlich ansprach, was erklärt, dass er sich daran in der Berufungshauptverhandlung nicht mehr erinnert hat.

37 Die Zeugen B. und E. haben auf den Senat auch einen glaubwürdigen Eindruck gemacht. Belastungstendenzen waren nicht ersichtlich, ebenso wenig ein Belastungsmotiv. Beide Zeugen pflegten zum Soldaten ein rein kameradschaftliches Verhältnis und hatten zu ihm außerhalb des Dienstes keinen Kontakt. Der Zeuge B. steht als Reservist dienstlich nicht in Konkurrenz zum Soldaten. Der Zeuge E. hat erklärt, Gespräche mit dem Soldaten seien auf das Nötigste beschränkt gewesen. Vom Zeugen C. hat der Senat zwar keinen persönlichen Eindruck gewinnen können. Es ist aber weder dargetan noch ersichtlich, weshalb er den Soldaten zu Unrecht belasten sollte.

38 dd) Zur Überzeugung des Gerichts steht ferner fest, dass der Zeuge A. dem Soldaten in dem Gespräch nicht den Eindruck eines rechtmäßigen Eindeckens von Bundeswehrsoldaten mit Waffen und Munition vermittelte. Zwar hat der Soldat behauptet, er sei davon ausgegangen, dass die Munition nur mit einem entsprechenden Mandat beschafft worden sei; er habe nicht den Eindruck eines rechtswidrigen Verhaltens gehabt. Dies hält der Senat aber für unglaubhaft. Denn ein rechtmäßiges Mandat für eine Eindeckung von Soldaten der Bundeswehr mit Waffen und Munition der Bundeswehr zum Einsatz in einem bürgerkriegsähnlichen Zustand gibt es nicht. Auch hat der Soldat erklärt, sich nicht zu erinnern, dass der Zeuge A. gesagt habe, dass die Munition auf dem Dienstweg beschafft worden sei. Dem entspricht es, dass sich der Zeuge B. sicher war, dass der Soldat ihm gegenüber nicht von einem dienstlichen Aufbewahren berichtete. Andernfalls hätte auch kein Grund für die Zeugen B. und E. bestanden, eine Meldung zu erwägen.

39 ee) Fest steht ferner, dass der Soldat bis zu seiner Vernehmung am Mittag des 2. Mai 2017 den Inhalt des im Februar 2016 mit dem Zeugen A. geführten Gesprächs weder seinem Vorgesetzten noch dem diensthabenden Offizier der eigenen oder nächsterreichbaren Liegenschaft bzw. Dienststelle meldete.

40 ff) Der Senat ist des Weiteren davon überzeugt, dass der Soldat bereits vor seiner Vernehmung aus der Presse erfuhr, dass Franco A. der DEUFRA angehörte und gegen ihn wegen Terrorverdachts ermittelt wurde. Der Senat glaubt ihm nicht, dass er vor seiner Vernehmung aus der Presse lediglich von der Registrierung des Franco A. als syrischer Flüchtling erfahren habe.

41 Denn es ist gerichtsbekannt, dass über den Fall Franco A. ab dem 27. April 2017 umfassend in der Presse berichtet wurde, und der Soldat hat erklärt, erstmals am 28. April 2017 im Radio über den Fall Franco A. erfahren zu haben. Der Fall erlangte medial höchste Aufmerksamkeit und veranlasste die damalige Verteidigungsministerin dazu, am 30. April 2017 der Bundeswehr öffentlich ein kollektives "Haltungsproblem" und "Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen" zu attestieren.

42 Gerichtsbekannt ist auch, dass bereits deutlich vor dem 2. Mai 2017 nicht nur über die Registrierung von Franco A. als syrischer Flüchtling berichtet wurde, sondern gerade auch über den wesentlich gewichtigeren Umstand der gegen Franco A. aufgenommenen Terrorermittlungen (siehe auch den Artikel in Die Welt "Als Flüchtling registrierter Soldat unter Terrorverdacht festgenommen" unter https://www.welt.de/politik/deutschland/article164057632/Als-Fluechtling-registrierter-Soldat-unter-Terrorverdacht-festgenommen.html, den Artikel in der Süddeutschen Zeitung "Wie sich ein deutscher Berufsoffizier als Bürgerkriegsflüchtling ausgab" unter https://www.sueddeutsche.de/politik/terrorverdacht-wie-sich-ein-deutscher-berufsoffizier-als-buergerkriegsfluechtling-ausgab-1.3481089, den Artikel "Terror in Camouflage" der Frankfurter Rundschau unter https://www.fr.de/politik/terror-camouflage-11057967.html, den Artikel "Rechtsextremer Soldat führte Doppelleben als Flüchtling" des Belltower Netzes für Digitale Zivilgesellschaft unter https://www.belltower.news/rechtsextremer-soldat-fuehrte-doppelleben-als-fluechtling-43692 und den Artikel der Zeit Online "Soldat wegen Terrorverdachts festgenommen" unter https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-04/bundeswehr-terrorverdacht-soldat-festgenommen-falsche-identitaet). Dem entspricht es, dass der Zeuge B. nach seinen Angaben auf die Schlagzeile in der Presse "Offizier der DEUFRA sammelt Waffen" reagierte und sich daher am 2. Mai 2017 an den "S2" wandte, weil in der Presse auch von Waffen gesprochen worden sei.

43 b) Anschuldigungspunkt 3 ist ebenfalls im Wesentlichen erwiesen.

44 Der Senat ist davon überzeugt, dass der Soldat zwischen dem 27. und 31. März 2017 in der Truppenküche gegenüber den Zeugen B. und C. sinngemäß äußerte, dass als Gastarbeiter aus der Türkei nur das "Pack" nach Deutschland geschickt worden sei, das in der Türkei eh' keiner haben wollte, wobei er diese Aussage auf straffällige Personen beschränkte.

45 Der Soldat hat in der Berufungshauptverhandlung ein Gespräch mit dem Zeugen C. über Gastarbeiter eingeräumt und erklärt, dass die Gastarbeiterdebatte mit einem negativen Aspekt behaftet sei, weil diese oft in der zweiten oder gar dritten Generation nicht gut integriert seien. Zwar hat er ausgesagt, an das Wort "Pack" keine Erinnerung zu haben; seine erstinstanzliche Aussage, das Wort "Pack" sei in dem Gespräch vielleicht in der Hitze der Emotionen gefallen und natürlich nicht sachlich, sei nur auf massiven Vorhalt des Truppendienstgerichts gemacht worden; tatsächlich habe er schon erstinstanzlich keine Erinnerung daran gehabt. Seine fehlende Erinnerung besagt aber nicht, dass das Wort "Pack" nicht gefallen ist.

46 Vielmehr hat der Zeuge C. erstinstanzlich erklärt, der Soldat habe in dem betreffenden Gespräch diejenigen, die straffällig geworden seien, als "Pack" bezeichnet. Zwar hat der Senat vom Zeugen C. keinen persönlichen Eindruck. Dessen protokollierte Aussage ist aber in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Für die Richtigkeit spricht seine ferner protokollierte Erklärung, er habe dem Soldaten geantwortet, man könne das nicht so pauschal sagen, dies sei aber dessen Meinung gewesen. Denn diese Diskussion lässt darauf schließen, dass die Äußerung auch vorher gefallen ist.

