Beschluss vom 11.06.2025 -
BVerwG 2 B 43.24ECLI:DE:BVerwG:2025:110625B2B43.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 11.06.2025 - 2 B 43.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:110625B2B43.24.0]
Beschluss
BVerwG 2 B 43.24
- VG Berlin - 27.10.2022 - AZ: 80 K 12/21 OL
- OVG Berlin-Brandenburg - 13.06.2024 - AZ: 80 D 4/22
In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 11. Juni 2025 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dr. Hissnauer beschlossen:
- Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. Juni 2024 wird zurückgewiesen.
- Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1 Der Beklagte wendet sich gegen seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis im Rahmen des gerichtlichen Disziplinarverfahrens.
2 1. Der 19.. geborene Kläger steht als Kriminalkommissar (Besoldungsgruppe A 10 LBesO) im Dienst des Klägers. Im Jahr 2020 wurde der Beklagte vom Amtsgericht wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen in Tatmehrheit mit dem Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
3 Im sachgleichen Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten auf die Disziplinarklage des Klägers aus dem Beamtenverhältnis entfernt. In der Rechtsmittelbelehrung hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass den Beteiligten gegen das Urteil die Berufung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zusteht und die Berufung bei dem Verwaltungsgericht Berlin innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen ist. Gegen das ihm am 22. November 2022 zugestellte Urteil hat der Beklagte beim Verwaltungsgericht am 19. Dezember 2022 Berufung eingelegt. Der Vorsitzende der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts hat den Beklagten vorsorglich darauf hingewiesen, dass die Berufung innerhalb der Monatsfrist für die Einlegung zu begründen ist. Einen Antrag auf Verlängerung der Frist für die Begründung der Berufung hat der Beklagte beim Vorsitzenden des Disziplinarsenats des Oberverwaltungsgerichts nicht gestellt. Am Donnerstag, den 21. Dezember 2022, 16:55 Uhr, ist die Begründung der Berufung des Beklagten beim Oberverwaltungsgericht eingegangen.
4 Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten verworfen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte habe die Berufungsbegründung nicht innerhalb der Frist beim Verwaltungsgericht eingereicht. Die Begründung der Berufung müsse nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung beim Verwaltungsgericht eingereicht werden. Die dem Urteil des Verwaltungsgerichts beigefügte Rechtsmittelbelehrung sei auch nicht deshalb unrichtig, weil lediglich über die Monatsfrist für die Einlegung der Berufung belehrt worden sei, nicht aber über die Verpflichtung zur Begründung der Berufung innerhalb dieser Frist. Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei ausgeschlossen, weil der Beklagte nicht ohne Verschulden verhindert gewesen sei, die Frist für die Einreichung der Begründung der Berufung beim Verwaltungsgericht einzuhalten.
5 2. Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützte Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 41 DiszG BE, § 69 des Bundesdisziplinargesetzes vom 9. Juli 2001 <BGBl. I S. 1510>, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 19. Juni 2020 <BGBl. I S. 1328> - BDG a. F. - und § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist unbegründet.
6 Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. April 2017 - 1 B 70.17 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 68 Rn. 3 und vom 18. Dezember 2024 - 2 B 21.24 - juris Rn. 10).
7
Der Beschwerdebegründung kann bei rechtsschutzfreundlicher Auslegung entnommen werden, dass sie im Hinblick auf § 64 Abs. 1 BDG a. F. sinngemäß die Frage für klärungsbedürftig hält,
"ob in einem durch Disziplinarklage eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren die Berufungsbegründung fristwahrend auch dann beim Berufungsgericht eingereicht werden kann, wenn diese Frist zuvor nicht vom Vorsitzenden nach § 64 Abs. 1 Satz 3 BDG a. F. verlängert worden ist."
8 Diese Frage bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, weil sie bereits in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Sinne der Entscheidung des Berufungsgerichts geklärt ist, ohne dass die Beschwerde des Beklagten einen erneuten Klärungsbedarf aufzeigt.
9 Gemäß § 41 DiszG BE und § 64 Abs. 1 Satz 2 BDG a. F. ist die Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts über eine Disziplinarklage bei dem Verwaltungsgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen und zu begründen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Berufung unzulässig (§ 41 DiszG und § 64 Abs. 1 Satz 5 BDG a. F.). Der Wortlaut des Gesetzes ("einzulegen und zu begründen") ist insoweit eindeutig, als er sowohl die Einlegung als auch die Begründung der Berufung einer Disziplinarklage hinsichtlich Frist und Ort denselben Anforderungen unterwirft, nämlich der Einreichung beim Verwaltungsgericht. Lediglich für die Fallkonstellation eines rechtzeitig gestellten Fristverlängerungsantrags gemäß § 64 Abs. 1 Satz 3 BDG a. F. hat die Rechtsprechung aufgrund der Systematik und des Zwecks der Regelung eine Ausnahme von dem Erfordernis des Satzes 2 entwickelt (BVerwG, Urteil vom 13. Juli 2023 - 2 C 1.23 - juris Rn. 8; Beschlüsse vom 23. Mai 2017 - 2 B 51.16 - Buchholz 235.1 § 64 BDG Nr. 3 Rn. 12 und vom 22. Juli 2019 - 2 B 25.19 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 69 Rn. 8).
10 Die von der Beschwerde geforderte (generelle) Möglichkeit einer fristwahrenden Einlegung der Berufungsbegründung auch beim Berufungsgericht sieht das Gesetz lediglich in den von § 64 Abs. 2 BDG a. F. erfassten anderen ("Im Übrigen") disziplinargerichtlichen Verfahren vor, etwa bei der Klage gegen eine Disziplinarverfügung, in denen die Berufung der Zulassung entweder durch das Verwaltungsgericht oder durch das Oberverwaltungsgericht bedarf und in denen durch die in Bezug genommenen Vorschriften des § 124a Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 Satz 5 VwGO die fristwahrende Einreichung der Berufungsbegründung auch beim Oberverwaltungsgericht möglich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Mai 2017 - 2 B 51.16 - Buchholz 235.1 § 64 BDG Nr. 3 Rn. 12).
11 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 41 DiszG BE, § 77 Abs. 1 BDG a. F. i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil sich die Höhe der Gerichtskosten aus dem Gesetz ergibt (§ 41 DiszG BE und § 78 Satz 1 BDG a. F. i. V. m. Nr. 10 und 62 der Anlage zu diesem Gesetz).