Beschluss vom 11.06.2025 -
BVerwG 1 B 7.25ECLI:DE:BVerwG:2025:110625B1B7.25.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 11.06.2025 - 1 B 7.25 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:110625B1B7.25.0]
Beschluss
BVerwG 1 B 7.25
- VG Trier - 27.02.2023 - AZ: 9 K 2441/22.TR
- OVG Koblenz - 10.02.2025 - AZ: 13 A 10130/24.OVG
In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 11. Juni 2025 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Fleuß und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fenzl beschlossen:
- Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. Februar 2025 wird verworfen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1 1. Die allein auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg, weil sie bereits nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entspricht.
2 1.1 Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung entscheidungserhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt und im Einzelnen aufzeigt, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der Frage zugrunde liegt, zu folgen ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. Juni 2006 - 6 B 22.06 - NVwZ 2006, 1073 Rn. 4 f. und vom 10. August 2015 - 5 B 48.15 - juris Rn. 3 m. w. N.). Die Darlegung muss sich auch auf die Entscheidungserheblichkeit des jeweils geltend gemachten Zulassungsgrunds erstrecken.
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1.2 Nach diesen Grundsätzen ist die Revision nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Fragen zuzulassen,
inwieweit ein Ermittlungsverfahren in der Türkei wegen des Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 2 des türkischen Anti-Terrorgesetzes bereits die Schwelle für asylrechtlich relevante Verfolgungshandlungen erreicht und überschreitet, auch wenn man dabei nach den Entscheidungsgründen des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz im Ergebnis davon ausgeht, dass der Kläger sich nicht auf die Beweiserleichterungen des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU berufen kann,
ob die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts, der Kläger könne sich nicht auf die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU berufen, mit dem Asylrecht zu vereinbaren ist,
zudem bestehe Anlass für eine revisionsrechtliche Überprüfung der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz, die dem Kläger im Rückkehrfall konkret jedenfalls bis zur Vorführung bei der Generalstaatsanwaltschaft und bis nach der Vernehmung dort drohende Freiheitsentziehung erreiche nicht die Schwelle für eine erhebliche Verfolgungshandlung nach § 3a Abs. 1 AsylG,
weil es jeweils an der Darlegung einer revisionsrechtlich klärungsfähigen Rechtsfrage von fallübergreifender Bedeutung fehlt. Der Kläger greift vielmehr lediglich die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts an und zielt ersichtlich auf den vorliegenden Einzelfall ab. Hiervon geht die Beschwerde auch selbst aus, indem sie ausdrücklich die korrekte Anwendung des § 3a Abs. 1 AsylG rügt, aber gerade keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufzeigt.
4 Im Übrigen würden auch Tatsachenfragen von grundsätzlicher Bedeutung für die Zulassung der Revision, anders als für die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO oder § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG, nicht ausreichen (stRspr, s. nur BVerwG, Beschluss vom 14. September 2020 - 1 B 38.20 - juris Rn. 3). Die Klärungsbedürftigkeit muss in Bezug auf den anzuwendenden rechtlichen Maßstab, nicht die richterliche Tatsachenwürdigung und -bewertung bestehen; auch der Umstand, dass das Ergebnis der zur Feststellung und Würdigung des Tatsachenstoffes berufenen Instanzgerichte möglicherweise voneinander abweicht oder für eine Vielzahl von Verfahren von Bedeutung ist, lässt für sich allein eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu.
5 Der zum 1. Januar 2023 in Kraft getretene § 78 Abs. 8 AsylG (BGBl. I 2022 S. 2817 <2822>) ändert hieran nichts. Denn hiernach steht den Beteiligten gegen das Urteil eines Oberverwaltungsgerichts die Revision abweichend von § 132 Abs. 1 und § 137 Abs. 1 VwGO nur zu, wenn das Oberverwaltungsgericht in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und es die Revision deswegen zugelassen hat.
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1.3 Die Revision ist auch nicht wegen der als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Frage zuzulassen,
ob die Maßstäbe, die das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, mit dem deutschen und gemeinsamen europäischen Asylrecht zu vereinbaren sind.
7 Insoweit fehlt es an jeglicher Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten Rechtsfrage von fallübergreifender Bedeutung. Soweit die Beschwerde in ihrer Begründung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 32) darauf abstellt, dass sich in Bezug auf die Rückkehrprognose eine rein quantitative Bewertung der Verfolgungsgefahr verbiete, es vielmehr darauf ankomme, ob die drohende Verfolgung bei einem besonnenen, vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung auslösen könne, hat das Berufungsgericht eben diesen Maßstab seiner Entscheidung (UA S. 10) ausdrücklich zugrunde gelegt, sodass auch die Entscheidungserheblichkeit der vorgenannten Frage nicht dargelegt und nicht ersichtlich ist. Mit ihren weiteren Ausführungen zur Verfolgungsfurcht des Klägers greift die Beschwerde erneut nur die Tatsachenwürdigung des Berufungsgerichts an, auf die eine Revisionszulassung aber nicht gestützt werden kann.
8 2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.