47 Die Aussage des Zeugen C. steht im Einklang mit der zweitinstanzlichen Aussage des Zeugen B. Dieser hat erklärt, er könne sich zwar an die Begriffe selbst nicht mehr erinnern; der Begriff "Pack" sei ihm nicht erinnerlich. Es habe aber abwertende Gespräche gegeben, in denen Türken oder südländische Einwanderer als ungebildet und unqualifiziert bezeichnet worden seien. Das Gespräch sei auf keine bestimmte Gruppe türkischer Herkunft beschränkt gewesen. Es sei eher der Unterschied zwischen den früheren und den heutigen Einwanderungswellen hinsichtlich Qualifikation und Bildung betont worden. Auch diese Aussage ist glaubhaft. Für ihre Richtigkeit spricht, dass sich der Zeuge B. nach eigenen Angaben Gedanken zu den Äußerungen des Soldaten in dem Gespräch gemacht hat, weil er selbst zur Einwanderergruppe gehöre. Dass er sich in der Berufungshauptverhandlung anders als der Zeuge C. in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung an die von diesem geschilderten Einzelheiten nicht erinnert hat, erklärt sich mit dem langen Zurückliegen des Gesprächs.

48 c) Zum Anschuldigungspunkt 6 steht fest, dass der Soldat zwischen dem 20. März und 2. Mai 2017 in seinem Dienstzimmer gegenüber dem Zeugen B. zur Abbildung eines asiatisch aussehenden Soldaten der Bundeswehr in der Zentralrichtlinie (ZR) A2-2630/0-0-5 sinngemäß äußerte, dass man davor vor nicht allzu langer Zeit Frauen noch gewarnt habe.

49 Der Senat hat dem Soldaten in der Berufungshauptverhandlung die Bilder aus den als Anlagen zum Protokoll genommenen Auszügen aus der genannten ZR und aus der vom Bundeswehrdisziplinaranwalt vorgelegten nachfolgenden Allgemeinen Regelung A1-2630/0-9804 gezeigt. Der Soldat hat daraufhin erklärt, dass er sich zwar nicht an die konkreten Bilder erinnern könne, es aber Bilder dieser Art gewesen seien, über die man sich lustig gemacht habe. Es habe eine Reihe von Witzen darüber gegeben, ohne dass er Volksgruppen habe verschmähen wollen.

50 Der Zeuge B. hat erklärt, es habe in dem vom Soldaten geschilderten Kontext die angeschuldigte Äußerung des Soldaten gegeben. Er selbst habe sie nicht witzig gefunden. Der Senat hat keinen Anhalt, an der Richtigkeit dieser Aussage zu zweifeln, da sich der Zeuge insoweit sicher war und der Soldat die dazu passenden Rahmenumstände eingeräumt hat.

51 d) Beim Anschuldigungspunkt 5 bestehen Zweifel an einer wirksamen Anschuldigung. Laut Anschuldigungsformel sollen beide angeschuldigten Äußerungen im Dienstzimmer des Soldaten in Anwesenheit der Zeugen D. und E. gefallen sein. Im Ermittlungsergebnis in der Anschuldigungsschrift heißt es hingegen, die Äußerung solle gegenüber dem Zeugen B. gemacht worden und vom Zeugen E. von dessen Dienstzimmer aus mitgehört worden sein. Ob insoweit eine wirksame Anschuldigung vorliegt, kann indes offenbleiben.

52 Erwiesen ist zum Anschuldigungspunkt 5 jedenfalls nur, dass der Soldat in seinem Dienstzimmer im Beisein jedenfalls des Zeugen B. sinngemäß äußerte, dass Königsberg immer deutsch bleibe. Denn der Soldat hat eine solche Äußerung in der Berufungshauptverhandlung eingeräumt, wobei er einschränkend erläutert hat, ihm sei es dabei ausschließlich um das kulturelle Erbe gegangen. Auch der Zeuge B. hat sich an ein Gespräch erinnert, in dem der Soldat geäußert habe: "Königsberg ist und bleibt deutsch"; er, der Zeuge, sei sich sicher, dass die Zeitform das Präsens und nicht das Präteritum gewesen sei. Demgegenüber hatte der Zeuge E. dazu keine Erinnerungen. Der Zeuge D. hatte zwei Gespräche im Kopf, die er nicht klar trennen konnte; er wisse nicht, was in welchem Gespräch gesagt worden sei; er könne sich die Äußerung "Königsberg immer deutsch" gut vorstellen, ein genauer Wortlaut sei ihm aber nicht erinnerlich. Mit der sinngemäßen Äußerung, dass Königsberg immer deutsch bleibe, hat der Soldat indes aus den unten aufgezeigten Gründen keine Dienstpflichten verletzt.

53 Nicht erwiesen ist die zweite dem Soldaten im Anschuldigungspunkt 5 vorgeworfene Äußerung, dass Polen keine legitimen Ansprüche auf die deutschen Ostgebiete habe. Der Soldat hat diese Äußerung bestritten. Die Zeugen B. und E. konnten sich an eine solche Äußerung des Soldaten in dessen Dienstzimmer nicht erinnern. Der Zeuge D. hatte zwar Erinnerungen daran, dass er sich einmal mit dem Zeugen B. im Dienstzimmer aufhielt und über seinen Einsatz in Polen sprach, der Soldat hinzukam und sich in unangemessener Weise in das Gespräch einbrachte, weshalb er ihn unter Verweis auf seinen Namen und seine Herkunft des Raumes verwies; er konnte sich aber insoweit an keine Einzelheiten erinnern; zudem hatte er - wie ausgeführt - zwei Gespräche in Erinnerung, die er nicht mehr voneinander trennen konnte.

54 e) Ebenfalls nicht erwiesen sind die Anschuldigungspunkte 2, 4 und 7.

55 aa) An die ihm im Anschuldigungspunkt 2 zur Last gelegte Äußerung, die im Beisein der Zeugen C. und B. gefallen sein soll, konnte sich der Soldat nicht erinnern. Der Zeuge C. hat erklärt, er habe die Aussage nicht gehört. Der Zeuge B. konnte sich in der Berufungshauptverhandlung nur an die Worte "Waffe in der Hand" erinnern, nicht aber an den - hier entscheidenden - Kontext, in dem diese Worte gefallen sein sollen.

56 bb) Zu der im Anschuldigungspunkt 4 genannten Bemerkung hat der Soldat in der Berufungshauptverhandlung erklärt, die Floskel "wir können sie ja nicht erschießen" habe kein Ausdruck des Bedauerns sein sollen. Der insoweit einzige Belastungszeuge B. hat in der Berufungshauptverhandlung auf mehrfaches Befragen erklärt, auch er könne die vorgeworfene Äußerung so nicht bestätigen. Er könne keinen genauen Wortlaut wiedergeben.

57 cc) Die Äußerung gemäß Anschuldigungspunkt 7 hat der Soldat ebenfalls bestritten. Der Zeuge B., dem gegenüber sie gefallen sein soll, konnte sich zwar an ein Gespräch erinnern, in dem der Soldat die Polen im Zusammenhang mit der Integration als positives Beispiel gegenüber türkischen oder südländischen Migranten darstellte. Auch auf Vorhalt des Wortlautes konnte er sich aber an die angeschuldigte Äußerung als solche nicht erinnern. Der Zeuge E., der sein Dienstzimmer neben dem des Soldaten hatte, konnte sich zwar an eine Formulierung des Soldaten "die Polen haben sich gut integriert" erinnern; das Wort "Rasse" war ihm aber nicht erinnerlich. Der Zeuge D. hat erklärt, nur bei einem der beiden Gespräche, die er noch im Kopf habe, sei der Zeuge B. anwesend gewesen, er könne aber nicht mehr sagen, bei welchem. Er erinnere sich zwar an die Floskel, dass "Polen besser integriert" seien, wisse aber nicht, in welchem Gespräch sie gefallen und ob der Zeuge B. anwesend gewesen sei. Die Formulierung "weil die Rassen besser vermischt sind" sei sicher gefallen, er wisse aber nicht, in welchem der Gespräche. In einem - nicht angeschuldigten - Gespräch, bei dem Hauptmann F. oder Hauptmann G. anwesend gewesen sei, habe der Soldat geäußert, die Polen seien näher an der deutschen Rasse dran als z. B. die Türken; eine genaue zeitliche und örtliche Einordnung sei ihm aber nicht möglich. Damit sind diese Erinnerungen zu vage, um die Anschuldigung als erwiesen anzusehen.

58 f) Über die hilfsweisen Nachtragsanschuldigungspunkte 9 und 11 ist nicht zu befinden, weil sie in objektiver Hinsicht sachgleich mit den erwiesenen Anschuldigungspunkten 3 und 6 sind. Die hilfsweisen Nachtragsanschuldigungspunkte 8 und 10 sind nicht erwiesen, weil sie in objektiver Hinsicht sachgleich mit den nicht erwiesenen Anschuldigungspunkten 2 und 4 sind.

59 2. Der frühere Soldat hat ein Dienstvergehen begangen (§ 23 Abs. 1 SG).

60 a) Mit der unterlassenen Meldung gemäß Anschuldigungspunkt 1 hat er fahrlässig seine Pflichten zum treuen Dienen (§ 7 SG) und zum innerdienstlichen Wohlverhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 SG) verletzt.

61 aa) Die Pflicht zum treuen Dienen schließt die Verpflichtung ein, dienstlichen Anweisungen auch dann zu folgen, wenn ihnen der Befehlscharakter nach § 11 SG i. V. m. § 2 Nr. 2 WStG fehlt (BVerwG, Urteil vom 4. November 2021 - 2 WD 25.20 - Buchholz 449 § 8 SG Nr. 2 Rn. 24). Dazu zählt die im Tatzeitraum maßgebliche Zentrale Dienstvorschrift (ZDv) A-2640/34 ("Meldewesen Innere und Soziale Lage der Bundeswehr"). Sie hat keinen Befehlscharakter, weil sie nicht vom Bundesverteidigungsminister oder in Vertretung von einem (beamteten) Staatssekretär erlassen wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Mai 2021 - 2 WD 16.20 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 92 Rn. 28).

62 Nach Nr. 201 ZDv A-2640/34 sind alle Angehörigen der Bundeswehr verpflichtet, Wahrnehmungen und Ereignisse, die den Verdacht auf ein im Sinne dieser Zentralen Dienstvorschrift Meldepflichtiges Ereignis darstellen oder beinhalten können, unverzüglich an die jeweils zuständigen Vorgesetzten zu melden. Kann der oder die zuständige Vorgesetzte nicht sofort erreicht werden, ist gemäß Nr. 203 in militärisch geführten Dienststellen der diensthabende Offizier der eigenen oder nächsterreichbaren Liegenschaft/Dienststelle über das meldepflichtige Ereignis zu unterrichten.

63 Meldepflichtige Ereignisse sind u. a. nach Nr. 3.3 der Verdacht auf bestimmte Straftaten von oder an Bundeswehrangehörigen, darunter Diebstahl und Unterschlagung (Nr. 333), sowie nach Nr. 3.6 der Verdacht auf Spionage, Extremismus oder Verstoß gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung, ausgeführt von oder an Bundeswehrangehörigen, darunter Friedensverrat, Hochverrat und Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates sowie Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit (Nr. 361). Jedenfalls die darauf bezogenen Meldepflichten in der sehr weit gefassten ZDv unterliegen keinen rechtlichen Bedenken. Keinen rechtlichen Bedenken unterliegt auch die Bestimmung, dass die Meldepflicht den Verdacht eines meldepflichtigen Ereignisses voraussetzt. Damit ist erkennbar - ähnlich wie im Strafprozessrecht - das Vorliegen eines Anfangsverdachtes gemeint. Er liegt vor, wenn objektiv betrachtet zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat vorliegen (§ 152 Abs. 2 StPO); völlig vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen nicht aus (Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung 66. Aufl. 2023, § 152 Rn. 4).

64 Danach hätte der Soldat schon vor seiner Vernehmung am Mittag des 2. Mai 2017 melden müssen, dass der Zeuge A. ihm gegenüber in dem Gespräch im Februar 2016 über eine nicht dienstliche Eindeckung von Soldaten der DEUFRA mit Waffen und Munition der Bundeswehr zum Einsatz im Fall eines bürgerkriegsähnlichen Zustandes berichtet hatte. Denn dabei handelte es sich um Wahrnehmungen, die den Verdacht auf Diebstahls- oder Unterschlagungstaten durch Bundeswehrangehörige im Sinne der Nr. 333 ZDv A-2640/34 zu politischen Zwecken beinhalten konnten. Diese Mitteilung des Oberleutnant A. konnte jedenfalls Ende April 2017, als die Presse über den Fall Franco A. berichtete, auch objektiv betrachtet nicht mehr als völlig vage und haltlos eingestuft werden, sodass eine Meldepflicht aufgrund der Nr. 333 ZDv A-2640/34 hinsichtlich der Informationen bestand. Für einen Verdacht im Hinblick auf ein meldepflichtiges Ereignis im Sinne der Nr. 361 ZDv A-2640/34 waren die Anhaltspunkte hingegen nicht konkret genug.

65 Der Soldat hat die Meldung fahrlässig unterlassen. Fahrlässig handelt ein Soldat, wenn es ihm bei Beachtung der ihm objektiv nach seiner Dienststellung und den Umständen des Falles obliegenden Sorgfalt und nach seinen subjektiven Fähigkeiten und Kenntnissen möglich gewesen wäre, den Eintritt der Pflichtverletzung vorherzusehen und zu vermeiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 - 2 WD 20.18 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 66 Rn. 50 m. w. N.). Der Soldat war zur Tatzeit 28 Jahre alt, Offizier und seit vielen Jahren bei der Bundeswehr. Er verfügte über das Abitur, ein abgeschlossenes Studium "Mathematical Engineering" und befasste sich in seiner Freizeit intensiv mit dem Fachgebiet Geschichte, was er kurzzeitig ebenfalls studiert hatte. Angesichts seiner Berufs- und Lebenserfahrung und intellektuellen Fähigkeiten hätte er, als ihm Ende April/Anfang Mai 2017 durch die Presse bekannt wurde, dass gegen Franco A. als einem Angehörigen der DEUFRA wegen Terrorverdachts ermittelt wurde, erkennen können und müssen, dass sein Gespräch mit dem Zeugen A. Anhaltspunkte für den Diebstahl oder die Unterschlagung von Waffen und Munition durch Bundeswehrangehörige zu politischen Zwecken enthielt. Dafür spricht auch, dass die Zeugen B. und E. mit dem Bekanntwerden des Falls Franco A. durch die Presseberichterstattung die Relevanz des zuvor nicht ernstgenommenen Inhalts des vom Soldaten wiedergegebenen Gesprächs mit dem Zeugen A. erkannten und sich einig waren, dass eine Meldung zu erfolgen hatte, weshalb sich der Zeuge B. am 2. Mai 2017 an Hauptmann H. wandte.

66 bb) Damit einher geht ein fahrlässiger Verstoß gegen die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 SG), weil der Soldat mit der unterlassenen dienstlichen Meldung nicht der Achtung und dem Vertrauen gerecht wurde, die seine Stellung erforderte, was er hätte erkennen können und müssen.

67 b) Die zum Anschuldigungspunkt 3 festgestellte Äußerung ist eine vorsätzliche Verletzung der Zurückhaltungspflicht (§ 10 Abs. 6 SG) und der innerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 SG).

68 Zwar können sich auch Soldaten auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG berufen. Sie haben gemäß § 6 Satz 1 SG grundsätzlich die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie jeder andere Staatsbürger. Grundrechtlich geschützt sind durch die Meinungsfreiheit insbesondere Werturteile, also Äußerungen, die durch ein Element der Stellungnahme gekennzeichnet sind. Dies gilt ungeachtet des womöglich ehrschmälernden Gehalts einer Äußerung. Dass eine Aussage polemisch oder verletzend formuliert ist, entzieht sie nicht dem Schutzbereich des Grundrechts (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. März 2022 - 1 BvR 2650/19 - juris Rn. 12 m. w. N.). Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet das Grundrecht der Meinungsfreiheit aber seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Dazu gehören auch § 10 Abs. 6 und § 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 SG, welche die Meinungsfreiheit zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr einschränken. Dabei besteht zwischen Grundrechtsschutz und Grundrechtsschranken eine Wechselwirkung. Gesetzliche Regelungen, die die Meinungsfreiheit beschränken, sind aus der Erkenntnis der grundlegenden Bedeutung der Meinungsfreiheit ihrerseits wieder einschränkend auszulegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juli 2020 - 2 WD 15.19 - BVerwGE 169, 66 Rn. 23 m. w. N.). Danach hat der Soldat beide Dienstpflichten verletzt:

69 aa) Nach § 10 Abs. 6 SG haben Offiziere und Unteroffiziere innerhalb und außerhalb des Dienstes bei ihren Äußerungen die Zurückhaltung zu wahren, die erforderlich ist, um das Vertrauen als Vorgesetzte zu erhalten.

70 § 10 Abs. 6 SG erfasst alle Äußerungen, die geeignet sind, das Vertrauen in Vorgesetzte zu erschüttern. Bei der Auslegung ist vom objektiven Erklärungsgehalt auszugehen, wie ihn ein unbefangener Dritter verstehen musste. Dabei sind alle Begleitumstände einschließlich des Kontextes und der sprachlichen und gesellschaftlichen Ebene, auf der die Äußerungen fielen, zu berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2022 - 2 WD 4.21 - Buchholz 450.2 § 77 WDO 2002 Nr. 1 Rn. 34 m. w. N.). Maßgeblich für die Deutung ist nicht die subjektive Absicht des sich Äußernden, sondern der Sinn, den die Äußerung nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums hat (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. November 2021 - 1 BvR 11/20 - juris Rn. 17 m. w. N.).

71 Die sinngemäße Äußerung, dass als Gastarbeiter aus der Türkei nur das "Pack" nach Deutschland geschickt worden sei, das in der Türkei eh' keiner haben wollte, war auch unter Berücksichtigung der Beschränkung der Aussage auf straffällig gewordene Personen, ihrem Sinngehalt nach objektiv abfällig. Der Soldat hat damit nach dem allgemeinen Wortverständnis die betreffende Personengruppe als minderwertig im Vergleich zu den übrigen in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Personen abgestempelt.

72 Darin liegt zwar deswegen keine nach § 185 StGB strafbare Sammelbeleidigung, weil eine unüberschaubar große Gruppe von Personen abwertend beurteilt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 1995 - 1 BvR 1476/91 u. a. - BVerfGE 93, 266 = juris Rn. 137 ff.). Ferner hat der Soldat der pauschalen Abwertung bestimmter türkischer Einwanderer als "Pack" eine argumentative Erläuterung gegeben, sodass keine Schmähkritik vorliegt, welche die grundsätzlich erforderliche abwägende Gewichtung der durch die Meinungsäußerung betroffenen Rechtsgüter und Interessen mit der Meinungsfreiheit ausnahmsweise entbehrlich macht (dazu BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. November 2021 - 1 BvR 11/20 - juris Rn. 15 m. w. N.). Dies bedeutet jedoch nicht, dass die pauschale Diskriminierung bestimmter Ausländer als "Pack" mit der Pflicht eines Offiziers aus § 10 Abs. 6 SG zur Mäßigung vereinbar wäre und dass bei der gebotenen Abwägung ein Indiz für einen Vorrang der Meinungsfreiheit bestünde (BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. November 2021 - 1 BvR 11/20 - juris Rn. 16). § 10 Abs. 6 SG verlangt von einem Unteroffizier und Offizier, bei seinen Äußerungen die Zurückhaltung zu wahren, die erforderlich ist, um das Vertrauen als Vorgesetzter zu erhalten. Denn Vorgesetzte brauchen das Vertrauen der Soldaten, die sie führen. Sie sollen ihren Soldaten auch durch Besonnenheit, Offenheit und sachliches Urteil ein Vorbild sein. Intolerantes Auftreten ist damit unvereinbar. Der Sinn der Vorschrift ist es regelmäßig nicht, bestimmte Meinungsäußerungen wegen ihres Inhalts zu verbieten. Den Vorgesetzten bleibt es unbenommen, ihre Meinung frei zu äußern. Sie müssen ihren Standpunkt aber zum Erhalt ihrer Autorität als Vorgesetzte besonnen, tolerant und sachlich vertreten (BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1970 - 2 BvR 531/68 - BVerfGE 28, 36 <47>; BVerwG, Urteil vom 1. Juli 2020 - 2 WD 15.19 - BVerwGE 169, 66 Rn. 14).

73 Dieses Sachlichkeitsgebot muss zwar seinerseits im Lichte des Art. 5 Abs. 1 GG einschränkend ausgelegt werden, wenn ein besonderes Interesse an einer Äußerung der eigenen Meinung in einer weniger sachlichen oder überspitzten Form besteht. Im vorliegenden Fall überwiegt die Meinungsfreiheit des Soldaten jedoch nicht das dienstliche Interesse daran, dass ein Offizier durch eine zurückhaltende Wortwahl seiner Vorbildrolle gerecht wird. Die betreffende Äußerung fiel nicht unbedacht, sondern im Rahmen eines am Mittagstisch im Kameradenkreis über die Tagespolitik kontrovers geführten Gesprächs. Der Soldat hat an seiner Äußerung mit der genannten Einschränkung auf straffällige Personen auch auf Vorhalt durch den Zeugen C. festgehalten. Die Verwendung des abwertenden Wortes "Pack" war dabei aus objektiver Sicht emotionalisierend auf Stimmungsmache angelegt und für den Beitrag zur Meinungsbildung nicht erforderlich.

74 Die Äußerung genießt auch nicht den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation (dazu BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2022 - 2 WD 4.21 - Buchholz 450.2 § 77 WDO 2002 Nr. 1 Rn. 48 ff.). Denn zwischen dem Soldaten und seinen Gesprächspartnern B. und C. bestand kein solches Vertrauensverhältnis, dass mit einem Bekanntwerden der Äußerung nicht zu rechnen war.

75 Von der in § 10 Abs. 6 SG für Offiziere und Unteroffiziere normierten Pflicht zur Zurückhaltung bei dienstlichen und außerdienstlichen Äußerungen werden wegen des Schutzzwecks der Norm nur solche Äußerungen erfasst, die Untergebenen zu Gehör kommen oder in die Öffentlichkeit dringen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2008 - 2 WD 1.08 - BVerwGE 132, 179 Rn. 34). Auch diese Voraussetzung liegt vor, weil der Zeuge C. damals Oberfähnrich war und damit einen niedrigeren Dienstgrad hatte als der Soldat als Oberleutnant.

76 bb) Damit einher geht ein vorsätzlicher Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 SG. Denn die Äußerung war ihrem Inhalt nach aus den genannten Gründen geeignet, das dienstliche Ansehen des Soldaten bei Untergebenen ernsthaft zu beeinträchtigen.

77 cc) Nicht hingegen liegt ein Verstoß gegen § 8 SG vor, wonach ein Soldat die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anerkennen und durch sein gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung eintreten muss.

78 (1) Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Soldat die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes nicht anerkennt und die Bemerkung daher Ausdruck einer tatsächlichen verfassungsfeindlichen Gesinnung war (§ 8 Alt. 1 SG), bestehen nicht. Der Soldat hat eine verfassungsfeindliche Gesinnung in Abrede gestellt. Er hat in der Berufungshauptverhandlung erklärt, er habe als Soldat einen Eid geleistet und betrachte sich auch als Demokrat; er nehme sein Wahlrecht wahr und engagiere sich regelmäßig als Wahlhelfer. Politisch sei er in keiner Partei aktiv. Die ... Burschenschaft ..., der er seit 2012 angehöre, halte deutlich Abstand zu schlecht beleumundeten Burschenschaften.

79 Die Einlassung des Soldaten ist glaubhaft. In den Verfassungsschutzberichten Bayern 2021 (S. 221), 2020 (S. 177), 2018 (S. 166), 2017 (S. 158 f.) und 2016 (S. 159 f.) wird unter den sonstigen rechtsextremistischen Organisationen als Burschenschaft auch lediglich die Danubia ... genannt, im Verfassungsschutzbericht Bayern 2019 (S. 183 f.) zudem die Markomannia ... Auch die Zeugenaussagen lassen lediglich auf eine sehr konservative Haltung des Soldaten, nicht aber auf eine verfassungsfeindliche Gesinnung schließen.

80 Zwar wird der Soldat in einem Schreiben des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) vom 21. Mai 2021 als "Verdachtsperson mit Erkenntnissen über fehlende Verfassungstreue" bezeichnet. Dies wird aber im Wesentlichen auf Äußerungen des Soldaten gestützt, die, soweit sie im vorliegenden Verfahren bewiesen worden sind, für sich genommen keine verfassungsfeindliche innere Einstellung belegen. Die darüber hinaus im Schreiben des BAMAD angeführten Literaturinteressen des Soldaten (Erwin Rommel und Ernst Jünger) besagen nicht, dass er etwaige verfassungsfeindliche Ansichten der Autoren teilt. Auch das in dem Schreiben erläuterte Ergebnis einer Einsichtnahme in das Facebook-Profil des Soldaten ist hinsichtlich der Frage seiner Verfassungstreue nicht hinreichend aussagekräftig. Danach wies seine Freundesliste Bekanntschaften zu acht Personen auf, die in der Burschenschaftsszene aktiv sind und deutliche Bezüge zum Rechtsextremismus aufweisen. Nach den unwiderlegten Angaben des Soldaten umfasste die Freundesliste insgesamt jedoch rund 200 Personen und bestehen zu den acht genannten Personen, deren zweifelhafter Ruf ihm nach seinen nicht widerlegbaren Angaben nicht bekannt war, keine tieferen Beziehungen; ihre Aufnahme in die Freundesliste beruhte auf Treffen von Burschenschaften in verschiedenen Städten. Dies genügt weder für die Annahme, der Bekanntenkreis des Soldaten bestehe überwiegend aus Personen, die dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen wären, noch für die Annahme, er teile die innere Einstellung der betreffenden Personen.

81 (2) Zwar geht die Verpflichtung zum Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung nach § 8 Alt. 2 SG weiter als die Pflicht zu ihrer Anerkennung gemäß § 8 Alt. 1 SG. Sie wird bereits verletzt, wenn ein Soldat sich nicht eindeutig von Bestrebungen distanziert, die diesen Staat und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Januar 2021 - 2 WD 7.20 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 89 Rn. 28). Ein Soldat darf daher auch nicht entgegen seiner inneren verfassungstreuen Gesinnung aus Solidarität zu Freunden, Übermut, Provokationsabsicht oder anderen Gründen nach außen hin verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützen und sich objektiv betrachtet illoyal verhalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2020 - 2 WD 17.19 - BVerwGE 168, 323 Rn. 39). Dies hat der Soldat mit seiner ausländerfeindlichen Bemerkung aber auch nicht getan. Sie ist zwar diskriminierend, lässt jedoch noch nicht den Schluss zu, dass der Soldat die Menschenwürde als konstitutives Verfassungselement nicht anerkennt. Damit bewegt sie sich unterhalb der Schwelle eines objektiv illoyalen Verhaltens oder Unterstützens verfassungsfeindlicher Bestrebungen.

82 c) Die Äußerung "Königsberg bleibt immer deutsch" gemäß Anschuldigungspunkt 5, verletzt nicht das Zurückhaltungsgebot des § 10 Abs. 6 SG, weil sie weder öffentlich noch in Anwesenheit eines Untergebenen fiel. Sie verstößt nicht gegen die insoweit allein in Betracht zu ziehende innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht. Sie ist von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gedeckt.

83 Die Äußerung ist, weil ihr Kontext nicht mehr klar ermittelt werden kann, objektiv mehrdeutig. Sie kann sich auf die historische und kulturelle Prägung der Stadt beziehen und soll nach Angaben des Soldaten nur in diesem Sinne gemeint gewesen sein. Sie kann aber auch als politische Aussage zur staats- und völkerrechtlichen Zugehörigkeit der Stadt verstanden werden, was wohl eher dem uneingeschränkten Duktus "ist und bleibt deutsch" und den von den Zeugen erinnerten, sonstigen Äußerungen des Soldaten in anderen Gesprächen entspricht. In beiden Fällen liegt eine grundsätzlich von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsäußerung vor. Die Äußerung lässt sich nicht auf eine bewusst unwahre Tatsachenbehauptung reduzieren, die von vornherein aus dem Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit herausfiele (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 1994 - 1 BvR 434/87 - BVerfGE 90, 1 Rn. 57). Die Tatsache, dass Königsberg heute Kaliningrad heißt und völkerrechtlich seit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag (Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland vom 12. September 1990, BGBl. II 1318) kein deutsches Staatsgebiet mehr ist, wird nicht explizit bestritten. Darum liegt auch bei einem politischen Verständnis der Parole "ist und bleibt deutsch" die Annahme nahe, dass keine unzutreffende Tatsachenbeschreibung abgegeben wird, sondern eine politische Stellungnahme, Kaliningrad solle wie früher wieder Teil des deutschen Staates werden.

84 Gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 SG als Schranke der Meinungsfreiheit verstößt ein Soldat durch eine solche Äußerung auch dann nicht, wenn ihr bei objektiver Auslegung neben dem vom Soldaten angeführten kulturellen Kontext eine entsprechende politische Aussage beigemessen wird. Eine solche sehr nationalistische Äußerung verkennt zwar die Folgen des Zweiten Weltkrieges und die Bedeutung der insoweit abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge für den Prozess der deutschen Wiedervereinigung und den Frieden in Europa. Vom Schutz der Meinungsfreiheit sind jedoch persönliche Stellungnahmen unabhängig davon erfasst, ob die Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird (BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 1995 - 1 BvR 1476/91 u. a. - BVerfGE 93, 266 = juris Rn. 108). Daher können in einer Diskussion unter dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG auch hinsichtlich des Staatsgebiets der Bundesrepublik Deutschland nationalistisch-revisionistische Zielvorstellungen vertreten werden, die die Bundesregierung aus guten Gründen aufgegeben hat. Dies genügt für einen Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 SG nicht, da nicht unter Verletzung der gesetzlichen Schranken des Grundrechts auf freie Rede einer gewaltsamen Grenzverschiebung das Wort geredet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juni 1999 - 1 D 74.98 - BVerwGE 113, 347 <352> zu § 53 BBG).

85 d) Hinsichtlich der Bemerkung gemäß Anschuldigungspunkt 6 scheidet die vom Bundeswehrdisziplinaranwalt angenommene Verletzung der Kameradschaftspflicht gegenüber den in der Zentralen Dienstvorschrift abgebildeten Personen aus. Dafür fehlt der Nachweis, dass es sich überhaupt um Soldaten der Bundeswehr handelt. Bei der zum Tatzeitpunkt maßgeblichen Zentralen Dienstvorschrift ist nach dem Ergebnis der Inaugenscheinnahme des Senats nicht einmal sicher, ob es sich um reale oder virtuelle Personen handelt. Für eine strafbare Beleidigung nach § 185 StGB ist aus diesem Grund ebenfalls kein Raum, zumal der Soldat bei seinem misslungenen Scherz nur auf eine frühere Diskriminierung asiatischer Männer angespielt hat, ohne sie sich in der für eine Strafbarkeit erforderlichen Eindeutigkeit zu eigen zu machen (vgl. Hilgendorf, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2009, § 185 Rn. 33). Auch wenn die Bemerkung als unpassend bewertet werden muss, ist kein disziplinarrechtlich relevanter Verstoß gegen das für Offiziere geltende Mäßigungsgebot des § 10 Abs. 6 SG gegeben. Denn die Äußerung ist in einem Gespräch zwischen zwei gleichrangigen Offizieren gefallen und keinem Untergebenen zu Gehör gekommen. Dies spricht auch gegen eine Verletzung der innerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht. Denn es kann schwerlich angenommen werden, dass der nur in einem Zweier-Gespräch gefallene misslungene Scherz des Soldaten das für seine dienstliche Stellung erforderliche Ansehen - wie § 17 Abs. 2 Satz 1 SG es fordert - ernsthaft beeinträchtigt.

86 3. Bei Art und Maß der für das Dienstvergehen zu verhängenden Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i. V. m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen. Insoweit legt der Senat ein zweistufiges Prüfungsschema zugrunde:

87 a) Auf der ersten Stufe bestimmt er zwecks Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle und im Interesse der Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die betreffende Fallgruppe als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen.

88 Der Schwerpunkt der gemäß § 18 Abs. 2 WDO einheitlich zu ahndenden Pflichtverletzungen liegt in der fahrlässig unterlassenen Meldung einer Information zu einem Diebstahl von Waffen und Munition der Bundeswehr durch Bundeswehrsoldaten für politische Zwecke.

89 Eine gefestigte Rechtsprechung des Senats zum Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen besteht insoweit nicht. So wie der Senat bei Verstößen gegen die Gehorsamspflicht das disziplinare Gewicht eines Ungehorsams umso höher einstuft, je größer die dadurch drohenden Gefahren für ein bedeutsames Rechtsgut sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 - 2 WD 20.18 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 66 Rn. 61 m. w. N.), hängt auch der Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bei unterlassenen Meldungen von den dadurch bedrohten Rechtsgütern ab.

90 Danach ist bei einer vorsätzlich unterlassenen Meldung von Informationen für einen Diebstahl oder eine Unterschlagung von Waffen und Munition der Bundeswehr durch Bundeswehrsoldaten für politische Zwecke Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Höchstmaßnahme. Denn die drohenden Gefahren für Leib oder Leben einer Vielzahl von Personen sind in einem solchen Fall unabsehbar hoch. Das Dienstvergehen wiegt außerdem besonders schwer, weil es dem besonderen Dienst- und Treueverhältnisses eines Soldaten aus Art. 33 Abs. 4 GG fundamental widerspricht, der Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten im Sinne des § 89a StGB oder anderer politisch motivierter Gewalttaten regungslos zuzusehen und eine illegale Munitions- und Waffenbeschaffung aus Bundeswehrbeständen zu diesen Zwecken wissentlich und willentlich nicht zu melden.

91 Bei einer fahrlässig unterlassenen Meldung dahingehender Informationen muss eine mildere Maßnahmeart den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bilden. Dies folgt aus dem auch für das Disziplinarrecht geltenden Schuldprinzip sowie aus dem Übermaßverbot (BVerfG, Beschluss vom 12. August 2015 - 2 BvR 2646/13 - juris Rn. 25 m. w. N.). Beide Grundsätze gebieten eine differenzierende Abstufung des Ausgangspunkts der Zumessungserwägungen. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass fahrlässige Pflichtverletzungen grundsätzlich milder zu ahnden sind als vorsätzliche Pflichtverletzungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Mai 2018 - 2 WD 2.18 - juris Rn. 28). Dementsprechend ist bei einer fahrlässig unterlassenen Meldung von Informationen über einen Diebstahl oder eine Unterschlagung von Waffen und Munition der Bundeswehr für politische Zwecke Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen eine Dienstgradherabsetzung.

92 b) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die genannten Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die ein Abweichen von der Regelmaßnahme gebieten. Danach ist vorliegend zur nächstmilderen Maßnahmeart eines Beförderungsverbots überzugehen, das auf 24 Monate zu begrenzen und mit einer Kürzung der Dienstbezüge um 1/5 für die Dauer von zwölf Monaten zu verbinden ist.

93 aa) Zwar sprechen einige Umstände gegen den Soldaten:

94 (1) So hatte er zu den Tatzeitpunkten wegen seines Dienstgrads als Oberleutnant eine Vorgesetztenstellung inne (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 SG i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VorgV). Nach § 10 SG war er damit zu vorbildlicher Pflichterfüllung verpflichtet. Wer in dieser Stellung eine Pflichtverletzung begeht, gibt ein schlechtes Vorbild ab, was das Gewicht seines Dienstvergehens erhöht (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Oktober 2020 - 2 WD 20.19 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 84 Rn. 40 m. w. N.). Dabei ist es nicht erforderlich, dass es der Soldat innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es genügt das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrads (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Januar 2021 - 2 WD 7.20 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 89 Rn. 40 m. w. N.). Hinsichtlich der Verletzung des § 10 Abs. 6 SG wiegt die Vorgesetztenstellung allerdings nicht erschwerend, weil diese Pflicht eine Vorgesetztenstellung voraussetzt.

95 (2) Darüber hinaus hatte das Dienstvergehen nachteilige Auswirkungen für den Dienstherrn.

96 Denn dem Soldaten wurde mit Verfügung vom 5. Mai 2017 bis auf Weiteres die Dienstausübung untersagt und er ist seit dem 27. April 2018 unter voller Fortzahlung der Dienstbezüge vorläufig des Dienstes enthoben. Diese Maßnahmen sind zu seinen Lasten zu gewichten, weil er sie durch sein Verhalten verursacht hat, dem Bund durch die gleichwohl erfolgte Fortzahlung der vollen Dienstbezüge ein erheblicher finanzieller Schaden entstanden ist und die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung (dazu BVerwG, Beschluss vom 31. März 2020 - 2 WDB 2.20 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 11 Rn. 37) bei ihrer Anordnung keinen durchgreifenden Zweifeln unterlag (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2021 - 2 WDB 14.20 - Buchholz 450.2 § 82 WDO 2002 Nr. 2 Rn. 12). Denn ein besonderer Grund für Anordnungen nach § 126 Abs. 1 WDO ist regelmäßig gegeben, wenn mindestens eine Dienstgradherabsetzung im Raum steht und der Dienstbetrieb bei einem Verbleib des Soldaten im Dienst empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet würde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 2020 - 2 WDB 5.20 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 12 Rn. 24 m. w. N.). Diese Voraussetzungen lagen hier zunächst wegen des Vorwurfs der fahrlässig unterlassenen Meldung, welche die genannte Regelmaßnahme nach sich zieht, und der durch das Bekanntwerden dieses Vorfalls innerhalb der Bundeswehr entstandene Aufruhr vor. Allerdings wird die erschwerende Wirkung teilweise dadurch aufgehoben, dass die verhängten Maßnahmen unverhältnismäßig lange andauern. Daher hätte die vorläufige Dienstenthebung zwischenzeitlich von Amts wegen nach § 126 Abs. 5 Satz 1 WDO aufgehoben werden müssen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2020 - 2 WDB 6.19 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 10).

97 Zudem hat sich das Dienstvergehen innerhalb der Bundeswehr schnell herumgesprochen. Dies ergibt sich aus der Aussage des Zeugen Oberst I.

98 Demgegenüber wird der weitere für den Dienstherrn nachteilige Umstand, dass das Dienstvergehen durch die Presse auch außerhalb der Bundeswehr bekannt geworden ist, dadurch kompensiert, dass bei der Weitergabe von Informationen an die Presse nicht auf eine hinreichende Anonymisierung der personenbezogenen Daten des Soldaten geachtet wurde. Infolgedessen war er zum Teil in den Presseberichten identifizierbar und hat dadurch nach eigenen Angaben erhebliche Nachteile erlitten. Soweit zweifelhaft erscheint, ob die Informationsweitergabe seitens der Bundeswehr erfolgte, ist dieser Umstand angesichts seiner Unaufklärbarkeit zugunsten des Soldaten anzunehmen.

99 bb) Dem stehen folgende für den Soldaten sprechenden Umstände gegenüber:

100 (1) Das Dienstvergehen wiegt nach Art und Schwere im Vergleich zu anderen denkbaren Fällen unterdurchschnittlich schwer. Denn der Soldat besaß nach seinen unwiderlegbaren Angaben keine näheren Informationen über die Vorgänge in der Deutsch-Französischen Brigade. Er hätte darum im April 2017 nur über das Gespräch mit Oberleutnant A. berichten und damit die Information geben können, dass weitere Ermittlungen bei ihm ansetzen mussten. Diese Information war zwar zum Zeitpunkt der Meldepflicht für die nachträgliche Aufklärung des Vorgangs von Interesse. Sie war aber nicht mehr von Bedeutung für die Verhinderung weiterer illegaler Waffendelikte oder politisch motivierter Gewalttaten. Die Auswirkungen der unterbliebenen Meldung waren deswegen im Vergleich zu anderen denkbaren Fällen gering. Die andererseits hinzutretenden erwiesenen Äußerungen, soweit dadurch Dienstpflichten verletzt wurden, verleihen dem Dienstvergehen nach Art und Schwere kein erheblich erschwerendes Gewicht.

101 (2) Zudem hat der Soldat bis zu seiner vorläufigen Dienstenthebung überdurchschnittliche dienstliche Leistungen erbracht. Dies ergibt sich aus dem Dienstzeugnis vom 7. Oktober 2009, der Anlassbeurteilung vom 19. September 2011, den Beurteilungsvermerken vom 15. Dezember 2010, 6. Juni 2011, 16. September 2015, 14. Dezember 2015 und 10. Februar 2017, der Aussage des Leumundszeugen und dem Leistungsabzeichen Stufe III (Gold) 5. Prüfung.

102 (3) Auch war er teilweise geständig.

103 (4) Vor allem aber ist mildernd zu berücksichtigen, dass der Dienstherr seine Fürsorgepflicht (§ 31 Abs. 1 Satz 1 SG) gegenüber dem Soldaten verletzt hat. Er hat sich, nachdem er dem Soldaten mit Verfügung vom 5. Mai 2017 die Dienstausübung untersagt und ihn mit der Einleitungsverfügung vom 21. März 2018 vorläufig des Dienstes enthoben hatte, nicht mehr um dessen Wohl gekümmert. Er hat keinerlei Bemühungen unternommen, ihm eine Rückkehr in den Dienst, ggf. in einer anderen örtlichen und fachlichen Verwendung, zu ermöglichen, obwohl sich weder aus den bereits am 8. Mai 2017 beendeten Vernehmungen und dem am 18. Januar 2018 eingestellten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Gesinnung ergeben hatten.

104 cc) Weitere mildernde Umstände liegen hingegen nicht vor.

105 (1) Eine Maßnahmemilderung ist nicht wegen eines sogenannten faktischen Beförderungsverbots geboten. Dieses setzt voraus, dass eine konkret anstehende Beförderung durch das Disziplinarverfahren verhindert wurde (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Juni 2018 - 2 WD 4.18 - NZWehrr 2020, 114 Rn. 44 und vom 18. Juli 2019 - 2 WD 19.18 - BVerwGE 166, 189 Rn. 34 m. w. N.). Ein solcher Fall liegt vor, wenn die Aushändigung einer bereits erstellten Beförderungsurkunde aktenkundig wegen des Disziplinarverfahrens unterbleibt (dazu BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2018 - 2 WD 4.18 - NZWehrr 2020, 114 Rn. 44) oder wenn nach Bestehen einer beruflichen Prüfung regelmäßig eine Beförderung erfolgt und dies im konkreten Fall allein wegen des Disziplinarverfahrens entfällt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2019 - 2 WD 19.18 - BVerwGE 166, 189 Rn. 34). Beides ist nicht der Fall. Dass der Soldat zwar seit 2019 die zeitlichen Voraussetzungen für eine Beförderung zum Hauptmann erfüllte, steht dem nicht gleich.

106 (2) Einsicht und Reue hat der Soldat nicht gezeigt, sodass sie nicht mildernd berücksichtigt werden können. Dieses Verhalten bildet jedoch auch keinen nachteiligen Umstand (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juli 2021 - 2 WD 6.21 - juris Rn. 43 m. w. N.).

107 dd) Bei einer Gesamtwürdigung aller für und gegen den Soldaten sprechenden Umstände wäre an sich ein Beförderungsverbot von drei Jahren und fünf Monaten angemessen. Denn die Fürsorgepflichtverletzung des Dienstherrn gebietet den Übergang von der Dienstgradherabsetzung (§ 58 Abs. 1 Nr. 4 WDO) zur nächstmilderen Maßnahmeart eines Beförderungsverbots (§ 58 Abs. 1 Nr. 2 WDO). Von den verbleibenden Umständen überwiegen diejenigen zu Gunsten des Soldaten, sodass der nach § 60 Abs. 2 Satz 1 WDO bis höchstens vier Jahre reichende Rahmen des Beförderungsverbotes nicht voll auszuschöpfen wäre.

108 ee) Die ungerechtfertigte Überlänge des Disziplinarverfahrens um etwa 17 Monate gebietet eine weitere Verringerung des Disziplinarmaßes.

109 Denn in Fällen, in denen statt der Höchstmaßnahme eine pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme geboten ist, ist eine gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK und Art. 19 Abs. 4, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG verstoßende, unangemessene Verfahrensdauer bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme aus Gründen der Verhältnismäßigkeit mildernd zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 2020 - 2 WD 18.19 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 82 Rn. 75 m. w. N.), wobei der für die Verfahrensdauer maßgebliche Zeitraum ein behördliches Vorschaltverfahren umfassen kann (vgl. EGMR, Urteil vom 16. Juli 2009 - 8453/04, Bayer/Deutschland - NVwZ 2010, 1015 Rn. 44).

110 Bezugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit ist die Gesamtverfahrensdauer. Daher bewirken Verzögerungen, die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten eingetreten sind, nicht zwingend die Unangemessenheit der Verfahrensdauer. Vielmehr ist im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung zu überprüfen, ob Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens kompensiert wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 2022 - 2 WD 2.22 - juris Rn. 83).

111 (1) Danach war zum einen das in die Betrachtung einzubeziehende disziplinarische Vorermittlungsverfahren (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 2 WD 1.20 - BVerwGE 169, 388 Rn. 41) um etwa drei Monate überlang. Bei der Bestimmung der Überlänge des Einleitungsverfahrens ist zum einen zu berücksichtigen, dass der Wehrdisziplinaranwaltschaft für die erforderlichen Beteiligungen und die Anhörung des Betroffenen (§ 93 Abs. 1 Satz 2 WDO) ein angemessener Bearbeitungszeitraum von drei Monaten einzuräumen ist. Zum anderen muss eingestellt werden, dass sie bei früherer Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens gehalten gewesen wäre, es im Hinblick auf die laufenden strafprozessualen Verfahren nach § 83 WDO vorläufig auszusetzen, bis die Sachaufklärung gesichert war (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2021 - 2 WD 26.20 - juris Rn. 54). Die Befragungen des Soldaten und der Zeugen im Zuge der Vorermittlungen waren am 8. Mai 2017 abgeschlossen, als die Sache am selben Tag an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurde. Danach lagen hinreichende Anhaltspunkte für erhebliche Dienstpflichtverletzungen des Soldaten vor, sodass ein gerichtliches Disziplinarverfahren bereits hätte eingeleitet werden können. Zwar hätte es bis zum Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ausgesetzt werden müssen, hätte dann aber unmittelbar nach der unter dem 18. Januar 2018 erfolgten Mitteilung der Staatsanwaltschaft an die Wehrdisziplinaranwaltschaft über die Einstellung des teilweise sachgleichen Ermittlungsverfahrens direkt fortgeführt werden können. Stattdessen wurde es erst rund drei Monate später am 27. April 2018 eingeleitet.

112 (2) Darüber hinaus weist das gut zweieinhalb Jahre lange erstinstanzliche Verfahren eine nicht gerechtfertigte Überlänge von etwa eineinhalb Jahren auf. Im Hinblick auf die durchschnittliche Schwierigkeit und die erhebliche Bedeutung des Verfahrens wäre zu erwarten gewesen, dass das Urteil binnen eines guten Jahres ergeht. Besondere Gründe für die mangelnde Förderung des Verfahrens sind der Akte nicht zu entnehmen. Dies lässt darauf schließen, dass sie auf die gerichtsbekannte Überlastung der Truppendienstgerichte zurückgeht. Diesen strukturellen Mangel hat der Soldat nicht zu verantworten.

113 (3) Demgegenüber kann sich der Soldat nicht darauf berufen, dass auch der Zeitraum zwischen der Zustellung der Einleitungsverfügung an ihn und dem Eingang der Anschuldigungsschrift beim Truppendienstgericht unangemessen lang war. Denn er hat in diesem Verfahrensstadium keinen Antrag beim Truppendienstgericht nach § 101 Abs. 1 Satz 1 WDO gestellt, um auf eine Beschleunigung des Verfahrens hinzuwirken (vgl. EGMR, Urteil vom 16. Juli 2009 - 8453/04, Bayer/Deutschland - NVwZ 2010, 1015 Rn. 51; BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2019 - 2 WD 19.18 - BVerwGE 166, 189 Rn. 42).

114 (4) Das binnen gut acht Monaten abgeschlossene Berufungsverfahren war um rund vier Monate unterdurchschnittlich lang, was kompensatorisch zu berücksichtigen ist.

115 (5) Die damit vorliegende Überlänge des Gesamtverfahrens um etwa 17 Monate führt dazu, dass ein Beförderungsverbot von nur 24 Monaten zu verhängen ist. Da es erkennbar keine Auswirkungen auf den weiteren dienstlichen Werdegang des Soldaten haben wird, ist es nach § 58 Abs. 4 Satz 2 WDO mit einer Kürzung der Dienstbezüge zu verbinden. Innerhalb des insoweit durch § 59 Satz 1 WDO eröffneten Rahmens ist eine Kürzung um 1/5 für die Dauer von zwölf Monaten angemessen.

116 4. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten auf § 138 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 WDO. Da sich der Hauptvorwurf bestätigt hat, ist es nicht unbillig, den Soldaten insoweit auch mit seinen notwendigen Auslagen zu belasten (§ 140 Abs. 2 Satz 1 WDO). Hinsichtlich der zweitinstanzlichen Kosten beruht die Kostenentscheidung auf § 139 Abs. 3, § 140 Abs. 5 Satz 1 WDO.